EP: Kommission schließt rechtliche Lücken beim einheitlichen Patentschutz

Pressemitteilung der Europäischen Kommission Nr. IP/13/750 vom 29.7.2013:

Die Justiz im Dienst des Wachstums: Kommission schließt rechtliche Lücken beim einheitlichen Patentschutz

Die Europäische Kommission hat heute vorgeschlagen, den Rechtsrahmen für einen EU‑weiten Patentschutz zu vervollständigen und die EU-Vorschriften über die Rechtsprechung der Gerichte sowie die Anerkennung von Urteilen („Brüssel-I-Verordnung“) zu aktualisieren. Diese Änderungen werden den Weg für ein europäisches Patentgericht – das Einheitliche Patentgericht (EPG) – ebnen, das nach Ratifizierung der entsprechenden Vorschriften eingesetzt werden soll. Damit wird es für Erfinder und Unternehmen leichter, ihre Patente zu schützen. Das Gericht wird die ausschließliche Zuständigkeit für Patentstreitigkeiten besitzen, wodurch vermieden wird, dass mehrere Verfahren bei bis zu 28 nationalen Gerichten anhängig sind. Durch sinkende Kosten und rasche Entscheidungen über die Rechtsgültigkeit oder die Verletzung von Patenten erhält Europa einen Innovationsschub. Das Gericht ist Teil eines kürzlich vereinbarten Maßnahmenpakets zur Gewährleistung eines einheitlichen Patentschutzes im Binnenmarkt (IP/11/470).

„Durch geänderte Vorschriften für die Anerkennung von Urteilen schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass das neue Einheitliche Patentgericht seine Arbeit aufnehmen kann. Bei einem Streitfall sind die Unternehmen nicht mehr gezwungen, sich an eine Reihe von Gerichten in verschiedenen Ländern zu wenden“, sagte Vizepräsidentin Viviane Reding, die für Justiz zuständige EU-Kommissarin, und ergänzte: „Wenn die Verfahren unbürokratischer und kostengünstiger werden und die Rechtssicherheit steigt, weil man es nicht mehr mit 28 unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Systemen zu tun hat, gewinnt der Binnenmarkt an Attraktivität. Dieses Beispiel veranschaulicht sehr gut, wie Wachstumsimpulse von Maßnahmen im Justizbereich ausgehen können.“

Der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier erklärte dazu: „Damit Europa wettbewerbsfähig bleibt, müssen innovative Unternehmen unbedingt so rasch wie möglich von den lange erwarteten Vorteilen des einheitlichen europäischen Patents profitieren können. Auch wenn die politische Einigung vom Dezember 2012 ein großer Durchbruch war, wird das einheitliche Patent erst mit der Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts Realität. Genau das muss uns möglichst schnell gelingen, und mit dem heute vorgelegten Vorschlag sind wir diesem Ziel wieder ein gutes Stück näher gekommen.“

Die Zahlen sprechen für sich. Im Jahr 2011 wurden in den Vereinigten Staaten 224 000 Patente erteilt und in China 172 000, in Europa wurden dagegen lediglich 62 000 europäische Patente ausgestellt. Dieser Unterschied ist unter anderem auf die enormen Kosten und den für die Erlangung des Patentschutzes im gesamten Binnenmarkt erforderlichen Aufwand zurückzuführen. Wenn man derzeit seine Erfindungen europaweit schützen lassen will, muss man europäische Patente in allen 28 EU‑Mitgliedstaaten validieren lassen. Der Patentinhaber kann in verschiedenen Ländern an mehreren Streitsachen beteiligt sein, die denselben Fall betreffen. Dank der Einigung über das Paket für den einheitlichen Patentschutz wird sich dies in naher Zukunft jedoch ändern.

Das Einheitliche Patentgericht, das mit dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 eingerichtet wurde (PRES/13/61), wird die Verfahren vereinfachen und die Entscheidungsfindung beschleunigen: Künftig wird nur mehr ein einziges Gerichtsverfahren vor dem ausschließlich zuständigen Gericht geführt, so dass die bei nationalen Gerichten parallel anhängigen Verfahren bald der Vergangenheit angehören. Da das Gericht Urteile über die Rechtsgültigkeit und Verletzung europäischer und einheitlicher Patente für alle Vertragsstaaten fällen kann, werden Parallelverfahren und voneinander abweichende Entscheidungen künftig vermieden. Bisher beteiligen sich 25 Mitgliedstaaten an diesem einheitlichen Patentrahmen, der allen Mitgliedstaaten offensteht.

Hinsichtlich der Festlegung der internationalen Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts stützt sich das Übereinkommen auf die „Brüssel-I-Verordnung“ (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012).

Die Kommission schlägt deshalb vor, durch eine Änderung der Brüssel-I-Verordnung zu präzisieren, wie die gerichtliche Zuständigkeit im Kontext des Einheitlichen Patentgerichts geregelt ist und in welcher Form die Verordnung für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens über das Einheitliche Patentgericht sind, und den übrigen Mitgliedstaaten gelten soll.

Nächste Schritte
Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen dem Vorschlag zustimmen, damit er rechtsgültig werden kann.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auch dazu auf, das Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht so rasch wie möglich zu ratifizieren und die entsprechenden Vorarbeiten abzuschließen, damit das Gericht sein Tätigkeit aufnehmen kann und die ersten einheitlichen Patente binnen möglichst kurzer Frist erteilt werden.

Hintergrund

Nach dem geltenden EU-Recht müssen Streitigkeiten über die Rechtsgültigkeit oder eine mutmaßliche Verletzung eines Patents vor die Gerichte des Mitgliedstaats gebracht werden, in dem das Patent angemeldet wurde. Die Verfahren können entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats stattfinden, in dem der Beklagte niedergelassen ist, oder vor den Gerichten des Mitgliedstaates, in dem es zu dem Verstoß kam bzw. kommen könnte. Bei vielen Patentverletzungsverfahren bringt der Beklagte vor, dass das Patent nicht gültig ist. Für solche Fälle ist ausschließlich der Staat zuständig, in dem das Patent erteilt wurde. In der Praxis bedeutet dies, dass der Patentinhaber teure und aufwendige Parallelverfahren führen muss, bei denen die Gerichte möglicherweise voneinander abweichenden Entscheidungen fällen.

Bereits seit den 1970-er Jahren bemüht man sich – bisher immer erfolglos – um ein einheitliches, europaweit gültiges und rechtsverbindliches Patent.

Im April 2011 legte die Kommission neue Vorschläge zur Einführung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (oder „einheitliches Patent“) im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit vor (IP/11/470) und (MEMO/11/240).

Im Dezember 2012 erzielten das Europäische Parlament und der Rat die lange erwartete Einigung über das Paket für den einheitlichen Patentschutz. Damit war der Weg frei für die Unterzeichnung des internationalen Übereinkommens über das Einheitliche Patentgericht.

Durch das Paket für den einheitlichen Patentschutz wird es möglich sein, in den 25 teilnehmenden Mitgliedstaaten durch einen einzigen Antrag Patentschutz zu erlangen, ohne dass in den Mitgliedstaaten weitere Verwaltungsformalitäten, etwa Validierungs- und Übersetzungsanforderungen, erfüllt werden müssen. Erfinder und Unternehmen werden dadurch zu erheblich niedrigeren Kosten und mit wesentlich weniger bürokratischen Hürden Zugang zu den Märkten aller Mitgliedstaaten erhalten, die an der verstärkten Zusammenarbeit und dem Übereinkommen über das Einheitliche Patentgerichts beteiligt sind.

Das internationale Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht wurde am 19. Februar 2013 unterzeichnet. Das Einheitliche Patentgericht wird für Streitigkeiten zuständig sein, die sowohl künftige einheitliche Patente als auch die bereits bestehenden „klassischen“ europäischen Patente betreffen. Das Übereinkommen muss jetzt von den beteiligten Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Das Einheitliche Patentgericht wird als einziges ausschließlich zuständiges Patentgericht auf lokaler und regionaler Ebene in den EU-Mitgliedstaaten vertreten sein. Anstatt Parallelverfahren vor nationalen Gerichten führen zu müssen, werden die Parteien künftig rasch qualifizierte Entscheidungen für alle Staaten

Einheitliches Patentgericht und mittelbare Patentverletzung – ein echter Mehrwert

1. Mittelbare Patentverletzung und doppelter Inlandsbezug

Die Vorschrift des deutschen Patentgesetztes zur mittelbaren Patentverletzung (§ 10 PatG), die (derzeit noch) auch für den deutschen Teil europäischer Patente gilt, weist einen doppelten Inlandsbezug auf. Nicht nur die Handlung des mittelbaren Verletzers muss im Inland erfolgen, sondern das Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht (im Folgenden: erfindungswesentliches Mittel), muss auch zur Benutzung in Deutschland angeboten oder geliefert werden. Das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland stellt dann keine mittelbare Verletzungshandlung dar, wenn es zur Benutzung der Erfindung im Ausland erfolgt. Dies gilt selbst dann, wenn dort ein anderer Teil des europäischen Patents in Kraft steht.

Ähnliche Regelungen der mittelbaren Patentverletzung, die einen doppelten Inlandsbezug erfordern, finden sich auch in den Patentgesetzen anderer EPÜ-Mitgliedsstaaten (z.B. Section 60(2) UK Patents Act; Art. 613-4 CPI).

Das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland, das zur Benutzung der Erfindung in England oder Frankreich erfolgt, ist (derzeit) keine mittelbare Patentverletzung, selbst wenn ein europäisches Patent in allen drei Staaten in Kraft ist. Ähnlich ist das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in England oder Frankreich, das zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt, keine mittelbare Verletzung des englischen oder französischen Teils des Patents (da es zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt), aber auch keine mittelbare Verletzung des deutschen Teils (da der mittelbare Verletzer nicht in Deutschland handelt).

2. Änderung durch das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht

Das geplante Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (im Folgenden: das Übereinkommen) wird einen besseren Schutz gegen mittelbare Verletzungen bieten. Zwar weist auch Artikel 26 des Übereinkommens einen doppelten Bezug auf das Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedsstaaten des Übereinkommens, in denen das Patent Wirkung hat, auf:

Art. 26 (1): Ein Patent gewährt seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen dieses Patent Wirkung hat, anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in diesem Gebiet anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder hätte wissen müssen, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Da „dieses Gebiet“ (also das Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen das Patent Wirkung hat) regelmäßig – und im Fall eines Einheitspatents immer – mehr als das Territorium nur eines Staates umfasst, bietet Artikel 26 (1) des Übereinkommens einen besseren Schutz gegen mittelbare Patentverletzungen als die derzeitigen nationalen Vorschriften, nämlich dann, wenn das Liefern oder Anbieten des erfindungswesentlichen Mittels in einem anderen Staat erfolgt als demjenigen, in dem die Benutzung der Erfindung beabsichtigt ist.

Für ein Einheitspatent oder ein europäisches Patent, das in Deutschland, Frankreich und England in Kraft ist, würde nach Art. 26 des Übereinkommens gelten: Das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland, das zur Benutzung der Erfindung in England oder Frankreich erfolgt, ist eine mittelbare Verletzungshandlung, wenn die weiteren Voraussetzungen des Art. 26 des Übereinkommens erfüllt sind. Ähnlich ist die das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in England oder Frankreich, das zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt, eine mittelbare Verletzung nach Art. 26 des Übereinkommens.

Der Schutz des Art. 26 des Übereinkommens geht also weiter als der Schutz, den die nationalen Verletzungsvorschriften in ihrer Summe derzeit gegen mittelbare Verletzungshandlungen gewähren.

3. Probleme

Da die Regelungen über die Verletzungshandlungen (einschließlich der Regelung der mittelbaren Verletzung) in der letzten Phase der Beratungen aus der Verordnung Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes in das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht überführt wurden, gelten diese Vorschriften auch für herkömmliche europäische (Bündel-)Patente, für die keine einheitliche Wirkung eingetragen ist (vgl. Legaldefinition in Art. 2 lit. g) des Übereinkommens).

Dies bringt zum einen das Problem mit sich, dass der deutsche Teil eines europäischen Patents – entgegen der Verpflichtung des Art. 2(2), 64 (1) EPÜ – nicht mehr die gleiche Wirkung hat und dieselben Rechten verleiht wie ein deutsches nationales Patent. Dies könnte möglicherweise durch eine Änderung von § 10 PatG behoben werden.

Kritischer könnte sein, dass Art. 26 des Übereinkommens auch außerhalb der verstärkten Zusammenarbeit, nämlich bei Anwendung des Art. 26 des Übereinkommens auf europäische (Bündel-)Patente, zu einer Ungleichbehandlung verschiedener EU-Mitgliedsstaaten führt. Denn während beispielsweise dem Patentinhaber Schutz gegen das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland gewährt wird, das zur Benutzung der Erfindung in einem anderen Vertragsmitgliedsstaat des Übereinkommens erfolgt, wird ein solcher Schutz versagt, wenn das Liefern oder Anbieten zur Benutzung der Erfindung in einem EU-Mitgliedsstaat erfolgt, der nicht Vertragsstaat des Übereinkommens ist. Dies gilt selbst dann, wenn das entsprechende europäische (Bündel-)Patent auch für diesen EU-Mitgliedsstaat in Kraft steht.

Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung und die Tücken des IPR

1. Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung wird als Gegenstand des Vermögens einer bestimmten Rechtsordnung unterstehen. Die entsprechende Kollisionsnorm ist in Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (im Folgenden: EPV) enthalten:

„(1) Ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung als Gegenstand des Vermögens ist in seiner Gesamtheit und in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten wie ein nationales Patent des teilnehmenden Mitgliedstaats zu behandeln, in dem dieses Patent einheitliche Wirkung hat, und in dem, gemäß dem Europäischen Patentregister:
a) der Patentanmelder zum Zeitpunkt der Einreichung einer Anmeldung eines Europäischen Patents seinen Wohnsitz oder den Sitz seiner Hauptniederlassung hat oder,
b) sofern Buchstabe a nicht zutrifft, der Patentanmelder zum Zeitpunkt der Einreichung einer Anmeldung eines Europäischen Patents eine Niederlassung hatte.

(3) Hatte für die Zwecke der Absätze 1 oder 2 keiner der Patentanmelder seinen Wohnsitz, den Sitz seiner Hauptniederlassung oder seine Niederlassung in einem teilnehmenden Mitgliedstaat, in dem dieses Patent einheitliche Wirkung hat, so ist ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung als Gegenstand des Vermögens in seiner Gesamtheit und in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten wie ein nationales Patent des Staates zu behandeln, in dem die Europäische Patentorganisation gemäß Artikel 6 Absatz 1 EPÜ ihren Sitz hat.“

Noch größere Bedeutung gewinnt diese Vorschrift dadurch, dass nach Artikel 5(3) EPV auch für die Verletzungstatbestände und deren Beschränkungen das Recht dieses Mitgliedsstaates anwendbar ist.

2. Leider führt Artikel 7 EPV nicht immer in eindeutiger Weise zum Recht nur eines Mitgliedsstaates:

2.1) Erstens ist nach Regel 41(2) c) EPÜ im Erteilungsantrag der Staat des Sitzes des Anmelders (gemeint ist der Staat der Hauptniederlassung, wie aus der englischen Fassung von Regel 41(2) c) EPÜ deutlich wird) anzugeben, der dann auch im Register eingetragen wird. Der Staat einer Niederlassung, die nicht auch Hauptniederlassung ist, kann allenfalls dann im Europäischen Patentregister erscheinen, wenn im Erteilungsantrag eine Angabe gemacht wird, die nicht Regel 41(2) c) EPÜ entspricht und somit streng genommen ein Mangel ist, der auf eine Rüge nach Regel 58, 57 b) EPÜ in der Formalprüfung zu beheben wäre.

Dies führt beispielsweise dann zu einer Unsicherheit bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts, wenn im Erteilungsantrag der Staat einer Niederlassung angegeben wird und diese Angabe bei der Formalprüfung und noch vor Veröffentlichung der Patentanmeldung dahingehend korrigiert wird, dass ein anderer Mitgliedstaat als Staat der Hauptniederlassung angegeben wird.

Es stellt sich die Frage, ob in einem solchen Fall
a) das Recht des Staats der zuerst angegebenen Niederlassung maßgeblich sein soll, nur weil dieser Staat bei Einreichung der Anmeldung angegeben wurde und obwohl dieser Staat weder auf der Veröffentlichung der Patentanmeldung noch im Europäischen Register für Dritte einsehbar angezeigt wurde, oder
b) das Recht des Staats der Hauptniederlassung maßgeblich sein soll, da der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung dort schon die Hauptniederlassung hatte und immer nur dieser Staat im Europäischen Register für Dritte einsehbar war, oder
c) das Recht Deutschlands nach Artikel 7(3) EPV maßgeblich sein soll, da der Anmelder zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung zwar seine Hauptniederlassung in einem Mitgliedsstaat hatte, aber diese zu diesem Zeitpunkt nicht im Europäischen Patentregister eingetragen werden konnte.

2.2) Zweitens muss die Angabe des Staats der Hauptniederlassung oder Niederlassung nicht bei Einreichung einer Patentanmeldung erfolgen. Die entsprechende Angabe kann im Rahmen der Formalprüfung nach Regel 58, 57 b) EPÜ nachgeholt werden, sofern die Identität des Anmelders festgestellt werden kann oder eine Kontaktaufnahme mit ihm möglich ist (z.B. über seinen Vertreter) (Regel 40 (1) b) EPÜ).

Wenn der Anmelder nach Einreichung der Anmeldung und vor Beantwortung eines Mängelbescheids nach Regel 58, 57 b) EPÜ seine Hauptniederlassung in einen Mitgliedsstaat verlegt oder eine Niederlassung in einem Mitgliedsstaat veröffentlich, könnte er den entsprechenden Staat bei Beantwortung der Mitteilung nach Regel 58 EPÜ angeben. Dem Europäischen Patentregister kann in keiner Weise entnommen werden, ob die Hauptniederlassung oder Niederlassung in diesem Staat schon zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung bestand.

Es stellt sich die Frage, ob in einem solchen Fall
a) das Recht des Staats maßgeblich sein soll, der bei der Formalprüfung angegeben wurde, nur weil er als einziger Staat im Europäischen Patentregister erscheint und obwohl er zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung noch nicht Staat der Hauptniederlassung oder Niederlassung war, oder
b) das Recht Deutschlands nach Artikel 7(3) EPV maßgeblich sein soll, da der Anmelder zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung weder Hauptniederlassung noch Niederlassung in einem Mitgliedsstaat hatte.

2.3) Drittens divergieren die deutsche und englische Fassung von Artikel 7 EPV bezüglich des maßgeblichen Zeitpunkts. Artikel 7 EPV in der deutschen Fassung nimmt Bezug auf den „Zeitpunkt der Einreichung einer Anmeldung“. Artikel 7 EPV in der englischen Fassung nimmt Bezug auf „the date of filing of the application“ (d.h. den Anmeldetag i.S.v. Regel 40 EPÜ).

Ein typisches Beispiel, bei dem die beiden Zeitpunkte auseinanderfallen, liegt bei Teilanmeldungen vor. Bei einer Teilanmeldung liegt der Tag der Einreichung (= der Tag, an dem die Teilanmeldung beim EPA eingeht) später als der Anmeldetag, der nach Artikel 76(1) EPÜ auf den Anmeldetag der Stammanmeldung fingiert wird.

Es stellt sich die Frage, ob eine nach dem Anmeldetag der Stammanmeldung im Register eingetragene Änderung des Staates des Anmelders dazu führt, dass
a) das Recht des Mitgliedsstaates maßgeblich sein soll, der bei Einreichung der Teilanmeldung als Staat des Anmelders im Europäischen Patentregister eingetragen war (so nach der deutschen Fassung von Artikel 7 EPV), oder
b) das Recht des Mitgliedsstaates maßgeblich sein soll, der am Anmeldetag der Stammanmeldung als Staat des Anmelders im Europäischen Patentregister eingetragen war (so nach der englischen Fassung von Artikel 7 EPV).

2.4) Viertens kann sich selbst der Anmeldetag einer Anmeldung verschieben, wenn fehlende Teile nachgereicht werden (Regel 56(2) oder (5) EPÜ) oder die nachgereichten Teile anschließend wieder zurückgenommen werden (Regel 56 (6) EPÜ). Auch hier stellt sich die Frage, welcher Staat maßgeblich sein soll, wenn zwischenzeitlich eine Änderung im Staat des Anmelders erfolgt ist und dem EPA mitgeteilt wurde.

2.5) Fünftens bestehen zumindest die in 2.3 und 2.4 genannten Probleme, dass der maßgebliche Zeitpunkt nicht eindeutig bestimmt ist, auch für eine Anmeldermehrheit (Artikel 7(2) EPÜ). Beispielsweise sind Fälle vorstellbar, bei denen zwischen dem Tag der Einreichung einer Anmeldung und dem (Anmelde-)Tag, auf den nach Regel 56(2) EPÜ eine Verschiebung erfolgt, ein Anmelder hinzugefügt wird.

3. Die oben skizzierten Probleme können wesentlichen Einfluss auf die materielle Rechtslage haben, wenn ein Patent mit einheitlicher Wirkung übertragen wird. Dies gilt beispielsweise:

  • bei den Formerfordernissen für einen Übertragungsvertrag (keine Formerfordernisse nach deutschem Recht; Schriftform vorgeschrieben nach englischem Recht nach Section 30 (6) UK Patents Act) oder
  • der Publizitätswirkung des Registers, wenn ein Patentinhaber mehrere aufeinanderfolgende Übertragungsverträge über dasselbe Patent mit einheitlicher Wirkung abschließt (deutsches Recht: Der erste Vertrag ist wirksam und der Vertragspartner des zweiten Übertragungsvertrags kann vom ursprünglichen Inhaber nicht mehr wirksam das Recht an dem Patent mit einheitlicher Wirkung erwerben; englisches Recht: Der spätere Vertrag ist wirksam, falls die erste Übertragung nicht im Register eingetragen ist oder eine solche Eintragung nicht beantragt wurde, Section 33(1) UK Patents Act).

4. Die oben skizzierten Probleme bei der Bestimmung des nach Artikel 7 EPV maßgeblichen Rechts haben auch Auswirkungen auf das Verletzungsverfahren. Nach Artikel 5(3) EPV gilt das so bestimmte Recht nämlich auch für die „Handlungen, gegen die das Patent Schutz … bietet, sowie die geltenden Beschränkungen“.

Die Verletzungshandlugen sind zwar in Artikel 25 und Artikel 26 des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (im Folgenden: EGPÜ) definiert, und Artikel 27 EGPÜ definiert Beschränkungen des Schutzes. Im Rahmen der Regelung der Artikel 25 bis 27 EGPÜ stimmt das materielle Recht der Mitgliedsstaaten also überein (ist also „materielles Einheitsrecht“).

Allerdings kann das Recht der Mitgliedsstaaten anderen Beschränkungen vorsehen, die nicht im EGPÜ geregelt sind und somit nicht in allen Mitgliedsstaaten einheitlich sind. Man denke hier beispielsweise an den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand, für den in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten unterschiedliche Ansätze gewählt werden (siehe hierzu beispielsweise Standards-Essential Patents and Injunctive Relief, Jones Day).

EU-Patent nimmt nächste Hürde – Verstärkte Zusammenarbeit rechtens

Wie Juve berichtet, hat am 16. April 2013 der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des Patentrechts  im Einklang mit Unionsrecht ist.

Italien und Spanien hatten gegen die verstärkte Zusammenarbeit geklagt, da diese Länder in erster Linie nicht mit der Sprachenregelung für das geplante EU-Patent einverstanden sind.

Durch die Entscheidung des EuGH ist wieder eine Hürde auf dem Weg zum EU-Patent aus dem Weg geräumt. Das EU-Patent kann bereits im Jahre 2014 in Kraft treten, wenn es mindestens 13 Mitgliedsstaaten inklusive Deutschland, Frankreich und Großbritannien ratifiziert haben.

EU-Patent und nachveröffentlichter Stand der Technik

Es ist derzeit nicht ganz einfach, den Überblick über die aktuellen Entwicklungen beim EP-Patent mit einheitlicher Wirkung und dem geplanten Übereinkommen über die Schaffung eines Europäischen Patentgerichtssystems (im Folgenden: UPC-Übereinkommen) zu behalten. Bei einer Durchsicht der nun erlassenen Verordnung zur Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (genauer: der Verordnung über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutze – aus ersichtlichen Gründen wird diese im Folgenden nur noch als Patent-VO bezeichnet) ist mir folgender Punkt aufgefallen, den ich für sehr wichtig halte.

Die früheren Entwürfe für die Patent-VO sahen noch vor, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit eine Durchbrechung erfährt, wenn neuheitsschädlicher nachveröffentlichten Stand der Technik existiert. So hieß es in Artikel 5 des Entwurfs für die Patent-VO (Kommissionsdokument COM(2011) 215/3) noch:

„In the event of a limitation or a revocation on the ground of lack of novelty pursuant to Article 54(3) of the EPC [eigentlich gemeint gewesen sein dürften nationale nachveröffentlichte Dokumente nach Artikel 139(2) EPÜ oder Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ, Anm.], the limitation or revocation of a European patent with unitary effect shall take effect only in respect of the participating Member State(s) designated in the earlier European patent application as published.”

Diese Regelung ist im Rechtssetzungsverfahren (aufgrund von Änderungsvorschlägen im Rechtsausschuss des Parlaments) entfallen. Die erlassene Patent-VO betont vielmehr immer wieder den Grundsatz der Einheitlichkeit, ohne eine Spezialregelung für den Fall vorzusehen, dass nachveröffentlichter nationaler Stand der Technik einem Anspruch des EP-Patents mit einheitlicher Wirkung neuheitsschädlich entgegensteht.

So heißt es beispielsweise in der Patent-VO
– in ErwG (7): „Folglich sollte ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen, für nichtig erklärt oder erlöschen.“
– in Artikel 3(2): „Ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung hat einen einheitlichen Charakter. Es bietet einheitlichen Schutz und hat gleiche Wirkung in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten. Es kann nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden oder erlöschen.“

Auch die aktuellste der derzeit im Internet gut auffindbaren Fassungen des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass nachveröffentlichter (nationaler) Stand der Technik einem Anspruch des EP-Patents mit einheitlicher Wirkung neuheitsschädlich entgegensteht. So verweist Artikel 38a(2) des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen auf Artikel 139(2) EPÜ: „The Court may revoke a patent, either entirely or partly, only on the grounds referred to in Articles 138(1) and 139(2) of the EPC.“ Artikel 139(2) EPÜ betrifft die neuheitsschädliche Wirkung des nachveröffentlichen (nationalen) Stands der Technik gegenüber dem entsprechenden nationalen Teil eines Europäischen Patents. Jedoch scheint auch diese Regelung im Entwurf für das UPC-Übereinkommen nicht mit der notwendigen Klarheit zu regeln, welche Wirkung eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung für das Patent mit einheitlicher Wirkung hat. Das „partly“ in Artikel 38a(2) des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen scheint sich nur auf die Einschränkung des Anspruchs (d.h. des Schutzgegenstands) im Rechtsbestandsverfahren, nicht auf eine territoriale Beschränkung auf diejenigen Staaten zu beziehen, in denen es keinen neuheitsschädlichen nachveröffentlichten Stand der Technik gibt.

Nach meiner Auffassung könnten die derzeitigen Regelungen auf zweierlei Weise ausgelegt werden:

a) Eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung in nur einem der Staaten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten, würde dazu führen, dass das EP-Patent mit einheitlicher Wirkung insgesamt (also für alle Staaten) beschränkt oder nichtig erklärt werden muss. Zu diesem Ergebnis könnte man mit der Überlegung gelangen, dass aufgrund der Wirkung der nachveröffentlichten nationalen Anmeldung als Stand der Technik nach Artikel 139(2) EPÜ das EP-Patent mit einheitlicher Wirkung nicht in allen Staaten Bestand haben kann und daher – wegen Art. 3 (2) der Patent-VO – mit Wirkung für alle Staaten beschränkt oder widerrufen werden muss. Für eine solche Interpretation könnten auch die Historie des Rechtssetzungsverfahrens sprechen, in dem eine (ursprünglich vorgesehene) Regelung dahingehend, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit bei nachveröffentlichtem Stand der Technik durchbrochen wird, schlussendlich verworfen wurde. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass eine derart drastische Wirkung einer nachveröffentlichten nationalen Patentanmeldung tatsächlich beabsichtigt war, wenn man dem EP-Patent mit einheitlicher Wirkung zum Erfolg verhelfen wollte. Man könnte in diesem Fall einem Anmelder bzw. Patentinhaber wohl nie zur Eintragung der einheitlichen Wirkung raten.

ODER:

b) Eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung in nur einem der Staaten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten, würde zwar dazu führen, dass die einheitliche Wirkung entfällt, nicht aber dazu, dass das EP-Patent auch mit Wirkung für die anderen Staaten beschränkt oder nichtig erklärt werden muss. Zu diesem Ergebnis könnte man mit der Überlegung gelangen, dass die nachveröffentlichte nationale Anmeldung als Stand der Technik nach Artikel 139(2) EPÜ nur das EP-Patent im entsprechenden „Kollisionsstaat“ betrifft und deswegen zu unterschiedlichen Anspruchssätzen in den unterschiedlichen Staaten führen würde. Dies lässt die Voraussetzung für die Eintragung der einheitlichen Wirkung entfallen (Art. 3 (3) der Patent-VO), stellt aber nicht den Rechtsbestand des EP-Patents in den anderen Staaten in Frage. Alternativ könnte der Patentinhaber die Ansprüche für alle Staaten so einschränken, dass sie neu gegenüber jedem nachveröffentlichten nationalen Stand der Technik sind. Dieses Ergebnis ist für den Patentinhaber deutlich weniger schlimm als bei der obigen Interpretation a), würde ihn aber immer noch vor die unangenehme Wahl stellen, entweder die Ansprüche selbst für die Staaten einschränken zu müssen, in denen es keinen nachveröffentlichten nationalen Stand der Technik gibt, oder die einheitliche Wirkung zu verlieren. Rechtliche Regelungen für den Fall, dass die einheitliche Wirkung nachträglich aufgrund unterschiedlicher Anspruchssätze in unterschiedlichen Staaten entfällt, wären in diesem Fall relevant (z.B. im Hinblick auf Jahresgebühren), scheinen aber weder in der Patent-VO noch im Entwurf für das UPC-Übereinkommen enthalten zu sein.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die oben skizzierte Interpretation a), die so drastische Wirkungen für den Schutzrechtsinhaber hätte, im Bereich der Gemeinschaftsschutzrechte durchaus vorkommt. So sieht beispielsweise Art. 25 Abs. 1 d) (ii) GGsmVO vor, dass ein nachveröffentlichtes nationales Geschmacksmuster eines EU-Mitgliedsstaats zur Nichtigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters führt.

Vielleicht bringen die weiteren Arbeiten am UPC-Übereinkommen und/oder an den Verfahrensregeln für das Patentgericht Klärung der skizzierten Fragen. Zu wünschen wäre dies jedenfalls.

EuGH: Gerichtsstand der unerlaubten Handlung und negative Feststellungsklage

Der EuGH hat im Urteil in der Rechtssache C‑133/11 (Urteil vom 25.10.2012) entschieden, dass die internationale Zuständigkeit am Ort der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) auch für die negative Feststellungsklage eröffnet ist. Mit dem Urteil wurde die in der Entscheidung BGH KZR 8/10 – Trägermaterial für Kartenformulare gestellte Vorlagefrage beantwortet.

Wichtige Konsequenzen wird diese Entscheidung beispielsweise für die unberechtigte Abmahnung aus einem europäischen Bündelpatent haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Abmahnung auf mehrere Staaten bezieht (beispielsweise weil der Patentinhaber nur pauschal auf das EP-Patent, nicht auf einen einzelnen nationalen Teil desselben Bezug nimmt). Der zu Unrecht Abgemahnte kann eine negative Feststellungsklage (sofern sie nach den nationalen Vorschriften zulässig ist) in allen Staaten erheben, für die er abgemahnt wurde. Das eröffnet dem zu Unrecht Abgemahnten die Möglichkeit, die Klage in einem ihm genehmen Staat zu erheben. Da die Kognitionsbefugnis der Gerichte am Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auf die (Nicht-)Verletzung im jeweiligen Staat beschränkt ist, kann der zu Unrecht Abgemahnte sogar parallel in unterschiedlichen Staaten mehrere negative Feststellungsklagen jeweils am Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO erheben.

Ein Schutzrechtsinhaber, der einen Verletzer aus einem EP-Bündelpatent abmahnen will, wird tunlichst abwägen, ob die Abmahnung nicht spezifisch auf Schutzrechte und/oder Handlungen in einem bestimmten Staat beschränkt werden soll. Nur so kann der Schutzrechtsinhaber der Gefahr begegnen, in einer Vielzahl von Staaten gerichtspflichtig zu werden, wenn sich die Abmahnung als unberechtigt herausstellt.

BGH, X ZR 58/07: Patentierung von Zellen, die aus menschlichen Stammzellen hergestellt werden

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 198/2012 vom 27. November 2012

Aus der Pressemitteilung:

Der für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Patentierung von Zellen entschieden, die aus menschlichen Stammzellen hergestellt werden.

Der EuGH hat mit Urteil vom 18. Oktober 2011 (C-34/10 – Brüstle/Greenpeace) unter anderem entschieden, dass jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an ein „menschlicher Embryo“ im Sinne der Richtlinie ist, dass der Patentierungsausschluss sich auch auf die Verwendung von menschlichen Embryonen zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung bezieht und dass eine Erfindung nach Art. 6 der Richtlinie auch dann von der Patentierung ausgeschlossen ist, wenn in der Beschreibung der beanspruchten technischen Lehre die Verwendung menschlicher Embryonen nicht erwähnt ist, die technische Lehre, die Gegenstand des Patentantrags ist, aber die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen oder deren Verwendung als Ausgangsmaterial erfordert.

Den Einsatz von menschlichen embryonalen Stammzellen als solchen hat der Bundesgerichtshof nicht als Verwendung von Embryonen im Sinne der Richtlinie qualifiziert. Stammzellen weisen nicht die Fähigkeit auf, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen. Dass sie unter Umständen durch Kombination mit bestimmten anderen Zellen in einen Zustand versetzt werden können, in dem sie über die genannte Fähigkeit verfügen, reicht nicht aus, um sie schon vor einer solchen Behandlung als Embryonen ansehen zu können.

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 193/2012, Haftung von Eltern für illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 193/2012, Haftung von Eltern für illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder zu BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12 – Morpheus

Laut Pressemitteilung hat der I. Zivilsenat entschieden:

Eltern haften für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt hatten und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt.

Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.