BGH, I ZR 95/22 – Peek & Cloppenburg V

BGH, Urteil vom 10. Januar 2024 – I ZR 95/22 – Peek & Cloppenburg V

a) Stört eines von zwei gleichnamigen Handelsunternehmen, die an unterschiedlichen Standorten im Bundesgebiet stationäre Warenhäuser betreiben, die zwischen ihnen bestehende kennzeichenrechtliche Gleichgewichtslage durch eine bundesweite Werbung für seinen Onlineshop in sozialen Netzwerken, die auch seinen stationären Warenhäusern zugutekommt, muss es zur Vermeidung von Verwechslungen und Fehlzuordnungen des beworbenen Warenangebots hinreichend darüber aufklären, welchem der beiden Unternehmen die Werbung zuzurechnen ist. Ein entsprechender aufklärender Hinweis muss auch die Standorte der stationären Warenhäuser entweder ausdrücklich aufführen oder sie in einer Weise zugänglich machen, die dem gleichkommt. Bei einer Internetwerbung kann dies durch eine Verlinkung geschehen, durch die der angesprochene Verkehr unmittelbar zu einer Internetseite weitergeleitet wird, auf der die Häuserstandorte aufgeführt sind.

b) Die durch die Verletzung eines Unternehmenskennzeichens begründete Wiederholungsgefahr kann – wie die Wiederholungsgefahr nach der Verletzung einer nationalen Marke oder einer Unionsmarke – regelmäßig nicht schon durch die Aufgabe der beanstandeten Tätigkeit beseitigt werden. Auch das Vorbringen, es habe sich bei dem rechtsverletzenden Verhalten um einen einmaligen Vorfall gehandelt, kann den Verletzer nicht entlasten.

BGH, I ZB 28/23

BGH, Beschluss vom 12. Oktober 2023 – I ZB 28/23

Gerichtlicher Leitsatz:

MarkenG § 8 Abs. 2 Nr. 1
a) Das Eintragungshindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG steht der Eintragung einer Marke für mit einem weiten Warenoberbegriff bezeichnete Waren und Dienstleistungen schon dann entgegen, wenn es hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren und Dienstleistungen vorliegt.

b) Fasst der Verkehr das aus dem Namen einer Sehenswürdigkeit – bestehend aus einer adjektivierten Ortsangabe und einer Bauwerksbezeichnung (hier: Kölner Dom) – gebildete Zeichen im Zusammenhang mit Waren, die als Reiseandenken oder -bedarf in Betracht kommen, nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Waren auf, fehlt dem Zeichen jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG (Festhaltung BGH, Beschluss vom 8. März 2012 – I ZB 13/11, BGHZ 193, 21 – Neuschwanstein; Abgrenzung zu EuGH, Urteil vom 6. September 2018 – C-488/16, GRUR 2018, 1146 – Bundesverband Souvenir – Geschenke – Ehrenpreise/EUIPO [Neuschwanstein]).

Aus der Urteilsbegründung:

Die Unterscheidungskraft eines als Marke angemeldeten Zeichens muss unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände, einschließlich sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke, geprüft werden (vgl. EuGH, GRUR 2019, 1194 [juris Rn. 33] – AS/DPMA [#darferdas?]; BGH, GRUR 2020, 411 [juris Rn. 15] – #darferdas? II). Einzubeziehen sind die üblichen Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Warensektor. Sind in der maßgeblichen Branche mehrere Verwendungsarten praktisch bedeutsam, müssen bei der Prüfung der Unterscheidungskraft alle diese verschiedenen Verwendungsarten berücksichtigt werden, um zu klären, ob der Durchschnittsverbraucher der erfassten Waren oder Dienstleistungen das Zeichen als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft wahrnehmen kann (vgl. EuGH, GRUR 2019, 1194 [juris Rn. 25] – AS/DPMA [#darferdas?]; BGH, GRUR 2020, 411 [juris Rn. 15] – #darferdas? II). Daher kann es von der tatsächlichen Art und Weise der Anbringung auf oder im Zusammenhang mit der betreffenden Ware oder Dienstleistung abhängen, ob ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen im Einzelfall als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Im Eintragungs- und Löschungsverfahren erfordert es die Annahme der Unterscheidungskraft nicht, dass grundsätzlich jede denkbare Verwendung des Zeichens als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden werden muss. Es genügt, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das Zeichen bei den Waren und Dienstleistungen, für die es Schutz beansprucht, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird. Die Anbringung eines Zeichens in der Art einer Marke auf der Ware, auf Etiketten der fraglichen Ware oder auf der Verpackung führt aber nicht ausnahmslos dazu, dass der Verkehr es als Herkunftshinweis versteht. Vielmehr kann auch bei dieser Art der Anbringung die Beantwortung der Frage, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis ansieht, nach der Art des Zeichens und der Waren variieren, an denen es angebracht wird. Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Verkehr das Markenwort wegen einer besonderen Nähe zu den Verwendungsmöglichkeiten der Waren unabhängig von der konkreten Präsentation auf der Ware, auf Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder der Verpackung jeweils nur in einem beschreibenden Sinn auffasst und ihm deshalb keinen Herkunftshinweis entnimmt (vgl. BGHZ 193, 21 [juris Rn. 20] – Neuschwanstein). Von diesen Grundsätzen ist das Bundespatentgericht ausgegangen.

BGH, I ZB 29/23

BGH, Beschluss vom 23. November 2023 – I ZB 29/23

Gerichtlicher Leitsatz:

Der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Gläubigers gegen die Entscheidung, mit der gegen den Schuldner ein Ordnungsgeld verhängt worden ist, steht die fehlende Beschwer entgegen, wenn in seinem Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgelds weder ein konkreter Betrag noch eine ungefähre Größenordnung des Ordnungsgelds angegeben wurde und das Gericht die Höhe des Ordnungsgelds nach seinem Ermessen festgesetzt hat.

Aus der Urteilsbegründung:

Ergibt sich aus dem Ordnungsmittelantrag des Gläubigers – einschließlich dessen Begründung – weder ein (Mindest-)Betrag noch eine Größenordnung für das beantragte Ordnungsgeld, legt der Gläubiger die Sanktionierung des Verhaltens des Schuldners einschließlich der damit zusammenhängenden effektiven Durchsetzung seines titulierten Rechts in das Ermessen des Gerichts. Sein Rechtsschutzziel ist dann beschränkt auf die Verhängung (irgend-)eines Ordnungsmittels. Übt das Gericht – wie hier – sein Ermessen aus und verhängt ein Ordnungsmittel, ist ein solches vom Gläubiger verfolgte Rechtsschutzziel erfüllt und fehlt es an einer Beschwer.

Beziffert der Gläubiger seinen Ordnungsmittelantrag oder lässt sich der Begründung ein (Mindest-)Betrag oder eine bestimmte Größenordnung des angestrebten Ordnungsgelds entnehmen, macht er dagegen deutlich, dass sein Rechtsschutzziel über die bloße Verhängung (irgend-)eines Ordnungsmittels hinausgeht und er zur effektiven Durchsetzung seines titulierten Rechts eine bestimmte Höhe des zu verhängenden Ordnungsgelds für erforderlich hält. Bleibt das festgesetzte Ordnungsmittel hinter dem erstinstanzlich genannten Betrag zurück, hat der Gläubiger sein Rechtsschutzziel nicht vollständig erreicht und ist mithin beschwert.

BGH, X ZR 76/21 – Farb- und Helligkeitseinstellung

BGH, Urteil vom 26. September 2023 – X ZR 76/21 – Farb- und Helligkeitseinstellung

Gerichtlicher Leitsatz:

Eine Verallgemeinerung ist unzulässig, wenn den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen ist, dass einzelne Merkmale in untrennbarem Zusammenhang miteinander stehen, der Patentanspruch diese Merkmale aber nicht in ihrer Gesamtheit vorsieht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – X ZR 41/14, GRUR 2016, 1038 Rn. 48 – Fahrzeugscheibe II; Urteil vom 17. Februar 2015 – X ZR 161/12, BGHZ 204, 199 Rn. 31 – Wundbehandlungsvorrichtung; Beschluss vom 11. September 2001 – X ZB 18/00, GRUR 2002, 49, 51 – Drehmomentübertragungseinrichtung).

BGH, I ZR 179/22 – Microstock-Portal

BGH, Urteil vom 15. Juni 2023 – I ZR 179/22 – Microstock-Portal

Gerichtliche Leitsätze:

a) Das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung gemäß § 13 Satz 2 UrhG ist in seinem Kern unverzichtbar. Daraus, dass der Urheber nach § 13 Satz 2 UrhG bestimmen kann, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist, ergibt sich jedoch, dass es ihm außerhalb dieses unverzichtbaren Kerns grundsätzlich freisteht, durch ausdrücklich oder stillschweigend getroffene vertragliche Vereinbarungen mit dem Werkverwerter auf die Ausübung dieses Rechts zu verzichten oder in dieses Recht beeinträchtigende Nutzungen einzuwilligen.

b) Solche Vereinbarungen unterliegen allerdings Grenzen, deren Überschreitung gemäß § 138 Abs. 1 BGB und – soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen in Rede stehen – gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führt.

c) Im Rahmen der bei der Prüfung dieser Bestimmungen vorzunehmenden Gesamtabwägung sind sowohl die Interessen von Urheber und Vertragspartner als auch die jeweiligen vertragsrelevanten Umstände wie die Art des Werks sowie der Zweck und die Dauer der Vereinbarung in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind der sachliche und zeitliche Umfang der in Rede stehenden Einschränkung des Namensnennungsrechts. Dabei kommt es etwa darauf an, ob die Einschränkung nur bestimmte Werke oder bestimmte Nutzungen betrifft und nur für eine bestimmte Zeit gelten oder widerruflich sein soll oder aber der Urheber sich pauschal und dauerhaft zum Verzicht auf die Ausübung seines Namensnennungsrechts verpflichtet hat. Im Rahmen der Abwägung können zudem Verkehrsgewohnheiten und Branchenübungen berücksichtigt werden.

BGH, I ZB 114/17 – Kaffeekapsel II

BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 – I ZB 114/17 – Kaffeekapsel II

Amtliche Leitsätze:

a) Verliert der Löschungsantragsteller oder derjenige, der im Hinblick auf eine IRMarke einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine Beteiligtenfähigkeit, ist der Löschungsantrag beziehungsweise der Schutzentziehungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

b) Ist der angefochtene Beschluss des Bundespatentgerichts aufzuheben, weil der Antragsteller des Verfahrens seine Beteiligtenfähigkeit verloren hat, und ist aus diesem Grund eine Sachentscheidung durch das Bundespatentgericht nicht mehr erforderlich, kann der Bundesgerichtshof von einer Zurückverweisung an das Bundespatentgericht absehen und abschließend selbst entscheiden.

BGH, I ZB 31/20 – Sattelunterseite II

BGH, Beschluss vom 15. Juni 2023 – I ZB 31/20 – Sattelunterseite II

Amtlicher Leitsatz:

Die Sichtbarkeit eines Bauelements (hier: Fahrradsattel) eines komplexen Erzeugnisses (hier: Fahrrad) bei seiner bestimmungsgemäßen Verwendung durch den Endbenutzer im Sinne von §§ 4, 1 Nr. 4 DesignG (Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG) ist aus der Sicht dieses Benutzers sowie der Sicht eines außenstehenden Beobachters zu beurteilen. Die bestimmungsgemäße Verwendung umfasst die Handlungen, die bei der hauptsächlichen Verwendung eines komplexen Erzeugnisses (hier: Benutzung als Fortbewegungsmittel) vorgenommen werden, sowie die Handlungen, die der Endbenutzer im Rahmen einer solchen Verwendung üblicherweise vorzunehmen hat (hier: Aufbewahrung und Transport), mit Ausnahme von Instandhaltung, Wartung und Reparatur (Anschluss an EuGH, Urteil vom 16. Februar 2023 – C-472/21, GRUR 2023, 482 = WRP 2023, 430 – Monz Handelsgesellschaft International).

BGH, I ZR 167/21 – Tellerschleifgerät

BGH, Urteil vom 9. März 2023 – I ZR 167/21 – Tellerschleifgerät

Amtlicher Leitsatz:

Die gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) erforderliche Prüfung, ob Erscheinungsmerkmale ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind, ist für jedes den Gesamteindruck prägende Merkmal gesondert anhand aller für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umstände vorzunehmen (Bestätigung von
EuGH, Urteil vom 8. März 2018 – C-395/16, GRUR 2018, 612 = WRP 2018, 546 – DOCERAM; Urteil vom 2. März 2023 – C-684/21, WRP 2023, 434 – Papierfabriek Doetinchem; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2020 – I ZR 137/19, GRUR 2021, 473 = WRP 2021, 196 – Papierspender).

BGH, I ZR 141/21 – Vertragsstrafenverjährung

BGH, Urteil vom 27. Oktober 2022 – I ZR 141/21 – Vertragsstrafenverjährung

Amtlicher Leitsatz:

Bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Höhe der vom Schuldner verwirkten Vertragsstrafe festgelegt hat und der Vertragsstrafeanspruch damit fällig geworden ist.

BGH, X ZR 10/20 – Scheibenbremse II

BGH, Urteil vom 8. November 2022 – X ZR 10/20 – Scheibenbremse II

Amtliche Leitsätze:

a) Damit sich die technischen Wirkungen einer Erfindung in bestimmten Teilen widerspiegeln und deren Einbau zu einer die Erschöpfungswirkung verdrängenden Neuherstellung führt, müssen diese in besonderer, auf die Erfindung abgestimmter Weise ausgestaltet sein, um die ihnen zukommende Funktion erfüllen zu können, etwa durch eine besondere Formgebung (BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 – X ZR 48/03, BGHZ 159, 76, 92 f. – Flügelradzähler; Urteil vom 3. Mai 2006 – X ZR 45/05, GRUR 2006, 837 Rn. 22 – Laufkranz).

b) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die maßgebliche Wirkung der zu beurteilenden Teile allein darin besteht, dass sie verschleißen.