Einheitliches Patentgericht und mittelbare Patentverletzung – ein echter Mehrwert

1. Mittelbare Patentverletzung und doppelter Inlandsbezug

Die Vorschrift des deutschen Patentgesetztes zur mittelbaren Patentverletzung (§ 10 PatG), die (derzeit noch) auch für den deutschen Teil europäischer Patente gilt, weist einen doppelten Inlandsbezug auf. Nicht nur die Handlung des mittelbaren Verletzers muss im Inland erfolgen, sondern das Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht (im Folgenden: erfindungswesentliches Mittel), muss auch zur Benutzung in Deutschland angeboten oder geliefert werden. Das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland stellt dann keine mittelbare Verletzungshandlung dar, wenn es zur Benutzung der Erfindung im Ausland erfolgt. Dies gilt selbst dann, wenn dort ein anderer Teil des europäischen Patents in Kraft steht.

Ähnliche Regelungen der mittelbaren Patentverletzung, die einen doppelten Inlandsbezug erfordern, finden sich auch in den Patentgesetzen anderer EPÜ-Mitgliedsstaaten (z.B. Section 60(2) UK Patents Act; Art. 613-4 CPI).

Das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland, das zur Benutzung der Erfindung in England oder Frankreich erfolgt, ist (derzeit) keine mittelbare Patentverletzung, selbst wenn ein europäisches Patent in allen drei Staaten in Kraft ist. Ähnlich ist das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in England oder Frankreich, das zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt, keine mittelbare Verletzung des englischen oder französischen Teils des Patents (da es zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt), aber auch keine mittelbare Verletzung des deutschen Teils (da der mittelbare Verletzer nicht in Deutschland handelt).

2. Änderung durch das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht

Das geplante Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (im Folgenden: das Übereinkommen) wird einen besseren Schutz gegen mittelbare Verletzungen bieten. Zwar weist auch Artikel 26 des Übereinkommens einen doppelten Bezug auf das Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedsstaaten des Übereinkommens, in denen das Patent Wirkung hat, auf:

Art. 26 (1): Ein Patent gewährt seinem Inhaber das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen dieses Patent Wirkung hat, anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung in diesem Gebiet anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder hätte wissen müssen, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.

Da „dieses Gebiet“ (also das Hoheitsgebiet der Vertragsmitgliedstaaten, in denen das Patent Wirkung hat) regelmäßig – und im Fall eines Einheitspatents immer – mehr als das Territorium nur eines Staates umfasst, bietet Artikel 26 (1) des Übereinkommens einen besseren Schutz gegen mittelbare Patentverletzungen als die derzeitigen nationalen Vorschriften, nämlich dann, wenn das Liefern oder Anbieten des erfindungswesentlichen Mittels in einem anderen Staat erfolgt als demjenigen, in dem die Benutzung der Erfindung beabsichtigt ist.

Für ein Einheitspatent oder ein europäisches Patent, das in Deutschland, Frankreich und England in Kraft ist, würde nach Art. 26 des Übereinkommens gelten: Das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland, das zur Benutzung der Erfindung in England oder Frankreich erfolgt, ist eine mittelbare Verletzungshandlung, wenn die weiteren Voraussetzungen des Art. 26 des Übereinkommens erfüllt sind. Ähnlich ist die das Liefern oder Anbieten eines solchen erfindungswesentlichen Mittels in England oder Frankreich, das zur Benutzung der Erfindung in Deutschland erfolgt, eine mittelbare Verletzung nach Art. 26 des Übereinkommens.

Der Schutz des Art. 26 des Übereinkommens geht also weiter als der Schutz, den die nationalen Verletzungsvorschriften in ihrer Summe derzeit gegen mittelbare Verletzungshandlungen gewähren.

3. Probleme

Da die Regelungen über die Verletzungshandlungen (einschließlich der Regelung der mittelbaren Verletzung) in der letzten Phase der Beratungen aus der Verordnung Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes in das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht überführt wurden, gelten diese Vorschriften auch für herkömmliche europäische (Bündel-)Patente, für die keine einheitliche Wirkung eingetragen ist (vgl. Legaldefinition in Art. 2 lit. g) des Übereinkommens).

Dies bringt zum einen das Problem mit sich, dass der deutsche Teil eines europäischen Patents – entgegen der Verpflichtung des Art. 2(2), 64 (1) EPÜ – nicht mehr die gleiche Wirkung hat und dieselben Rechten verleiht wie ein deutsches nationales Patent. Dies könnte möglicherweise durch eine Änderung von § 10 PatG behoben werden.

Kritischer könnte sein, dass Art. 26 des Übereinkommens auch außerhalb der verstärkten Zusammenarbeit, nämlich bei Anwendung des Art. 26 des Übereinkommens auf europäische (Bündel-)Patente, zu einer Ungleichbehandlung verschiedener EU-Mitgliedsstaaten führt. Denn während beispielsweise dem Patentinhaber Schutz gegen das Liefern oder Anbieten eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland gewährt wird, das zur Benutzung der Erfindung in einem anderen Vertragsmitgliedsstaat des Übereinkommens erfolgt, wird ein solcher Schutz versagt, wenn das Liefern oder Anbieten zur Benutzung der Erfindung in einem EU-Mitgliedsstaat erfolgt, der nicht Vertragsstaat des Übereinkommens ist. Dies gilt selbst dann, wenn das entsprechende europäische (Bündel-)Patent auch für diesen EU-Mitgliedsstaat in Kraft steht.

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