BGH, I ZR 152/21 – muenchen.de

BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 – I ZR 152/21 – muenchen.de

Amtliche Leitsätze:

a) Zu der mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse zulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Kommune gehören grundsätzlich auch das Stadtmarketing und die Tourismusförderung.

b) Eine Anzeigenwerbung ist in einer kommunalen Publikation nur als fiskalisch motivierte Randnutzung zulässig. Für die Bestimmung einer zulässigen Randnutzung ist auf den Umfang der Anzeigenschaltung abzustellen. Die Randnutzung muss als Annextätigkeit eine untergeordnete, quantitativ nachgeordnete Tätigkeit in innerem Zusammenhang mit der Hauptnutzung bleiben (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 – I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 41] – Crailsheimer Stadtblatt II).

c) Nach allgemeinen Regeln unzulässige geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand sind bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse nicht in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Wettbewerbsverstöße dieser Art sind nach den allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Regelungen, wie zum Beispiel § 4 Nr. 4, §§ 4a, 5 Abs. 1 oder § 5a Abs. 4 Satz 1 UWG, zu beurteilen; sie können zudem nur zu einem Verbot des jeweils konkret angegriffenen Beitrags, nicht aber der kommunalen Publikation in der konkreten Verletzungsform insgesamt führen.

BGH, I ZR 141/21 – Vertragsstrafenverjährung

BGH, Urteil vom 27. Oktober 2022 – I ZR 141/21 – Vertragsstrafenverjährung

Amtlicher Leitsatz:

Bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht, bevor der Gläubiger die Höhe der vom Schuldner verwirkten Vertragsstrafe festgelegt hat und der Vertragsstrafeanspruch damit fällig geworden ist.

BGH, I ZR 207/19 – Urlaubslotto

BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 – I ZR 207/19 – Urlaubslotto

Amtlicher Leitsatz:

Ein Foto, das eine prominente Person zeigt und von einem breiten Publikum als Symbolbild (hier: für eine Kreuzfahrt) angesehen wird, darf – selbst in einem redaktionellen Kontext – nicht schrankenlos zur Bebilderung eines Presseartikels (hier: über ein Gewinnspiel, dessen Hauptgewinn eine Kreuzfahrt ist) genutzt werden. Der Symbolcharakter des Fotos ist vielmehr in die nach §§ 22, 23 KUG vorzunehmende umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen einzustellen.

BGH – Ballerinaschuh

BGH, Urteil vom 11. Januar 2018 – I ZR 187/16 – Ballerinaschuh

Amtliche Leitsätze:

a) Modelle, die über eine Internetseite dem allgemeinen Publikum zum Kauf angeboten werden, gehören zum vorbekannten Formenschatz, von dem der interessierte Benutzer Kenntnis nehmen kann, und sind bei der Prüfung des
Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters zu berücksichtigen.

b) Umstände, die den Schutzumfang eines Geschmacksmusters zu schmälern geeignet sind, gehören grundsätzlich nicht zu den Tatsachen, die der klagende Schutzrechtsinhaber von sich aus offenbaren muss. Es obliegt vielmehr
dem aus dem Geschmacksmuster in Anspruch genommenen Beklagten, hierzu vorzutragen.

c) Stellt derjenige, der unberechtigt wegen einer Schutzrechtsverletzung abgemahnt worden ist, infolge der Verwarnung den Vertrieb des beanstandeten Produkts ein, ist wegen des in der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung liegenden Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auch der Schaden ersatzfähig, der dem Verwarnten infolge der Vertriebseinstellung nach Erhebung einer Klage wegen der Schutzrechtsverletzung entsteht.

BGH, I ZR 244/16 – Namensangabe

BGH, Urteil vom 19. April 2018 – I ZR 244/16 – Namensangabe

Amtlicher Leitsatz:

Bei einer telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Verbraucher im Sinne von § 312a Abs. 1 BGB muss nur die Identität des Unternehmers sowie der geschäftliche Zweck offengelegt werden, nicht aber die Identität eines für den Unternehmer anrufenden Mitarbeiters, der selbst nicht Unternehmer ist.

BGH, I ZR 150/15: Schmiergeldabrede

BGH, Urteil vom 18. Januar 2018 – I ZR 150/15

Amtliche Leitsätze:

a) Der Kläger, der Schadensersatzansprüche auf eine ohne sein Wissen von seinem Bevollmächtigten getroffene Schmiergeldabrede stützt, genügt seiner Darlegungslast, wenn er ausreichende Anhaltspunkte für den Abschluss einer derartigen Vereinbarung darlegt. Von ihm können im Rechtsstreit keine näheren Darlegungen hierzu mit der Begründung verlangt werden, er müsse sich die Kenntnis des Bevollmächtigten zurechnen lassen.

b) Hat der Kläger hinreichende Anhaltspunkte für eine Schmiergeldabrede vorgetragen, trägt der Beklagte die sekundäre Darlegungslast für seine Behauptung, eine solche Schmiergeldabrede habe nicht vorgelegen.

c) Ein von dem Sachvortrag des Klägers abweichendes Vorbringen des Beklagten, das der Klage ebenfalls zur Schlüssigkeit verhilft, kann zugunsten des Klägers nur verwertet werden, wenn er es sich hilfsweise zu eigen macht und seine Klage hierauf stützt. Der Kläger, der geltend macht, eine bestimmte Person habe als sein Beauftragter zu seinen Lasten überhöhte Vergütungen verabredet, macht sich das Vorbringen der Beklagtenseite, eine andere Person habe die beanstandeten Vereinbarungen getroffen, nicht zu eigen, wenn er deren Behauptung bestreitet.

BGH, I ZR 205/15

BGH, Urteil v. 16. März 2017 – I ZR 205/15

Amtliche Leitsätze:

a) Hat der Beweisführer zum Beweis der Echtheit einer Unterschrift eine Schriftvergleichung durch das Gericht und die Mitteilung von zur Vergleichung geeigneten Schriften durch einen Notar und durch das für den Prozessgegner zuständige Registergericht beantragt, liegen darin Beweisantritte gemäß § 441 Abs. 1 und 2 ZPO. Dagegen handelt es sich nicht um einen Antrag auf Vorlage zum Vergleich geeigneter Schriften durch den Gegner gemäß § 441 Abs. 3 ZPO.

b) Die gerichtliche Anordnung gegenüber dem Gegner des Beweisführers zur Vorlage von zum Vergleich geeigneter Schriften gemäß § 441 Abs. 3 Satz 1 ZPO setzt neben einem entsprechenden Antrag des Beweisführers voraus, dass die Voraussetzungen eines materiell-rechtlichen Vorlageanspruchs nach §§ 421 bis 426 ZPO gegeben sind.

c) Für eine Anordnung des Gerichts gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO, dass die nicht beweisbelastete Partei in ihrem Besitz befindliche Urkunden vorlegt, reicht die Bezugnahme der beweisbelasteten Partei auf eine im Besitz des Prozessgegners befindliche Urkunde aus. Die Bezugnahme muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann sich sinngemäß aus dem Sachvortrag oder aus anderen eingereichten Unterlagen ergeben. Sie muss aber so konkretisiert sein, dass die Urkunde identifizierbar
ist.

d) Für die gerichtliche Anordnung einer Beweiserhebung von Amts wegen nach § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist kein Raum, soweit es um die Vorlage von Vergleichsurkunden geht, die für den Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde nach § 441 Abs. 1 ZPO benötigt werden. Insoweit gehen die Regelungen in § 441 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO der Vorschrift des § 144 ZPO vor.

e) Erlässt das Gericht ohne gesetzliche Grundlage eine Anordnung, nach der der Gegner der beweisbelasteten Partei zur Vergleichung geeignete Schriften vorzulegen hat, darf der Umstand, dass dieser der Anordnung nicht Folge geleistet hat, im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden.

BGH, I ZR 135/16 – Grüne Woche II

BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017 – I ZR 135/16 – Grüne Woche II

Richtlinie 2011/83/EU Art. 2 Nr. 9

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 2 Nr. 9 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. Nr. L 304 vom 22. November 2011, S. 64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Handelt es sich bei einem Messestand in einer Halle, den ein Unternehmer während einer für wenige Tage im Jahr stattfindenden Messe zum Zweck des Verkaufs seiner Produkte nutzt, um einen unbeweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. a der Richtlinie 2011/83/EU oder um einen beweglichen Gewerberaum im Sinne von Art. 2 Nr. 9 Buchst. b der Richtlinie 2011/83/EU?

2. Für den Fall, dass es sich um einen beweglichen Gewerberaum handelt:

Ist die Frage, ob ein Unternehmer seine Tätigkeit „für gewöhnlich“ auf Messeständen ausübt, danach zu beantworten,

a) wie der Unternehmer seine Tätigkeit organisiert oder

b) ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die in Rede stehenden Waren auf der konkreten Messe rechnen muss?

3. Für den Fall, dass es bei der Antwort auf die zweite Frage auf die Sicht des Verbrauchers ankommt (Frage 2 b):

Ist bei der Frage, ob der Verbraucher mit dem Vertragsschluss über die konkreten Waren auf der in Rede stehenden Messe rechnen muss, darauf abzustellen, wie die Messe in der Öffentlichkeit präsentiert wird, oder darauf, wie die Messe sich dem Verbraucher bei Abgabe der Vertragserklärung tatsächlich darstellt?

BGH, I ZR 147/14

BGH, Urteil vom 10. März 2016 – I ZR 147/14

Amtliche Leitsätze:

a) Die Pflichten des Versicherungsmaklers zur Aufklärung und Beratung umfassen vor allem die Fragen, welche Risiken der Versicherungsnehmer absichern sollte, wie die effektivste Deckung erreicht werden kann, bei welchem Risikoträger die Absicherung vorgenommen werden kann und zu welcher Prämienhöhe welche Risikoabdeckung erhältlich ist. Ein Versicherungsmakler erfüllt diese Pflichten nicht allein dadurch, dass er ohne Prüfung und Erörterung im konkreten Fall den Versicherungsnehmer auf Lücken einer bestehenden Versicherung sowie die dadurch hervorgerufenen wirtschaftlichen Risiken hinweist und einen Versicherungsschutz gegen alle Risiken empfiehlt.

b) Hat der Versicherungsmakler seine Prüfungs- und Beratungspflichten umfassend erfüllt und entscheidet sich der Versicherungsnehmer gegen die ihm vorgeschlagene, sach- und interessengerechte Vorgehensweise, kann der Versicherungsmakler für einen unzureichenden Versicherungsschutz des Versicherungsnehmers nicht verantwortlich gemacht werden. Der Versicherungsmakler ist in diesem Fall nicht verpflichtet, seine Empfehlung zu wiederholen und den Versicherungsnehmer gegen dessen erklärten Willen erneut zu beraten.

c) Ist der Versicherungsnehmer noch nicht oder nicht ausreichend beraten worden, darf der Versicherungsmakler keine sachwidrigen Weisungen akzeptieren und hat dafür zu sorgen, dass der Versicherungsnehmer eine für eine sach- und interessengerechte Entscheidung geeignete Entscheidungsgrundlage erhält. Der Versicherungsmakler darf von der Beratung eines nicht ausreichend informierten Versicherungsnehmers nur absehen, wenn der Versicherungsnehmer ihm unmissverständlich erklärt, dass er auf eine weitergehende Beratung verzichtet.

d) Der Versicherungsmakler, der seiner sekundären Darlegungslast zur Erfüllung seiner Aufklärungs- und Beratungspflichten nicht genügt hat, ist für seine Behauptung einer sach- und interessenwidrigen Weisung des Versicherungsnehmers und dessen Verzicht auf eine weitergehende Beratung darlegungsund beweisbelastet.

e) Hat der Versicherungsnehmer auf einen umfassenderen Versicherungsschutz und eine weitergehende Beratung durch den Versicherungsmakler verzichtet, ist dieser nicht gehalten, bei unveränderter Sachlage
auf die damit verbundenen Risiken erneut hinzuweisen.

Konsultation zum European Patent Litigation Certificate

Mit der Konsultation zum Entwurf für Vorschriften zum European Patent Litigation Certificate wurde vom Preparatory Committee des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) ein Entwurf für die Qualifikationen zur Diskussion gestellt, die Europäischen Patentanwälten nach Art. 48(2) EPGÜ Vertretungsbefugnis vor dem EPG verleihen.

Die Konsultation endete am 25.7.2014. Zahlreiche Stellungnahmen sind bereits online verfügbar.

Wenig überraschend verlaufen bei den Stellungnahmen die Fronten relativ klar zwischen Rechtsanwaltschaft und Patentanwaltschaft.

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Rechtsanwälten wie z.B. die Stellungnahme des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) oder die Stellungnahme des Ausschusses Geistiges Eigentum des Deutschen Anwaltverein betonen, dass Regel 12 des Entwurfs einer großen Anzahl Europäischer Patentanwälte das Recht zur Eintragung in die Liste der beim EPG zugelassenen Vertreter verleihen würde. Vom CCBE wird – anders als beispielsweise vom Deutschen Anwaltverein – sogar Regel 11 des Entwurfs als zu weitgehend empfunden, nach der ein juristischer Universitätsabschluss (LL.M. oder LL.B.) oder eine gleichwertige staatliche Prüfung als äquivalente Qualifikation zum European Patent Litigation Certificate (EPLitCert) anerkannt werden soll. Teilweise wird kritisiert, dass die Anzahl von Stunden, die in einem Kurs zum Erwerb des EPLitCert absolviert werden muss, relativ gering ist (derzeit sind 120 Stunden vorgesehen).

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Patentanwälten wie z.B. die Stellungnahme der European Patent Litigators Association (EPLIT), die Stellungnahme des Intellectual Property Regulation Board (IPReg) (England), die Stellungnahme des Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) (England), die Stellungnahme der Companie Nationale des Conseils en Propriété Industrielle (CNCPI) (Frankreich) oder die Stellungnahme von Hoffmann Eitle halten die Übergangsregelung der Regel 12 des Entwurfs für grundsätzlich begrüßenswert, betonen aber, dass die derzeitige Liste von Kurses sehr stark auf die größten Staaten (DE, FR, GB) fokussiert ist und somit diskriminierend ist.

Die meisten Stellungnahmen betonen auch, dass die derzeitige Fassung der Regel 12 des Entwurfs Europäische Patentanwälte mit teilweise sehr langer Berufserfahrung diskriminiert, da die meisten der aufgeführten Kurse erst seit kürzerer Zeit existieren. Diese Kurse mussten von Patentanwälten absolviert werden, die erst seit kürzerer Zeit zugelassen sind, während sie von Patentanwälten, die bereits sehr lange im Beruf stehen, noch nicht absolviert werden konnten. Ebenfalls betont wird, dass Regel 12(b) des Entwurfs, nach der auch Erfahrung in Streitverfahren als äquivalente Qualifikation zum EPLitCert gelten kann, nach ihrem jetigen Wortlaut in vielen Staaten ins Leere läuft, da die Vertretung ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts erfolgt sein muss. Die englischen Organisationen betonen beispielsweise, dass Patentstreitigkeiten typischerweise die Mitarbeit eines größeren Teams von Patent- und Rechtsanwälten beinhalten und bezweifeln, dass irgendein Europäischer Patentanwalt aus England Regel 12(b) des Entwurfs erfüllen würde.

Einen sehr interessanten Aspekt enthält nach meiner Auffassung die Stellungnahme der IP Federation (England), einer Organisation von Unternehmen mit starkem Fokus auf IP-Rechte: Die Stellungnahme betont den Wunsch dieser Unternehmen nach „Kontinuität der Vertretung“ zwischen dem Patenterteilungsverfahren, das meist von einem Patentanwalt geführt wird, und streitigem Verfahren. Zumindest bei einem Teil der zukünftigen Nutzer des Verfahrens scheint jedenfalls der Wunsch vorhanden zu sein, dass auch in der Anfangsphase des neuen Gerichtssystems eine Vertretung durch eine ausreichende Anzahl von Europäischen Patentanwälten mit zusätzlichen Qualifikationen möglich sein wird.