Jahresgebühren für das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (EPEW)

Die Jahresgebühren für das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (EPEW) berechnen sich nach der nun beschlossenen „True Top 4“-Lösung aus der Summe der Gebühren, die derzeit eine Anmeldung eines Patents beim EPA in den vier anmeldestärksten EU-Mitgliedsstaaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Niederlanden kosten würde.

BGH, I Z R 6 7 / 1 1 – Hohlkammerprofilplatten

BGH, Versäumnisurteil vom 27. November 2014, I ZR 67/11 – Hohlkammerprofilplatten

Amtlicher Leitsatz:

Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 1, 3, 13 Abs. 6 UWG aF setzte auch
dann ein Handeln zu Wettbewerbszwecken voraus, wenn die Pflichtverletzung
in der Lieferung eines Bauprodukts bestand, das der dafür bestehenden allgemeinen
bauaufsichtlichen Zulassung nicht entsprach.

EuGH weist Klagen Spaniens gegen Unitary Patent Package ab

Wie in einer Pressemitteilung des EuGH mitgeteilt wird, hat der EuGH die beiden Klagen Spaniens gegen die Verordnungen zur Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (Einheitspatent-VO und Übersetzungs-VO) abgewiesen (Rechtssachen C-146/13 und C-147/13).

Der Gerichtshof folgte damit den Schlussanträgen des Generalanwalts.

BGH, X ZR 161/12 – Wundbehandlungsvorrichtung

BGH, Urteil vom 17. Februar 2015 – X ZR 161/12 – Wundbehandlungsvorrichtung

Amtlicher Leitsatz:

Ein mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes europäisches Patent ist nicht deshalb für nichtig zu erklären [-> Widerruf wegen unzulässiger Erweiterung], weil der Patentanspruch ein Merkmal enthält, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, sofern dieses Merkmal zu einer Beschränkung des Schutzgegenstands und nicht zu einem Aliud führt. Bei der Prüfung der Patentfähigkeit ist das nichtursprungsoffenbarte Merkmal insoweit außer Betracht zu lassen, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf (Fortführung von BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 – Xa ZB 14/09, GRUR 2011, 40 Rn. 18 ff. – Winkelmesseinrichtung; Urteil vom 21. Juni 2011 – X ZR 43/09, GRUR 2011, 1003 Rn. 24 ff. – Integrationselement).

Aus der Urteilsbegründung:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu deutschen Patenten und Gebrauchsmustern müssen solche Schutzrechte, wenn ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, nicht für nichtig erklärt oder gelöscht werden, sofern die Änderung in der Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals besteht, die zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. Dagegen ist die Nichtigerklärung oder Löschung nicht zu vermeiden, wenn die Änderung dazu führt, dass der Gegenstand der Anmeldung gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu einem Aliud abgewandelt wird (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2000
– X ZR 184/98, GRUR 2001, 140 – Zeittelegramm; Beschluss vom 21. Oktober 2010 – Xa ZB 14/09, GRUR 2011, 40 – Winkelmesseinrichtung; Urteil vom 21. Juni 2011 – X ZR 43/09, GRUR 2011, 1003 – Integrationselement; Beschluss vom 6. August 2013 – X ZB 2/12, GRUR 2013, 1135 – Tintenstrahldrucker). Die Frage, ob diese Rechtsprechung auch auf europäische Patente Anwendung findet, hat der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 19 – Winkelmesseinrichtung). Sie ist – entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts (Urteil vom 8. April 2014, Mitt. 2014, 436 – Fettabsaugevorrichtung) – zu bejahen.

Der angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt die Überlegung zugrunde, dass die unzulässige Änderung des Gegenstands des Patents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen dessen Widerruf oder Nichtigerklärung nicht erfordert, wenn den berechtigten Interessen Dritter, insbesondere der Wettbewerber des Patentinhabers, und der Öffentlichkeit durch weniger schwerwiegende Maßnahmen Rechnung getragen werden kann.

Danach ist der Widerruf oder die Nichtigerklärung des Patents nicht geboten, wenn der Gegenstand des Patents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen in unzulässiger Weise verallgemeinert worden ist. In diesem Fall kann die unzulässige Erweiterung dadurch behoben werden, dass die unzulässige Verallgemeinerung aus dem Patentanspruch gestrichen wird (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 14 – Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 19 – Integrationselement; ebenso EPA, Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 2. Februar 1994 – G 1/93, GRUR Int. 1994, 842 Rn. 11 – beschränkendes Merkmal/Advanced Semiconductor Products).

Der Widerruf oder die Nichtigerklärung des Patents ist andererseits unumgänglich, wenn die Hinzufügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals dazu führt, dass der Patentanspruch des erteilten Patents eine andere Erfindung zum Gegenstand hat als die ursprüngliche Anmeldung, wenn das Patent also etwas schützt, das gegenüber dem der Fachwelt durch die ursprünglichen Unterlagen Offenbarten ein „Aliud“ darstellt (BGH, GRUR 2001, 140, 141 – Zeittelegramm; BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 21 – Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 27 – Integrationselement; BGH, GRUR 2013, 1135 Rn. 16 – Tintenstrahldrucker). Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen geänderten Anspruchs gefährdete die Rechtssicherheit für Dritte, die darauf vertrauen dürfen, dass aus der Patentanmeldung kein Patent hervorgeht, das einen weiteren oder anderen Gegenstand hat als denjenigen, der in der Anmeldung offenbart worden ist. Die Aufrechterhaltung eines mit dem Einspruch oder der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patents mit der Maßgabe, dass das in Rede stehende Merkmal im Patentanspruch verbleibt, der Patentinhaber daraus aber keine Rechte herleiten kann, scheidet in einem solchen Fall aus, weil sie dazu führen würde, dass das Patent in der Fassung nach dem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren einen anderen Gegenstand hätte als ursprungsoffenbart (BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 23 – Winkelmesseinrichtung)

Der Widerruf oder die Nichtigerklärung eines Patents ist dagegen nicht erforderlich, wenn die Einfügung eines Merkmals, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. In einem solchen Fall wird den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit dadurch Rechnung getragen, dass das einschränkende Merkmal im Patentanspruch verbleibt und zugleich dafür gesorgt wird, dass im Übrigen aus der Änderung Rechte nicht
hergeleitet werden können, insbesondere das nicht offenbarte Merkmal bei der Prüfung der Patentfähigkeit insoweit außer Betracht zu lassen ist, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf (BGH, GRUR 2001, 140, 142 f. – Zeittelegramm; BGH, GRUR 2011, 40 Rn. 16 – Winkelmesseinrichtung; BGH, GRUR 2011, 1003 Rn. 24 – Integrationselement; BGH, GRUR 2013, 1135 Rn. 16 – Tintenstrahldrucker).

Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht nicht in Widerspruch zu den Regelungen des Europäischen Patentübereinkommens.

Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts führt die Aufnahme eines einschränkenden, in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals in den Patentanspruch regelmäßig zum Widerruf des Patents nach Art. 123 Abs. 2, 100 Buchstabe c EPÜ. Falle ein solches Merkmal unter Art. 123 Abs. 2 EPÜ, könne es weder im Patent beibehalten noch ohne Verstoß gegen Art. 123 Abs. 3 EPÜ aus den Ansprüchen gestrichen werden. Das Patent könne nur dann – ausnahmsweise – aufrechterhalten werden, wenn die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eine Grundlage dafür biete, dass die einschränkenden Merkmale ohne Verstoß gegen Art. 123 Abs. 3 EPÜ durch andere ersetzt werden könnten (Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 2. Februar 1994 – G 1/93, GRUR Int. 1994, 842 Rn. 12 f. – beschränkendes Merkmal/Advanced Semiconductor Products).

Bundespatentgericht und Bundesgerichtshof wenden bei der Entscheidung über die Nichtigerklärung eines europäischen Patents, das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt worden ist, nicht Art. 123 Abs. 2 und 3 EPÜ an, sondern entscheiden auf der Grundlage von Art. II § 6 IntPatÜbkG. Mit der Schaffung dieser Norm hat der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Gründe für die Nichtigerklärung eines europäischen Patents für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe von Art. 138 EPÜ aufzuführen. Nach Art. 138 EPÜ kann ein europäisches Patent – vorbehaltlich des Art. 139 EPÜ – nur aus den dort abschließend aufgeführten Gründen für nichtig erklärt werden. Die Norm steht damit zwar einer Entscheidung des nationalen Gerichts entgegen, durch die ein europäisches Patent auch dann für nichtig erklärt wird, wenn keiner der in Art. 138 EPÜ aufgeführten Gründe vorliegt. Sie eröffnet aber die Möglichkeit, dass das nationale Gericht auch bei Vorliegen eines solchen Grundes von der Nichtigerklärung des Patents absieht, ohne sich damit in Widerspruch zu Art. 123 EPÜ zu setzen, wie er von der Großen Beschwerdekammer verstanden wird.

Ein solches Absehen von der Nichtigerklärung ist auch bei einem europäischen Patent angezeigt, wenn die Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht oder nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt.

Jahresgebühren für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung

Ein erster Vorschlag des Präsidenten des EPA für die Jahresgebühren des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung wurde im März für den Engeren Ausschuss des Verwaltungsrats erstellt.

Kern des Vorschlags ist, dass sich die Jahresgebühren für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung ab dem 10. Jahr an den Kosten für die vier oder fünf EPÜ-Vertragsstaaten orientieren, in denen europäische Patente derzeit am häufigsten validiert werden. Konsultationen hatten vorher gezeigt, dass Jahresgebühren für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung, die deutlich über der Summe der derzeitigen Jahresgebühren für DE, FR, GB liegen, das System eher unattraktiv werden lassen.

Der Vorschlag des Präsidenten zu den Jahresgebühren wurde entsprechend eher kritisch kommentiert, beispielsweise auf IPKat, von Allen Overy oder von Grünecker. Ein Problem ist beispielsweise, dass zu den neben DE, FR und GB am häufigsten validierten Staaten auch Länder wie IT, CH und ES gehören, die durch das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung gar nicht abgedeckt sind.

Diese Probleme sind auch dem Präsidenten ersichtlich bekannt. So heißt es in Rn. 11 des Vorschlags:

It is true that, at first glance, paying the total sum of national fees for a small number of states (e.g. three to five) looks a more attractive proposition than the IRF [= Internal Renewal Fees of the EPO] level. However, in addition to paying national fees, users always incur a number of associated costs, in particular for translation and national validation, where charged, but also for hiring a local patent attorney or specialist firm to administer renewal-fee payments. Once these additional costs are also included, the difference between the sum payable for a classical European patent and a unitary patent is less marked; indeed, the unitary patent option is actually cheaper from year 6 on. In any event, once the additional costs are included the two amounts differ by only a few hundred euros, a negligible share of applicants‘ overall costs up to the granting of the patent.

Zielsetzung des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung sollte es jedoch gerade nicht sein, das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung nur „geringfügig teurer“ (Rn. 11 des Vorschlags) als ein Bündelpatent zu machen. Versprochen war kostengünstiger Patentschutz.

So heißt es beispielsweise in ErwG (4) der Einheitspatent-VO:

Der einheitliche Patentschutz wird durch einen leichteren, weniger kostspieligen und rechtssicheren Zugang zum Patentsystem den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und die Funktionsweise des Binnenmarkts fördern. Er wird auch den Umfang des Patentschutzes verbessern, indem die Möglichkeit geschaffen wird, einen einheitlichen Patentschutz in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zu erlangen, so dass sich Kosten und Aufwand für die Unternehmen in der gesamten Union verringern.

Deutlich wird aus dem Vorschlag des Präsidenten, dass die Erwartung, kostengünstigen, auch für SMEPs finanziell leicht stemmbaren Patentschutz in ganz Europa zu erhalten, schlicht politisches Wunschdenken ist, dem die Gebührenstruktur in keiner Weise gerecht werden wird. Die Kosten allein für die Jahresgebühren würden sich auf ca. 40 000 EUR über die maximale Laufzeit des Patents bemessen.

Eine sehr gelungene satirische Darstellung, die die Unterschiede zwischen den durch die Politik geschürten Erwartungen von Anmeldern und der absehbaren zukünftigen Gebührenhöhe verdeutlicht, wird in einem fiktiven Mandantengespräch auf IPKat dargestellt.

BGH, X ZR 69/13 – Audiosignalcodierung: Mittelbare Patentverletzung

BGH, Urteil vom 3.2.2015 – Audiosignalcodierung:

Leitsätze:

a) Ein Mittel bezieht sich nicht schon dann auf ein wesentliches Element der Erfindung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG, wenn es zur Verwirklichung eines Verfahrensschritts eingesetzt wird, der den im Patentanspruch eines Verfahrenspatents vorgesehenen Schritten vorausgeht. Dies gilt auch dann, wenn der vorgelagerte Schritt notwendig ist, um die im Patentanspruch vorgesehenen Schritte ausführen zu können, und wenn das Mittel aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung ausschließlich zu diesem Zweck eingesetzt werden kann.

b) Ein Mittel, mit dem bestimmte Verfahrensschritte bei der Übertragung eines Audiosignals ausgeführt werden, bezieht sich nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn das Patent zwar ein Übertragungsverfahren schützt, im Patentanspruch aber nur andere Schritte dieses Verfahrens näher festgelegt sind und die Ausgestaltung der Verfahrensschritte, auf die sich das Mittel bezieht, für die Verwirklichung der Erfindung nicht von Bedeutung ist.

c) Wer im Ausland ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, an einen Dritten liefert, der es mit seinem Wissen und Wollen zur Benutzung der Erfindung in Deutschland weiterliefert, veranlasst eine Lieferung des Mittels im Geltungsbereich des Patentgesetzes.

Anmerkungen:

Die Leitsatzentscheidung BGH, Urteil vom 3.2.2015 – Audiosignalcodierung dürfte eine der wichtigsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur mittelbaren Patentverletzung der jüngeren Zeit sein.

Drei Anmerkungen zu dieser Entscheidung:

1. Der Patentanspruch des Klagepatents betraf ein Übertragungsverfahren für Audiodaten. Der Patentanspruch enthielt die coderseitigen und die decoderseitigen Verfahrensschritte der Übertragung.

Für das Übertragungsverfahren nötig, aber nicht im Anspruch enthalten waren darüber hinaus die Modulierung der codierten Daten auf ein Trägersignal und die entsprechende Demodulierung auf der Seite des Decoders.

Im Patentverletzungsverfahren wurden verschiedene Ausführungsbeispiele angegriffen: Zunächst gab es angegriffene Ausführungsformen, bei denen die Kombination aus einem Gerät zur Demodulation (typischerweise ein USB-Stick) und eine Software zur Decodierung angeboten wurde. Diese Ausführungsbeispiele stellten eine mittelbare Patentverletzung dar.

Darüber hinaus gab es jedoch angegriffene Ausführungsformen, bei denen nur das Gerät zur Demodulation (typischerweise ein USB-Stick) geliefert wurde. Die Decodierung wurde von anderer Software (z.B. Windows Media Player) ausgeführt, die nicht zur angebotenen Ausführungsform gehörten. Für diese wurde die Verletzung verneint.

2. Ein bedeutender Aspekt dieser Entscheidung liegt nach meiner Auffassung darin, dass der BGH klarstellt, dass auch bei mittelbarer Patentverletzung eines Verfahrensanspruchs nicht erforderlich ist, dass die beanspruchten Verfahrensschritte von ein- und derselben Person ausgeführt werden müssen. Eine mittelbare Patentverletzung kommt auch dann in Betracht, wenn ein wesentliches Mittel zur Realisierung eines Verfahrens angeboten oder geliefert wird, wenn die Verfahrensschritte dieses Verfahrens von zwei oder mehr unterschiedlichen Personen ausgeführt werden (vorliegend: Codierung durch eine Sendeanstalt, Decodierung durch die Software auf dem Computer des Benutzers). Dies ist eine Folge der vom BGH bejahten Möglichkeit der nebentäterschaftlichen Haftung für Patentverletzungen (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 – X ZR 113/04 Rn. 19 – Rohrschweißverfahren; BGH, Urteil vom 17. September 2009 – Xa ZR 2/08 Rn. 34 – MP3-Player-Import).

Dies ist für die Praxis des Patentverletzungsverfahrens insofern von Bedeutung, als die deutsche Praxis sich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des U.S. Supreme Court unterscheidet. Die Entscheidung US Supreme Court – LIMELIGHT NETWORKS scheint darauf hinzudeuten, dass eine mittelbare Verletzung eines Verfahrensanspruchs nur in Betracht kommt, wenn alle Verfahrensschritte des Patentanspruchs von derselben Person ausgeführt werden („single entity“-Theorie). So führt der Supreme Court in Abschnitt II.A der Entscheidung aus:

… there has simply been no infringement of the method in which respondents have staked out an interest, because the performance of all the patent’s steps is not attributable to any one person. And, as both the Federal Circuit and respondents admit, where there has been no direct infringement, there can be no inducement of infringement under §271(b).

3. Ein weiterer bedeutender Aspekt der BGH-Entscheidung: Der allgemeine Ansatz bei der patentanwaltlichen Praxis des Patent-Drafting ist, dass in den Patentansprüche meist gilt: „weniger ist mehr“. Überflüssige Merkmale sind aus den Ansprüchen wegzulassen.

In dem dieser BGH-Entscheidung zugrundeliegenden Fall hätte jedoch die mittelbare Patentverletzung durch diejenigen Ausführungsformen, die nur den Demodulierer, aber nicht den Decoder enthielten, wohl nicht mit der vom BGH gegebenen Begründung verneint worden können. Möglicherweise wäre die Entscheidung also anders ausgefallen, wenn der Patentanspruch nicht nur die Codierung und Decodierung der Daten, sondern auch die Modulations- und Demodulationsschritte, wenn auch nur in allgemeiner und breiter Form, enthalten hätte.

G 3/14: Klarheit im EPA-Einspruchsverfahren

Die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in der Sache G 3/14 vom 24.3.2015 wurde nunmehr bereits auf der EPA-Website veröffentlicht.

Die Entscheidung befasst sich mit den – in der patentamtlichen Praxis sehr relevanten – Fragen, unter welchen Umständen die Einspruchsabteilungen des EPA einen Einwand mangelnder Klarheit bei der Einreichung geänderter Ansprüche im Einspruchsverfahren prüfen dürfen und müssen. Ausgangspunkt der Vorlageentscheidung war, ob auch bei einer Kombination zweier erteilter Ansprüche durch den Patentinhaber, die dazu führt, dass der im Einspruchsverfahren verteidigte Gegenstand grundsätzlich schon von der Prüfungsabteilung auf Klarheit geprüft worden sein sollte, im Einspruchsverfahren eine Prüfungsbefugnis der Einspruchsabteilung im Hinblick auf das Klarheitserfordernis des Art. 84 EPÜ eröffnet ist.

BGH X ZR 81/31 – Kochgefäß: Äquivalente Patentverletzung

In dem Urteil BGH X ZR 81/31 – Kochgefäß vom 13.1.2015 beschäftigt sich der Bundesgerichtshof erneut mit Fragen der äquivalenten Patentverletzung. Über die Leitsätze wurde bereits auf diesem Blog berichtet.

Das Berufungsgericht hatte die äquivalente Verletzung bejaht, das Berufungsurteil aber maßgeblich auf die Verwirklichung der Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs und die damit erzielten „erfindungswesentlichen“ Wirkungen gestützt.

Nach Auffassung des Revisionsgerichts wurden Unterschiede im Oberbegriff und die damit erzielten Wirkungen vom Berufungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt. Entsprechend erhebt der Senat zum Leitsatz:

1. Zur Prüfung der Gleichwirkung ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe erfindungsgemäß zusammenkommen müssen. Die Gesamtheit dieser Wirkungen repräsentiert die patentgemäße Lösung; ihre weitere Unterteilung in „erfindungswesentliche“ und „zusätzliche“ Wirkungen ist verfehlt.

Dies zeigt wieder einmal, wie viel Bedacht der Patentanmelder und sein Vertreter nicht nur bei der Formulierung des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs, sondern auch bei der Formulierung des Oberbegriffs, der den nächstliegenden Stand der Technik wiedergibt, walten lassen muss. Nur wenn überflüssige Einschränkungen im Oberbegriff des Patentanspruchs vermieden werden, kann der Anmelder das Risiko minimieren, dass ein potenzieller Verletzer durch Abwandlungen, die nicht den Kern der Erfindung betreffen, den Schutz des Patentes leicht umgehen kann.

Der zweite Leitsatz betont, dass der Gutglaubensschutz nach Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜG a.F. auch für denjenigen streitet, der die fehlerhafte Übersetzung nicht kannte, in Kenntnis derselben aber zu dem Schluss hätte kommen dürfen, das Patent würde einen anderen Gegenstand als den nach der Sprache des Erteilungsverfahrens tatsächlich beanspruchten Gegenstand schützen.

EPÜ: Rechtsfolge der verfristeten Zahlung der Beschwerdegebühr

In der Vorlageentscheidung T 1553/13 wird der Großen Beschwerdekammer die Frage vorgelegt, ob eine Beschwerde unzulässig ist oder als nicht eingelegt gilt, wenn die Beschwerdegebühr erst nach Ablauf der maßgeblichen Frist gezahlt wird.

Die Beantwortung dieser Frage hat Einfluss darauf, ob die verfristet gezahlte Beschwerdegebühr vom Amt zurückzuzahlen ist. Ist die Beschwerde bei verfristeter Gebührenzahlung unzulässig, ist die Beschwerdegebühr verfallen. Gilt die Nichteinlegungsfiktion, wenn die Gebührenzahlung nach der maßgeblichen Frist erfolgt, ist die Beschwerdegebühr vom Amt zurückzuerstatten.

Die vorlegende Beschwerdekammer tendiert zu der Auffassung, die Beschwerde sei bei verfristeter Zahlung der Beschwerdegebühr unzulässig. Dies begründet die vorlegende Kammer damit, die Vorschrift des Art. 108 S. 2 EPÜ („Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist.“) könne nicht ausgelegt werden im Sinne von: „Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr rechtzeitig entrichtet worden ist.“ Die Kammer verweist auch auf zwei Absätze aus den travaux préparatoires, Dokument IV/6.514/61-D, die die Frage von Rechtsbehelfen gegen die Feststellung, dass die Beschwerdegebühr nicht rechtzeitig gezahlt wurde, betreffen.

Art. 8 S. 1 GebO stellt den Grundsatz auf, dass nur bei rechtzeitiger Zahlung des vollen Gebührenbetrags die Zahlungsfrist eingehalten ist. Eine Zahlung des vollen Gebührenbetrags, die nicht rechtzeitig erfolgt, steht insoweit einer Nichtzahlung gleich. Im Lichte dieser Wertung sollte Art. 108 S. 2 EPÜ tatsächlich ausgelegt werden im Sinne von: „Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr rechtzeitig entrichtet worden ist.“

Auf die Gebührenordnung wurde auch in den von der Kammer zitierten Dokument IV/6.514/61-D der travaux préparatoires hingewiesen, und zwar unmittelbar nach der von der Kammer zitierten Textpassage.

Die Vorlagefrage sollte folglich von der Großen Beschwerdekammer – entgegen der Auffassung der vorlegenden Kammer – dahin beantwortet werden, dass die verfristete Zahlung der Beschwerdegebühr zur Fiktion der Nichteinlegung der Beschwerde führt.

Die Beantwortung der Vorlagefrage, die spezifisch im Kontext der Beschwerdegebühr gestellt ist, dürfte übrigens auch für die verfristete Zahlung der Einspruchsgebühr relevant sein, da Art. 99 Abs. 1 S. 2 EPÜ insoweit eine Art. 108 S. 2 EPÜ ähnliche Regelung enthält.

BPatG, 25 W (pat) 79/12: Festsetzung des Gegenstandswerts

BPatG, Beschl. v. 13. November 2014 – 25 W (pat) 79/12

Amtliche Leitsätze:

Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts im Widerspruchs(beschwerde)verfahren ist das
wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke am
Erhalt seiner Marke maßgeblich (st.Rspr.).

Mangels ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine betragsmäßige Schätzung
dieses wirtschaftlichen Interesses ist bei der Festsetzung des Gegenstandswerts von dem in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG normierten Regelwert auszugehen (abw. BPatG Beschluss vom 8. August 2013 – 30 W (pat) 57/11).

Der erkennende Senat hält entgegen der Mehrheit der Marken-Beschwerdesenate des
Bundespatentgerichts, die einer BGH-Praxis folgend den Gegenstandswert regelmäßig mit
50.000,– Euro festsetzen, an seiner Rechtsprechung fest, dieses wirtschaftliche Interesse bei unbenutzten angegriffenen Marken ohne werterhöhende Faktoren in der Form zu bemessen, dass der Ausgangsregelwert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG verfünffacht wird (vgl. Senatsbeschluss vom 9. August 2012 – 25 W (pat) 510/11, BlPMZ 2012, 421 – Gegenstandswert im Widerspruchs- bzw. Widerspruchsbeschwerdeverfahren). Daraus ergibt sich im vorliegenden Verfahren ein Gegenstandswert in Höhe von 20.000,– Euro.

Bei der Bemessung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren ist auf die
Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens abzustellen
(Rechtsgedanke des § 40 GKG), und der zu diesem Zeitpunkt gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG normierte Regelwert zu Grunde zu legen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Insgesamt zeigen die vorstehenden Zahlen, dass die Widerspruchs- und Widerspruchsbeschwerdeverfahren
mit steigender Höhe der Gegenstandswerte und damit
steigender Kostenbelastung sich zunehmend von dem ursprünglichen gesetzgeberischen
Zweck und Ideal entfernen, den Beteiligten ein schnelles und im Wesentlichen
an der Registerlage orientiertes und deshalb im Vergleich zum Verletzungsprozess
einfacheres und auch deutlich kostengünstigeres Verfahren zur Klä-
rung markenrechtlicher Kollisionen (regelmäßig vor der Benutzungsaufnahme einer
jüngeren Marke) zur Verfügung zu stellen. Dass dieser gesetzgeberische
Zweck, der auch in den sehr niedrigen Gebühren für die Erinnerung vor dem Patentamt
und die Beschwerde vor dem Bundespatentgericht in Höhe von aktuell
150,– bzw. 200,– € zum Ausdruck kommt, durch unangemessen hohe Gegenstandswerte
und den daraus folgenden entsprechend hohen Anwaltskosten konterkariert
wird, ergibt sich aus dem vorstehend dargestellten Zahlenwerk ohne
Weiteres. Angesichts der inflationären Tendenzen beim Gegenstandswert (Verfünffachung
des Werts von 2006 bis 2012) und der dadurch bedingten gestiegenen
Kostenbelastung für die Beteiligten ist es auch wenig überraschend, dass das
Instrument des markenrechtlichen Widerspruchsverfahrens zur Klärung von streitigen
Kollisionslagen von den Markeninhabern zunehmend zurückhaltend genutzt
wird. Die durchschnittliche Zahl der Widerspruchsbeschwerdeentscheidungen
beim Bundespatentgericht pro Jahr war in den Jahren 1995 bis 2004 etwa um einen
Faktor 3 und in den Jahren 2005 bis 2008 etwa um einen Faktor 2 höher als
in der jüngeren Vergangenheit der Jahre 2009 bis 2013, wohingegen die Zahl der
Verfahren zu Fragen der absoluten Schutzfähigkeit bezogen auf den Zeitraum von
1995 bis 2012 (mit Ausnahme der Jahre 2001 bis 2004 mit um circa 40 % höheren
Entscheidungszahlen) nahezu konstant geblieben ist. Der erkennende Senat hält
es für außerordentlich bedauerlich, dass das markenrechtliche Widerspruchsverfahren
als wertvolles Instrument der „Regulierung“ und „Vorabklärung“ vor einem
tatsächlichen Aufeinandertreffen der Marken im Markt wohl nicht zuletzt auch aufgrund
des signifikant gestiegenen Kostenaufwands zunehmend ungenutzt bleibt.