BGH zu Arbeitnehmererfindungen

In der Entscheidung BGH, Urteil v. 14. Februar 2017, X ZR 64/15 – Lichtschutzfolie (deren Leitsätze bereits hier in diesem Blog berichtet wurden), befasst sich der X. Senat des Bundesgerichtshofs erneut mit dem Beginn der Frist für die Inanspruchnahme einer Diensterfindung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbNEG a.F. Dabei werden die Grundsätze der
Haftetikett-Entscheidung fortgeführt: Die Einreichung einer Patentanmeldung durch den Arbeitgeber löst nach der bis zum 30. September 2009 geltenden Rechtslage selbst dann die Frist zur schriftlichen Inanspruchnahme der Diensterfindung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbNEG a.F. aus, wenn der Arbeitnehmererfinder nach Einreichung der Patentanmeldung eine formgerechte Erfindungsmeldung nach § 5 ArbNEG a.F. nachreicht.

Es sei daran erinnert, dass im Gegensatz zur seit dem 1. Oktober 2009 geltenden Fassung des § 6 ArbNEG die bis zum 30. September 2009 geltende Fassung keine Fiktion der Inanspruchnahme vorsah, also ein aktives Handeln des Arbeitgebers zur wirksamen Überleitung der Rechte aus der Diensterfindung erforderlich war. § 6 ArbNEG a.F. bleibt auf Diensterfindungen anwendbar, die bis zum 30. September 2009 gemeldet wurden.

Die Lichtschutzfolie-Entscheidung zeigt, dass die Formvorschriften für die Inanspruchnahme von Diensterfindungen, die vor dem 30. September 2009 gemeldet oder ohne ordnungsgemäße Meldung durch den Arbeitgeber zum Patent angemeldet wurden, die Gerichte wohl noch viele Jahre beschäftigen werden. Auch wenn die Haftetikett-Entscheidung immer wieder kritisiert wurde, da sie das Schriftformerfordernis des § 5 ArbNEG a.F. einseitig zu Gunsten des Arbeitnehmererfinders unterläuft, wenn durch die Einreichung der Patentanmeldung dokumentiert ist, dass dem Arbeitgeber alle relevanten Informationen über die Diensterfindung vorlagen, hat beispielsweise der derzeitige Vorsitzende des X. Senats in Vorträgen mehrfach betont, dass die Inanspruchnahme der Diensterfindung auch nach den Grundsätzen der Haftetikett-Entscheidung für den Arbeitgeber gut handhabbar sei, da der Fristlauf für die Inanspruchnahme erst mit der Einreichung der Patentanmeldung ausgelöst wird. Wie die Lichtschutzfolie-Entscheidung eindrucksvoll zeigt, stellte die fristgerechte Inanspruchnahme von Diensterfindungen nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbNEG a.F. für viele – nicht nur mittelständische – Unternehmen dennoch eine signifikante Herausforderung dar.

BGH, X ZB 7/15

BGH, Beschluss vom 21. März 2017 – X ZB 7/15

Geht am Abend des vorletzten Tages der Rechtsmittelbegründungsfrist bei dem Rechtsmittelgericht ein unvollständig per Telefax übermittelter Schriftsatz ein, bei dem unter anderem die letzte Seite mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten fehlt, gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht, den Prozessbevollmächtigten am Folgetag auf die von der Geschäftsstelle erkannte Unvollständigkeit des Schriftsatzes hinzuweisen.

BGH, X ZR 119/14 – Gestricktes Schuhoberteil

BGH, Urteil vom 31. Januar 2017 – X ZR 119/14 – Gestricktes Schuhoberteil

Amtliche Leitsätze:

Dass für den Fachmann eine bestimmte Entgegenhaltung als möglicher Ausgangspunkt von Bemühungen um eine Fortentwicklung in Betracht kam, darf insbesondere bei im Prioritätszeitpunkt sehr altem Stand der Technik nicht allein aus der sachlichen Nähe zur erfindungsgemäßen Lösung gefolgert werden. Enthält jedoch eine seit vielen Jahren bekannte technische Lösung bereits alle wesentlichen Elemente der Erfindung, bedarf die Annahme, die ältere Lösung liege außerhalb desjenigen Bereichs, in dem sich am Prioritätstag aus fachmännischer Sicht mögliche Ansatzpunkte für die Lösung des technischen Problems finden ließen, einer besonders sorgfältigen Prüfung.

BGH, I ZR 207/14 – ARD-Buffet

BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – I ZR 207/14 – ARD-Buffet

Amtliche Leitsätze:

a) Die Bestimmung des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV, wonach der öffentlich-rechtliche Rundfunk programmbegleitend Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt anbieten kann, ist eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 3a UWG, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

b) Aus § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ergibt sich das an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtete Verbot, Druckwerke (selbst) anzubieten oder – was dem gleichsteht – (durch Dritte) anbieten zu lassen, wenn es sich dabei nicht um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt. Darüber hinaus lässt sich § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV das an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtete Verbot entnehmen, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um programmbegleitende Druckwerke mit programmbegleitendem Inhalt handelt.

c) Anbieter eines Druckwerks im Sinne des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ist sowohl derjenige, der das Druckwerk auf eigene Kosten vervielfältigt und verbreitet und damit die wirtschaftliche Verantwortung für das Druckwerk trägt, als auch derjenige, der den Inhalt des Druckwerks bestimmt und damit die publizistische Verantwortung für das Druckwerk hat.

d) Es verstößt gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV, wenn eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt das Angebot eines Druckwerks durch einen Verlag dadurch fördert, dass sie auf ihrer Internetseite für das Druckwerk wirbt und für ihre Sendungen geschützte Marken durch eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft für das Druckwerk lizenziert. Für einen solchen Verstoß haftet neben der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt deren rechtlich selbständige Tochtergesellschaft.

e) Die Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 1 RStV, wonach die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio berechtigt sind, kommerzielle Tätigkeiten auszuüben, ist im Hinblick auf die Regelung des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV dahin einschränkend auszulegen, dass sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weder berechtigt, Druckwerke anzubieten oder anbieten zu lassen, wenn es sich dabei nicht um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt, noch berechtigt, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen.

Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem BPatG

Die Entscheidung BGH, Beschluss vom 08. November 2016, X ZB 1/16 – Ventileinrichtung, deren Leitsätze in diesem Blog bereits zitiert wurden, dürfte die bedeutendste Entscheidung zum Einspruchsverfahrensrecht seit vielen Jahren sein, da sie den Rahmen der Prüfungsbefugnisse des Bundespatentgerichts im Beschwerdeverfahren absteckt. Dabei ergeben sich wesentliche Unterschiede zum Verfahrensrecht vor dem Europäischen Patentamt.

Nach der Ventileinrichtung-Entscheidung darf der Einsprechende im Einspruchsbeschwerdeverfahren, das ein deutsches (nationales) Patent zum Gegenstand hat, auch neue Widerrufsgründe geltend machen, die nicht zum Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gehören, wenn das Patent von der Patentabteilung aufrechterhalten wurde (Leitsatz b). Das Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht ist insoweit nicht auf die Überprüfung der patentamtlichen Entscheidung beschränkt. Im Gegensatz dazu ist der Einsprechende als Beschwerdeführer im Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt regelmäßig daran gehindert, neue Einspruchsgründe erstmalig im Beschwerdeverfahren einzuführen (G 10/91, Leitsatz 3); eine (in der Praxis wenig relevante) Ausnahme gilt nur, wenn der Patentinhaber mit der Prüfung der neu eingeführten Einspruchsgründe einverstanden ist.

Brexit – Vertretungsbefugnis von Anwälten aus dem Vereinigten Königreich

Ein englischer Kollege hat in einem Blog sein Bedauern über die möglichen Auswirkungen der Brexit-Abstimmung verkürzt dahingehend zum Ausdruck gebracht, dass es nunmehr leider keine Anwälte aus dem Vereinigten Königreich vor dem Einheitlichen Patentgericht geben wird. Aus diesem Anlass folgt hier eine Übersicht, wie sich nach der derzeitigen Gesetzeslage ein Vollzug des EU-Austritts auf die Vertretungsbefugnis von Kollegen aus dem Vereinigten Königreich im gewerblichen Rechtsschutz auswirken würde – wodurch auch gezeigt wird, dass die eingangs genannte Einschätzung des englischen Kollegen nicht notwendig richtig sein muss.

Vertretung vor dem EUIPO – Unionsmarke: Vertretungsberechtigt sind nach Art. 93 UMV Rechtsanwälte, die in einem der Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums zugelassen sind und einen Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraum haben. Darüber hinaus vertretungsberechtigt sind die in die Liste der Vertreter beim EUIPO eingetragenen UK Trademark Attorneys. Die Voraussetzungen für die Eintragung in diese Liste beinhalten die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums und einen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz im Europäischen Wirtschaftsraum. Von der Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums kann der Exekutivdirektor dispensieren. Die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter wird von Amts wegen gelöscht, wenn der zugelassene Vertreter nicht mehr die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums hat oder wenn der zugelassene Vertreter seinen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz nicht mehr im Europäischen Wirtschaftsraum hat (Regel 78 UMDV).

Somit wären Rechtsanwälte und Trademark Attorneys aus dem Vereinigten Königreich weiter in Markenangelegenheiten vor dem EUIPO vertretungsbefugt, sofern das Vereinigte Königreich nach Vollzug des EU-Austritts im Europäischen Wirtschaftsraum verbleibt. Würde das Vereinigte Königreich nicht im Europäischen Wirtschaftsraum verbleiben, wären Rechtsanwälte und Trademark Attorneys aus dem Vereinigten Königreich vorbehaltlich noch zu treffender abweichender Regelungen auch nicht mehr in Unionsmarkensachen vor dem EUIPO vertretungsbefugt. Übrigens wurden die Regelungen zur Vertretung in Unionsmarkensachen vor dem EUIPO erst mit der Änderungsverordnung EU 2015/2424 vom24.12.2015 dahingehend geändert, dass Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraum ausreichen. Nach der GMV war noch Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz in der EU erforderlich.

Vertretung vor dem EUIPO – Gemeinschaftsgeschmacksmuster: Vertretungsberechtigt sind nach Art. 78 GGV Rechtsanwälte, die in ein EU-Mitgliedsstaat zugelassen sind und einen Geschäftssitz in einem EU-Mitgliedsstaat haben. Vorbehaltlich abweichender Regelungen, die bei Neufassung der GGV oder im Rahmen der Austrittsverhandlungen getroffen werden könnten, würden Rechtsanwälte aus dem Vereinigten Königreich mit Vollzug des EU-Austritts die Vertretungsberechtigung in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vor dem EUIPO verlieren. Darüber hinaus sind die in die Liste für Vertreter in Unionsmarkensachen eingetragene Vertreter auch in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vertretungsberechtigt (siehe hierzu oben). Darüber hinaus sind die in die Liste der Vertreter eingetragene UK Design Attorneys vertretungsberechtigt, wobei Voraussetzung für die Eintragung die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats und ein Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in einem EU-Mitgliedsstaats sind. Von der Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats kann der Exekutivdirektor dispensieren. Die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter für Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen am EUIPO wird von Amts wegen gelöscht, wenn der zugelassene Vertreter nicht mehr die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats hat oder wenn der zugelassene Vertreter seinen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz nicht mehr in einem EU-Mitgliedsstaat hat (Regel 64 GGMDV).

Somit wären – nach derzeitiger Rechtslage – Rechtsanwälte und Design Attorneys aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vor dem EUIPO vertretungsberechtigt, sobald der EU-Austritt des Vereinigte Königreichs vollzogen ist. Es wäre allerdings zu erwarten, dass bei der anstehenden Änderung der GGV die Regelungen zur Vertretung in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen ähnlich wie in der neuen UMV geändert werden. Möglich bleibt darüber hinaus auch in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen die Vertretung durch UK Trademark Attorneys, die nach Art. 93 UMV in die Liste der Vertreter vor dem EUIPO eingetragen sind, falls denn das Vereinigte Königreich im Europäischen Wirtschaftsraum verbleibt.

Europäisches Patentamt: Es wird keine Änderungen geben. Die Anwälte aus dem Vereinigten Königreich bleiben auch nach einem etwaigen Vollzug des EU-Austritts vertretungsberechtigt.

Einheitliches Patentgericht: Bei der Vertretung durch Rechtsanwälte knüpft Art. 48 Abs. 1 EPGÜ an die Zulassung bei einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats an. Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Vereinigte Königreich aufgrund des Gutachtens des EuGH 1/09 kein Vertragsmitgliedstaats des EPGÜ sein kann, falls der EU-Austritt vollzogen wird (a.A.: Tilmann: „A possible way for a non-EU UK to participate in the Unitary Patent and Unified Patent Court?“). Rechtsanwälte, die nur bei einem Gericht des Vereinigten Königreichs zugelassen sind, nicht aber auch vor einem Gericht eines anderen EU-Mitgliedsstaats, wären vor dem EPG nicht vertretungsberechtigt.

Anders ist die Lage bei Patentanwälten. Vertretungsberechtigt sind nach Art. 48 Abs. 2 EPGÜ Europäische Patentanwälte, die die erforderliche Qualifikation, beispielsweise das Patent Litigation Certificate, besitzen. Selbst wenn die derzeit recht umfassende Liste von Kursen im Entwurf für die Regelungen über das European Patent Litigation Certificate, die derzeit für die Übergangsregelung auch zahlreiche von Institutionen des Vereinigten Königreichs angebotene Kurse anführt, noch einmal geändert werden würde, stünde es einem Europäischen Patentanwalt mit britischer Staatsangehörigkeit oder britischem Geschäftssitz immer noch frei, das Patent Litigation Certificate zu erwerben. Europäische Patentanwälte aus dem Vereinigten Königreich könnten also auch nach einem Vollzug des EU-Austritts die Vertretung vor dem EPG ausüben. Die eingangs genannte Einschätzung des englischen Kollegen erscheint also nicht zutreffend, selbst wenn der EU-Austritt vollzogen werden würde. Wahr ist allerdings, dass die Zukunft des EPG insgesamt und insbesondere der Zeitrahmen zur Realisierung des EPG durch die Brexit-Abstimmung recht ungewiss geworden sind.

Fazit:
– Die Vertretung vor dem EUIPO in Unionsmarkensachen knüpft an Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraums an. Anwälte aus dem Vereinigten Königreich könnten auch nach einem etwaigen EU-Austritt vertretungsberechtigt bleiben, wenn das Vereinigten Königreich im Europäischen Wirtschaftsraums bleibt.
– Die Vertretung vor dem EUIPO in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen knüpft – derzeit – an Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz in einem EU-Mitgliedsstaat an an. Anwälte aus dem Vereinigten Königreich wären nach einem etwaigen EU-Austritt nicht mehr in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vertretungsberechtigt, außer sie sind auch in die Liste der Vertreter für Unionsmarkensachen eingetragen.
– Die Vertretung vor dem EPG knüpft für Rechtsanwälte an die Zulassung bei einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats an. Rechtsanwälte aus dem Vereinigten Königreich wären vor dem EPG nicht vertretungsberechtigt, wenn das Vereinigte Königreich nach dem EU-Austritt kein Vertragsmitgliedstaats mehr sein kann. Andererseits könnten Europäische Patentanwälte aus dem Vereinigten Königreich als Vertreter vor dem EPG wirken, sofern sie ein European Patent Litigation Certificate oder eine äquivalente Qualifikation besitzen.

Brexit – Auswirkungen auf gewerbliche Schutzrechte

Welche Auswirkungen wird der Brexit für Inhaber gewerblicher Schutzrechte haben?

Die EU-Schutzrechte (Unionsmarke und Gemeinschaftsgeschmacksmuster) werden bis zum Vollzug des Austritts, d.h. jedenfalls bis nach dem Abschluss der Austrittsverhandlungen, auch im Vereinigten Königreich in Kraft bleiben. Mit Vollzug des EU-Austritts werden Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster ihre Wirkung im Vereinigten Königreich verlieren. Es besteht – wie von mehreren Anwaltskanzleien aus dem Vereinigten Königreich heute kommuniziert wurde – die Hoffnung, dass im Rahmen der Austrittsverhandlungen jedenfalls für die eingetragenen Schutzrechte (Unionsmarke und eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster) beispielsweise eine Regelung dahingehend getroffen werden könnte, dass eine Umwandlung in ein zeitranggleiches nationales Schutzrecht im Vereinigten Königreich ermöglicht wird. Ob nach Vollzug des EU-Austritts beispielsweise auch die Weitergeltung nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster im Vereinigten Königreich fingiert wird, würde abzuwarten bleiben.

Im Hinblick auf das herkömmliche EP-(Bündel-)Patent werden sich keine Änderungen ergeben. Anmelder werden durch das Erteilungsverfahren am Europäischen Patentamt weiterhin EP-Patente mit Wirkung für das Vereinigte Königreich erteilt bekommen können.

Sofern die Ratifizierung des Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht fortgeführt wird, die Voraussetzung für die Anwendung der Einheitspatent-VO ist (Art. 18 Abs. 2 (EU) Nr. 1257/2012), wird leider kein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung mit Wirkung auch für das Vereinigte Königreich zu erhalten sein, da an der Verstärkten Zusammenarbeit nur EU-Mitgliedsstaaten teilnehmen können. Jedoch wird es möglich sein, für die an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedsstaaten (ohne das Vereinigte Königreich) die einheitliche Wirkung eines EP-Patents eintragen zu lassen und daneben den nationalen Teil des EP-Patents im Vereinigten Königreich aufrecht zu erhalten.

Geplante Änderung des Doppelschutzverbots

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform soll der Anpassung des deutschen Rechts an das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) dienen. Der Referentenentwurf schlägt auch eine Änderung der Vorschriften über das Doppelschutzverbot (Art. II § 8 IntPatÜbkG) vor, nach denen bislang ein deutsches (nationales) Patent in dem Umfang seine Wirkung verliert, in welchem ein zeitranggleiches europäisches Patent für denselben Patentinhaber oder seinen Rechtsnachfolger erteilt wird.

Der Referentenentwurf schlägt in Artikel 1 Nr. 1 lit. c) vor, dass für

– ein deutsches Patent und ein gegenstandsgleiches europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung und

– ein deutsches Patent und ein gegenstandsgleiches europäisches Bündelpatent, das der ausschließlichen Zuständigkeit des Einheitspatentgerichts (EPG) unterliegt,

kein Doppelschutzverbot mehr besteht.

Wird ein Opt-out nach Art. 83 Abs. 3 EPGÜ erklärt, so dass die Zuständigkeit des EPG für das europäische Patent derogiert ist und weiterhin nationale Gerichte für den deutschen Teil des europäischen Patents betreffende Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren zuständig sind, verliert das deutsche Patent – wie bisher – insoweit seine Wirkung, als sein Schutzbereich mit dem des europäischen Patents überlappt.

Wird der Opt-out nach Art. 83 Abs. 4 EPGÜ zurückgenommen (oft etwas missverständlich als Opt-in bezeichnet), so bleibt es dennoch bei dem durch Opt-out eingetretenen Verlust des Wirksamkeit des deutschen Patents in dem Umfang, in dem sein Schutzbereich mit dem des europäischen Patents überlappt (vorgeschlagener Art. II § 8 Abs. 3 IntPatÜbkG-E nach Artikel 1 Nr. 1 lit. c) bb) des Referentenentwurfs).

Als Ausgleich dafür, dass bei einer derartigen Änderung des Art. II § 8 IntPatÜbkG dieselbe Erfindung sowohl durch ein der Zuständigkeit deutscher Gerichte unterliegendes deutsches Patent als auch durch ein der Zuständigkeit des EPG unterliegendes europäisches Bündelpatent oder europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung geschützt sein kann, soll dem Verletzungsbeklagten eine Einrede der doppelten Inanspruchnahme vor den deutschen Gerichten eröffnet werden (neuer Art. II § 18 IntPatÜbkG-E gemäß Artikel 1 Nr. 1 lit. d) des Referentenentwurfs).

Hingegen würde das EPG möglicherweise nur in Ausnahmefällen eine nach Abschluss des Verletzungsverfahrens aus dem deutschen Patent erhobene zweite Klage vor dem EPG aus dem gegenstandsgleichen europäischen Patent wegen Rechtsmissbräuchlichkeit zurückweisen (Tilmann in GRUR Int. 2016, 409, 419). Somit könnte für Patentinhaber die Möglichkeit bestehen, zunächst ein Verletzungsverfahren aus dem deutschen Patent vor einem nationalen Gericht zu führen, wobei möglicherweise später ein zweites Verletzungsverfahren gegen denselben Beklagten aus dem gegenstandsgleichen europäischen Patent vor dem EPG geführt werden könnte.

Sowohl Tilmann, GRUR Int. 2016, 409, 419 als auch Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557f. äußern Bedenken gegen die Aufhebung des Doppelschutzverbotes. Jedoch wird gerade dadurch, dass das Doppelschutzverbot weiterbesteht, wenn mit einem Opt-out die Zuständigkeit des EPG für das europäische Patent derogiert wird, eine nicht zu unterschätzende Motivation für Patentinhaber geschaffen, kein Opt-out zu erklären. Dies dürfte politisch gewünscht sein, um dem neuen EPG zum Erfolg zu verhelfen. Auch angesichts der bei den Nutzern des Patentsystems, also insbesondere innovativen Unternehmen, bestehenden Unsicherheit, was sie vor dem EPG erwarten wird, scheint es wünschenswert, durch die Aufhebung des Doppelschutzverbots Patentinhabern die Möglichkeit zu eröffnen, aus ihren nationalen Patenten vor nationalen Gerichten Verletzungsverfahren führen zu können, selbst falls sie auch Inhaber gegenstandsgleicher europäischer Patente sind, die der Zuständigkeit des EPG unterliegen.

Eingeschränkte Klarheitsprüfung im DE-Verfahren

In der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband, deren Leitsätze bereits früher in diesem Blog berichtet wurden, befasste sich der X. Senat unter anderem mit der Frage, ob in einem Rechtsbestandsverfahren geänderte Patentansprüche auf Klarheit zu prüfen sind. Zum Leitsatz erhebt der X. Senat, dass eine Klarheitsprüfung jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (Leitsatz a).

Der X. Senat begründet dies damit, dass eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen sei. Der Patentinhaber habe mit dem erteilten oder dem im Einspruchsverfahren geänderten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (§§ 21, 22 PatG, Art. II § 6 IntPatÜG, Art. 100 EPÜ, Artt. 138, 139 EPÜ) ganz oder teilweise aberkannt werden kann, wobei mangelnde Klarheit nicht zu den Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründen gehört. Nach Auffassung des X. Senats folge daraus, „dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. EPA, Entsch. vom 24. März 2015 G 3/14.)“

Soweit der X. Senat in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband ausdrücklich auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 Bezug nimmt, sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die rechtlichen Grundlagen der Klarheitsprüfung im deutschen nationalen Patentverfahrensrecht und EPÜ unterschiedlich sind. So stützt sich die Argumentation in G 3/14 maßgeblich darauf, dass zwar Artikel 84 EPÜ, nach dem die Patentansprüche deutlich abgefasst sein müssen, im Erteilungsverfahren vor dem EPA eine wichtige Rolle spielt und eine Zurückweisung unklarer Ansprüche im Erteilungsverfahren ermöglicht, mangelnde Klarheit jedoch nicht als Widerrufs- oder Nichtigkeitsgrund vorgesehen ist (G 3/14, Ziffern 55, 66-72).

Im Gegensatz zum EPÜ-Verfahrensrecht wird für das deutsche Verfahrensrecht derzeit von mehreren BPatG-Senaten die Auffassung vertreten, dass mangelnde Klarheit eines Anspruchs selbst im Erteilungsverfahren kein Zurückweisungsgrund ist (vgl. BPatG, Beschluss v. 24. Juni 2015, 15 W (pat) 9/13 – Polyurethanschaum). Die Präsidentin des DPMA, die dem Verfahren BPatG 15 W (pat) 9/13 – Polyurethanschaum beigetreten war, hatte die zugelassene Rechtsbeschwerde nicht eingelegt, obwohl der erkennende BPatG-Senat ihrer Auffassung, dass eine Zurückweisung einer Anmeldung wegen unklarer Patentansprüche im Erteilungsverfahren statthaft sei, nicht gefolgt war. Nach Auffassung von Schneider (Mitt. 2016, 49, 52) impliziert dieses Verhalten der dem Verfahren beigetretenen DPMA-Präsidentin eine Bindung der DPMA-Prüfungsstellen dahingehend, dass jedenfalls bis zu einer etwaigen anderweitigen Entscheidung des BGH die mangelnde Klarheit von Patentansprüche kein Zurückweisungsgrund im DPMA-Erteilungsverfahren sein kann.

Zusammenfassend führt die Argumentation des X. Senats in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband zu der etwas misslichen Situation, dass im Rechtsbestandsverfahren nationaler deutscher Patente eine bereits in den erteilten Ansprüchen enthaltene Unklarheit der Aufrechterhaltung nicht entgegenstehen kann, obwohl die Unklarheit – anders als im Verfahrensrecht für das Erteilungsverfahren nach dem EPÜ – nach derzeitiger Praxis kein Zurückweisungsgrund im DPMA-Erteilungsverfahren ist.

Offen gelassen hat der BGH in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband, ob eine Änderung von Ansprüchen im Rechtsbestandsverfahren, die zu einer in den erteilten Ansprüchen noch nicht enthaltenen neuen Unklarheit führt (z.B. aufgrund einer Einschränkung auf Basis der Beschreibung des Patents), der beschränkten Aufrechterhaltung entgegenstehen kann.