BGH, X ZR 35/11 – Zugriffsrechte

BGH, Urteil vom 14. Oktober 2014 – X ZR 35/11 – Zugriffsrechte

PatG § 14; EPÜ Art. 69

Eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in
der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents
erfasst würde, kommt nur dann in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten,
die zumindest zur Einbeziehung eines Teils der Ausführungsbeispiele
führen, zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend
deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich
etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Beschreibung abweicht.

PatG § 4, EPÜ Art. 56

Der Umstand, dass ein Lösungsweg nur in einer früheren Version eines technischen
Standards
aufgezeigt, in einer späteren Version aber nicht weiterverfolgt
wurde, führt nicht ohne weiteres dazu, dass dieser Weg als nicht naheliegend
anzusehen ist.

ZPO § 263, § 269 Abs. 3

Im Falle eines Klägerwechsels hat der ausscheidende Kläger entsprechend
§ 269 Abs. 3 ZPO die Mehrkosten zu tragen, die durch den Parteiwechsel entstanden
sind, nicht aber – darüber hinausgehend – denjenigen Anteil der Kosten,
der ihm im Falle einer Klagerücknahme aufzuerlegen wäre.

BGH, X ZB 1/13 – Sitzplatznummerierungseinrichtung

BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – X ZB 1/13 – Sitzplatznummerierungseinrichtung

Amtlicher Leitsatz:

Ein Gericht kann dem Erfordernis, sich mit einer von seiner Auffassung abweichenden Entscheidung des Europäischen Patentamts oder eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaates des Europäischen Patentübereinkommens auseinanderzusetzen (BGH, Beschluss vom 15. April 2010 – Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine), im Einzelfall auch dadurch genügen, dass es bei der Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Erwägungen eingeht, auf denen die abweichende Beurteilung beruht.

EPA: Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 30. April 2014 – G 1/12

Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 30. April 2014 – G 1/12

Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:

Frage 1

Die umformulierte Frage 1 – nämlich ob es in dem Fall, dass eine Beschwerdeschrift entsprechend der Regel 99 (1) a) EPÜ den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthält und behauptet wird, es sei aus Versehen die falsche Identität angegeben worden und die wirkliche Absicht sei es gewesen, die Beschwerde im Namen der juristischen Person einzulegen, die sie hätte einlegen sollen, möglich ist, diesen Fehler nach Regel 101 (2) EPÜ auf einen Antrag hin zu korrigieren, den Namen durch den des wahren Beschwerdeführers zu ersetzen – wird bejaht, sofern die Erfordernisse der Regel 101 (1) EPÜ erfüllt sind.

Frage 2

Im Verfahren vor dem EPA findet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung Anwendung. Dies gilt auch für den Problemkreis in dieser Vorlagesache.

Frage 3

Im Falle einer fehlerhaften Angabe des Namens des Beschwerdeführers greift nach den in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern aufgestellten Bedingungen das allgemeine Verfahren für die Berichtigung von Mängeln nach Regel 139 Satz 1 EPÜ.

Frage 4

In Anbetracht der Antworten auf die Fragen 1 und 3 muss die Frage 4 nicht beantwortet werden.

OLG Karlsruhe, 6 U 118/14

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.10.2014, 6 U 118/14

Amtliche Leitsätze:

1. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt in Betracht, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird. Im Patentverletzungsprozess liegt ein solcher Fall auch dann vor, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass das Klagepatent in der geltend gemachten Fassung voraussichtlich nicht rechtsbeständig ist, wenn die vom Landgericht befürwortete weite Schutzbereichsbestimmung zugrunde gelegt wird.

2. Die im Verfahren nach §§ 707, 719 ZPO vorzunehmende summarische Prüfung, ob das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, muss sich zumindest im Regelfall auf diejenigen tatsächlichen Feststellungen und diejenigen rechtlichen Erwägungen beschränken, die für die erstinstanzliche Entscheidung tragend sind.

3. Ob der Verletzungsbeklagte mit der Berufung auf die Aussage eines Zulieferers, das geschützte Herstellungsverfahren werde nicht angewandt, die Anwendung dieses Verfahrens (unbedingt) bestreitet, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Kontexts zu ermitteln. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte sich die – für seinen Standpunkt günstige – Darstellung des Zulieferers ausdrücklich zu eigen gemacht hat.

BPatG, 7 W (pat) 45/14 – Vibrationsrammanordnung

BPatG, Beschl. v. 17. September 2014 – 7 W (pat) 45/14 – Vibrationsrammanordnung

Wenn ein Wettbewerber durch einen Werbeprospekt einen Hinweis auf eine noch nicht offengelegte Patentanmeldung erhält, so ist das ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht geeignet, ein berechtigtes, das Geheimhaltungsinteresse des Anmelders übersteigendes Interesse an der Akteneinsicht in diese Patentanmeldung zu begründen.

BGH, X ZR 61/13 – Kurznachrichten: Einstellung der Zwangsvollstreckung im Falle der Nichtigerklärung des Klagepatents durch das Patentgericht

BGH, Beschl. v. 16. September 2014 – X ZR 61/13 – Kurznachrichten

Amtliche Leitsätze:

a) Ist der Verletzungsbeklagte durch ein vorläufig vollstreckbares Urteil, gegen das Einspruch oder Berufung eingelegt worden ist, wegen Patentverletzung verurteilt, ist es grundsätzlich geboten, die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil gemäß § 719 Abs. 1 und § 707 ZPO gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, wenn das Klagepatent im Patentnichtigkeitsverfahren durch das Bundespatentgericht für nichtig erklärt worden ist.

b) Unter den gleichen Voraussetzungen ist die Zwangsvollstreckung in entsprechender Anwendung von § 719 Abs. 1 ZPO auch im Revisionsverfahren und im Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.

BPatG, 35 W (pat) 413/12 – Fahrradgetriebenabe: Zur elektronischen Aktenführung bei dem Patentamt, dem Patentgericht und dem Bundesgerichtshof

BPatG, Beschl. v. 25. August 2014 – 35 W (pat) 413/12 – Fahrradgetriebenabe

Amtlicher Leitsatz:

Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, hier: zu den technischen und verfahrensrechtlichen Anforderungen an den abschließenden Beschluss im schriftlichen Verfahren bei elektronischer Aktenführung; vgl. auch die weiteren Beschlüsse vom 25. August 2014 35 W (pat) 404/12, 35 W (pat) 408/12 und
35 W (pat) 418/12.

EPA: Neues Webbasiertes Tool (CMS) zur Online-Einreichung von Anmeldungen

Das EPA hat ein neues System für die Online-Einreichung von Patentanmeldungen (CMS) gestartet:

Aus den Amtsmitteilungen:

Das System ist über die meisten Browser zugänglich (Firefox, Internet Explorer, Chrome, Safari usw.) und speichert Ihre Daten und Dokumente in einem sicheren, vom EPA gehosteten Netzwerk.

Da es sich um eine webbasierte Anwendung handelt, müssen Sie keine Software installieren – außer der Software für die Smartcard, die Sie benötigen, um sich in der sicheren Umgebung anzumelden. Ihre Smartcard muss aktiviert sein.

Keine Softwareinstallation bedeutet auch keine Software-Updates: alle Updates werden zentral ausführt.

BPatG, 3 Ni 26/12 (EP) – L-Arginin: zur Kostenentscheidung im Patentnichtigkeitsverfahren

BPatG, Beschl. v. 5. Mai 2014 – 3 Ni 26/12 (EP) – L-Arginin

Amtliche Leitsätze:

1. Im Patentnichtigkeitsverfahren ergeht die Kostenentscheidung nach einer Klagerücknahme, bei der der Anlass zur Klage bereits vor Rechtshängigkeit weggefallen ist (§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO), in der Regel nicht auf Grund mündlicher Verhandlung.

2. Allein der Umstand, dass die Nebenintervention erst in einem sehr späten Verfahrensstadium erklärt wird, erlaubt noch nicht den Schluss, diese Vorgehensweise des Neben-intervenienten diene lediglich dem Zweck, Kosten zu verursachen, sei rechtsmiss-bräuchlich und

BPatG, 21 W (pat) 13/10 – Elektrochemischer Energiespeicher: Zur Klarheit der Patentansprüche

BPatG, Entsch. v. 22.Mai 2014 – 21 W (pat) 13/10 – Elektrochemischer Energiespeicher

Amtliche Leitsätze:

Der Patentanspruch hat gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG die Aufgabe, eindeutig und unmissverständlich anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll.

Ist den Patentansprüchen im Erteilungsbeschwerdeverfahren nicht zweifelsfrei zu entnehmen, was gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll, sind diese mängelbehaftet und daher nicht zulässig.

Das Erfordernis des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG ist nicht erfüllt, wenn Merkmale eines Patentanspruchs widersprüch-lich zueinander sind oder im Widerspruch zu allgemein bekannten mathematischen Definitionen stehen.

Der Fachmann kann zwar zum allgemeinen Verständnis abstrakt formulierter Begriffe im Einzelfall die Ausfüh-rungen in der Beschreibung heranziehen, dies findet aber jedenfalls da seine Grenze, wo die Formulierungen im angemeldeten Patentanspruch so deutliche Widersprüche aufweisen, dass sie gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG in dieser Form in einem erteilten Patentanspruch nicht bestehen dürfen und daher im Erteilungsverfahren klarzu-stellen sind.

Im Anmelde- und Patenterteilungsverfahren ist kein Raum für die Auslegung widersprüchlich formulierter Patent-ansprüche; vielmehr ist der Forderung nach klaren und deutlichen Patentansprüchen Rechnung zu tragen. Eine andere Ansicht würde zur Aushöhlung der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG führen.

Die Aufgabe, auf klare Patentansprüche hinzuwirken (vgl. BGH – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren – GRUR 2013, 1210-1212, III.1a), trifft auch das Bundespatentgericht im Erteilungsbeschwerdeverfahren. Diese Aufgabe beinhaltet aber nicht, jeden widersprüchlichen Patentanspruch im Wege der Auslegung zu „reparieren“. Die Be-schreibung kann vielmehr nur dann herangezogen werden im Zusammenspiel mit dem Anmelder als Beschwer-deführer, dessen alleinige Aufgabe es ist, einen solchen Patentanspruch klarzustellen. Erscheint der Anmelder in der mündlichen Verhandlung aber nicht und begibt er sich damit seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, so geht er das Risiko ein, dass seine Anmeldung zurückgewiesen wird. Das Bundespatentgericht kann nämlich wegen §34 Abs. 3 Nr. 3 PatG kein Patent mit einem Patentanspruch erteilen, der nicht aus sich heraus klar und ver-ständlich ist.

Demnach ist es dem Patentgericht aufgrund der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG verwehrt, einen unklaren Patentanspruch