BGH, X ZR 128/09 – Repaglinid

BGH, Urteil vom 11. November 2014 – X ZR 128/09 – Repaglinid

Amtliche Leitsätze:

a) Vorteile der Erfindung, an denen der Fachmann seine Bemühungen um eine Weiterentwicklung des Standes der Technik nicht ausgerichtet hätte, weil sie sich erst durch die Erfindung als erreichbar gezeigt haben, können das der Erfindung zugrunde liegende technische Problem (die Aufgabe der Erfindung) nicht bestimmen.

b) Je nach den Gegebenheiten des technischen Gebiets und den Umständen des Einzelfalles kann das Beschreiten eines jeden von mehreren unterschiedlichen Wegen zur Lösung des Problems naheliegen.

BGH, X ZR 81/13 – Kochgefäß

BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – X ZR 81/13 – Kochgefäß

Amtliche Leitsätze:

a) Zur Prüfung der Gleichwirkung ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe erfindungsgemäß
zusammenkommen müssen. Die Gesamtheit dieser Wirkungen repräsentiert die patentgemäße Lösung; ihre weitere Unterteilung in „erfindungswesentliche“ und „zusätzliche“ Wirkungen ist verfehlt.

b) Auf den Gutglaubensschutz nach Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜbkG aF kann sich auch derjenige berufen, dem die fehlerhafte Übersetzung der Patentschrift nicht bekannt war, der jedoch in Kenntnis derselben zu dem Schluss hätte
kommen dürfen, dass durch das Patent ein von dem tatsächlich unter Schutz gestellten abweichender Gegenstand geschützt ist.

BGH, Urteil vom 2. Dezember 2014 – X ZR 151/12 – Zwangsmischer

BGH, Urteil vom 2. Dezember 2014 – X ZR 151/12 – Zwangsmischer

Amtliche Leitsätze:

a) Der Kläger, der im Patentnichtigkeitsverfahren geltend macht, dass der Gegenstand des Streitpatents dem Fachmann nahegelegt gewesen sei, muss dartun, dass im Stand der Technik technische Lehren bekannt waren, aus denen der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens den Gegenstand der Erfindung entwickeln konnte. Er muss ferner diejenigen technischen und sonstigen tatsächlichen Gesichtspunkte darlegen, aus denen das Patentgericht die rechtliche Schlussfolgerung ziehen soll, dass der Fachmann Anlass hatte, den ihm nach seinem Fachwissen und -können objektiv möglichen Weg auch zu gehen.

b) Erachtet das Patentgericht das Streitpatent in der Fassung eines Hilfsantrags, den der Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung nach einem Hinweis des Gerichts gestellt hat, für rechtsbeständig, ist ein neues Angriffsmittel, das aus erstmals im zweiten Rechtszug eingeführten technischen Informationen
einer Entgegenhaltung hergeleitet werden soll, zuzulassen, wenn für den Kläger aus dem Hinweis nicht erkennbar war, dass das Patentgericht den Gegenstand des Hilfsantrags als (möglicherweise) patentfähig ansah.

BGH, Urteil vom 25. November 2014 – X ZR 119/09 – Schleifprodukt

BGH, Urteil vom 25. November 2014 – X ZR 119/09 – Schleifprodukt

Amtliche Leitsätze:

a) Dienen Merkmale eines Ausführungsbeispiels, die zusammen, aber auch je
für sich den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, der näheren Ausgestaltung
der unter Schutz gestellten Erfindung, so ist es grundsätzlich zulässig,
das Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser
Merkmale in den Patentanspruch zu beschränken. Die beanspruchte Kombination
muss jedoch in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die
der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung
der Erfindung entnehmen kann
.

b) Kann der Fachmann der Darstellung eines insoweit nicht näher erläuterten
Ausführungsbeispiels entnehmen, dass eine von der Erfindung angestrebte
Wirkung (hier: eine offene und flexible Struktur eines gewirkten Tuchs) durch
eine bestimmte Verbindung zweier technischer Maßnahmen (hier: die Kombination
von Trikot- und Satinmaschen in bestimmter Anordnung) erreicht
wird, ist damit nicht notwendigerweise offenbart, dass dasselbe auch für jede
andere Kombination dieser beiden Maßnahmen gilt.

(Un-)Zulässigkeit von Vorlagefragen an die GBK

Über die aktuelle Entscheidung G 1/12 der Großen Beschwerdekammer (GBK) wurde in diesem Blog bereits berichtet.

Eine Minderheit der Mitglieder der Großen Beschwerdekammer hielt die Vorlage für unzulässig. Die entsprechenden Erwägungen wurden nach Art. 18(2) VO GBK in die Entscheidung mit aufgenommen (G 1/12, Ziffern 42-49 der Entscheidungsgründe).

Die Minderheit hielt die Rechtslage für derart klar, dass sie eine Entscheidung der GBK für nicht erforderlich hielt.

Jedoch ist nach Art. 112(1)(a) EPÜ für die Vorlagefrage Voraussetzung, dass die vorlegende Beschwerdekammer (und nicht etwa die GBK) die Beantwortung der Rechtsfrage zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage für erforderlich hält, wenn diese Rechtsfrage für das Verfahren vor der Beschwerdekammer entscheidungserheblich ist. Die Beschwerdekammer muss die Rechtsfrage der GBK nicht vorlegen, wenn sie die Rechtsfrage selbst zweifelsfrei beantworten kann (J 5/81: Leitsatz 2). Es steht dennoch im Ermessen der Beschwerdekammer, eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorzulegen, selbst wenn – wie in der Vorlageentscheidung zu G 1/12 auch – die vorlegende Beschwerdekammer kaum Zweifel hatte, wie die Rechtsfragen zu beantworten sind.

Wie die GBK selbst in G 2/04, Ziffer 1.4 der Entscheidungsgründe festgestellt hat, betrifft die Tatsache, dass die Antwort auf die vorgelegten Rechtsfragen klar zu sein scheinen, nicht die Zulässigkeit der Vorlage. Insofern verwundert die Erwägung der Minderheit zur (Un-)Zulässigkeit der Vorlagefragen nach Art. 112(1)(a) EPÜ in G 1/12 doch etwas. Wie durch G 3/08 in Erinnerung gerufen wurde, sind die Kriterien für die Zulässigkeit von Vorlagefragen des Präsidenten nach Art. 112(1)(b) EPÜ von denen für die Zulässigkeit von Vorlagefragen der Beschwerdekammern deutlich verschieden.

BGH, X ZR 35/11 – Zugriffsrechte

BGH, Urteil vom 14. Oktober 2014 – X ZR 35/11 – Zugriffsrechte

PatG § 14; EPÜ Art. 69

Eine Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge hätte, dass keines der in
der Patentschrift geschilderten Ausführungsbeispiele vom Gegenstand des Patents
erfasst würde, kommt nur dann in Betracht, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten,
die zumindest zur Einbeziehung eines Teils der Ausführungsbeispiele
führen, zwingend ausscheiden oder wenn sich aus dem Patentanspruch hinreichend
deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen lassen, dass tatsächlich
etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Beschreibung abweicht.

PatG § 4, EPÜ Art. 56

Der Umstand, dass ein Lösungsweg nur in einer früheren Version eines technischen
Standards
aufgezeigt, in einer späteren Version aber nicht weiterverfolgt
wurde, führt nicht ohne weiteres dazu, dass dieser Weg als nicht naheliegend
anzusehen ist.

ZPO § 263, § 269 Abs. 3

Im Falle eines Klägerwechsels hat der ausscheidende Kläger entsprechend
§ 269 Abs. 3 ZPO die Mehrkosten zu tragen, die durch den Parteiwechsel entstanden
sind, nicht aber – darüber hinausgehend – denjenigen Anteil der Kosten,
der ihm im Falle einer Klagerücknahme aufzuerlegen wäre.

BGH, X ZB 1/13 – Sitzplatznummerierungseinrichtung

BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2014 – X ZB 1/13 – Sitzplatznummerierungseinrichtung

Amtlicher Leitsatz:

Ein Gericht kann dem Erfordernis, sich mit einer von seiner Auffassung abweichenden Entscheidung des Europäischen Patentamts oder eines Gerichts eines anderen Mitgliedstaates des Europäischen Patentübereinkommens auseinanderzusetzen (BGH, Beschluss vom 15. April 2010 – Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine), im Einzelfall auch dadurch genügen, dass es bei der Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Erwägungen eingeht, auf denen die abweichende Beurteilung beruht.

EPA: Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 30. April 2014 – G 1/12

Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 30. April 2014 – G 1/12

Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:

Frage 1

Die umformulierte Frage 1 – nämlich ob es in dem Fall, dass eine Beschwerdeschrift entsprechend der Regel 99 (1) a) EPÜ den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthält und behauptet wird, es sei aus Versehen die falsche Identität angegeben worden und die wirkliche Absicht sei es gewesen, die Beschwerde im Namen der juristischen Person einzulegen, die sie hätte einlegen sollen, möglich ist, diesen Fehler nach Regel 101 (2) EPÜ auf einen Antrag hin zu korrigieren, den Namen durch den des wahren Beschwerdeführers zu ersetzen – wird bejaht, sofern die Erfordernisse der Regel 101 (1) EPÜ erfüllt sind.

Frage 2

Im Verfahren vor dem EPA findet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung Anwendung. Dies gilt auch für den Problemkreis in dieser Vorlagesache.

Frage 3

Im Falle einer fehlerhaften Angabe des Namens des Beschwerdeführers greift nach den in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern aufgestellten Bedingungen das allgemeine Verfahren für die Berichtigung von Mängeln nach Regel 139 Satz 1 EPÜ.

Frage 4

In Anbetracht der Antworten auf die Fragen 1 und 3 muss die Frage 4 nicht beantwortet werden.

OLG Karlsruhe, 6 U 118/14

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13.10.2014, 6 U 118/14

Amtliche Leitsätze:

1. Die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt in Betracht, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einstellungsantrag bei der im Verfahren nach §§ 719, 707 ZPO gebotenen summarischen Prüfung festgestellt werden kann, dass das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird. Im Patentverletzungsprozess liegt ein solcher Fall auch dann vor, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass das Klagepatent in der geltend gemachten Fassung voraussichtlich nicht rechtsbeständig ist, wenn die vom Landgericht befürwortete weite Schutzbereichsbestimmung zugrunde gelegt wird.

2. Die im Verfahren nach §§ 707, 719 ZPO vorzunehmende summarische Prüfung, ob das angefochtene Urteil voraussichtlich keinen Bestand haben wird, muss sich zumindest im Regelfall auf diejenigen tatsächlichen Feststellungen und diejenigen rechtlichen Erwägungen beschränken, die für die erstinstanzliche Entscheidung tragend sind.

3. Ob der Verletzungsbeklagte mit der Berufung auf die Aussage eines Zulieferers, das geschützte Herstellungsverfahren werde nicht angewandt, die Anwendung dieses Verfahrens (unbedingt) bestreitet, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Kontexts zu ermitteln. Ist dies zu bejahen, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte sich die – für seinen Standpunkt günstige – Darstellung des Zulieferers ausdrücklich zu eigen gemacht hat.