BGH, X ZR 41/14 – Fahrzeugscheibe II

BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – X ZR 41/14 – Fahrzeugscheibe II

Amtlicher Leitsatz:

Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz kann als sachdienlich anzusehen sein, wenn das Patentgericht den Beklagten erst in der mündlichen Verhandlung davon in Kenntnis gesetzt hat, dass es an einer im Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG geäußerten, dem Beklagten günstigen Einschätzung nicht festhält.

Beschwerdekammerentscheidung T 1402/13 – Achtung, Haftungsrisiko!

Die EPA-Beschwerdekammerentscheidung T 1402/13 vom 31.5.2016 weist mehrere interessante Aspekte auf:

1. Anhängigkeit einer Anmeldung bei Nichtzahlung der Jahresgebühr: Die Beschwerdekammer ist der Auffassung, dass bei Nichtzahlung der Jahresgebühr nach dem EPÜ2000 (insbesondere Art. 86(1) EPÜ2000) die Anmeldung nur bis zum Fälligkeitstag der Jahresgebühr und nicht mehr – wie unter dem EPÜ1973 – bis zum Ende der sechsmonatigen Frist zur Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag anhängig ist.

Anmerkung: Die Anhängigkeit einer Patentanmeldung ist von großer praktischer Bedeutung, da sie insbesondere bestimmt, ob die Einreichung einer Teilanmeldung möglich ist. Die Auffassung der Beschwerdekammer steht im Widerspruch zur derzeitigen Amtspraxis (Prüfungsrichtlinien A-IV, 1.1.1). Der Basisvorschlags für die Revision des EPÜ (MR/2/00), nach dem die Revision des EPÜ im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die Anhängigkeit einer Anmeldung bei Nichtzahlung der Jahresgebühr endet, keine Änderung mit sich bringen sollte, wird zwar in der Entscheidung
T 1402/13
diskutiert, doch vertritt die Beschwerdekammer die Auffassung, dass angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art. 86 und Regel 51 EPÜ2000 eine teleologische Auslegung dieser Vorschriften die derzeitige Amtspraxis nicht stützen kann.
Für die Praxis empfiehlt es sich, Teilanmeldungen vorsorglich vor dem Fälligkeitstag der Jahresgebühr der Stammanmeldung einzureichen, wenn die Stammanmeldung durch Nichtzahlung der Jahresgebühr fallengelassen werden soll. Eine innerhalb der 6-Monats-Frist zur Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag für die Stammanmeldung eingereichte Teilanmeldung wäre nach T 1402/13 nicht wirksam, wenn die Jahresgebühr für die Stammanmeldung nicht entrichtet wird. Kann die Teilanmeldung nicht vor dem Fälligkeitstag der Jahresgebühr für die Stammanmeldung eingereicht werden, müsste ggf. die Zahlung einer weiteren Jahresgebühr mit Zuschlag in Betracht gezogen werden, um sicherzustellen, dass die Teilanmeldung wirksam eingereicht wurde.

2. Die teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ setzt nach Auffassung der Beschwerdekammer eine aktive Zurücknahme der Beschwerde oder Anmeldung voraus. Eine bloße Rücknahmefiktion genügt nicht, um in den Genuss der Gebührenprivilegierung nach Regel 103(2) EPÜ zu kommen.

3. Die teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ erfordert nach Auffassung der Beschwerdekammer, dass die Beschwerde zurückgenommen wird, während die Anmeldung noch anhängig ist.

Anmerkung: Da die Große Beschwerdekammer in der Entscheidung G 1/09 betont hat, dass zwischen Anhängigkeit der Anmeldung und Anhängigkeit eines Verfahrens zu differenzieren ist, ist nicht ersichtlich, warum die nach Regel 103(2) EPÜ gebührenmäßig privilegierte Rücknahme der Beschwerde nicht auch noch dann erfolgen können sollte, wenn die Anmeldung selbst bereits als zurückgenommen gilt. Auch in diesem Fall fällt für die Beschwerdekammer keine weitere Arbeit an, wenn die Beschwerde zurückgenommen wird. Falls der Beschwerdeführer an einer teilweisen Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ Interesse hat, sollte in der Praxis höchst vorsorglich die Beschwerde aktiv zurückgenommen werden, während die Anmeldung selbst noch anhängig ist.

BGH, X ZR 5/14 – Anrufroutingverfahren

BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 – X ZR 5/14 – Anrufroutingverfahren

Amtliche Leitsätze:

a) Für eine Veranlassung des Fachmanns, eine in einem Entwurf für einen technischen Standard beschriebene Routine in bestimmter, dem Ziel des Verfahrens dienlicher Weise weiterzuentwickeln, kann es sprechen, wenn im Entwurf enthaltene Verfahrensschritte ohnehin darauf angelegt sind, vom Fachmann konkretisiert zu werden, oder die Routine aus fachmännischer Sicht (möglicherweise) noch lückenhaft und im weiteren Standardisierungsprozess mit ergänzenden Angaben auszufüllen ist.

b) Kommen für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist insofern, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge.

BGH, X ZR 29/15 – Pemetrexed

BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 – X ZR 29/15 – Pemetrexed

Amtliche Leitsätze:

a) Eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 – X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 – Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 – X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 – Diglycidverbindung).

b) Für die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes reicht es nicht aus, dass sich eine vom Patent beanspruchte Ausführungsform aufgrund von Angaben in der Beschreibung oder aus sonstigen Gründen als spezieller Anwendungsfall eines allgemeineren Lösungsprinzips darstellt und der Fachmann aufgrund dieser Erkenntnis in der Lage war, weitere diesem Lösungsprinzip entsprechende Ausführungsformen aufzufinden.

Geplante Änderung des Doppelschutzverbots

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform soll der Anpassung des deutschen Rechts an das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) dienen. Der Referentenentwurf schlägt auch eine Änderung der Vorschriften über das Doppelschutzverbot (Art. II § 8 IntPatÜbkG) vor, nach denen bislang ein deutsches (nationales) Patent in dem Umfang seine Wirkung verliert, in welchem ein zeitranggleiches europäisches Patent für denselben Patentinhaber oder seinen Rechtsnachfolger erteilt wird.

Der Referentenentwurf schlägt in Artikel 1 Nr. 1 lit. c) vor, dass für

– ein deutsches Patent und ein gegenstandsgleiches europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung und

– ein deutsches Patent und ein gegenstandsgleiches europäisches Bündelpatent, das der ausschließlichen Zuständigkeit des Einheitspatentgerichts (EPG) unterliegt,

kein Doppelschutzverbot mehr besteht.

Wird ein Opt-out nach Art. 83 Abs. 3 EPGÜ erklärt, so dass die Zuständigkeit des EPG für das europäische Patent derogiert ist und weiterhin nationale Gerichte für den deutschen Teil des europäischen Patents betreffende Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren zuständig sind, verliert das deutsche Patent – wie bisher – insoweit seine Wirkung, als sein Schutzbereich mit dem des europäischen Patents überlappt.

Wird der Opt-out nach Art. 83 Abs. 4 EPGÜ zurückgenommen (oft etwas missverständlich als Opt-in bezeichnet), so bleibt es dennoch bei dem durch Opt-out eingetretenen Verlust des Wirksamkeit des deutschen Patents in dem Umfang, in dem sein Schutzbereich mit dem des europäischen Patents überlappt (vorgeschlagener Art. II § 8 Abs. 3 IntPatÜbkG-E nach Artikel 1 Nr. 1 lit. c) bb) des Referentenentwurfs).

Als Ausgleich dafür, dass bei einer derartigen Änderung des Art. II § 8 IntPatÜbkG dieselbe Erfindung sowohl durch ein der Zuständigkeit deutscher Gerichte unterliegendes deutsches Patent als auch durch ein der Zuständigkeit des EPG unterliegendes europäisches Bündelpatent oder europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung geschützt sein kann, soll dem Verletzungsbeklagten eine Einrede der doppelten Inanspruchnahme vor den deutschen Gerichten eröffnet werden (neuer Art. II § 18 IntPatÜbkG-E gemäß Artikel 1 Nr. 1 lit. d) des Referentenentwurfs).

Hingegen würde das EPG möglicherweise nur in Ausnahmefällen eine nach Abschluss des Verletzungsverfahrens aus dem deutschen Patent erhobene zweite Klage vor dem EPG aus dem gegenstandsgleichen europäischen Patent wegen Rechtsmissbräuchlichkeit zurückweisen (Tilmann in GRUR Int. 2016, 409, 419). Somit könnte für Patentinhaber die Möglichkeit bestehen, zunächst ein Verletzungsverfahren aus dem deutschen Patent vor einem nationalen Gericht zu führen, wobei möglicherweise später ein zweites Verletzungsverfahren gegen denselben Beklagten aus dem gegenstandsgleichen europäischen Patent vor dem EPG geführt werden könnte.

Sowohl Tilmann, GRUR Int. 2016, 409, 419 als auch Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557f. äußern Bedenken gegen die Aufhebung des Doppelschutzverbotes. Jedoch wird gerade dadurch, dass das Doppelschutzverbot weiterbesteht, wenn mit einem Opt-out die Zuständigkeit des EPG für das europäische Patent derogiert wird, eine nicht zu unterschätzende Motivation für Patentinhaber geschaffen, kein Opt-out zu erklären. Dies dürfte politisch gewünscht sein, um dem neuen EPG zum Erfolg zu verhelfen. Auch angesichts der bei den Nutzern des Patentsystems, also insbesondere innovativen Unternehmen, bestehenden Unsicherheit, was sie vor dem EPG erwarten wird, scheint es wünschenswert, durch die Aufhebung des Doppelschutzverbots Patentinhabern die Möglichkeit zu eröffnen, aus ihren nationalen Patenten vor nationalen Gerichten Verletzungsverfahren führen zu können, selbst falls sie auch Inhaber gegenstandsgleicher europäischer Patente sind, die der Zuständigkeit des EPG unterliegen.

BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 – X ZR 141/13 – Rezeptortyrosinkinase

BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 – X ZR 141/13 – Rezeptortyrosinkinase

Amtlicher Leitsatz:

Eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, ist dem Patentschutz unabhängig davon zugänglich, ob die Lehre über die zweckgerichtete Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen „erfinderischen Überschuss“ enthält. Dies gilt auch für die Bereitstellung einer für ein Humanprotein codierenden Nukleinsäuresequenz. Einer Kennzeichnung der Sequenz als isoliert oder durch ein technisches Verfahren gewonnen im Patentanspruch bedarf es dabei nicht.

Aus der Urteilsbegründung:

Eine Entdeckung ist nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. a, Abs cheap cialis 100mg. 3 EPÜ als solche ebenso wie eine wissenschaftliche Theorie oder eine mathematische Methode dem Patentschutz nicht zugänglich. Anders als es der Oberste Gerichtshof
der Vereinigten Staaten für das amerikanische Patentrecht entschieden hat (566 U.S. (2012) – Mayo v. Prometheus), ist jedoch eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, nach europäischem – und deutschem – Recht dem Patentschutz unabhängig davon zugänglich, ob die Lehre über die Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen „erfinderischen Überschuss“ enthält. Denn jedes technische Handeln beruht auf der zielgerichteten Nutzung von Naturgesetzen, so dass es sich verbietet, bei der – auch für den Patentschutz computerimplementierter Erfindungen maßgeblichen – Prüfung der Frage, ob die gelehrte technische Lösung des Problems auf erfinderischer Tätigkeit beruht, die Frage außer Betracht zu lassen, ob dem Fachmann die Erkenntnis einer physikalischen, chemischen oder biologischen Gesetzmäßigkeit, die die Grundlage der technischen Lehre der Erfindung bildet, nahegelegt war.

BGH, X ZR 111/13 – Telekommunikationsverbindung

<a href="http://juris.bundesgerichtshof redirected here.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&az=X%20ZR%20111/13&nr=73927″>BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 – X ZR 111/13 – Telekommunikationsverbindung

Amtliche Leitsätze:

a) Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz kann regelmäßig nicht als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden, wenn der Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte.

b) Ein Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung in der ersten Instanz kann sich daraus ergeben, dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.

c) Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel, wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft.

BPatG, 4 Ni 15/10 (EU) – Unterdruckwundverband II

<a href="http://juris Click Here.bundespatentgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bpatg&amp;Art=en&amp;Datum=Aktuell&amp;Sort=12290&amp;Seite=0&amp;nr=27752&amp;pos=7&amp;anz=241&amp;Blank=1.pdf“>BPatG, Urt. v. 28. Dezember 2015 – 4 Ni 15/10 (EU) – Unterdruckwundverband II

Amtliche Leitsätze:

1. Hat der Bundesgerichtshof im Nichtigkeitsberufungsverfahren das angefochtene Urteil des Bundepatentgerichts aufgehoben und das Streitpatent für nichtig erklärt soweit sein Gegenstand über die im Urteilsausspruch enthaltene Fassung hinausgeht, ohne zugleich die Berufung im Übrigen zurückzuweisen, sondern im
Übrigen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, so liegt ein Teilurteil vor.

2. Wegen der durch das Berufungsurteil eingetretenen Teilrechtskraft ist die Verteidigung des Streitpatents nur noch insoweit zulässig, als dieses in der im Urteilsausspruch des Berufungsurteils genannten Fassung oder einer weiter eingeschränkten Fassung verteidigt wird.

3. Zum Umfang der Bindungswirkung nach § 119 Abs. 4 PatG für die Beurteilung der erweiterten Zulässigkeitsprüfung von geänderten Patentansprüchen.

BPatG 5 ZA (pat) 103/14: Erstattungsfähigkeit der Kosten für mehrere Anwälte

BPatG Urteil v. 1. Dezember 2015 – 5 ZA (pat) 103/14 – Erstattungsfähigkeit der Kosten für mehrere Anwälte

Amtliche Leitsätze:

1. Erheben mehrere Kläger gegen dasselbe Streitpatent eine gemeinsame Klage mit demselben Klageantrag und demselben Nichtigkeitsgrund, ist nur eine Klagegebühr zu zahlen (Aufgabe von BPatGE 53, 182 – Bitratenreduktion; Anschluss an BPatGE 53, 147 – Verfahrensgebühr bei Klageverbindung). Die danach zuviel entrichteten Gerichtsgebühren sind mangels rechtlicher Grundlage niederzuschlagen und zurückzuzahlen.

2. Ob der Kostenerstattungsberechtigte im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens Kosten für mehrere Anwälte – hier: für Patent- und Rechtsanwalt – erstattet verlangen kann, hängt nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO davon ab, ob sie dem Kostenerstattungsberechtigten „erwachsen“ sind. Beauftragt der Erstattungsberechtigte mit seiner Prozessvertretung eine Anwaltssozietät, liegt dabei grundsätzlich ein Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB) mit nur einem einzigen Auftragnehmer – nämlich der Sozietät – vor. Etwas Anderes ist aber anzunehmen, wenn der Erstattungsberechtigte mehrere Anwälte entweder ausdrücklich einzeln beauftragt hat oder sich aus den Gesamtumständen eindeutig ergibt, dass nicht nur die Sozietät als solche, sondern – insbesondere bei gemischten, aus Patent- und Rechtsanwälten bestehenden Sozietäten – mehrere bei ihr tätige Anwälte gesondert beauftragt werden sollen. Bei gemischten Sozietäten liegt die Beauftragung sowohl eines Patent- als auch eines Rechtsanwalts dabei vor allem dann nahe, wenn neben dem Nichtigkeitsverfahren auch ein Verletzungsverfahren anhängig war (vgl. hierzu BGHZ 196, 52; GRUR 2013, 427; Mitt. 2013, 145 – Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren) oder zumindest eine mit den Besonderheiten des Verletzungsverfahrens vergleichbare Situation vorliegt. Letzteres ist aber nicht bereits zu bejahen, wenn sich die Parteien hinsichtlich der streitigen Verletzung geeinigt und die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen nur noch vom Bestand des Streitpatents abhängig gemacht haben. Auch die bloße Vereinbarung eines Zeithonorars reicht für die Annahme der Beauftragung von mehreren Anwälten noch nicht aus.

3. Besondere juristische Probleme, die sich während des Nichtigkeitsverfahrens ergeben (hier: kostenrechtliche Fragen), können die Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltskosten als Doppelvertretungskosten jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn objektive Umstände nicht vorliegen, aus denen sich eine Tätigkeit des Rechtsanwalts zu diesen besonderen Rechtsfragen ergibt, insbesondere wenn die hierzu eingereichten Schriftsätze allein vom Patentanwalt unterzeichnet worden sind und die zur Klärung dieser Rechtsfragen erforderlichen Kenntnisse kraft seiner Ausbildung auch von einem Patentanwalt erwartet werden können.

BPatG 4 Ni 4/14 (EP): Systeme zur Platzierung von Material in Knochen

BPatG Urteil v. 19. Juni 2015 – 4 Ni 4/14 (EP) – Systeme zur Platzierung von Material in Knochen

Amtliche Leitsätze:

1. Eine Klageänderung im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht nach § 263 ZPO, hier die Geltendmachung eines weiteren Nichtigkeitsgrundes im Rahmen angegriffener Patentansprüche, kann nicht ausschließlich von einer der Klägerin beigetretenen streitgenössischen Nebenintervenienten geltend gemacht werden und ist unzulässig, da diese zur Verfügung über den Streitgegenstand nicht berechtigt ist (Fortführung von BPatG BlPMZ 2014, 323 – Abdeckung; GRUR 2010, 218 – Nebenintervention im Patentnichtigkeitsverfahren;
GRUR 2010, 50 – Cetirizin).
2. Scheidet ein Richter nach Verkündung des Urteils, an dem er im Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht i.S.v. § 309 ZPO mitgewirkt hat, aus dem Richterdienst aus, hier Wechsel zum Deutschen Patent- und Markenamts, so liegt eine Verhinderung aus rechtlichen Gründen nach § 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 315 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor.