Kollisionsrecht und Prioritätsrecht

Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Prioritätsrechts ist von großer praktischer Relevanz. Da jedenfalls die Auslandspriorität naturgemäß internationale Sachverhalte betrifft, kommt der Frage, nach welchen Kollisionsnormen die für die Übertragung des Prioritätsrechts anwendbaren Formerfordernisse zu bestimmen sind, großer Bedeutung zu. Diese Frage hat in den vergangenen Jahren mehrfach die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (beispielsweise in T 62/05 und T 205/14) und den Bundesgerichtshof (beispielsweise in BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe ) beschäftigt.

Die Beschwerdekammerentscheidung T 205/14 befasst sich auf 25 Seiten mit der Frage, nach welchen Kollisionsnormen das für die Übertragung des Prioritätsrecht anwendbare Formstatut zu ermitteln ist. Nach T 205/14 soll jedenfalls für Arbeitnehmererfindungen, bei denen die Arbeitnehmer Anmelder der Prioritätsanmeldung sind, auf die Übertragung des Prioritätsrechts dasjenige Recht Anwendung finden, dem das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterliegt.

Diese Auffassung führt zu der äußerst unglücklichen Situation, dass in den letzten Jahren die Rechtsprechung wenigstens die folgenden divergierenden Auffassungen zur Übertragung des Prioritätsrechts vertreten hat:

– In T 62/05 hat die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, dass das Recht des Staats der Nachanmeldung anwendbar ist. Davon haben sich sowohl spätere Entscheidungen (BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe und T 205/14) als auch gewichtige Stimmen in der Literatur (T. Bremi: ‚Traps when transferring priority rights, or When in Rome do as the Romans do: A discussion of some recent European and national case law and its practical implications.‘ In: epi Information, 1/2010) deutlich abgegrenzt.

– Nach BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe sind die Formerfordernisse, denen die Übertragung des Prioritätsrechts unterliegt, nach dem Forderungsstatut (Art. 33 Abs. 2 EGBGB in der bis zum 17.12.2009 geltenden Fassung bzw. nunmehr Art. 14 Abs. 2 Rom-I-VO) zu bestimmen. Dies führt dazu, dass die Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts dem Recht des Staats der Erstanmeldung unterliegen.

– Nach T 205/14 sind die Formerfordernisse, denen die Übertragung des Prioritätsrechts unterliegt, jedenfalls für die Übertragung der Rechte vom Arbeitnehmer zum Arbeitgeber nach dem Recht desjenigen Staats zu bestimmen, dem das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterliegt. In Ermangelung einer ausdrücklichen Rechtswahl ist dies regelmäßig das Recht desjenigen Staats, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Art. 8 Abs. 2 Rom-I-VO).

Zu welch unterschiedlichen Ergebnissen man abhängig davon, welches Statut angewandt wird, gelangt, veranschaulicht die Entscheidung T 205/14: Die Beschwerdekammer gelangte zu der Überzeugung, dass das Prioritätsrecht wirksam übertragen worden sei, da das Recht des Staates Israel anwendbar sei. Sowohl nach den in T 62/05 (Recht des Staats der Nachanmeldung, vorliegend also EP) als auch nach den in BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe (Recht des Staats der Erstanmeldung, vorliegend also US) vertretenen Auffassungen wäre hingegen die wirksame Übertragung des Prioritätsrechts jedenfalls fraglich gewesen.

Die in T 205/14 vertretene Auffassung hat für Patentanmelder, die in nur einem Land Arbeitnehmererfinder beschäftigen, den praktischen Vorteil, dass nach der von der Beschwerdekammer vertretenen Auffassung das Recht dieses Staats auch die Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts bestimmt. Mit diesem Recht dürfte der Arbeitgeber sehr vertraut sein, da es sich regelmäßig um sein „Heimatrecht“ handelt.

Wie die Judikatur in Zukunft möglicherweise noch zeigen wird, führt die in T 205/14 vertretene Auffassung immer dann zu extremen Schwierigkeiten, wenn Arbeitnehmererfinder, die in unterschiedlichen Staaten tätig sind, Mitanmelder derselben Prioritätsanmeldung sind. Nach T 205/14 würde nämlich eine Zersplitterung dahingehend eintreten, dass der Arbeitgeber die Formerfordernisse all dieser Staaten berücksichtigen müsste, um das Prioritätsrecht wirksam auf sich überzuleiten. Der große Charme der Anwendung des Forderungsstatuts (BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe ; T. Bremi: ‚Traps when transferring priority rights, or When in Rome do as the Romans do: A discussion of some recent European and national case law and its practical implications.‘ In: epi Information, 1/2010) besteht – abgesehen von der relativ sauberen dogmatischen Herleitung der Anwendbarkeit dieses Statuts – darin, dass immer nur die Formvorschriften einer einzigen Rechtsordnung, nämlich der des Staats der Erstanmeldung maßgeblich sind. Da Mängel in der Übertragung des Prioritätsrechts nach Einreichung der Nachanmeldung nicht mehr heilbar sind, ist jedenfalls große anwaltliche Sorgfalt bei der Beratung gefragt, um sicherzustellen, dass das Prioritätsrecht – selbst unter Berücksichtigung der verschiedenen in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen – vor Einreichung der Nachanmeldung wirksam übertragen wurde.

Einstweilige Benutzungserlaubnis – Ereignis mit Seltenheitswert am Bundespatentgericht

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 31. August 2016 im Verfügungsverfahren eine einstweilige Benutzungserlaubnis für die Nutzung eines Patents für ein AIDS-Medikament erteilt (siehe BPatG-Pressemitteilung). Das Hauptsacheverfahren ist weiterhin anhängig.

Die letzte Erteilung einer Zwangslizenz (im Hauptsacheverfahren) liegt mehr als 20 Jahre zurück und wurde vom BGH aufgehoben (BGH, 05.12.1995 – X ZR 26/92, BGHZ 131, 247).

BGH, I ZR 88/15 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur

BGH, Urteil vom 31. März 2016 – I ZR 88/15 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur

Amtliche Leitsätze:

a) Wer in offener Stellvertretung für Dritte gewerbliche Schutzrechte bei dem Deutschen Patent- und Markenamt oder dem Europäischen Patentamt anmeldet, wird im wirtschaftlichen Interesse der Anmelder und damit in konkreten fremden Angelegenheiten tätig, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG erfordern.

b) Sind für die Haupttätigkeit eines Dienstleisters (hier: eines Entwicklungsingenieurs) Rechtskenntnisse kaum erforderlich, kann nicht angenommen werden, dass eine Rechtsdienstleistung, die erhebliche Anforderungen an die Rechtsberatung stellt (hier: Anmeldung gewerblicher Schutzrechte), als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild der Haupttätigkeit gehört und deshalb nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubt ist. Macht der Dienstleister das Gegenteil geltend, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast.

BGH, X ZR 114/13 – Wärmetauscher

BGH, Urteil vom 10. Mai 2016 – X ZR 114/13 – Wärmetauscher

Amtlicher Leitsatz:

a) Die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs kann grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs eines Patents beitragen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass Unteransprüche regelmäßig den Gegenstand des Hauptanspruchs nicht einengen, sondern nicht anders als Ausführungsbeispiele lediglich – gegebenenfalls mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung aufzeigen.

b) Die Einräumung einer Aufbrauchfrist kommt im Patentverletzungsprozess nur dann in Betracht, wenn die sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Patentinhabers auch unter Berücksichtigung seiner Interessen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls gegenüber dem Verletzer eine unverhältnismäßige, durch das Ausschließlichkeitsrecht und die regelmäßigen Folgen seiner Durchsetzung nicht gerechtfertigte Härte darstellte und daher treuwidrig wäre.

BGH, X ZR 41/14 – Fahrzeugscheibe II

BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – X ZR 41/14 – Fahrzeugscheibe II

Amtlicher Leitsatz:

Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz kann als sachdienlich anzusehen sein, wenn das Patentgericht den Beklagten erst in der mündlichen Verhandlung davon in Kenntnis gesetzt hat, dass es an einer im Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG geäußerten, dem Beklagten günstigen Einschätzung nicht festhält.

Beschwerdekammerentscheidung T 1402/13 – Achtung, Haftungsrisiko!

Die EPA-Beschwerdekammerentscheidung T 1402/13 vom 31.5.2016 weist mehrere interessante Aspekte auf:

1. Anhängigkeit einer Anmeldung bei Nichtzahlung der Jahresgebühr: Die Beschwerdekammer ist der Auffassung, dass bei Nichtzahlung der Jahresgebühr nach dem EPÜ2000 (insbesondere Art. 86(1) EPÜ2000) die Anmeldung nur bis zum Fälligkeitstag der Jahresgebühr und nicht mehr – wie unter dem EPÜ1973 – bis zum Ende der sechsmonatigen Frist zur Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag anhängig ist.

Anmerkung: Die Anhängigkeit einer Patentanmeldung ist von großer praktischer Bedeutung, da sie insbesondere bestimmt, ob die Einreichung einer Teilanmeldung möglich ist. Die Auffassung der Beschwerdekammer steht im Widerspruch zur derzeitigen Amtspraxis (Prüfungsrichtlinien A-IV, 1.1.1). Der Basisvorschlags für die Revision des EPÜ (MR/2/00), nach dem die Revision des EPÜ im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die Anhängigkeit einer Anmeldung bei Nichtzahlung der Jahresgebühr endet, keine Änderung mit sich bringen sollte, wird zwar in der Entscheidung
T 1402/13
diskutiert, doch vertritt die Beschwerdekammer die Auffassung, dass angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art. 86 und Regel 51 EPÜ2000 eine teleologische Auslegung dieser Vorschriften die derzeitige Amtspraxis nicht stützen kann.
Für die Praxis empfiehlt es sich, Teilanmeldungen vorsorglich vor dem Fälligkeitstag der Jahresgebühr der Stammanmeldung einzureichen, wenn die Stammanmeldung durch Nichtzahlung der Jahresgebühr fallengelassen werden soll. Eine innerhalb der 6-Monats-Frist zur Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag für die Stammanmeldung eingereichte Teilanmeldung wäre nach T 1402/13 nicht wirksam, wenn die Jahresgebühr für die Stammanmeldung nicht entrichtet wird. Kann die Teilanmeldung nicht vor dem Fälligkeitstag der Jahresgebühr für die Stammanmeldung eingereicht werden, müsste ggf. die Zahlung einer weiteren Jahresgebühr mit Zuschlag in Betracht gezogen werden, um sicherzustellen, dass die Teilanmeldung wirksam eingereicht wurde.

2. Die teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ setzt nach Auffassung der Beschwerdekammer eine aktive Zurücknahme der Beschwerde oder Anmeldung voraus. Eine bloße Rücknahmefiktion genügt nicht, um in den Genuss der Gebührenprivilegierung nach Regel 103(2) EPÜ zu kommen.

3. Die teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ erfordert nach Auffassung der Beschwerdekammer, dass die Beschwerde zurückgenommen wird, während die Anmeldung noch anhängig ist.

Anmerkung: Da die Große Beschwerdekammer in der Entscheidung G 1/09 betont hat, dass zwischen Anhängigkeit der Anmeldung und Anhängigkeit eines Verfahrens zu differenzieren ist, ist nicht ersichtlich, warum die nach Regel 103(2) EPÜ gebührenmäßig privilegierte Rücknahme der Beschwerde nicht auch noch dann erfolgen können sollte, wenn die Anmeldung selbst bereits als zurückgenommen gilt. Auch in diesem Fall fällt für die Beschwerdekammer keine weitere Arbeit an, wenn die Beschwerde zurückgenommen wird. Falls der Beschwerdeführer an einer teilweisen Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ Interesse hat, sollte in der Praxis höchst vorsorglich die Beschwerde aktiv zurückgenommen werden, während die Anmeldung selbst noch anhängig ist.

BGH, X ZR 5/14 – Anrufroutingverfahren

BGH, Urteil vom 16. Februar 2016 – X ZR 5/14 – Anrufroutingverfahren

Amtliche Leitsätze:

a) Für eine Veranlassung des Fachmanns, eine in einem Entwurf für einen technischen Standard beschriebene Routine in bestimmter, dem Ziel des Verfahrens dienlicher Weise weiterzuentwickeln, kann es sprechen, wenn im Entwurf enthaltene Verfahrensschritte ohnehin darauf angelegt sind, vom Fachmann konkretisiert zu werden, oder die Routine aus fachmännischer Sicht (möglicherweise) noch lückenhaft und im weiteren Standardisierungsprozess mit ergänzenden Angaben auszufüllen ist.

b) Kommen für den Fachmann zur Lösung eines Problems mehrere Alternativen in Betracht, können mehrere von ihnen naheliegend sein. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist insofern, welche der Lösungsalternativen der Fachmann als erste in Betracht zöge.

BGH, X ZR 29/15 – Pemetrexed

BGH, Urteil vom 14. Juni 2016 – X ZR 29/15 – Pemetrexed

Amtliche Leitsätze:

a) Eine Patentverletzung mit äquivalenten Mitteln ist in der Regel zu verneinen, wenn die Beschreibung mehrere Möglichkeiten offenbart, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden ist (Bestätigung von BGH, Urteil vom 10. Mai 2011 – X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 35 – Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 13. September 2011 – X ZR 69/10, GRUR 2012, 45 Rn. 44 – Diglycidverbindung).

b) Für die Anwendbarkeit dieses Grundsatzes reicht es nicht aus, dass sich eine vom Patent beanspruchte Ausführungsform aufgrund von Angaben in der Beschreibung oder aus sonstigen Gründen als spezieller Anwendungsfall eines allgemeineren Lösungsprinzips darstellt und der Fachmann aufgrund dieser Erkenntnis in der Lage war, weitere diesem Lösungsprinzip entsprechende Ausführungsformen aufzufinden.

Geplante Änderung des Doppelschutzverbots

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform soll der Anpassung des deutschen Rechts an das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) dienen. Der Referentenentwurf schlägt auch eine Änderung der Vorschriften über das Doppelschutzverbot (Art. II § 8 IntPatÜbkG) vor, nach denen bislang ein deutsches (nationales) Patent in dem Umfang seine Wirkung verliert, in welchem ein zeitranggleiches europäisches Patent für denselben Patentinhaber oder seinen Rechtsnachfolger erteilt wird.

Der Referentenentwurf schlägt in Artikel 1 Nr. 1 lit. c) vor, dass für

– ein deutsches Patent und ein gegenstandsgleiches europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung und

– ein deutsches Patent und ein gegenstandsgleiches europäisches Bündelpatent, das der ausschließlichen Zuständigkeit des Einheitspatentgerichts (EPG) unterliegt,

kein Doppelschutzverbot mehr besteht.

Wird ein Opt-out nach Art. 83 Abs. 3 EPGÜ erklärt, so dass die Zuständigkeit des EPG für das europäische Patent derogiert ist und weiterhin nationale Gerichte für den deutschen Teil des europäischen Patents betreffende Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren zuständig sind, verliert das deutsche Patent – wie bisher – insoweit seine Wirkung, als sein Schutzbereich mit dem des europäischen Patents überlappt.

Wird der Opt-out nach Art. 83 Abs. 4 EPGÜ zurückgenommen (oft etwas missverständlich als Opt-in bezeichnet), so bleibt es dennoch bei dem durch Opt-out eingetretenen Verlust des Wirksamkeit des deutschen Patents in dem Umfang, in dem sein Schutzbereich mit dem des europäischen Patents überlappt (vorgeschlagener Art. II § 8 Abs. 3 IntPatÜbkG-E nach Artikel 1 Nr. 1 lit. c) bb) des Referentenentwurfs).

Als Ausgleich dafür, dass bei einer derartigen Änderung des Art. II § 8 IntPatÜbkG dieselbe Erfindung sowohl durch ein der Zuständigkeit deutscher Gerichte unterliegendes deutsches Patent als auch durch ein der Zuständigkeit des EPG unterliegendes europäisches Bündelpatent oder europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung geschützt sein kann, soll dem Verletzungsbeklagten eine Einrede der doppelten Inanspruchnahme vor den deutschen Gerichten eröffnet werden (neuer Art. II § 18 IntPatÜbkG-E gemäß Artikel 1 Nr. 1 lit. d) des Referentenentwurfs).

Hingegen würde das EPG möglicherweise nur in Ausnahmefällen eine nach Abschluss des Verletzungsverfahrens aus dem deutschen Patent erhobene zweite Klage vor dem EPG aus dem gegenstandsgleichen europäischen Patent wegen Rechtsmissbräuchlichkeit zurückweisen (Tilmann in GRUR Int. 2016, 409, 419). Somit könnte für Patentinhaber die Möglichkeit bestehen, zunächst ein Verletzungsverfahren aus dem deutschen Patent vor einem nationalen Gericht zu führen, wobei möglicherweise später ein zweites Verletzungsverfahren gegen denselben Beklagten aus dem gegenstandsgleichen europäischen Patent vor dem EPG geführt werden könnte.

Sowohl Tilmann, GRUR Int. 2016, 409, 419 als auch Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557f. äußern Bedenken gegen die Aufhebung des Doppelschutzverbotes. Jedoch wird gerade dadurch, dass das Doppelschutzverbot weiterbesteht, wenn mit einem Opt-out die Zuständigkeit des EPG für das europäische Patent derogiert wird, eine nicht zu unterschätzende Motivation für Patentinhaber geschaffen, kein Opt-out zu erklären. Dies dürfte politisch gewünscht sein, um dem neuen EPG zum Erfolg zu verhelfen. Auch angesichts der bei den Nutzern des Patentsystems, also insbesondere innovativen Unternehmen, bestehenden Unsicherheit, was sie vor dem EPG erwarten wird, scheint es wünschenswert, durch die Aufhebung des Doppelschutzverbots Patentinhabern die Möglichkeit zu eröffnen, aus ihren nationalen Patenten vor nationalen Gerichten Verletzungsverfahren führen zu können, selbst falls sie auch Inhaber gegenstandsgleicher europäischer Patente sind, die der Zuständigkeit des EPG unterliegen.

BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 – X ZR 141/13 – Rezeptortyrosinkinase

BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 – X ZR 141/13 – Rezeptortyrosinkinase

Amtlicher Leitsatz:

Eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, ist dem Patentschutz unabhängig davon zugänglich, ob die Lehre über die zweckgerichtete Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen „erfinderischen Überschuss“ enthält. Dies gilt auch für die Bereitstellung einer für ein Humanprotein codierenden Nukleinsäuresequenz. Einer Kennzeichnung der Sequenz als isoliert oder durch ein technisches Verfahren gewonnen im Patentanspruch bedarf es dabei nicht.

Aus der Urteilsbegründung:

Eine Entdeckung ist nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. a, Abs cheap cialis 100mg. 3 EPÜ als solche ebenso wie eine wissenschaftliche Theorie oder eine mathematische Methode dem Patentschutz nicht zugänglich. Anders als es der Oberste Gerichtshof
der Vereinigten Staaten für das amerikanische Patentrecht entschieden hat (566 U.S. (2012) – Mayo v. Prometheus), ist jedoch eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, nach europäischem – und deutschem – Recht dem Patentschutz unabhängig davon zugänglich, ob die Lehre über die Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen „erfinderischen Überschuss“ enthält. Denn jedes technische Handeln beruht auf der zielgerichteten Nutzung von Naturgesetzen, so dass es sich verbietet, bei der – auch für den Patentschutz computerimplementierter Erfindungen maßgeblichen – Prüfung der Frage, ob die gelehrte technische Lösung des Problems auf erfinderischer Tätigkeit beruht, die Frage außer Betracht zu lassen, ob dem Fachmann die Erkenntnis einer physikalischen, chemischen oder biologischen Gesetzmäßigkeit, die die Grundlage der technischen Lehre der Erfindung bildet, nahegelegt war.