EPG, Beschwerdekammer, Entscheidung UPC_CoA_456/2024: Zulässigkeit neuer Argumente in Verletzungsverfahren
Leitsätze am Anfang der Entscheidung in deutscher Übersetzung:
- Nicht jedes neue Argument ist eine Änderung der Sache, für die eine Partei gemäß R. 263 EPGVO [→ Antrag auf Klageänderung oder -erweiterung] einen Antrag auf Erlaubnis einreichen muss. Eine Änderung der Sache liegt vor, wenn sich die Art oder der Umfang des Streits ändert. In einem Verletzungsverfahren ist dies beispielsweise der Fall, wenn der Kläger sich auf ein anderes Patent beruft oder gegen ein anderes Produkt Einspruch erhebt.
- Auch wenn ein neues Argument keine Änderung der Sache ist, für die gemäß R. 263 EPGVO [→ Antrag auf Klageänderung oder -erweiterung] gerichtliche Erlaubnis erforderlich ist, gelten Beschränkungen für das Vorbringen neuer Argumente. R. 13 EPGVO [→ Erforderliche Angaben in der Klageschrift] schreibt vor, dass die Klagebegründung die Gründe angeben muss, warum die behaupteten Tatsachen eine Verletzung der Patentansprüche darstellen, einschließlich der juristischen Argumente. Diese Bestimmung muss im Lichte des letzten Satzes von Erwägungsgrund 7 der Präambel der Verfahrensordnung [→ Effizienz des Verfahrens] ausgelegt werden, wo ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass die Parteien ihre Sache so früh wie möglich im Verfahren darlegen sollten.
- R. 13 EPGVO [→ Erforderliche Angaben in der Klageschrift] schließt jedoch nicht aus, dass der Kläger nach Einreichung der Klageschrift ein neues Argument vorbringt. Ob ein neues Argument zulässig ist, hängt von den Umständen des Falles ab, einschließlich der Gründe, warum der Kläger das Argument nicht bereits in der Klageschrift erwähnt hat, und den verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Beklagten, auf das neue Argument zu reagieren. Bei dieser Beurteilung hat das Gericht erster Instanz einen gewissen Beurteilungsspielraum. Die Neubewertung durch das Berufungsgericht ist daher begrenzt.
- Wenn ein neues Argument keine Änderung der Sache im Sinne von R. 263 EPGVO [→ Antrag auf Klageänderung oder -erweiterung] mit sich bringt, muss der Kläger keinen Antrag auf Erlaubnis beim Gericht stellen. Wenn die Gegenpartei der Ansicht ist, dass ein neues Argument des Klägers unzulässig ist, kann sie dagegen Einwendungen erheben. Das Gericht kann die Zulässigkeit eines neuen Arguments auch von Amts wegen aufgreifen. Das Gericht entscheidet nach Anhörung der Parteien. Diese Entscheidung kann das Gericht bis zum Zwischenverfahren oder bis zur Endentscheidung verschieben. Wenn das Argument unzulässig ist und die Gegenpartei in der Sache eine Verteidigung gegen das neue Argument geführt hat, kann das Gericht dies bei der Kostenentscheidung berücksichtigen.