UPC_CFI_308/2023

Einheitspatentgericht, erstinstanzliche Kammer, zentrale Kammer (Sitz Paris), Entscheidung vom 27. November 2024, UPC_CFI_308/2023

Amtliche Leitsätze (Übersetzung)

1. Die rechtlichen Bestimmungen des Einheitspatentgerichts führen das sogenannte „front-loaded“ Verfahren ein, bei dem ein Kläger verpflichtet ist, seine Argumente und Beweise in der ersten schriftlichen Klage konkret auszuarbeiten. Diese Bestimmungen müssen jedoch im Lichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips interpretiert werden, das erfordert, dass die Parteien nicht mit Aufgaben belastet werden, die zur Erreichung des Ziels unnötig sind, sowie im Lichte des Grundsatzes der Verfahrenseffizienz, der übermäßige und zu detaillierte Tatsachenvorträge und die Vorlage mehrerer Dokumente in Bezug auf Angelegenheiten, die der gegnerischen Partei bekannt und von ihr nicht bestritten werden, entgegensteht.

2. In Nichtigkeitsverfahren muss der Kläger im Detail die Nichtigkeitsgründe angeben, die das angefochtene Patent betreffen, sowie die Dokumente des Standes der Technik, auf die er sich zur Unterstützung eines behaupteten Mangels an Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit stützt. Somit kann der Kläger in späteren Schriftsätzen keine neuen Nichtigkeitsgründe für das angegriffene Patent einführen oder neue Dokumente einreichen, die als neuheitsschädlich oder als überzeugender Ausgangspunkt für die Beurteilung mangelnder erfinderischer Tätigkeit angesehen werden.

3. In bestimmten Situationen, nach der Verteidigung des Beklagten, ist es dem Kläger gestattet, neue Tatsachen und neue Beweise vorzubringen, sofern diese geeignet sind, die schon rechtzeitig behaupteten und vom Beklagten bestrittenen Haupttatsachen oder den Beweiswert der bereits eingereichten Beweise zu stützen.

4. Auch wenn es grundsätzlich fraglich ist, ob eine veröffentlichte Patentanmeldung oder eine Patentschrift als Hinweis auf das allgemeine Fachwissen betrachtet werden kann, so kann trotzdem die Aussage des Autors des Patents, dass eine Lehre weit verbreitet ist, als Beweis dafür genommen werden, dass diese Lehre zum allgemeinen Fachwissen gehört.

BGH, I ZR 107/23: DFL-Supercup

BGH, Urteil vom 21. November 2024 – I ZR 107/23 – DFL-Supercup

Amtliche Leitsätze:

a) Die Leistung eines Plattformbetreibers, der Angebote Dritter vermittelt, ohne selbst die von Dritten angebotenen Produkte anzubieten, ist nicht mit dem Angebot dieser Produkte austauschbar, so dass es unter diesem Gesichtspunkt an einer Stellung des Plattformbetreibers als Mitwerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG aF) fehlt.

b) Zwischen dem Betreiber einer Plattform, auf der Dritte gegen eine Servicegebühr Eintrittskarten für Fußballspiele eines kommerziellen Veranstalters anbieten, und diesem Veranstalter besteht ein Wettbewerbsverhältnis unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerblichen Wechselwirkung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG aF), wenn werbliche Maßnahmen des Plattformbetreibers zur Förderung des Absatzes auf der Plattform geeignet sind, sich nachteilig auf geschäftliches Ansehen und Tätigkeit des Veranstalters auszuwirken (Fortführung von BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – I ZR 217/15, GRUR 2017, 918 [juris Rn. 16] = WRP 2017, 1085 – Wettbewerbsbezug; BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – I ZR 128/21, GRUR 2022, 729 [juris Rn. 13] = WRP 2022, 727 – Zweitmarkt für Lebensversicherungen II).

Aus der Urteilsbegründung:

In dem Rechtsstreit ging es um die rechtliche Bewertung einer Online-Ticketbörse, die von der Beklagten betrieben wird. Die Klägerin, ein Zusammenschluss von Fußballvereinen, beanstandete, dass die Beklagte den Verkauf von Eintrittskarten für Fußballspiele ermöglicht, bevor diese bei der Klägerin oder autorisierten Stellen verfügbar sind. Das Landgericht hatte der Klägerin in einem Großteil ihrer Klageanträge recht gegeben und die Beklagte zur Unterlassung verurteilt, während das Oberlandesgericht diese Klage abgewiesen hatte, da es keine konkrete Wettbewerbsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten sah.

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Der BGH stellte fest, dass das Berufungsgericht die rechtlichen Maßstäbe für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis verkannt habe. Insbesondere sei die beanstandete Werbung der Beklagten geeignet, zu einer Beeinträchtigung des geschäftlichen Ansehens der Klägerin zu führen, was ausreiche, um ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen. Insbesondere durch Werbeaussagen, die den Eindruck erwecken, es handle sich um garantierte Tickets, könnte der Beklagten eine Einflussnahme auf den geschäftlichen Ansehensverlust der Klägerin zugerechnet werden.

Darüber hinaus wies der BGH darauf hin, dass der Klageantrag der Klägerin unpräzise und deshalb unzulässig formuliert sei, aber verwies gleichzeitig darauf, der Klägerin im Berufungsverfahren Gelegenheit zur Anpassung ihres Antrags zu geben.

BGH, X ZR 82/23 – Slice-Segmente

BGH, Urteil vom 17. September 2024 – X ZR 82/23 – Slice-Segmente

Amtliche Leitsätze:

a) Die Priorität einer früheren Anmeldung kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn die spätere Anmeldung ein zusätzliches Ausführungsbeispiel enthält, bei dem zwar einzelne Begriffe des Patentanspruchs in abweichendem Sinne verwendet werden, das aber auch nach dem ursprünglichen Begriffsverständnis unter den Patentanspruch fällt.

b) Dies gilt auch dann, wenn das zusätzliche Ausführungsbeispiel weitere, nicht im Patentanspruch vorgesehene Funktionen aufweist, die in der früheren Anmeldung nicht offenbart sind.

Aus den Entscheidungsgründen:

Der BGH entschied zugunsten der Beklagten und befand das Patent für rechtsbeständig. Er stellte fest, dass das Streitpatent die Priorität früherer Anmeldungen zu Recht in Anspruch nimmt und der maßgebliche Stand der Technik den Patentanspruch nicht vorwegnimmt oder nahelegt.

Das Bundespatentgericht hatte zunächst argumentiert, dass das Streitpatent die Priorität früherer Anmeldungen nicht wirksam in Anspruch nehmen könne, weil die zweite Ausführungsform des Patents zusätzliche Merkmale enthielt, die in den ursprünglichen Prioritätsunterlagen nicht offenbart seien. Dies betrifft insbesondere die Idee der „Slice-Segmente“, bei denen unabhängige und abhängige Segmente gemeinsam eine logische Einheit bilden und bestimmte Codierungs- und Decodierungsfunktionen übernehmen.

Der BGH stellte jedoch fest, dass diese zusätzlichen Merkmale und die abgewandelte Terminologie („Slice-Segmente“) zwar nicht in den Prioritätsunterlagen vorhanden sind, aber trotzdem keinen Einfluss auf das Verständnis und den Umfang der relevanten Merkmale des Patentanspruchs haben. Der Senat betonte, dass die zweite Ausführungsform als zusätzliches Beispiel dient, welches zwar weitere Funktionen bietet, jedoch die im Patentanspruch vorgesehenen Merkmale nicht verändert. Daher führen diese zusätzlichen Funktionen nicht zu einer Erweiterung oder Änderung des Anspruchsverständnisses.

Die zusätzlichen Merkmale und die abgewandelte Terminologie („Slice-Segmente“) kommen im Anspruch selbst nicht vor. Diese Elemente sind lediglich in der Beschreibung und den Ausführungsbeispielen des Streitpatents zu finden, wurden vom Bundespatentgericht jedoch als problematisch angesehen, da sie nicht in den Prioritätsunterlagen offenbart waren.

BGH, I ZR 112/23- Manhattan Bridge

BGH, Entscheidung vom 23.10.2024 – I ZR 112/23- Manhattan Bridge

Amtliche Leitsätze:

a) Die unionsrechtlichen Grundsätze der Haftung von Video-Sharing– und Sharehosting-Plattformen für eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Juni 2021 – C-682/18 und C-683/18, GRUR 2021, 1054 = WRP 2021, 1019 – YouTube und Cyando;
BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 53/17, BGHZ 233, 373 [juris Rn. 17 f.] – uploaded II; BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 – I ZR 140/15, BGHZ 234, 56 [juris Rn. 70 f.] – Youtube II) sind auf die Haftung von Online-Marktplätzen übertragbar.

b) Der Betreiber eines Online-Marktplatzes ist – wie der einer Video-Sharing- und Sharehosting-Plattform – grundsätzlich verpflichtet, nach einem klaren Hinweis auf eine Rechtsverletzung die dort
eingestellten Angebote im Rahmen des technisch und wirtschaftlich Zumutbaren auf gleichartige Verletzungen zu überprüfen und rechtsverletzende Inhalte zu sperren oder zu löschen. Bei Übertragung der für Video-Sharing- und Sharehosting-Plattformen geltenden Rechtsprechung muss den Besonderheiten von Online-Marktplätzen jedoch Rechnung getragen werden. Soweit nicht der angebotene Gegenstand selbst urheberrechtsverletzend ist, sondern das Angebot lediglich in einer
urheberrechtsverletzenden Weise präsentiert wird, erstreckt sich die Prüfungspflicht des Plattformbetreibers im Regelfall allein auf gleichartig präsentierte Angebote, nicht aber auf jegliche Darstellungen des urheberrechtlich geschützten Werks.


c) Die Grundsätze der Haftung von Plattformen für eine öffentliche Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Werke sind nicht auf eine Vervielfältigung eines urheberrechtlich geschützten Werks auf
den Servern einer solchen Plattform übertragbar. Es verbleibt insoweit bei einer Haftung nach den strafrechtlichen Grundsätzen der Täterschaft und Teilnahme.

Aus der Urteilsbegründung:

Im vorliegenden Fall klagte ein britischer Fotograf gegen den Betreiber eines deutschen Online-Marktplatzes, weil ein von ihm aufgenommenes und urheberrechtlich geschütztes Foto („Manhattan Bridge“) auf der Plattform in Produktangeboten von Dritten ohne seine Zustimmung und ohne Nennung seiner Urheberschaft verwendet wurde. Der Kläger forderte den Plattformbetreiber zur Unterlassung, Schadensersatz und zur Entfernung des Bildes auf. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Marktplatzbetreiber haftet, weil er nach einem Hinweis auf die Rechtsverletzung das Bild nicht gelöscht und keine ausreichenden Maßnahmen getroffen hatte, um ähnliche Verstöße zu verhindern. Eine Haftung für die Vervielfältigung des Bildes lehnte das Gericht jedoch ab, da die Verkäufer selbst die Vervielfältigungsstücke hochgeladen hatten und der Betreiber somit nicht als direkter Hersteller der Kopien angesehen werden konnte.

LG Hamburg, 310 O 227/23

LG Hamburg, Urteil vom 27.09.2024 – 310 O 227/23

Nicht-amtliche Leitsätze:

1. Die Schrankenregelung des § 60d UrhG erlaubt die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke für Text- und Data-Mining, sofern diese durch gemeinnützige Forschungsorganisationen für wissenschaftliche Zwecke erfolgt und keine kommerziellen Zwecke verfolgt werden. Die Bereitstellung des resultierenden Datensatzes für die Öffentlichkeit zu Forschungszwecken steht der Anwendbarkeit dieser Schranke nicht entgegen.

2. Eine Vervielfältigungshandlung ist nicht durch die Schrankenregelung des § 44a UrhG gedeckt, wenn sie weder flüchtig noch begleitend ist. Eine gezielte, programmierte Speicherung und Verarbeitung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Zwecke der Analyse ist keine flüchtige oder begleitende Nutzung im Sinne des § 44a UrhG.

3. Die Schrankenregelung des § 44b Abs. 2 UrhG erlaubt die Vervielfältigung digitaler Werke für Text- und Data-Mining, sofern sie der automatisierten Analyse zur Gewinnung von Informationen über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b Abs. 1 UrhG dient. Die Erkennung von Korrelationen zwischen Werkbestandteilen, wie Bild-Text-Beziehungen, fällt unter die privilegierten Zwecke dieser Schranke.

4. Eine teleologische Reduktion des § 44b UrhG, die die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke für das Training von Künstlicher Intelligenz (KI) ausschließt, ist nicht geboten. Die Schranke des § 44b UrhG umfasst auch die Gewinnung von Korrelationen zwischen Werkbestandteilen, ohne dass zwingend eine Nutzung des geistigen Inhalts des Werkes beabsichtigt ist.

5. Ein Nutzungsvorbehalt im Sinne des § 44b Abs. 3 UrhG muss ausdrücklich und maschinenlesbar erklärt werden, um die Anwendung der Schrankenregelung auszuschließen. Der Vorbehalt muss konkret formuliert sein, sodass er automatisiert und zweifelsfrei als Einschränkung für Text- und Data-Mining erkannt werden kann.

Aus der Urteilsbegründung:

Das Urteil des LG Hamburg vom 27.09.2024 (Az. 310 O 227/23) befasst sich mit der Frage, ob die Vervielfältigung einer Fotografie, die von einem gemeinnützigen Verein zur Erstellung eines KI-Trainingsdatensatzes heruntergeladen und analysiert wurde, eine urheberrechtliche Verletzung darstellt oder durch die Schrankenregelungen der §§ 44a, 44b und 60d UrhG gedeckt ist.

Der Kläger, der Urheber der streitgegenständlichen Fotografie, klagte gegen die Vervielfältigung seines Bildes durch den Beklagten. Das Bild war auf der Webseite einer Bildagentur öffentlich mit Wasserzeichen einsehbar und wurde vom Verein im Rahmen der Erstellung eines Datensatzes für KI-Trainingszwecke analysiert und verwendet. Der Kläger argumentierte, dass die Nutzung ohne seine Zustimmung eine Verletzung seiner Verwertungsrechte darstelle und dass die Schranken des UrhG, insbesondere § 44a und § 44b, diese Nutzung nicht decken.

Das Gericht prüfte zunächst die Anwendbarkeit des § 44a UrhG, der vorübergehende Vervielfältigungshandlungen erlaubt, die flüchtig und begleitend sind. Es entschied, dass diese Schranke im vorliegenden Fall nicht greift, da die Vervielfältigung gezielt und dauerhaft zur Analyse der Bild-Text-Paare erfolgte. Die Speicherung war nicht nur flüchtig, sondern bewusst programmiert und aktiv gesteuert. Zudem war der Download der Bilder kein bloßer Nebenschritt, sondern ein eigenständiger Vorgang, der primär dem Zweck der Analyse diente. Somit wurde die Anwendbarkeit des § 44a UrhG verneint.

Zur Anwendbarkeit des § 44b UrhG stellte das Gericht fest, dass die Vervielfältigung grundsätzlich dem Text- und Data-Mining gemäß § 44b Abs. 1 UrhG entsprach, da die Analyse darauf abzielte, Korrelationen zwischen Bildinhalten und Beschreibungen zu gewinnen, was die Voraussetzungen des § 44b Abs. 2 UrhG erfüllt hätte. Allerdings äußerte das Gericht Zweifel an der Anwendung dieser Schrankenregelung aufgrund eines möglichen Nutzungsvorbehalts der Bildagentur nach § 44b Abs. 3 UrhG. Dieser Vorbehalt, der auf der Webseite der Bildagentur formuliert war, untersagte automatisierte Zugriffe, einschließlich Webscraping. Fraglich war jedoch, ob dieser Vorbehalt ausreichend konkret und maschinenlesbar formuliert war, um als wirksamer Nutzungsvorbehalt gemäß § 44b Abs. 3 UrhG zu gelten. Da die genaue technische Erfassbarkeit des Vorbehalts in natürlicher Sprache und die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen nicht eindeutig war, ließ das Gericht diese Frage offen.

Letztlich entschied das Gericht, dass eine abschließende Prüfung des § 44b UrhG entbehrlich sei, da die Schrankenregelung des § 60d UrhG, die Text- und Data-Mining für wissenschaftliche Zwecke erlaubt, im vorliegenden Fall greift. Der Beklagte agierte als gemeinnütziger Verein mit wissenschaftlicher Zielsetzung und verfolgte keine kommerziellen Zwecke. Da der Datensatz kostenfrei und für die Forschung zur Verfügung gestellt wurde, bejahte das Gericht die Voraussetzungen des § 60d UrhG, der die Vervielfältigungshandlung unabhängig von den Regelungen des § 44b UrhG deckt.

BGH, I ZR 168/23 – Payout Fee

BGH, Urteil vom 11. September 2024 – I ZR 168/23 – Payout Fee

Gerichtliche Leitsätze:

a) Wird mit dem wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch eine Zahlung verlangt, ist der darauf gerichtete Klageantrag im Regelfall zu unbestimmt, wenn darin der oder die Zahlungsempfänger und der (jeweils) zu zahlende Betrag nicht genannt werden.

b) Mit dem wettbewerbsrechtlichen Beseitigungsanspruch kann nicht verlangt werden, dass ein Unternehmer die von ihm zu Lasten einer Vielzahl von Verbrauchern einbehaltenen Geldbeträge an die betroffenen Verbraucher zurückzahlt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) wies die Revision eines Verbraucherverbands zurück, der gegen einen Festivalveranstalter vorgegangen war, weil dieser bei der Rückerstattung von Guthaben auf einem Festival-Bezahlchip eine Gebühr von 2,50 € (Payout Fee) erhob. Der Kläger hatte neben der Unterlassung der Gebührenerhebung auch die Rückzahlung der Gebühr an die betroffenen Verbraucher gefordert. Der BGH entschied, dass die Rückzahlungsklage unbestimmt sei, da die betroffenen Verbraucher und Beträge nicht konkret genannt wurden. Der wettbewerbsrechtliche Beseitigungsanspruch umfasst nicht die Rückzahlung von Geldern an Verbraucher, sondern zielt nur auf die Beendigung des Störungszustands ab, beispielsweise durch Information der Verbraucher. Ein Rückzahlungsanspruch könne nicht aus § 8 UWG oder § 1 UKlaG hergeleitet werden, da diese Vorschriften nicht auf die Beseitigung von Vermögensverschiebungen, sondern auf die Behebung von Wettbewerbsverstößen abzielen. Auch ein Auskunftsanspruch zur Identifizierung der betroffenen Verbraucher bestehe nicht, da der Hauptanspruch (die Rückzahlung) nicht berechtigt sei.

BGH, I ZR 45/23 – Luftfahrzeugkennzeichen

Urteil des I. Zivilsenats vom 16.5.2024 – I ZR 45/23 – (bundesgerichtshof.de)

Gerichtliche Leitsätze:

a) Die Entscheidung, ob und in welcher Weise kennzeichnende Merkmale der Persönlichkeit wie das Bildnis, die Stimme oder der Name für Werbezwecke zur Verfügung gestellt werden sollen, ist wesentlicher – vermögenswerter – Bestandteil des Persönlichkeitsrechts natürlicher und juristischer Personen (Art. 19 Abs. 3 GG) sowie der Personengesellschaften des Handelsrechts. Grundlage einer insoweit in Betracht kommenden deliktsrechtlichen Haftung wegen des Eingriffs in den vermögenswerten Bestandteil des durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts am eigenen Namen ist, dass der Name vom als Verletzer in Anspruch Genommenen in einer Weise verwendet wird, die den Werbe- und Imagewert des Namensträgers ausnutzt, indem seine Person beispielsweise als Vorspann für die Anpreisung eines Produkts vermarktet wird oder durch den Gebrauch des Namens zumindest die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das beworbene Produkt gelenkt wird.

b) Für die Prüfung, ob und in welcher Weise ein kennzeichnendes Merkmal der Persönlichkeit wie etwa der Name von Dritten für Werbezwecke verwendet und damit in den vermögenswerten Bestandteil des Persönlichkeitsrechts eingegriffen wird, kommt es darauf an, ob ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums von einer kommerziellen Nutzung ausgeht. Gleiches gilt für die Beurteilung der Frage, ob überhaupt von einem Persönlichkeitsmerkmal Gebrauch gemacht wird. Auch insoweit kommt es darauf an, ob ein nicht unerheblicher Teil des von der Werbung angesprochenen Verkehrs in der beanstandeten Nutzung den Gebrauch eines Persönlichkeitsmerkmals sieht. Die Beurteilung dieser Frage durch das Berufungsgericht unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht (Fortführung von BGH, Urteil vom Februar 2022 – I ZR 2/21, GRUR 2022, 665 [juris Rn. 13 und 17] = WRP 2022, 601 – Tina Turner; Urteil vom 28. Juli 2022 – I ZR 171/21, GRUR 2022, 1694 [juris Rn. 21 und 23] = WRP 2022, 1513 – Reizdarmsyndrom).


c) Die nach der Lebenserfahrung fernliegende Möglichkeit, dass Betrachter eines Werbefotos, auf dem neben dem beworbenen Produkt (hier: ein PKW-Modell) ein Flugzeug zu sehen ist, durch eine Internetrecherche anhand der auf dem Foto sichtbaren, für sich genommen nicht als namensmäßig erkannten Buchstabenfolge (hier: das auf dem Leitwerk des Flugzeugs abgebildete gesetzlich vorgeschriebene Luftfahrzeugkennzeichen) die Identität des Halters des Flugzeugs ermitteln könnten, stellt keine dem Werbenden zuzurechnende Verwendung des Namens des Halters dar

BGH, X ZR 104/22 – Verdampfungstrockneranlage

Urteil des X. Zivilsenats vom 7.5.2024 – X ZR 104/22 – (bundesgerichtshof.de)

Gerichtliche Leitsätze:

a) Gewinne aus der Durchführung eines Vertrags, der in ursächlichem Zusammenhang mit einem patentverletzenden Angebot steht, dürfen bei der Berechnung des durch dieses Angebot verursachten Schadens nicht schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die in Durchführung dieses Vertrags vorgenommenen Handlungen im patentfreien Ausland stattgefunden haben.

b) Liegt ein hinreichender ursächlicher Zusammenhang vor, so steht es dem Geschädigten grundsätzlich frei, seinen Schaden auch auf der Grundlage entgangenen eigenen Gewinns oder einer angemessenen Lizenzgebühr zu berechnen.

c) Bei einer Patentverletzung kann der Einwand, dasselbe wirtschaftliche Ergebnis hätte auch durch nicht patentverletzende Handlungen erzielt werden können, grundsätzlich nicht zum Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs führen.

d) Die Berechnung des Schadens auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es in der Branche keine einschlägige Lizenzierungspraxis gibt.

e) Der geringe Schutz, den ein allein das Anbieten des geschützten Erzeugnisses betreffendes Verbot bieten mag, ist aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Rechtsinhabers kein zureichender Grund, Angebote im Inland unentgeltlich zu gestatten und so auf einen Teil des
ihm zustehenden Schutzes zu verzichten.


Aus der Urteilsbegründung:


Das Urteil befasst sich mit Schadensersatzansprüchen aus einer Patentverletzung. Die Klägerin, Lizenznehmerin eines Patents für eine Verdampfungstrockneranlage, fordert Schadensersatz von der Beklagten, die eine Anlage in Schweden angeboten und errichtet hatte. Der BGH entschied, dass Gewinne aus einem Vertrag, der auf einem patentverletzenden Angebot basiert, bei der Schadensberechnung zu berücksichtigen sind, auch wenn die Durchführung im Ausland stattfand. Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück, wobei er betonte, dass auch die Berechnung des Schadens auf Basis einer hypothetischen Lizenzgebühr zulässig sei, unabhängig von einer branchenüblichen Lizenzierungspraxis.

BGH, X ZR 42/22 – Prägeblech

BGH, Urteil vom 23. April 2024 – X ZR 42/22 – Prägeblech

Für die Ermittlung des Offenbarungsgehalts einer Entgegenhaltung dürfen einzelne Formulierungen nicht isoliert betrachtet werden. Sie sind vielmehr in ihrem Kontext zu würdigen, also vor dem Hintergrund des gesamten Inhalts der Entgegenhaltung (Bestätigung von BGH, Urteil vom 19. März 2019 – X ZR 11/17, GRUR 2019, 925 Rn. 18 – Bitratenreduktion II; Urteil vom 27. Juni 2023 – X ZR 59/21, GRUR 2023, 1363 Rn. 90 – Anzeigemonitor).

BGH, X ZR 92/23 – Mirabegron

BGH, Urteil vom 25. Juni 2024 – X ZR 92/23 – Mirabegron

Das einer Erfindung zugrunde liegende technische Problem ist so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich die Frage, welche Anregungen der Fachmann durch den Stand der Technik insoweit erhielt, ausschließlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit stellt. Insbesondere darf nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung im Stand der Technik nahelag (Bestätigung von BGH Urteil vom 13. Januar 2015 X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 16 f. – Quetiapin; BGH, Urteil vom 15. Juli 2021 – X ZR 60/19, GRUR 2022, 67 Rn. 10 – Stereolithographiemaschine).