BGH, I ZR 75/10 – OSCAR: Zum Territorialitätsprinzip

BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 75/10 – OSCAR

Amtliche Leitsätze:

a) Im Verhältnis zum Verwechslungsschutz stellt die Geltendmachung einer identischen Verletzung der Marke im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG denselben Streitgegenstand dar. Werden aus einem Schutzrecht sowohl Ansprüche wegen Verwechslungsschutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 als auch wegen Bekanntheitsschutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG geltend gemacht, handelt es sich ebenfalls um einen einheitlichen Streitgegenstand (Fortführung von BGH, Beschluss vom 24. März 2011 I ZR 108/09, BGHZ 189, 56 Rn. 3 TÜV I; Urteil vom 17. August 2011 I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 27 TÜV II).

b) Ob eine zeichenrechtlich relevante Verletzungshandlung im Inland vorliegt, hängt davon ab, ob das Angebot einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug („commercial effect“) aufweist. Dabei ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, bei der auf der einen Seite zu berücksichtigen ist, wie groß die Auswirkungen der Kennzeichenbenutzung auf die inländischen wirtschaftlichen Interessen des Zeicheninhabers sind. Auf der anderen Seite ist maßgebend, ob und inwieweit die Rechtsverletzung sich als unvermeidbare Begleiterscheinung technischer oder organisatorischer Sachverhalte darstellt, auf die der Inanspruchgenommene keinen Einfluss hat oder ob dieser etwa – zum Beispiel durch die Schaffung von Bestellmöglichkeiten aus dem Inland oder die Lieferung auch ins Inland – zielgerichtet von der inländischen Erreichbarkeit profitiert (Fortführung von BGH, Urteil vom 13. Oktober 2004 I ZR 163/02, GRUR 2005, 431, 433 – HOTEL MARITIME).

BGH, I ZR 55/10 – METRO/ROLLER’s Metro: zur Branchennähe, Kennzeichnungskraft und Prägetheorie

BGH, Urteil vom 22. März 2012 – I ZR 55/10 – METRO/ROLLER’s Metro

Amtlicher Leitsatz:

Zwischen Fachhandel und Cash&Carry-Märkten als Formen des Vertriebs an Gewerbetreibende besteht eine beträchtliche Branchennähe.

Aus der Urteilsbegründung:

Für die Beurteilung der Branchennähe kommt es in erster Linie auf die Produktbereiche und Arbeitsgebiete an, die nach der Verkehrsauffassung typisch für die Parteien sind. Anhaltspunkte für eine Branchennähe können Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein. In die Beurteilung einzubeziehen sind naheliegende und nicht nur theoretische Ausweitungen der Tätigkeitsbereiche der Parteien. Im Einzelfall können auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten zu berücksichtigen sein (BGH, Urteil vom 20. Ja-nuar 2011 I ZR 10/09, GRUR 2011, 831 Rn. 23 = WRP 2011, 1174 BCC, mwN).

Die Kennzeichnungskraft einer Firmenbezeichnung wird durch den Grad der Eignung des Zeichens bestimmt, sich auf Grund seiner Eigenart und seines durch Benutzung erlangten Bekanntheitsgrades dem Verkehr als Name des Unternehmensträgers einzuprägen (BGH, Urteil vom 21. Februar 2002 I ZR 230/99, GRUR 2002, 898, 890 = WRP 2002, 1066 defacto).

Für die Bestimmung des Grades der Kennzeichnungskraft kommt es bei einem Unternehmenskennzeichen deshalb anders als bei der Marke darauf an, ob der Verkehr das fragliche Kennzeichen nicht nur einem bestimmten, sondern gerade dem Unternehmen zuordnet, das für diese Bezeichnung Schutz beansprucht (BGH, Urteil vom 27. November 2003 I ZR 79/01, GRUR 2004, 514, 516 = WRP 2004, 758 Telekom).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit sind die sich gegenüberstehenden Kennzeichen jeweils als Ganzes zu betrachten und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 I ZR 34/07, GRUR-RR 2010, 205 Rn. 37 Haus & Grund IV, mwN). Das schließt es nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile eines komplexen Zeichens für den durch das Kennzeichen im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2005 C120/04, Slg. 2005, I-8551 = GRUR 2005, 1042 Rn. 28 f. = WRP 2005, 1505 THOMSON LIFE; BGH, Beschluss vom 11. Mai. 2006 I ZB 28/04, BGHZ 167, 322 Rn. 18 Malteserkreuz I).

BGH, X ZR 111/09 – Rohrreinigungsdüse II: Zum Klageantrag und Streitgegenstand im Patentverletzungsverfahren

BGH, Urteil vom 21. Februar 2012 – X ZR 111/09 – Rohrreinigungsdüse II

Amtlicher Leitsatz:

Der Kläger ist durch das Prozessrecht nicht gehindert, Ansprüche wegen Patentverletzung nicht nur wegen einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform geltend zu machen, sondern auf das Klagepatent umfassende (prozessuale) Ansprüche zu stützen, die auf weitere Ausführungsformen, die sich unter den Patentanspruch subsumieren lassen, bezogene Handlungen des Beklagten erfassen sollen. Dass ein solches umfassendes Klagebegehren zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden soll, kann regelmäßig nicht schon daraus abgeleitet werden, dass es der Kläger unterlässt, einen wie geboten (BGH, Urteil vom 30. März 2005 X ZR 126/01, BGHZ 162, 365 Blasfolienherstellung) auf die von ihm vorgetragene angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Klageantrag zu formulieren.

Aus der Urteilsbegründung:

Urteile sind der Rechtskraft insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist (§ 322 Abs. 1 ZPO), wobei die Bestimmung des erhobenen Anspruchs nach dem der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde liegenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff unter Würdigung der gestellten Anträge und des zu ihrer Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalts zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5 = NJW 1992, 1172; Beschluss vom 10. Dezember 2002 X ARZ 208/02, BGHZ 153, 173, 175; Urteil vom 3. April 2003 I ZR 1/01, BGHZ 154, 342 = GRUR 2003, 716 f. Reinigungsarbeiten) und zur Auslegung der Urteilsformel, d.h. zur Klärung, wieweit über den erhobenen Anspruch entschieden worden ist, Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils heranzuziehen sind.

Das gilt im Grundsatz auch für ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil, das keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2002 XI ZR 90/02, BGHZ 153, 239 = NJW 2003, 104 f.). Anstelle des Tatbestands und der Entscheidungsgründe ist in diesem Fall zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft auf das Parteivorbringen zurückzugreifen (BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 I ZR 135/05, GRUR 2008, 933 Rn. 13 Schmiermittel; Urteil vom 16. April 2002 KZR 5/01, GRUR 2002, 915 f. Wettbewerbsverbot in Realteilungsvertrag).

Über welchen Lebenssachverhalt das Gericht nach dem Klagebegehren zu entscheiden hat, kann nicht ohne Berücksichtigung der rechtlichen Grundlage entschieden werden, auf die der Kläger seine Klageanträge stützt. Denn diese rechtliche Grundlage bestimmt, welche Einzelheiten eines (behaupteten) tatsächlichen Geschehens in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht für das gerichtliche Erkenntnis (zumindest potentiell) von Bedeutung sind. Bei einer Patentverletzungsklage sind demgemäß für die Eingrenzung des Streitgegenstands, der der gerichtlichen Entscheidungsfindung unterworfen wird, vornehmlich diejenigen tatsächlichen Elemente von Bedeutung, aus denen sich Handlungen des Beklagten ergeben sollen, die einen der Tatbestände des § 9 PatG ausfüllen. Zur sachlichen Eingrenzung dieser vom Klagebegehren umfassten Handlungen kommt es wiederum typischerweise in erster Linie darauf an, aus welcher tatsächlichen Ausgestaltung eines angegriffenen Erzeugnisses oder Verfahrens sich nach dem Klagevortrag ergeben soll, dass das Erzeugnis oder Verfahren unter den mit der Klage geltend gemachten Patentanspruch subsumiert werden kann. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob diese Subsumtion nach Meinung des Klägers eine wortsinngemäße oder eine unter dem Gesichtspunkt der gleichwertigen (äquivalenten) Verwirklichung eines oder mehrerer Merkmale der geschützten Erfindung in den Schutzbereich des Klagepatents fallende Benutzung der geschützten Erfindung ergibt. Grundsätzlich unerheblich sind ebenso Ort und Zeit der angegriffenen Handlungen. Für die Definition des Streitgegenstands können sie nur soweit Bedeutung erlangen, als sie die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens beeinflussen können, weil es entweder nach dem Gesetz (wie etwa vor oder nach Veröffentlichung der Patenterteilung oder innerhalb oder außerhalb des territorialen Geltungsbereichs des Patentgesetzes begangene Handlungen) oder auf Grund einer entsprechenden Beschränkung des Klageantrags (wie etwa bei einer auf Handlungen während eines Teils der Patentlaufzeit beschränkten Schadensersatzklage) insoweit auf den Ort oder den Zeitpunkt der Handlung ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 X ZR 234/02, BGHZ 159, 66, 70 ff. = GRUR 2004, 755 Taxameter).

Der Streitgegenstand der Patentverletzungsklage wird demgemäß regelmäßig im Wesentlichen durch die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt. Die Identität des Klagegrunds wird (erst) aufgehoben, wenn dieser Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts durch neue Tatsachen verändert wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2006 KZR 45/05, GRUR 2007, 172 Rn. 11 Lesezirkel II; Urteil vom 3. April 2003 I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 348 f. = GRUR 2003, 716 Reinigungsarbeiten).

Der Kläger ist durch das Prozessrecht nicht gehindert, Ansprüche nicht nur wegen einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform geltend zu machen, sondern auf das Klagepatent umfassende (prozessuale) Ansprüche zu stützen, die auf weitere Ausführungsformen, die sich nach Meinung des Klägers ebenfalls unter den Patentanspruch subsumieren lassen, bezogene Handlungen des Beklagten erfassen sollen.

Ob dem Kläger solche Ansprüche auch zuerkannt werden können, hängt (unter anderem) davon ab, ob der Kläger dartun kann, dass der Beklagte auch solche Handlungen begangen hat oder deren Begehung zumindest droht.

Dass ein solches umfassendes Klagebegehren zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden soll, kann jedoch in aller Regel nicht schon daraus abgeleitet werden, dass der Kläger es unterlässt, einen wie geboten (BGH, Urteil vom 30. März 2005 X ZR 126/01, BGHZ 162, 365 Blasfolienherstellung) auf die von ihm vorgetragene angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Klageantrag zu formulieren. Denn maßgeblich für Inhalt und Reichweite des materiellen Klagebegehrens ist nicht allein der Wortlaut des Klageantrags; dieser ist vielmehr unter Berücksichtigung des zu seiner Begründung Vorgetragenen auszulegen. Nicht der Wortlaut des Antrags, sondern das Klagebegehren definiert den Streitgegenstand, und nur an dieses und nicht an jenen ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden. Ebenso wie mangels abweichender Anhaltspunkte im Parteivortrag anzunehmen ist, dass sich das Rechtsschutzbegehren auf sämtliche Handlungen des Beklagten erstrecken soll, die diejenigen Merkmale aufweisen, aus denen der Kläger die Qualifikation der Handlungen als rechtsverletzend herleitet (BGHZ 159, 66, 70 f. = GRUR 2004, 755 Taxameter), ist umgekehrt mangels abweichender Anhaltspunkte anzunehmen, dass der Kläger Ansprüche nur wegen solcher Handlungen des Beklagten geltend machen will, die sich auf eine Ausführungsform beziehen, für die der Kläger vorträgt, dass sie auf Grund ihrer tatsächlichen Ausgestaltung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs aufweist und vom Beklagten entgegen § 9 PatG benutzt wird oder benutzt zu werden droht. Kommt dies im Klageantrag nicht hinreichend zum Ausdruck, hat das Gericht nach § 139 Abs. 1 ZPO auf eine sachdienliche Antragsfassung hinzuwirken.

BGH, I ZR 188/09 – Landgut Borsig: Recht am Namen einer Liegenschaft

BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 188/09 – Landgut Borsig

Amtlicher Leitsatz:

Der Eigentümer einer Liegenschaft, die im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs mit dem bürgerlichen Namen einer Familie bezeichnet wird, kann diese Bezeichnung ungeachtet der Zustimmung der Namensträger für die Liegenschaft oder einen damit verbundenen Geschäftsbetrieb (weiter) verwenden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht.

§ 12 BGB -> Namensrecht, Namensrecht eines Hauses oder einer Liegenschaft

Aus der Urteilsbegründung:

Für die rechtmäßig erworbene namensartige Kennzeichnung eines Hauses kann in entsprechender Anwendung des § 12 BGB ein Namensrecht in Anspruch genommen werden, wenn und soweit daran ein schutzwürdiges Interesse besteht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1976 I ZR 71/74, MDR 1976, 998 – Sternhaus; KG, NJW 1988, 2892, 2893; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 5 MarkenG Rn. 6; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 15 MarkenG Rn. 74; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 5 Rn. 14; Zerhusen in Festschrift Koeble, 2010, S. 603, 604; aA Staudinger/Habermann, BGB, Bearb. 2004, § 12 Rn. 106; MünchKomm.BGB/Bayreuther aaO § 12 Rn. 53).

Nichts anderes gilt, wenn nicht die Bezeichnung eines Gebäudes, sondern die eines Grundstücks in Rede steht (vgl. H. Lehmann, MuW 1931, 353, 355).

Eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion kann auch der Bezeichnung eines Gebäudes zukommen, wenn sie im Sprachgebrauch des relevanten Verkehrs zu seiner Benennung anerkannt ist. Da ein berechtigtes Interesse an der Benennung eines Gebäudes mit einer vom Verkehr anerkannten Bezeichnung bestehen kann, entstünde eine nicht hinnehmbare Rechtsschutzlücke, wenn dieser Benennung ein Schutz entsprechend § 12 BGB versagt wäre. Der erforderliche personale Bezug des Namensrechts an einem Gebäude oder Grundstück besteht abhängig von den Umständen des Einzelfalls zum Erbauer, jeweiligen Eigentümer oder einem sonst Berechtigten (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349; H. Lehmann, MuW 1931, 353, 357).

Allein dieser jeweils Berechtigte ist befugt, sich auf den mit dem Gebäude oder Grundstück verbundenen Namen zu berufen, um von Dritten gegen die Namensführung erhobene Ansprüche abzuwehren. Diese Befugnis ist von der Berechtigung an dem Gebäude oder Grundstück abhängig, sie ist akzessorisch mit diesem verbunden. Ein Erwerber der Immobilie erlangt deshalb auch die mit ihr im Zeitpunkt des Erwerbs etwa verbundene Befugnis zur entsprechenden Namensführung.

Die Benennung eines Gebäudes ist indes nur unter zwei Vorausset-zungen namensrechtlich schutzwürdig.

(1) Zum einen muss ein objektiv berechtigtes Interesse an der Benen-nung bestehen. Es kann etwa darin liegen, dass durch die Bezeichnung auf die besonderen Beziehungen einer bekannten Persönlichkeit des kulturellen oder politischen Lebens zu einem Gebäude (Geburtshaus, Wohnhaus) hingewiesen werden soll (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Fezer aaO § 15 MarkenG Rn. 79; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349).

(2) Die Schutzwürdigkeit des Interesses der Beklagten an der Benennung der Liegenschaft als „Landgut Borsig“ setzt jedoch weiter voraus, dass diese Bezeichnung im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten entsprechend ihrer Behauptung im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs üblich war. Denn solange das nicht der Fall ist, fehlt der Bezeichnung eines Gebäudes oder einer Liegenschaft eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion, die eine entsprechende Anwendung des § 12 BGB rechtfertigen kann.

Kühnen „Handbuch der Patentverletzung“ (5. Auflage, 2011) – Rezension

Die Neuauflage des früher von Kühnen/Geschke herausgegebenen Werks aus dem Jahr 2011 bietet auf mehr als 600 Seiten eine detaillierte und gut strukturierte Darstellung aller wesentlichen Aspekte des Patentverletzungsprozesses. Die Verweise auf die einschlägige Rechtsprechung sind so aktualisiert, dass auch jüngere Entscheidungen berücksichtigt werden. Naturgemäß wurden viele der instanzgerichtlichen Entscheidungen, auf die Bezug genommen wird, vom LG Düsseldorf oder OLG Düsseldorf getroffen, wobei jedoch auch die Rechtsprechung der anderen „wichtigen“ Patentstreitorte ausführlichen Niederschlag findet.

Auch für Patentanwälte ist der Gang der Darstellung gut nachvollziehbar, und verfahrensrechtliche Aspekte werden so detailliert erläutert, dass das Handbuch auch von einem Leser mit Grundkenntnissen des Zivilverfahrensrechts sinnvoll genutzt werden kann. Nutzbringend sind die vielen Formulierungsbeispiele, die das Handbuch enthält. Noch viel wertvoller sind mir aber die zahlreichen Praxistipps erschienen, mit denen der Autor Querverbindungen herstellt, die dem Praktiker, der nicht täglich mit Verletzungsverfahren befasst ist, wohl nicht ohne Weiteres ersichtlich wären (beispielsweise die Folgen, die eine Änderung der festgesetzten Sicherheitsleistung auf das Kostenrisiko haben kann, wie in Rz. 1765 diskutiert).

Bei zahlreichen Problemfeldern, bei denen die Rechtsprechung und verfahrensrechtliche Praxis aus dem Senat, dessen Vorsitzender der Herausgeber des Handbuchs ist, von der Auffassung der Revisionsinstanz abweicht oder in der Literatur nicht durchweg geteilt wird, setzt sich der Herausgeber pointiert mit den abweichenden Auffassungen auseinander. Dies gilt beispielsweise für die Abzugsfähigkeit von Kostenpositionen bei der Herausgabe des Verletzergewinns (Rz. 1988-1989 unter Verweis auf BGH Steckverbindergehäuse).

Der Leser sollte sich natürlich dessen bewusst sein, dass nicht alle im Handbuch vertretenen Auffassungen in der Literatur und/oder von der Revisionsinstanz durchgängig geteilt werden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Frage, wo die Grenze zwischen Zulässigkeit von funktionsbezogener Anspruchsauslegung und strukturellen Anspruchsmerkmalen zu ziehen ist. Die Entscheidung in der Sache „Okklusionsvorrichtung“, die im Handbuch beispielhaft für eine funktionsbezogene Anspruchsauslegung diskutiert wird (Rz. 17), wurde bekanntlich in der Literatur heftig kritisiert (Mitt. 2010, 507). Auch der BGH hat klargestellt, dass eine funktionsbezogene Auslegung an strukturellen Anspruchsmerkmalen ihre Grenze finden kann (BGH Mitt. 2011, 355 – Okklusionsvorrichtung). Ein weiteres Beispiel für in dem Handbuch vertretene Auffassungen, die in der Literatur nicht durchgängig geteilt werden, betrifft die Frage, inwieweit das Vorbenutzungsrecht der Hersteller auch zugunsten von Abnehmern des Herstellers wirken kann (bei der die Kommentierung in Benkard von der in Rz. 1321 des Handbuchs vertretenen Auffassung abweicht und wohl eine differenzierte Betrachtung abhängig vom Charakter des patentierten Gegenstands angezeigt sein dürfte).

Dessen ungeachtet weist das Handbuch in seiner Ausführlichkeit einen Tiefgang der Diskussion auf, der beeindruckend ist. Beispielhaft sei auf die Diskussion der – in der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht geklärten – Frage verwiesen, wann der Fristlauf für die Erhebung der Restitutionsklage beginnt, wenn ein Widerruf im Einspruchs(beschwerde)verfahren vor dem EPA erfolgt (Rz. 1673-1682). Praktische Aspekte, beispielsweise betreffend die an eine ordnungsgemäße Rechnungslegung zu stellenden Anforderungen (Rz. 1846-1892), kommen dabei aber dennoch nicht zu kurz.

Für Nachauflagen wünschenswert wäre allenfalls noch eine Erweiterung, die auch Vindikationsprozesse vollständiger abdeckt. Aspekte der (Mit-)Erfinderschaft finden in der 5. Auflage nur kurz und etwas unvermittelt auf Seiten 638-641 im Hinblick auf den Sachverständigenbeweis Erwähnung.

BGH, X ZB 6/10 – Installiereinrichtung II: Zur Bewertung der Erfindungshöhe

BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – X ZB 6/10

Amtlicher Leitsatz:

In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln [-> erfinderische Tätigkeit] ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen.

BGH, ZR 150/09 – Basler Haar-Kosmetik: Störerhaftung des Admin-C

Hier nun die amtlichen Leitsätze zu dem bereits erwähnten Urteil des BGH vom 9. November 2011 – I ZR 150/09 – Basler Haar-Kosmetik, in dem der BGH unter besonderen Umständen des Einzelfalls eine Haftung des Admin-C für die Registrierung eines rechtsverletzenden Domainnames angenommen hat. Das Ausmaß von Störerhaftung und Prüfungspflichten des Admin-C ist in Rechtsprechung und Kommentierung umstritten.

a) Der Namensschutz aus § 12 BGB bleibt neben dem Kennzeichenschutz
aus §§ 5, 15 MarkenG anwendbar, wenn mit der Löschung des Domainnamens eine Rechtsfolge begehrt wird, die aus kennzeichenrechtlichen Vorschriften deswegen nicht hergeleitet werden kann, weil das Halten des Domainnamens im konkreten Fall für sich gesehen die Voraussetzungen einer Verletzung der Marke oder des Unternehmenskennzeichens des Klägers nicht erfüllt (Fortführung von BGH, GRUR 2005, 430 – mho.de; BGH, GRUR 2008, 1099 – afilias.de).

b) Derjenige, der sich von einem ausländischen Anmelder eines Domainnamens
gegenüber der DENIC als administrativer Ansprechpartner (Admin-C) benennen und registrieren lässt, haftet nicht schon deswegen als Störer für mögliche mit der Registrierung verbundene Verletzungen von Rechten Dritter.

c) Eine Prüfungspflicht kann sich jedoch aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben. Solche gefahrerhöhenden Umstände liegen vor, wenn der im Ausland ansässige Anmelder freiwerdende Domainnamen jeweils in einem automatisierten Verfahren ermittelt und registriert und der Admin-C sich dementsprechend pauschal bereiterklärt hat, diese Funktion für eine große Zahl von Registrierungen zu übernehmen.

1000+

Erstmals haben an einem Tag mehr als 1000 eindeutige Besucher die Website ipwiki.de aufgerufen. Am 18. Januar 2012 wurden 1039 Besucher gemessen. Die Beobachtung zeigt, dass auf das jährliche Besuchertief an Weihnachten und in den Zwischentagen die Besucherzahl in der Regel Mitte Januar einen deutlichen Sprung nach oben macht und eine Messlatte für das darauf folgende Jahr setzt.

Wie die nachstehende Übersicht zeigt, steigen die Besucherzahlen seit dem Start im Januar 2007 relativ stetig an.

Wie zu bemerken war, hat ipwiki.de kurz vor dem Jahreswechsel ein neues Design bekommen. Die Eintrittsseiten weisen nun eine neue und hoffentlich stringente Struktur auf. Hinweisen möchten wir zudem auf die neuen Seiten zum geplanten einheitlichen europäischen Patent, dem wir sowohl hier auf ipweblog.de als auch auf ipwiki.de vermehrte Aufmerksamkeit schenken.

Äquivalente Verletzung revisited

In diesem Beitrag soll etwas ausführlicher zu der bereits in der Leitsatzrubrik zitierten Entscheidung Diglycidverbindung Stellung genommen werden. In dieser Entscheidung äußert sich der BGH erneut zur Frage des Schutzbereichs nach der Äquivalenzlehre. Die in der Entscheidung Okklusionsvorrichtung (BGH, X ZR 16/09) aufgestellten Grundsätze zur äquivalenten Verletzung werden dabei weiter konkretisiert.

Zum Sachverhalt (aus Sicht eines Nichtchemikers): Beansprucht wird ein Verfahren mit mehreren Schritten. Einer der Schritte (Epoxidation) soll nach dem Anspruch mit einer bestimmten Klasse von Verbindungen durchgeführt werden. Diese Klasse von Verbindungen hat nach Feststellung des Berufungsgerichts „keine weitergehenden Auswirkungen auf die Qualität des Produkts“. Die Anmeldung offenbart mehrere Varianten, mit denen der Epoxidationsschritt durchgeführt werden kann, ohne dass die im Anspruch genannte Klasse von Verbindungen verwendet wird.

Der BGH führt zur Frage der äquivalenten Verletzung in Rz. 45 des Urteils aus, dass daraus, „dass in der Beschreibung zwei mögliche Wege zur Herstellung einer mit Epoxidgruppen versehenen organische Festphase aufgezeigt werden, in Patentanspruch 1 aber nur einer dieser Wege unter Schutz gestellt wird, zu folgern [ist], dass der Schutz auf diese Variante beschränkt“ sei.

Somit erfahren die Kriterien der Äquivalenzprüfung, wie sie beispielsweise in den Schneidmesser- und Custodiol-Entscheidungen aufgestellt wurden, eine Modifizierung:
1. Falls die Verletzungsform identisch zu einem in der Anmeldung offenbarten Ausführungsbeispiel ist, das nicht mehr vom Wortsinn der Ansprüche umfasst wird, ist eine äquivalente Verletzung zu verneinen.
2. Falls die Verletzungsform den Anspruch nicht wortsinngemäß verletzt, aber auch nicht einem in der Anmeldung offenbarten Ausführungsbeispiel entspricht, das nicht mehr vom Wortsinn der Ansprüche umfasst wird, soll es darauf ankommen, ob das entsprechende Merkmal der Verletzungsform die spezifische Wirkung des Anspruchsmerkmals erreicht. Anders ausgedrückt soll es wohl darauf ankommen, dass das Merkmal der Verletzungsform dem nicht wortsinngemäß verwirklichten Anspruchsmerkmal in seiner spezifischen Wirkung näher kommt als der Wirkung, die die entsprechenden Merkmale bei den ursprünglich offenbarten, aber nicht mehr von den Ansprüchen abgedeckten Ausführungsbeispielen erreichen.

Nach diesen Grundsätzen wird der Äquivalenzbereich immer dann eingeschränkt, wenn während des Erteilungsverfahrens die Ansprüche so geändert werden mussten, dass nicht mehr alle ursprünglich offenbarten Ausführungsbeispiele von den erteilten Ansprüchen abgedeckt sind. Dies muss Bedenken begegnen, da der BGH bislang keine Differenzierung dahingehend vorgenommen hat, ob die Beschränkung des Äquivalenzbereichs nur dann erfolgt, wenn Stand der Technik eine entsprechend enge Anspruchsformulierung erforderlich gemacht hat (in diesem Fall stünde dem Verletzer in den relevanten Konstellationen aber sowieso der Formstandeinwand zur Verfügung), oder selbst dann, wenn der Patentinhaber beispielsweise aufgrund verfahrensrechtlicher Hürden (für Beispiele siehe diesen früheren Beitrag zur Entscheidung Okklusionsvorrichtung) unverschuldet keine Chance hatte, für alle Ausführungsbeispiele Schutz zu erlangen.

Berufsrecht – Zulassung von Patentanwaltsgesellschaften

Der Bundesgerichtshof konnte sich im Verfahren PatAnwZ 1/10 zu den Zulassungsbedingungen für Patentanwaltsgesellschaften äußern. Dabei handelt es sich um das erste Verfahren seit mehreren Jahren und insbesondere seit Neufassung der PAO, das Fragen der Zulassung von Patentanwaltsgesellschaften betrifft.

Wichtige Punkte der Entscheidungsgründe können wie folgt zusammengefasst werden:

– Der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft steht nicht entgegen, wenn die Satzung den Unternehmensgegenstand so definiert, dass er sich auch auf die als sozietätsfähig anerkannten Berufe erstreckt (hier: „Übernahme und Ausführung von Aufträgen, die zur Berufstätigkeit von Rechtsanwälten gehören“). Es wird jedoch klargestellt, dass im Falle der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft unabhängig von der Regelung des Unternehmensgegenstands in der Satzung die Gesellschaft nicht über den Tätigkeitsbereich eines Patentanwalts hinaus rechtsberatend tätig werden darf.

– Im Zulassungsverfahren ist die Einhaltung der § 52c und § 52e PAO anhand des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung zu beurteilen. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Patentanwaltsgesellschaft kann nur der Gesellschaftsvertrag, nicht das geplante Verhalten der Gesellschafter, gesicherte Grundlage für die Beurteilung der Zulassungsfähigkeit sein.

– Schließt die Satzung eine Beteiligung an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung nicht aus, ermöglicht die Satzung einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften (hier § 52c Abs. 2 PAO). Ob ein derartiger Verstoß derzeit beabsichtigt ist, hat bei der Prüfung außer Betracht zu bleiben.

– Ähnlich steht der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft auch entgegen, wenn die Satzung nicht sicherstellt, dass auch in Zukunft (beispielsweise bei Veräußerung eines Geschäftsanteils) die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte Patentanwälten zusteht (§ 52e Abs. 2 PAO).

– Der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft steht schließlich auch entgegen, wenn ein Geschäftsführer, der nicht Patentanwalt ist, allein vertretungsbefugt ist. Nach Auffassung des Senats, die dieser auf die Gesetzesbegründung stützt, kann Geschäftsführern, die nicht Patentanwälte sind, allenfalls Gesamtvertretungsmacht zusammen mit patentanwaltlichen Geschäftsführern eingeräumt werden.

Die Antragstellerin brachte vor, dass die Regelungen der § 52e Abs. 2 und § 52f Abs. 1 PAO wegen Grundrechtsverstoßes nichtig seien. Der Senat für Patentanwaltssachen wies dieses Vorbringen unter Verweis auf die Entscheidung in der Zulassungssache AnwZ (Brfg) 1/10 zurück.