Kühnen „Handbuch der Patentverletzung“ (5. Auflage, 2011) – Rezension

Die Neuauflage des früher von Kühnen/Geschke herausgegebenen Werks aus dem Jahr 2011 bietet auf mehr als 600 Seiten eine detaillierte und gut strukturierte Darstellung aller wesentlichen Aspekte des Patentverletzungsprozesses. Die Verweise auf die einschlägige Rechtsprechung sind so aktualisiert, dass auch jüngere Entscheidungen berücksichtigt werden. Naturgemäß wurden viele der instanzgerichtlichen Entscheidungen, auf die Bezug genommen wird, vom LG Düsseldorf oder OLG Düsseldorf getroffen, wobei jedoch auch die Rechtsprechung der anderen „wichtigen“ Patentstreitorte ausführlichen Niederschlag findet.

Auch für Patentanwälte ist der Gang der Darstellung gut nachvollziehbar, und verfahrensrechtliche Aspekte werden so detailliert erläutert, dass das Handbuch auch von einem Leser mit Grundkenntnissen des Zivilverfahrensrechts sinnvoll genutzt werden kann. Nutzbringend sind die vielen Formulierungsbeispiele, die das Handbuch enthält. Noch viel wertvoller sind mir aber die zahlreichen Praxistipps erschienen, mit denen der Autor Querverbindungen herstellt, die dem Praktiker, der nicht täglich mit Verletzungsverfahren befasst ist, wohl nicht ohne Weiteres ersichtlich wären (beispielsweise die Folgen, die eine Änderung der festgesetzten Sicherheitsleistung auf das Kostenrisiko haben kann, wie in Rz. 1765 diskutiert).

Bei zahlreichen Problemfeldern, bei denen die Rechtsprechung und verfahrensrechtliche Praxis aus dem Senat, dessen Vorsitzender der Herausgeber des Handbuchs ist, von der Auffassung der Revisionsinstanz abweicht oder in der Literatur nicht durchweg geteilt wird, setzt sich der Herausgeber pointiert mit den abweichenden Auffassungen auseinander. Dies gilt beispielsweise für die Abzugsfähigkeit von Kostenpositionen bei der Herausgabe des Verletzergewinns (Rz. 1988-1989 unter Verweis auf BGH Steckverbindergehäuse).

Der Leser sollte sich natürlich dessen bewusst sein, dass nicht alle im Handbuch vertretenen Auffassungen in der Literatur und/oder von der Revisionsinstanz durchgängig geteilt werden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Frage, wo die Grenze zwischen Zulässigkeit von funktionsbezogener Anspruchsauslegung und strukturellen Anspruchsmerkmalen zu ziehen ist. Die Entscheidung in der Sache „Okklusionsvorrichtung“, die im Handbuch beispielhaft für eine funktionsbezogene Anspruchsauslegung diskutiert wird (Rz. 17), wurde bekanntlich in der Literatur heftig kritisiert (Mitt. 2010, 507). Auch der BGH hat klargestellt, dass eine funktionsbezogene Auslegung an strukturellen Anspruchsmerkmalen ihre Grenze finden kann (BGH Mitt. 2011, 355 – Okklusionsvorrichtung). Ein weiteres Beispiel für in dem Handbuch vertretene Auffassungen, die in der Literatur nicht durchgängig geteilt werden, betrifft die Frage, inwieweit das Vorbenutzungsrecht der Hersteller auch zugunsten von Abnehmern des Herstellers wirken kann (bei der die Kommentierung in Benkard von der in Rz. 1321 des Handbuchs vertretenen Auffassung abweicht und wohl eine differenzierte Betrachtung abhängig vom Charakter des patentierten Gegenstands angezeigt sein dürfte).

Dessen ungeachtet weist das Handbuch in seiner Ausführlichkeit einen Tiefgang der Diskussion auf, der beeindruckend ist. Beispielhaft sei auf die Diskussion der – in der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht geklärten – Frage verwiesen, wann der Fristlauf für die Erhebung der Restitutionsklage beginnt, wenn ein Widerruf im Einspruchs(beschwerde)verfahren vor dem EPA erfolgt (Rz. 1673-1682). Praktische Aspekte, beispielsweise betreffend die an eine ordnungsgemäße Rechnungslegung zu stellenden Anforderungen (Rz. 1846-1892), kommen dabei aber dennoch nicht zu kurz.

Für Nachauflagen wünschenswert wäre allenfalls noch eine Erweiterung, die auch Vindikationsprozesse vollständiger abdeckt. Aspekte der (Mit-)Erfinderschaft finden in der 5. Auflage nur kurz und etwas unvermittelt auf Seiten 638-641 im Hinblick auf den Sachverständigenbeweis Erwähnung.

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