BGH, X ZR 58/19 – Führungsschienenanordnung

BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 – X ZR 58/19 – Führungsschienenanordnung

Amtlicher Leitsatz:

Wenn ein bestimmtes Mittel als generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel seiner Art nach zum allgemeinen Fachwissen gehört und sich auch in dem konkret zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt, ist eine Anwendung aus fachlicher Sicht nicht allein deshalb untunlich, weil dieses Mittel generell bestimmte Nachteile aufweist oder weil im konkreten Zusammenhang auch andere Ausführungsformen in Betracht kommen (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 Rn. 26 – Farbversorgungssystem; Urteil vom 27. März 2018 – X ZR 59/16, GRUR 2018, 716 Rn. 29 – Kinderbett; Beschluss vom 13. Juli 2020 – X ZR 90/18, GRUR 2020, 1074 Rn. 49 – Signalübertragungssystem).

BGH, X ZR 23/21 – Nichtigkeitsstreitwert III

BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021 – X ZR 23/21 – Nichtigkeitsstreitwert III

Amtlicher Leitsatz:

Der Umstand, dass das Streitpatent als standardessentiell angesehen wird, vermag es für sich gesehen nicht zu rechtfertigen, den Streitwert des Patentnichtigkeitsverfahrens auf einen Betrag festzusetzen, der den Streitwert der auf dieses Patent gestützten Verletzungsprozesse um mehr als ein Viertel übersteigt (Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 12. April 2011 – X ZR 28/09, GRUR 2011, 757 Nichtigkeitsstreitwert I).

Aus der Urteilsbegründung:

Der Umstand, dass es sich um ein Patent handelt, dessen Nutzung für den Zugang zu einem bestimmten Markt essentiell ist, findet in der Regel bereits bei der Festsetzung des Streitwerts im Verletzungsprozess Berücksichtigung.

BGH, X ZR 54/19 – Cerdioxid

BGH, Urteil vom 6. April 2021 – X ZR 54/19 – Cerdioxid

a) Eine die Neuheit ausschließende Offenbarung ist nicht bereits dann gegeben, wenn eine Entgegenhaltung Patentschutz für ein Erzeugnis mit bestimmten Eigenschaften beansprucht. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig eine konkrete technische Lehre entnehmen lässt, mit der sich die beanspruchten Eigenschaften erreichen lassen.

b) Eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung in diesem Sinn ist nicht gegeben, wenn die Entgegenhaltung lediglich einen Weg für die Verwirklichung einer Ausführungsform mit anderen Eigenschaften aufzeigt. Der Grundsatz, wonach es für die ausführbare Offenbarung einer technischen Lehre nicht erforderlich ist, für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzuzeigen, ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar.

BGH, X ZR 61/19 – Laufradschnellspanner

BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 – X ZR 61/19 – Laufradschnellspanner

Amtlicher Leitsatz:

Wenn ein Funktionsprinzip für sich gesehen seit vielen Jahrzehnten bekannt ist, bedarf es in der Regel einer zusätzlichen Anregung, um dieses Prinzip erstmals bei Vorrichtungen einzusetzen, deren Einsatzzweck, Aufbau und Funktionsweise ebenfalls seit vielen Jahrzehnten bekannt sind.

BGH, X ZR 62/19 – Bodenbelag

BGH, Urteil vom 20. Mai 2021 – X ZR 62/19 – Bodenbelag

Amtlicher Leitsatz:

Die Inanspruchnahme eines Prioritätsrechts ist nicht wirksam, wenn der Gegenstand der späteren Anmeldung aus dem Inhalt der früheren Anmeldung nur aufgrund eigenständiger Überlegungen des Fachmanns hergeleitet werden kann. Hierbei ist unerheblich, ob es naheliegend war, solche Überlegungen anzustellen.

BGH, X ZR 47/19 – Ultraschallwandler

BGH, Urteil vom 8. Juni 2021 – X ZR 47/19 – Ultraschallwandler

a) Hat ein im Ausland ansässiger Hersteller einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer mit Erzeugnissen beliefert, obwohl konkrete Anhaltspunkte es als naheliegend erscheinen ließen, dass der Abnehmer die gelieferte Ware trotz dort bestehenden Patentschutzes im Inland anbieten oder in Verkehr bringen wird, bestehen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Schadensersatz in Bezug auf andere Abnehmer nur insoweit, als in Bezug auf diese dieselben charakteristischen Umstände vorliegen, die die Rechtswidrigkeit der Lieferung an den einen Abnehmer begründen.

b) Diese Umstände sind im Klageantrag oder in der Klagebegründung sowie in einem der Klage stattgebenden Urteil oder dessen Gründen konkret zu umschreiben (Fortführung von BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – X ZR 120/15, BGHZ 215, 89 Rn. 62 ff. – Abdichtsystem).

BGH, X ZB 1/18 – Gruppierungssystem

BGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 – X ZB 1/18 – Gruppierungssystem

Amtliche Leitsätze:

a) Der in § 61 Abs. 1 Satz 2 PatG normierte Grundsatz, dass das Einspruchsverfahren nach Rücknahme des Einspruchs von Amts wegen fortzusetzen ist, beansprucht auch für ein nachfolgendes, vom Patentinhaber eingeleitetes Beschwerde- oder Rechtsbeschwerdeverfahren Geltung.

b) Hat das Patentgericht ein Patent auf Beschwerde des Einsprechenden widerrufen, kann der Einsprechende dem Verfahren über eine dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde auch nicht dadurch die Grundlage entziehen, dass er die Beschwerde zurücknimmt (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 10. Dezember 1987 – X ZB 28/86, GRUR 1988, 364, juris Rn. 13 – Epoxidations-Verfahren; Beschluss vom 28. November 1978 – X ZB 12/77, GRUR 1979, 313, juris Rn. 19 – Reduzier-Schrägwalzwerk; Beschluss vom 29. April 1969 – X ZB 14/67, GRUR 1969, 562, 563 – Appreturmittel).

BGH, X ZR 170/18 – Anhängerkupplung II

BGH, Urteil vom 2. Februar 2021 – X ZR 170/18 – Anhängerkupplung II

Amtlicher Leitsatz:

Bei der Auslegung eines Merkmals, das im Patent eigenständig definiert wird, ist nicht allein auf generelle Zielsetzungen in der Beschreibung abzustellen. Vielmehr sind auch die konkreten Funktionen zu berücksichtigen, die diesem Merkmal bei den Ausführungsbeispielen zukommen.

Aus der Urteilsbegründung:

Zwar kann sich aus dem Gesamtinhalt der Patentschrift im Einzelfall ergeben, dass einzelne oder sogar alle in der Beschreibung geschilderten Ausführungsbeispiele nicht alle im Patentanspruch vorgesehenen Merkmale verwirklichen. Sofern sich vermeintliche Widersprüche, die sich aus dem Wortlaut oder dem allgemeinen technischen Verständnis ergeben könnten, durch eine an einem sinnvollen Zusammenhang orientierte Auslegung vermeiden lassen, gebührt diesem Verständnis aber grundsätzlich der Vorrang (BGH, Urteil vom 2. Juni 2015 – X ZR 103/13, GRUR 2015, 972 Rn. 22 – Kreuzgestänge; Urteil vom 10. Mai 2011 – X ZR 16/09, BGHZ 189, 330 = GRUR 2011, 701 Rn. 24 – Okklusionsvorrichtung; Urteil vom 4. Februar 2010 – Xa ZR 36/08, GRUR 2010, 602 Rn. 27 – Gelenkanordnung; Urteil vom 31. März 2009 – X ZR 95/05, BGHZ 180, 215 = GRUR 2009, 653 Rn. 16 – Straßenbaumaschine).

BGH, X ZR 17/19 – Schnellwechseldorn

BGH, Urteil vom 2. März 2021 – X ZR 17/19 – Schnellwechseldorn

Amtlicher Leitsatz:

Wird in der Beschreibung eines Patents ein bekannter Stand der Technik als nachteilhaft bezeichnet und ein im Patentanspruch vorgesehenes Merkmal als Mittel hervorgehoben, um diesen Nachteil zu überwinden, ist diesem Merkmal im Zweifel kein Verständnis beizumessen, demzufolge es sich in demjenigen Stand der Technik wiederfindet, von dem es sich gerade unterscheiden soll (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 27. November 2018 – X ZR 16/17, GRUR 2019, 491 Rn. 19 Scheinwerferbelüftungssystem).