BGH, X ZR 41/11 – Bildanzeigegerät

BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – X ZR 41/11 – Bildanzeigegerät

Amtlicher Leitsatz:

Wird dem Erwerber einer Vorrichtung ein Handbuch als Begleitunterlage überlassen, steht es der Offenkundigkeit der darin enthaltenen technischen Informationen nicht entgegen, dass diese nach dem Willen des Veräußerers nur für einen bestimmten Zweck verwendet werden dürfen und eine Vervielfältigung zu anderen Zwecken untersagt ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Januar 2013 X ZR 81/11, GRUR 2013, 367 Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser).

DPMA: Ab wann gilt in Patentverfahren die neue Einspruchsfrist von 9 Monaten?

Newsletter des DPMA, Januar 2014:

Durch das Gesetz zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3830) wird die Einspruchsfrist im Patentverfahren von 3 auf 9 Monate verlängert. Die Änderung tritt am 1. April 2014 in Kraft (Art. 1 Nr. 18a i.V.m. Art. 8 Abs. 2 PatNovG). Da das Gesetz keine ausdrückliche Übergangsregelung enthält, gilt der allgemeine Grundsatz, wonach neues Verfahrensrecht auf alle Rechtsverhältnisse anzuwenden ist, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung noch nicht abgeschlossen sind. Damit kommt die neue 9-Monatsfrist zur Anwendung, wenn die alte 3-Monatsfrist nach § 59 Abs. 1 Satz 1 PatG am 1. April 2014 noch nicht abgelaufen ist.

Das bedeutet, dass sich für deutsche Patenterteilungen, die im Januar, Februar und März 2014 im Patentblatt und in DPMAregister veröffentlicht werden, die Einspruchsfrist von drei auf neun Monate verlängert.

BGH, X ZR 171/12 – Einkaufskühltasche: Gegenstandswert

BGH, Urteil vom 13. November 2013 – X ZR 171/12 – Einkaufskühltasche

Amtliche Leitsätze:

a) Die Ermittlung des Werts eines Unterlassungsanspruchs wegen Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts erfordert eine Prognose, mit der sowohl der künftige Wert des Schutzrechts für den Anspruchsgläubiger als auch die Gefährdung der Realisierung dieses Werts durch den als Verletzer in Anspruch Genommenen abgeschätzt wird.

b) Die Geltendmachung einer Gebrauchsmuster- oder Geschmacksmusterverletzung rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Annahme, der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit sei umfangreich oder schwierig.

Gebührenrechtlicher Fallstrick bei DE-Teilanmeldungen

Mit den seit dem 1. Oktober 2009 geltenden Gebührensätzen für deutsche Patentanmeldungen wurde eine Anmeldegebühr eingeführt, die für Anmeldungen mit mehr als zehn Ansprüchen mit der Anzahl der Ansprüche ansteigt.

Anders als bei der EPA-Gebührenordnung ist die „Anspruchsgebühr“ bei deutschen Patentanmeldungen Teil der Anmeldegebühr. Dies hat mehrere problematische Konsequenzen. Ein häufig thematisiertes Problem besteht darin, dass bei der Einleitung einer deutschen Phase aus einer PCT-Anmeldung die Anmeldegebühr auf Basis des ursprünglichen Anspruchssatzes der PCT-Anmeldung zu berechnen ist, auch wenn die Anzahl der Ansprüche bei Einleitung der deutschen Phase verringert wurde. Siehe hierzu beispielsweise BPatG 10 W (pat) 2/13.

Eine weitere und noch weniger nachvollziehbare Konsequenz ergibt sich bei Teilanmeldungen: Für eine Teilanmeldung sind nach § 39 Abs. 2 PatG für die Zeit bis zur Teilung die gleichen Gebühren zu entrichten, die für die Stammanmeldung zu entrichten waren. Wenn die Stammanmeldung ab dem 1. Oktober 2009 eingereicht wurde und mehr als zehn Ansprüche hatte, muss für jede Teilanmeldung auch dann die anspruchsabhängige Anmeldegebühr der Stammanmeldung entrichtet werden, wenn die Teilanmeldung weniger Ansprüche als die Stammanmeldung hat. Der Anmelder kann keine niedrigere Anmeldegebühr der Teilanmeldung erreichen, indem er die Anzahl der Ansprüche gegenüber der Stammanmeldung verringert.

Dieses – aus sachlichen Gründen nur schwer nachvollziehbare – Ergebnis kann sich insbesondere dann als kostspielig erweisen, wenn in der Stammanmeldung mehrere (uneinheitliche) Erfindungen zusammengefasst wurden und die Anzahl der Ansprüche entsprechend groß war. Werden dann uneinheitliche Anspruchsgegenstände in einer oder mehreren Teilanmeldungen weiterverfolgt, muss die hohe Anspruchsgebühr der Stammanmeldung auch dann für jede Teilanmeldung entrichtet werden, wenn diese nur noch zehn oder weniger als zehn Patentansprüche hat.

EPA: Geplante Änderungen der Regeln zur europäischen Teilanmeldung

Laut einem Bericht von Marks&Clerk UK werden die derzeitigen 24-Monatsfristen für Teilanmeldungen ab 1. April 2014 abgeschafft und statt dessen zusätzliche Gebühren für Teilanmeldungen erhoben werden. Die zusätzlichen Gebühren sollen von der Generation der Teilanmeldung abhängen (2te Generation 200 Euro, 3te Generation 400 Euro, 4te und jede weitere Generation 800 Euro).

BGH, X ZR 40/12 – Fettsäuren: Zweite medizinische Indikation

BGH, Urteil vom 24. September 2013 – X ZR 40/12 – Fettsäuren

Amtlicher Leitsatz:

Das nachträgliche Auffinden der biologischen Zusammenhänge, die der Wirkung eines Arzneimittels zugrunde liegen, offenbart keine neue Lehre zum technischen Handeln, sofern der verabreichte Wirkstoff, die Indikation, die Dosierung und die sonstige Art und Weise, in der der Wirkstoff verwendet wird, mit einer bereits beschriebenen Verwendung eines Wirkstoffs zur Behandlung einer Krankheit übereinstimmen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 X ZR 68/08, GRUR 2011, 999 Rn. 44 – Memantin).

BGH, X ZB 8/12 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren: Zulässigkeit funktioneller Anspruchsmerkmale

BGH, Beschluss vom 11. September 2013 – X ZB 8/12 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren

Amtliche Leitsätze:

a) Dem Patentanmelder ist es grundsätzlich unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen, sofern dies dem berechtigten Anliegen Rechnung trägt, die Erfindung in vollem Umfang zu erfassen.

b) Ob die Fassung eines Patentanspruchs, die eine Verallgemeinerung enthält, dem Erfordernis einer ausführbaren Offenbarung genügt, richtet sich danach, ob damit ein Schutz begehrt wird, der nicht über dasjenige hinausgeht, was dem Fachmann unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre erscheint, durch die das der Erfindung zugrundeliegende Problem gelöst wird.

c) Einer Umschreibung einer Gruppe von Stoffen nach ihrer Funktion in einem Verwendungsanspruch steht weder entgegen, dass eine solche Fassung des Patentanspruchs neben bekannten oder in der Patentschrift offenbarten Stoffen auch die Verwendung von Stoffen umfasst, die erst zukünftig bereitgestellt werden, noch dass die Bereitstellung erfinderische Tätigkeit erfordern kann.

BGH, X ZR 36/12 – Mischerbefestigung: Zum Hinweis des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 Pat

BGH, Urteil vom 8. August 2013 – X ZR 36/12 – Mischerbefestigung

Amtliche Leitsätze:

a) Wird die Nichtigkeitsklage nach einem Hinweis des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG erweitert und werden zur Begründung der erweiterten Klage Entgegenhaltungen vorgelegt, ist das Patentgericht grundsätzlich nicht gehalten, noch vor der mündlichen Verhandlung dazu einen weiteren Hinweis gemäß § 83 PatG zu geben.

b) Unter diesen Voraussetzungen reicht der Umstand allein, dass der Kläger erst im Verhandlungstermin erfährt, wie das Patentgericht die nachgereichten Entgegen-haltungen einschätzt, ohne Weiteres nicht aus, um die Zulassung neuer Angriffsmittel im Berufungsrechtszug zu rechtfertigen.

BGH, X ZR 83/1 – Nichtigkeitsstreitwert II: „Streitwertaufteilung“ im Nichtigkeitsverfahren

BGH, Beschluss vom 27. August 2013 – X ZR 83/1 – Nichtigkeitsstreitwert II

Amtlicher Leitsatz:

Wird das Streitpatent von mehreren Klägern in demselben Umfang angegriffen, ist für eine Aufteilung des Streitwerts auf die einzelnen Klagen und eine gesonderte Wertfestsetzung für den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des einzelnen Klägers kein Raum.

BGH, X ZR 19/12 – Tretkurbeleinheit: Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren

BGH, Urteil vom 27. August 2013 – X ZR 19/12 – Tretkurbeleinheit

Amtliche Leitsätze:

a) Ein neues Angriffsmittel, das aus im zweiten Rechtszug neu eingeführten technischen Informationen einer Entgegenhaltung hergeleitet werden und das Klagevorbringen stützen soll, ist im Patentnichtigkeitsberufungsverfahren unabhängig davon nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO zuzulassen, ob Vorveröffentlichung und technischer Inhalt der Entgegenhaltung außer Streit stehen. Für Dokumente, die eine von der Erfindung wegführende technische Entwicklung belegen könnten und daher als Verteidigungsmittel des Beklagten in Betracht kommen, gilt Entsprechendes.

b) Beruft sich der Kläger darauf, eine Entgegenhaltung erst durch eine nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils durchgeführte Recherche aufgefunden zu haben, ist das hierauf gestützte Angriffsmittel nur dann nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zuzulassen, wenn der Kläger dartut, dass die Entgegenhaltung mit einem sachgerecht gewählten Suchprofil bei der für die Begründung der Patentnichtigkeitsklage durchgeführten Recherche nicht aufgefunden werden konnte.

Aus der Urteilsbegründung:

Im Übrigen setzt die Darlegung mangelnder Nachlässigkeit bei der Ermittlung des für die Begründung des Klageangriffs relevanten Standes der Technik voraus, dass der Kläger konkret dartut, wie er das Suchprofil seiner erstinstanzlichen Recherche angelegt hat, warum er ein solches Profil gewählt hat und nicht dasjenige, das zur Ermittlung des in zweiter Instanz neu angeführten Stands der Technik geführt hat, und dass bei dem gewählten Suchprofil der in zweiter Instanz vorgebrachte Angriff gegen die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents in erster Instanz nicht geführt werden konnte. Erst durch eine solche – im Streitfall fehlende – Darlegung wird der Beklagte in die Lage versetzt, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die erstinstanzliche Recherche sorgfältiger Prozessführung entsprochen hat, und dem Bundesgerichtshof die Prüfung ermöglicht, ob die Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO für die Zulassung des neuen Vorbringens vorliegen. Nach § 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c PatG gehören die Tatsachen, aufgrund deren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 117 PatG zuzulassen sind, deshalb auch zu den Berufungsgründen, die bereits die Berufungsbegründung enthalten muss, wenn sie die Zulässigkeit der Berufung tragen sollen. Es war erklärtes Regelungsziel des Reformgesetzgebers, das Nichtigkeitsberufungsverfahren zu einem Instrument der Fehlerkontrolle und -beseitigung umzugestalten (Begründung zum Entwurf zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BlPMZ 2009, 307, 316). Dem reformierten Patentgesetz liegt das gesetzgeberische Bekenntnis zu einem Patentnichtigkeitsverfahren zugrunde, in dem der Streitstoff in erster Instanz prinzipiell abschließend festgelegt wird und der später nur unter den Voraussetzungen einer entsprechenden Anwendung der §§ 529 bis 531 ZPO erweitert werden kann. Mit dieser Zielsetzung wäre die Gestattung eines unter den Vorbehalt subjektiver Zweckmäßigkeit gestellten, prinzipiell zwischen den beiden Instanzen des Nichtigkeitsverfahrens unterscheidenden Patentrechercheaufwands unvereinbar.

Über die Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents entscheidet, ob der Stand der Technik die unter Schutz gestellte technische Lehre vorwegnimmt oder dem Fachmann hinreichende Anregungen vermittelt, bekannte technische Lösungen zu dieser technischen Lehre abzuwandeln oder weiterzuentwickeln. Der Stand der Technik besteht dabei aus der regelmäßig unüberschaubaren Vielzahl von Druckschriften und sonstigen Entgegenhaltungen, aus der sich Bausteine für die dem Kläger des Patentnichtigkeitsverfahrens obliegende Darlegung ergeben können, dass und inwiefern der Gegenstand des Streitpatents neuheitsschädlich getroffen oder dem Fachmann nahegelegt gewesen sei. Von den eher seltenen Fällen abgesehen, in denen relevante Bestandteile des Standes der Technik aus einer vom Kläger behaupteten Offenkundige Vorbenutzung|offenkundigen Vorbenutzung bestehen oder der Zeitpunkt streitig ist, zu dem eine bestimmte technische Lehre der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, besteht der im Rechtsstreit erörterte Stand der Technik im Wesentlichen aus amtlich veröffentlichten Patentdokumenten oder anderen Veröffentlichungen feststehenden Datums und ist daher in aller Regel als solcher unstreitig. Ein Angriffsmittel wird aus dem typischerweise ebenso unbegrenzten wie unüberschaubaren Stand der Technik jedoch erst durch die Darlegung des Klägers, welchen konkreten Beitrag welche Bestandteile welcher Entgegenhaltung zu der geltend gemachten mangelnden Patentfähigkeit leisten sollen((BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 99/11, BGHZ 194, 290 Rn. 36 – Fahrzeugwechsel-stromgenerator)). Obwohl über die Patentfähigkeit letztlich die rechtlichen Schlussfolgerungen entscheiden, die aus den (potentiell) relevanten Beiträgen zur Beurteilung der Neuheit oder erfinderischen Tätigkeit zu ziehen sind, ist das Patentgericht weder verpflichtet noch auch nur berechtigt, von sich aus zu ermitteln, worin diese relevanten Beiträge liegen könnten. Andernfalls könnte sich der Kläger darauf beschränken, eine Vielzahl von Entgegenhaltungen vorzulegen oder auch nur aufzulisten, und es dem Patentgericht überlassen, deren Inhalt auszuwerten und zu prüfen, ob und inwiefern sich hieraus Anhaltspunkte für eine mangelnde Patentfähigkeit ergeben. Damit würde das Patentgericht jedoch seine Aufgabe verfehlen, unparteiisch zu wägen, ob der Klagevortrag das Klagebegehren rechtfertigt, und sich in die Rolle eines Klägerhelfers begeben; dafür bietet indes auch der Amtsermittlungsgrundsatz keine Grundlage. Dies erhellt, dass im Patentnichtigkeitsverfahren die unstreitige Zugehörigkeit einer bestimmten Entgegenhaltung zum Stand der Technik keinen tauglichen Maßstab für die Qualifikation als (neues) Angriffsmittel bilden kann. Angriffsmit-tel ist vielmehr die Darlegung des Klägers, welche bestimmten technischen Informationen, die der Fachmann einer bestimmten Entgegenhaltung oder be-stimmten Entgegenhaltungen entnehmen kann, das Klagebegehren rechtfertigen sollen. Für Entgegenhaltungen, die eine von der Erfindung wegführende technische Entwicklung belegen könnten und daher als Verteidigungsmittel des Beklagten in Betracht kommen, gilt Entsprechendes.