Europäisches Patent und Opt-Out: Unklarheit über anwendbares materielles Recht

Das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ) wird nach seinem Inkrafttreten nicht nur für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung, sondern grundsätzlich auch für die europäischen Patente gelten, für die keine einheitliche Wirkung eingetragen wurde (Art. 3c, d EPGÜ).

Art. 83(3) EPGÜ sieht für einen Übergangszeitraum die Möglichkeit eines Opt-out vor. Ein Opt-out hat die Wirkung, dass die Zuständigkeit des einheitlichen Patentgerichts ausgeschlossen wird. Fraglich und Gegenstand einer Kontroverse ist, ob durch ein Opt-out auch das materielle Recht des EPGÜ ausgeschlossen wird.

In der Literatur wurde weithin die Auffassung vertreten, dass durch ein Opt-out nur die Zuständigkeit des einheitlichen Patentgerichts derogiert wird, das materielle Recht des EPGÜ aber auch für das europäische Patent ohne einheitliche Wirkung anwendbar bleibt, für das ein Opt-out erklärt wurde.

Das Preparatory Committee hat zwischenzeitlich jedoch in einem Dokument ( Interpretative note – Consequences of the application of Article 83 UPCA ) die Auffassung vertreten, dass durch ein Opt-out nicht nur die Zuständigkeit des einheitlichen Patentgerichts, sondern auch das materielle Recht des EPGÜ derogiert wird. Begründet wird das u.a. damit, dass mit dem Einheitspatentpaket keine Vollharmonisierung des nationalen Patentrechts beabsichtigt war. Dieses Argument lässt außer Betracht, dass selbst bei Anwendung des materiellen Rechts des EPGÜ auf europäische Patente ohne einheitliche Wirkung nach Opt-out das nationale Recht immer noch Anwendung auf die nationalen Schutzrechte finden würde (ähnlich wie bei Marken und Designs).

Die Frage, ob für ein Patent nach Opt-out nationales Recht oder das materielle Recht des EPGÜ anwendbar ist, kann wesentliche Konsequenzen haben, z.B.:

a) Unterlassungsanspruch bei Patentverletzung: Nach Art. 63(1) EPGÜ wird dem Gericht Ermessen eingeräumt, ob der Unterlassungsanspruch zugesprochen wird, nach § 139 Abs. 1 PatG besteht kein derartiges Ermessen.

b) Mittelbare Verletzung: Die Lieferung eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland zur Benutzung der Erfindung in England oder Frankreich ist eine mittelbare Verletzung nach dem EPGÜ (vgl. hier), nicht aber eine mittelbare Verletzung nach deutschem, englischem oder französischem nationalen Patentrecht.

Die Auffassung des Preparatory Committee dürfte keine Klärung dieser wichtigen Frage bringen. Denn da das einheitliche Patentgericht für Bündelpatente nach Opt-out nicht kognitionsbefugt ist, werden allein die nationalen Gerichte zur Entscheidung berufen sein, ob ein europäisches Patent ohne einheitliche Wirkung nach Opt-out dem materiellen Recht des EPGÜ oder allein dem nationalen Recht unterliegt.

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