Autor: Dr. Florian Meier

Erfinderische Tätigkeit – BGH Elektronenstrahltherapiesystem

Das Urteil in der Rechtssache BGH X ZR 88/09 – Elektronenstrahltherapiesystem ruft neben der zum Leitsatz erhobenen Aussage zum Nichtnaheliegen eine Vielzahl wichtiger Grundsätze für die Anspruchsauslegung und Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ins Gedächtnis:

– Die Formulierung einer objektiven Aufgabe, die schon Hinweise auf die beanspruchte Lösung beinhaltet (wie sie im vorliegenden Fall vom BPatG formuliert wurde), ist unzulässig (Rz. 12).

– Zweckangaben sind auch in Vorrichtungsansprüchen nicht schlichtweg unbeachtlich (Rz. 17). Das ist zwar vom BGH bereits mehrfach in aller Deutlichkeit ausgeführt worden (z.B. in „Heuwerbungsmaschine II“, „Luftabscheider für Milchsammelanlage“ oder – im Bestandsverfahren – in der Entscheidung „Bauschalungsstütze“), wird aber jedenfalls von vielen Prüfern am DPMA unter Verweis auf eine etwas missverständliche Formulierung in der Kommentierung von Schulte immer noch anders gesehen.

– Allein die Tatsache, dass eine mobile Ausgestaltung eines Geräts für den Fachmann wünschenswert erscheint, führt noch nicht zum Naheliegen einer solchen Ausgestaltung (Leitsatz; Rz. 45-46). Auch das (breite) Merkmal der „Mobilität“ eines Behandlungsgeräts kann den Kern einer erfinderischen Lehre ausmachen, wenn erstmals offenbart wird, durch welche Merkmale die Mobilität erreicht werden kann. Die Aufnahme der entsprechenden konstruktiven Merkmale der offenbarten Ausführungsform in den Anspruch ist dann nicht unbedingt erforderlich.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Urteil auf eine aufgeschlossene Leserschaft trifft und auch in der amtlichen Praxis Niederschlag findet.

Schutzbereichserweiterung – BGH X ZR 23/09

Im der Rechtssache X ZR 23/09 – Notablaufvorrichtung hat sich der BGH mit der Frage beschäftigt, inwieweit nach Patenterteilung ein Übergang von einem Erzeugnisanspruch zu einem Verwendungsanspruch zulässig ist.

Der erkennende Senat hält einen solchen Übergang für – wohl grundsätzlich – zulässig. So heißt es unter Rz. 14 des Urteils: „Dabei hält der Senat an seiner gefestigten Rechtsprechung fest, nach der ein Übergang von einem Erzeugnisanspruch zu einer VerwendungDies entspricht auch dem praktischen Bedürfnis, dem Patentinhaber, der im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Sachschutz erhalten hat, dessen erfinderische Leistung aber darin begründet ist, eine neue und nicht naheliegende Verwendung der an sich bekannten Sache aufgezeigt zu haben, den ihm gebührenden Schutz zukommen zu lassen. Sofern und soweit dabei, etwa bei der Einbeziehung des sinnfälligen Herrichtens, einer Erstreckung auf Verfahrenserzeugnisse oder bei der mittelbaren Patentverletzung, die Gefahr einer Ausweitung des Schutzumfangs in Betracht kommen sollte, kann und muss dem bei der Bestimmung des Schutzumfangs insbesondere im Verletzungsstreit Rechnung getragen werden.“

Anmerkungen hierzu:

1. Der Senat erkannt an, dass Situationen vorstellbar sind, in denen eine Handlung eine Verletzungshandlung, beispielsweise im Hinblick auf mittelbare Verletzung, in den Schutzbereich des Verwendungsanspruchs darstellen würde, obwohl sie nicht dem Schutzbereich des Erzeugnisanspruchs unterfallen wäre. Dies sei im Verletzungsverfahren durch eine entsprechende Beschränkung des Schutzbereichs des Verwendungsanspruchs zu berücksichtigen

Der Ansatz, derartige Fragestellungen einer etwaigen Erweiterung des Schutzbereichs dem Verletzungsverfahren zu überlassen, erscheint zwar auf den ersten Blick etwas systemfremd, da Fragen, die das BPatG traditionell schon im Bestandsverfahren entscheidet, im Verletzungsverfahren geklärt werden sollen. Diese Vorgehensweise ist jedoch sachgerecht. Dem Patentinhaber wird die Umstellung von Erzeugnisanspruch auf Verwendungsanspruch, der für eine Aufrechterhaltung erforderlich sein kann, nicht schon deswegen verwehrt, weil beispielsweise Handlungen, die auf das sinnfällige Herrichten zur beanspruchten Verwendung gerichtet sind, dem Erzeugnisanspruch nicht unterfallen wären. Eine Überprüfung, ob beim Übergang von Erzeugnis- auf Verwendungsanspruch eine Erweiterung des Schutzbereichs vorliegt, erfolgt im Verletzungsverfahren anhand der konkret angegriffenen Handlung bzw. Ausführungsform, nicht aufgrund rein abstrakter Überlegungen im Nichtigkeits- oder Einspruchsverfahren.

2. Fraglich ist, ob derartige Überlegungen nicht auch dann greifen sollten, wenn der Patentinhaber nach Patenterteilung den Anspruch von einem erteilten Vorrichtungsanspruch auf einen Systemanspruch ändert, wobei das System die (im erteilten Anspruch beanspruchte) Vorrichtung umfasst. Jedenfalls die vom erkennenden Senat angestellte Überlegung, dass derjenige, der im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Vorrichtungsschutz erhalten hat, diesen nach Erteilung noch auf eine nicht naheliegende Verwendung – gekleidet in die Form eines Systemanspruchs und nicht eines Verwendungsanspruchs – einschränken können soll, sollte auch für Systemansprüche gelten.

Zur Illustration, dass es sich hierbei nicht um ein rein abstrakets Problem handelt, sei auf die BPatG-Entscheidung in der Sache 3 Ni 77/06 – Paneelelement verwiesen. Der Nichtigkeitssenat des BPatG hatte dort in einem (nach Erteilung aufgestellten) Systemanspruch, der die (im erteilten Anspruch allein beanspruchte) Vorrichtung umfasst, eine unzulässige Änderung des Schutzbereichs gesehen, da das System ein aliud zur Vorrichtung sei. Der Nichtigkeitssenat hat in dieser Entscheidung in 3.d) der Entscheidungsgründe beispielsweise die folgende Auffassung vertreten: „Gegenüber einem einzelnen Paneelelement [Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, Anm.] als gedankliche Verkörperung der hieraus ausschließlich gebildeten Wand- und Deckenverkleidung [Gegenstand des nach Erteilung geänderten Anspruchs, Anm.] und der hierdurch repräsentierten technischen Lehre stellt ein mit weiteren, für die Erfindung wesentlichen Elementen komplettiertes Wand- und Deckenverkleidungssystem jedoch keine beschränkende Ausgestaltung des geschützten Gegenstandes, sondern etwas Anderes, außerhalb des „Paneelelements“ Stehendes dar.“

Auch für die „Verwendung eines Paneelelements für eine Wand- oder Deckenverkleidung“ würde gelten, dass diese etwas anderes als das Paneelement als solches ist. Die hier diskutierte Entscheidung des BGH zeigt aber gerade auf, dass dies an sich nicht ausreicht, um eine Erweiterung des Schutzbereichs zu bejahen. Der in der BGH-Entscheidung in der Rechtssache X ZR 23/09 aufgezeigte Ansatz wäre auch für den Übergang von Vorrichtungs- zu Systemansprüchen nach Erteilung ein gangbarer (und im Vergleich zur Paneelelement-Entscheidung des BPatG wohl angemessenerer) Weg, der Interessen des Patentinhabers und Rechtssicherheit für die Allgemeinheit in ein ausgewogenes Verhältnis stellt.

Wieder einmal Einheitspatent

In einem sehr interessanten Artikel in den Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2012, 54-59 gibt Stjerna einen Überblick über die neueren Entwicklungen in Sachen Einheitspatent. Kern des Artikels ist, dass wegen des politisch motivierten Bestrebens, rasch zu einer Einigung zu kommen, die erforderliche Transparenz des Rechtssetzungsverfahrens auf der Strecke bleibt und berechtigte sachliche Einwände von ausgewiesenen Patentrechtlern nicht angemessen berücksichtigt würden. Stjerna zieht das Fazit, dass all „dies für das in der Sache von allen Seiten befürwortete Projekt Gemeinschaftspatent nebst Gerichtsbarkeit nichts Gutes befürchten“ lasse.

Auch im Vorwort zum aktuellen Kammerrundschreiben 1/12 der Patentanwaltskammer wird der Sachstand der Diskussion um das Patentgerichtssystem umrissen, wobei die Zusammenfassung erahnen lässt, dass der Versuch mehrerer Staaten, einzelstaatliche Partikularinteressen zu wahren und ein „zu deutsches“ Verfahrensrecht (Trennungsprinzip) zu verhindern, wesentliche Fortschritte in der Diskussion erschwert.

Entsprechend zieht der polnische Europaminister das folgende Fazit zu den Bemühungen seines Landes während der polnischen Präsidentschaft: „Another disappointment was Poland’s inability to ink a final agreement on the EU patent. … But … the Polish presidency has „hit a wall“ because of the opposition of „one or two member states“ over the location of the central patent court.“

Begeisterung über ein bald zu einem guten und durchdachten Abschluss kommendes Projekt würde anders klingen.

Kühnen „Handbuch der Patentverletzung“ (5. Auflage, 2011) – Rezension

Die Neuauflage des früher von Kühnen/Geschke herausgegebenen Werks aus dem Jahr 2011 bietet auf mehr als 600 Seiten eine detaillierte und gut strukturierte Darstellung aller wesentlichen Aspekte des Patentverletzungsprozesses. Die Verweise auf die einschlägige Rechtsprechung sind so aktualisiert, dass auch jüngere Entscheidungen berücksichtigt werden. Naturgemäß wurden viele der instanzgerichtlichen Entscheidungen, auf die Bezug genommen wird, vom LG Düsseldorf oder OLG Düsseldorf getroffen, wobei jedoch auch die Rechtsprechung der anderen „wichtigen“ Patentstreitorte ausführlichen Niederschlag findet.

Auch für Patentanwälte ist der Gang der Darstellung gut nachvollziehbar, und verfahrensrechtliche Aspekte werden so detailliert erläutert, dass das Handbuch auch von einem Leser mit Grundkenntnissen des Zivilverfahrensrechts sinnvoll genutzt werden kann. Nutzbringend sind die vielen Formulierungsbeispiele, die das Handbuch enthält. Noch viel wertvoller sind mir aber die zahlreichen Praxistipps erschienen, mit denen der Autor Querverbindungen herstellt, die dem Praktiker, der nicht täglich mit Verletzungsverfahren befasst ist, wohl nicht ohne Weiteres ersichtlich wären (beispielsweise die Folgen, die eine Änderung der festgesetzten Sicherheitsleistung auf das Kostenrisiko haben kann, wie in Rz. 1765 diskutiert).

Bei zahlreichen Problemfeldern, bei denen die Rechtsprechung und verfahrensrechtliche Praxis aus dem Senat, dessen Vorsitzender der Herausgeber des Handbuchs ist, von der Auffassung der Revisionsinstanz abweicht oder in der Literatur nicht durchweg geteilt wird, setzt sich der Herausgeber pointiert mit den abweichenden Auffassungen auseinander. Dies gilt beispielsweise für die Abzugsfähigkeit von Kostenpositionen bei der Herausgabe des Verletzergewinns (Rz. 1988-1989 unter Verweis auf BGH Steckverbindergehäuse).

Der Leser sollte sich natürlich dessen bewusst sein, dass nicht alle im Handbuch vertretenen Auffassungen in der Literatur und/oder von der Revisionsinstanz durchgängig geteilt werden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Frage, wo die Grenze zwischen Zulässigkeit von funktionsbezogener Anspruchsauslegung und strukturellen Anspruchsmerkmalen zu ziehen ist. Die Entscheidung in der Sache „Okklusionsvorrichtung“, die im Handbuch beispielhaft für eine funktionsbezogene Anspruchsauslegung diskutiert wird (Rz. 17), wurde bekanntlich in der Literatur heftig kritisiert (Mitt. 2010, 507). Auch der BGH hat klargestellt, dass eine funktionsbezogene Auslegung an strukturellen Anspruchsmerkmalen ihre Grenze finden kann (BGH Mitt. 2011, 355 – Okklusionsvorrichtung). Ein weiteres Beispiel für in dem Handbuch vertretene Auffassungen, die in der Literatur nicht durchgängig geteilt werden, betrifft die Frage, inwieweit das Vorbenutzungsrecht der Hersteller auch zugunsten von Abnehmern des Herstellers wirken kann (bei der die Kommentierung in Benkard von der in Rz. 1321 des Handbuchs vertretenen Auffassung abweicht und wohl eine differenzierte Betrachtung abhängig vom Charakter des patentierten Gegenstands angezeigt sein dürfte).

Dessen ungeachtet weist das Handbuch in seiner Ausführlichkeit einen Tiefgang der Diskussion auf, der beeindruckend ist. Beispielhaft sei auf die Diskussion der – in der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht geklärten – Frage verwiesen, wann der Fristlauf für die Erhebung der Restitutionsklage beginnt, wenn ein Widerruf im Einspruchs(beschwerde)verfahren vor dem EPA erfolgt (Rz. 1673-1682). Praktische Aspekte, beispielsweise betreffend die an eine ordnungsgemäße Rechnungslegung zu stellenden Anforderungen (Rz. 1846-1892), kommen dabei aber dennoch nicht zu kurz.

Für Nachauflagen wünschenswert wäre allenfalls noch eine Erweiterung, die auch Vindikationsprozesse vollständiger abdeckt. Aspekte der (Mit-)Erfinderschaft finden in der 5. Auflage nur kurz und etwas unvermittelt auf Seiten 638-641 im Hinblick auf den Sachverständigenbeweis Erwähnung.

Rechtliche Anlaufschwierigkeiten bei Mailbox-Zustellung des EPA?

Mit dem Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 13. Dezember 2011 über die Zustellung durch technische Einrichtungen zur Nachrichtenübermittlung in ausgewählten Verfahren vor dem EPA hat der Präsident die Zustellung durch Übermittlung einer elektronischen Benachrichtigung an die Mailbox eines zugelassenen Vertreters nach R. 127 EPÜ als zulässige Zustellungsart festgelegt. Vorerst erfolgt eine Erprobungsphase. Die Teilnahme ist freiwillig. Der zugelassene Vertreter muss – ähnlich wie beim HABM – mitteilen, dass er in der Erprobungsphase mit der Zustellung an die Mailbox einverstanden ist.

Doch schon im Ansatz – nämlich im Beschluss des Präsidenten selbst – scheinen Unwägbarkeiten zu lauern. So soll in Art. 4(2) des Beschlusses eine Zustellfiktion ähnlich zu R. 126(2) EPÜ definiert werden. Leider gibt es eine wesentliche Diskrepanz zwischen dem Wortlaut des Art. 4(2) des Beschlusses und der R. 126 (2) EPÜ.

Für Zustellung durch technische Einrichtungen gilt die Zustellung „spätestens mit dem zehnten Tag nach Übermittlung der elektronischen Benachrichtigung an die Mailbox als bewirkt, es sei denn …“ (englische Fassung: „Notification is deemed to have been effected at the latest on the tenth day after transmission of the electronic communication to the Mailbox, unless …“). Der problematische Unterschied zu R. 126 (2) EPÜ liegt in dem „spätestens“ – (vgl. R. 126 (2) EPÜ: „Bei der Zustellung mittels eingeschriebenen Briefs mit oder ohne Rückschein gilt dieser mit dem zehnten Tag nach der Abgabe zur Post als zugestellt, es sei denn …“ bzw. „such letter shall be deemed to be delivered to the addressee on the tenth day following its posting, unless it has failed to reach the addressee or has reached him at a later date“).

Was soll Art. 4(2) des Beschlusses aber bedeuten? Kann die Zustellung durch technische Einrichtungen (d.h. an die Mailbox) auch an einem früheren Tag als mit dem zehnten Tag als bewirkt gelten, beispielsweise wenn die entsprechende elektronische Benachrichtigung vor diesem Tag abgerufen wurde? Der Beschluss des Präsidenten gibt hierzu keine Auskunft. Bis zu einer Klarstellung durch das EPA bestehen vorerst Unsicherheiten, die aus den Formulierungsunterschieden zu R. 126(2) EPÜ resultieren.

Internationale Zuständigkeit – Konnexität bei Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums

Der EuGH hat sich in der Rechtssache C-145/10 – Painer, Urteil v. 1.12.2011 damit befasst, inwieweit der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art. 6 Nr. 1 EuGVO auch dann eröffnet sein kann, wenn die Verletzung von (Urheber-)Rechten durch mehrere Beklagte in mehreren Mitgliedsstaaten im Streit steht. Das Urteil dürfte auch für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes von Relevanz sein.

In Rz. 80-82 der Painer-Entscheidung wird ausgeführt:

„Bei der Beurteilung, ob zwischen verschiedenen Klagen ein Zusammenhang gegeben ist, ob also in getrennten Verfahren die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestünde, ist der Umstand, dass die erhobenen Klagen auf derselben Rechtsgrundlage beruhen, nur einer von mehreren erheblichen Faktoren. Er ist keine unabdingbare Voraussetzung für eine Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 …

Dass gegen mehrere Beklagte erhobene Klagen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, steht daher als solches der Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht entgegen, sofern für die Beklagten nur vorhersehbar war, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem mindestens einer von ihnen seinen Wohnsitz hatte, verklagt werden könnten …

Dies gilt erst recht, wenn sich, wie im Ausgangsrechtsstreit, die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt sind, dem vorlegenden Gericht zufolge als in den Grundzügen identisch erweisen.“

Anmerkungen hierzu:

1. Die Begründung der Painer-Entscheidung steht in gewissem Gegensatz zur Urteilsbegründung der der Roche/Primus Entscheidung (EuGH C-539/03, Urteil v. 13.7.2006 – Roche/Primus). Dort wurde in Rz. 31-32 noch ausgeführt: „Folglich läge, wenn bei mehreren Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen Verletzung eines in jedem dieser Staaten erteilten europäischen Patents gegen Personen, die ihren Wohnsitz in diesen Staaten haben, aufgrund von dort angeblich begangenen Handlungen erhoben werden, etwaigen Abweichungen zwischen den Entscheidungen dieser Gerichte nicht dieselbe Rechtslage zugrunde. Etwaige abweichende Entscheidungen können folglich nicht als einander widersprechend qualifiziert werden.“

Hierbei scheint – wie Rz. 29 und 30 der Roche/Primus-Entscheidung nahelegen – für das Vorliegen einer „unterschiedlichen Rechtslage“ im Sinne der Roche/Primus-Entscheidung schon ausgereicht zu haben, dass unterschiedliche nationale Rechtsgrundlagen zur Anwendung kommen, ohne dass ermittelt wurde, ob sich diese „als in den Grundzügen identisch erweisen“. Im Lichte der Painer-Entscheidung würde dies allein aber wohl nicht (mehr) für die Verneinung der Konnexität ausreichen.

2. Angesichts der fortschreitenden Harmonisierung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, dürften Fälle, in denen sich „die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt sind, … als in den Grundzügen identisch erweisen“, zunehmend häufig anzutreffen sein. Dies gilt für die Verletzung von Gemeinschaftsschutzrechten, aber möglicherweise auch dann, wenn für einen Schutzrechtsinhaber identische Marken oder Geschmacksmuster in mehreren Mitgliedsstaaten eingetragen sind.

3. Mit der Painer-Entscheidung voll in Einklang steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGH I ZR 11/04, Urteil vom 14.12.2006 – Aufarbeitung von Fahrzeugkomponenten (veröffentlicht in GRUR 2007, 705). Dort wurde – trotz der erst kurz zuvor ergangenen Roche/Primus-Entscheidung – für die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten eine Konnexität i.S.v. Art. 6 Nr. 1 EuGVO bejaht. Begründet wurde dies wie folgt (Rz. 18): „Der Bejahung von Konnexität im Streitfall steht deren Verneinung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Falle der Verletzung des europäischen Patents nicht entgegen … Das europäische Patent stellt ein Bündel nationaler Schutzrechte dar, die in jedem Vertragsstaat, für den sie er-teilt worden sind, dieselbe Wirkung haben und denselben Vorschriften unterliegen wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. In einer solchen Situation besteht eine geringere Gefahr sich widersprechender Entscheidungen als im Falle der – hier in Rede stehenden – Verletzung eines einheitlichen Gemeinschaftsschutzrechts“. Dies wird im Lichte der Painer-Entscheidung verstärkt gelten müssen, soweit die Vorschriften für das entsprechende Schutzrecht bereits auf europäischer Ebene harmonisiert wurden und sich die nationalen Regelungen entsprechend als „in Grundzügen identisch“ darstellen.

„Against Intellectual Monopoly“ – Rezension

Das Buch „Against Intellectual Monopoly“ von M. Boldrin und D. K. Levine (Cambridge University Press 2008; auch abrufbar von der Website des Autors) wird von patentkritischen Kreisen hoch geschätzt (siehe etwa http://www.againstmonopoly.org/).

Der Titel ist Programm. Auf fast 280 Seiten legen die Autoren dar, warum urheberrechtliche und patentrechtliche Monopole – jedenfalls mit den derzeitigen maximalen Schutzdauern – schädlich sind.

Die folgenden Kommentare beziehen sich nur auf die Teile des Buchs, die sich (der Abschaffung von) Patentrechten widmen.

Ein signifikantes Problem des Buchs besteht nach meiner Auffassung darin, dass die Darstellung tendenziös ist. Es sollen Vorurteile gegen Patente vertieft werden, ohne dass man dabei der Rechtslage und der jeweiligen Technik Rechnung trägt. Einige Beispiele:
– Mehrere historische Beispiele von U-Boot-Patenten werden ausführlich diskutiert, um Missbrauch des Patentsystems zu illustrieren (Seiten 84-87). Dass dieses Problem sich aus früheren Regelungen spezifisch im US-System ergab, wird dabei nur kurz erwähnt. Dass durch die Berechnung der Laufzeit ab Anmeldetag auch in den US (durch gesetzliche Regelungen lang vor dem Erscheinungsjahr des Buchs) das Problem auch in den USA entschärft wurde, verkommt zur Randnotiz.
– Es wird unterstellt, Patentinhaber würden durch Patentierung von weithin bekannten Technologien ungerechtfertigt Monopole schaffen. Als Beleg wird beispielsweise im Zusammenhang mit US 6,219,045 auf eine Pressemitteilung der Rechtsinhaberin verwiesen (Seite 91). Auch ohne jede Auseinandersetzung mit der Technologie der US 6,219,045 ist festzuhalten, dass es natürlich gerechtfertigt sein kann, jemandem ein Patent für etwas zu erteilen, was zwar im Zeitpunkt der Patenterteilung schon weithin verwendet wird, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Anmelde- oder Prioritätstags aber neu und erfinderisch war. Dies scheinen die Autoren entweder nicht verstanden oder aber bewusst nicht erläutert zu haben.
– Patente werden lächerlich gemacht, wobei wieder einmal Amazon’s one-click-Patent zur Erläuterung herhalten muss (Seiten 168-169). Die Autoren kritisieren unter Zitierung eines abstrakt gehaltenen Absatzes aus der Beschreibung, dass dieser Absatz – für die Autoren als Wirtschaftswissenschaftler – keine hinreichend konkrete Beschreibung der Implementierung geben würde. Ich bezweifle, dass ein Informatiker (als Adressat des Patents) diese Auffassung im Licht der gesamten Beschreibung (als maßgebliche Offenbarung) teilen würde.
– Im abschließenden Kapitel, in dem die Autoren Lösungsmöglichkeiten vorschlagen, wird die „reintroduc[e]tion [of] renewal fees“ angeregt (Seite 251). Ein Kommentar verbietet sich hier schon fast. Im selben Kapitel schlagen die Autoren auch vor, staatlich verliehene Monopolrechte durch Privatverträge zu ersetzen. Man fragt sich, welcher Wettbewerber, der ein staatlich verliehenes Monopolrecht nicht respektiert, einen solchen Vertrag abschließen oder einhalten würde.

Die tendenziöse Darstellung ist deswegen bedauerlich, da sie auch einen Schatten auf die für mich interessantesten Passagen des Buchs wirft: Die Befassung mit der Frage, ob aus (gesamt-)wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Verleihung von Patentrechten gerechtfertigt ist.

Die Autoren führen starke Indizien dafür an, dass bei einer Gesamtbetrachtung die „sozialen Kosten“ des Patents so hoch sind, dass sie wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind. Soweit ich – ohne wirtschaftliche Kenntnisse – diese Aussagen verstehen kann, ist damit wohl gemeint, dass die Kosten, die für Abnehmer und Wettbewerber durch das Monopolrecht entstehen, größer sind als die wirtschaftlichen Vorteile, die für den Patentinhaber resultieren, und die Vorteile, die die Gesellschaft aus der Veröffentlichung der neuen technischen Lehre hat.

In diesem Sinn führt jedoch jede Art von Privateigentum zu „sozialen Kosten“. Da ich einen eigenen Fernseher habe und eine Tür an meiner Wohnung, die verhindert, dass mein Nachbar meinen Fernseher benutzt, muss sich auch mein Nachbar einen Fernseher anschaffen. Die Autoren erkennen auch an, dass jede Art von Privateigentum gesellschaftliche Kosten verursacht. Im Unterschied zu Patentrechten würde jedoch ein Eigentum an Sachen ein positives Recht zur Benutzung verleihen, nicht ein Ausschließungsrecht darstellen. Dieses Argument finde ich nicht ganz nachvollziehbar, da auch der Gebrauch von Sacheigentum dort seine Grenzen findet, wo Rechte anderer berührt werden. Wenn ich mit meinem Rasenmäher das Blumenbeet meiner Nachbarin mähe, berühre ich ihre Rechte (ähnlich wie der Patentverletzer, der in das Monopolrecht des Patentinhabers eingreift), auch wenn der Rasenmäher mir gehört.

Ein letzter Punkt: Auch wenn die Frage nach gesamtwirtschaftlichen Kosten von Monopolrechten sicher wichtig und zu berücksichtigen ist, wenn es um Sinn oder Unsinn von Patentrechten geht, kann dies nicht der einzig maßgebliche Punkt sein. Erfinder sind stolz auf ihre Entwicklungsleistungen. Sie sehen Patente oder schon das Anstoßen eines Patenterteilungsverfahrens als Auszeichnung ihrer Tätigkeit an. Dies weiß ich aus meiner Tätigkeit. Unternehmer und Unternehmen sind stolz auf die Entwicklungstätigkeit und den Erfindungsreichtum ihrer Mitarbeiter. Es gibt nicht nur die Patent-Trolle und großen Monopolisten, die in dem Buch ausführlich beschrieben werden, sondern auch die innovativen Mittelständler. Und zum Gebiet des Patentrechts gehört eben nicht nur der vermögensrechtliche Teil (Ausschließungsrecht) des Monopolrechts, sondern auch das Erfinderpersönlichkeitsrecht. Solche Aspekte haben zwar vielleicht in der rein wirtschaftlichen Betrachtung von Boldrin und Levine keinen Platz, sollten aber nicht vergessen werden, wenn Sinn oder Unsinn von Patenten diskutiert wird.

Äquivalente Verletzung revisited

In diesem Beitrag soll etwas ausführlicher zu der bereits in der Leitsatzrubrik zitierten Entscheidung Diglycidverbindung Stellung genommen werden. In dieser Entscheidung äußert sich der BGH erneut zur Frage des Schutzbereichs nach der Äquivalenzlehre. Die in der Entscheidung Okklusionsvorrichtung (BGH, X ZR 16/09) aufgestellten Grundsätze zur äquivalenten Verletzung werden dabei weiter konkretisiert.

Zum Sachverhalt (aus Sicht eines Nichtchemikers): Beansprucht wird ein Verfahren mit mehreren Schritten. Einer der Schritte (Epoxidation) soll nach dem Anspruch mit einer bestimmten Klasse von Verbindungen durchgeführt werden. Diese Klasse von Verbindungen hat nach Feststellung des Berufungsgerichts „keine weitergehenden Auswirkungen auf die Qualität des Produkts“. Die Anmeldung offenbart mehrere Varianten, mit denen der Epoxidationsschritt durchgeführt werden kann, ohne dass die im Anspruch genannte Klasse von Verbindungen verwendet wird.

Der BGH führt zur Frage der äquivalenten Verletzung in Rz. 45 des Urteils aus, dass daraus, „dass in der Beschreibung zwei mögliche Wege zur Herstellung einer mit Epoxidgruppen versehenen organische Festphase aufgezeigt werden, in Patentanspruch 1 aber nur einer dieser Wege unter Schutz gestellt wird, zu folgern [ist], dass der Schutz auf diese Variante beschränkt“ sei.

Somit erfahren die Kriterien der Äquivalenzprüfung, wie sie beispielsweise in den Schneidmesser- und Custodiol-Entscheidungen aufgestellt wurden, eine Modifizierung:
1. Falls die Verletzungsform identisch zu einem in der Anmeldung offenbarten Ausführungsbeispiel ist, das nicht mehr vom Wortsinn der Ansprüche umfasst wird, ist eine äquivalente Verletzung zu verneinen.
2. Falls die Verletzungsform den Anspruch nicht wortsinngemäß verletzt, aber auch nicht einem in der Anmeldung offenbarten Ausführungsbeispiel entspricht, das nicht mehr vom Wortsinn der Ansprüche umfasst wird, soll es darauf ankommen, ob das entsprechende Merkmal der Verletzungsform die spezifische Wirkung des Anspruchsmerkmals erreicht. Anders ausgedrückt soll es wohl darauf ankommen, dass das Merkmal der Verletzungsform dem nicht wortsinngemäß verwirklichten Anspruchsmerkmal in seiner spezifischen Wirkung näher kommt als der Wirkung, die die entsprechenden Merkmale bei den ursprünglich offenbarten, aber nicht mehr von den Ansprüchen abgedeckten Ausführungsbeispielen erreichen.

Nach diesen Grundsätzen wird der Äquivalenzbereich immer dann eingeschränkt, wenn während des Erteilungsverfahrens die Ansprüche so geändert werden mussten, dass nicht mehr alle ursprünglich offenbarten Ausführungsbeispiele von den erteilten Ansprüchen abgedeckt sind. Dies muss Bedenken begegnen, da der BGH bislang keine Differenzierung dahingehend vorgenommen hat, ob die Beschränkung des Äquivalenzbereichs nur dann erfolgt, wenn Stand der Technik eine entsprechend enge Anspruchsformulierung erforderlich gemacht hat (in diesem Fall stünde dem Verletzer in den relevanten Konstellationen aber sowieso der Formstandeinwand zur Verfügung), oder selbst dann, wenn der Patentinhaber beispielsweise aufgrund verfahrensrechtlicher Hürden (für Beispiele siehe diesen früheren Beitrag zur Entscheidung Okklusionsvorrichtung) unverschuldet keine Chance hatte, für alle Ausführungsbeispiele Schutz zu erlangen.

Berufsrecht – Zulassung von Patentanwaltsgesellschaften

Der Bundesgerichtshof konnte sich im Verfahren PatAnwZ 1/10 zu den Zulassungsbedingungen für Patentanwaltsgesellschaften äußern. Dabei handelt es sich um das erste Verfahren seit mehreren Jahren und insbesondere seit Neufassung der PAO, das Fragen der Zulassung von Patentanwaltsgesellschaften betrifft.

Wichtige Punkte der Entscheidungsgründe können wie folgt zusammengefasst werden:

– Der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft steht nicht entgegen, wenn die Satzung den Unternehmensgegenstand so definiert, dass er sich auch auf die als sozietätsfähig anerkannten Berufe erstreckt (hier: „Übernahme und Ausführung von Aufträgen, die zur Berufstätigkeit von Rechtsanwälten gehören“). Es wird jedoch klargestellt, dass im Falle der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft unabhängig von der Regelung des Unternehmensgegenstands in der Satzung die Gesellschaft nicht über den Tätigkeitsbereich eines Patentanwalts hinaus rechtsberatend tätig werden darf.

– Im Zulassungsverfahren ist die Einhaltung der § 52c und § 52e PAO anhand des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung zu beurteilen. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Patentanwaltsgesellschaft kann nur der Gesellschaftsvertrag, nicht das geplante Verhalten der Gesellschafter, gesicherte Grundlage für die Beurteilung der Zulassungsfähigkeit sein.

– Schließt die Satzung eine Beteiligung an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung nicht aus, ermöglicht die Satzung einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften (hier § 52c Abs. 2 PAO). Ob ein derartiger Verstoß derzeit beabsichtigt ist, hat bei der Prüfung außer Betracht zu bleiben.

– Ähnlich steht der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft auch entgegen, wenn die Satzung nicht sicherstellt, dass auch in Zukunft (beispielsweise bei Veräußerung eines Geschäftsanteils) die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte Patentanwälten zusteht (§ 52e Abs. 2 PAO).

– Der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft steht schließlich auch entgegen, wenn ein Geschäftsführer, der nicht Patentanwalt ist, allein vertretungsbefugt ist. Nach Auffassung des Senats, die dieser auf die Gesetzesbegründung stützt, kann Geschäftsführern, die nicht Patentanwälte sind, allenfalls Gesamtvertretungsmacht zusammen mit patentanwaltlichen Geschäftsführern eingeräumt werden.

Die Antragstellerin brachte vor, dass die Regelungen der § 52e Abs. 2 und § 52f Abs. 1 PAO wegen Grundrechtsverstoßes nichtig seien. Der Senat für Patentanwaltssachen wies dieses Vorbringen unter Verweis auf die Entscheidung in der Zulassungssache AnwZ (Brfg) 1/10 zurück.

Rechtserhaltende Benutzung – § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG vs. EuGH Bainbridge

Der Bundesgerichtshof hat im Verfahren I ZR 84/09 dem EuGH mehrere Vorlagefragen vorgelegt, die die rechtserhaltende Benutzung betreffen.

Im Kern geht es um die Frage, ob eine Benutzungsform eines Zeichens (z.B. einer Wortmarke in einer bestimmten Gestaltung) für mehrere eingetragene Marken rechtserhaltend sein kann.

§ 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG ist insoweit eigentlich unmissverständlich: Eine eingetragene Marke kann durch Benutzung in einer abgewandelten Form, die den kennzeichnenden Charakter nicht verändert, rechtserhaltend benutzt werden, selbst wenn die abgewandelte Form ebenfalls als Marke eingetragen ist. Mit § 26 Marken wird Art. 10 der MarkenRL umgesetzt. Die Regelung des § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG, die keine Entsprechung in der MarkenRL hat, war vom Gesetzgeber wohl als Klarstellung intendiert: Ein Markeninhaber sollte Abwandlungen (z.B. Modernisierung eines Schriftbilds einer Wort-Bild-Marke) einer eingetragenen Marke ebenfalls registrieren können und die Marke in der abgewandelten Form benutzen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, dadurch seine alte und deshalb wertvolle Marke wegen Nichtbenutzung zu verlieren.

Die Richtlinienkonformität des § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG wurde über lange Zeit weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung angezweifelt. Eine ausführliche Darstellung gibt Rdnr. 37 des PROTI-Beschlusses.

Kompliziert wurde die Lage durch die Bainbridge-Entscheidung des EuGH (Urteil v. 13. September 2007 C-234/06). Teilweise wurde aus dieser Entscheidung abgeleitet, dass § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG nicht richtlinienkonform sei und deswegen unangewendet zu bleiben habe (OLG Köln, GRUR 2009, 958). Andere Obergerichte konnten keinen Widerspruch zwischen der Bainbridge-Rechtsprechung und § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG erkennen (OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2011, 134). Eine detaillierte Darstellung wird unter Rdnr. 21 des Proti-Beschlusses gegeben. Das Spannungsverhältnis zwischen der Bainbridge-Entscheidung und § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG, das sich in der unterschiedlichen Auffassung der Berufungsgerichte widerspiegelt, hat den BGH zu dem sehr ausführlichen und differenzierten Vorlagebeschluss veranlasst. Wenig Zweifel besteht daran, dass der BGH eine Auslegung der MarkenRL, nach der § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG nicht richtlinienkonform ist, aus zeichenrechtlichen Überlegungen für wenig befriedigend halten würde.

Der Fall hat auch noch eine sehr interessante europarechtliche Komponente, die ebenfalls Gegenstand einer Vorlagefrage ist: Ist das Vertrauen des Markeninhabers in § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG schützenswert, auch wenn sich dieser als nicht unionsrechtskonform erweisen würde? Die Brisanz dieser Frage ergibt sich vorliegend auch daraus, dass die Unionsrechtskonformität von § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG bis zur Bainbridge-Entscheidung des EuGH nicht in Frage gestellt wurde. Entsprechend führt der BGH im PROTI-Beschluss aus (Rdnr. 37): „Das Vertrauen auf die Gültigkeit des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG für eingetragene Marken hält der Senat gegenüber einer richtlinienkonformen Auslegung gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL, falls die Bestimmung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG mit der Richtlinie nicht in Einklang steht, für so gewichtig, dass er die Bestimmung ihrem Wortlaut gemäß jedenfalls auf vor der Veröffentlichung der ‚BAINBRIDGE‘-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegende Sachverhalte weiter anwenden möchte.“