Autor: Dr. Florian Meier

Negatives Gutachten des Gerichtshof der EU zum Entwurf für ein Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems

Der Gerichtshof der EU hat nunmehr das lange erwartete Gutachten zum Entwurf für ein Übereinkommen eines Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente veröffentlicht. Der Gerichtshof ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass das geplante Übereinkommen zur Schaffung eines Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Die entsprechende Pressemeldung des Gerichtshofs ist hier verfügbar.

Der Entwurf für das Übereinkommen sieht eine ausschließliche Zuständigkeit eines neu geschaffenen internationalen Patentgerichts vor, das außerhalb des institutionellen und gerichtlichen Rahmens der Union stehen würde (Rz. 71 des Gutachtens). Dieses habe nach dem Entwurf für das Übereinkommen auch Unionsrecht anzuwenden und auszulegen. Das internationale Patentgericht könnte sogar die Gültigkeit eines Rechtsakts der Union zu überprüfen haben (Rz. 78 des Gutachtens). Dies unterscheide den Entwurf für das Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patengerichtssystems von Übereinkommen, die früher Gegenstand von Gutachten des EuGH waren und die nicht die Zuständigkeit der nationalen Gerichte und des EuGH bei der Anwendung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts berührten (Rz. 77 des Gutachtens).

Da das neue internationale Gericht im Rahmen seiner ausschließlichen Zuständigkeit an die Stelle der nationalen Gerichte treten würde, würde es diesen die Möglichkeit nehmen, dem Gerichtshof Ersuchen um Vorabentscheidungen in diesem Bereich vorzulegen (Rz. 79 des Gutachtens) – auch wenn das neue internationale Patentgericht selbst die Möglichkeit der Vorlage hätte (Rz. 81 des Gutachtens). Darüber hinaus könnte eine das Unionsrecht verletzende Entscheidung des Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente weder Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens sein noch zu irgendeiner vermögensrechtlichen Haftung eines oder mehrerer Mitgliedstaaten führen (Rz. 86 des Gutachtens).

Das geplante Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems würde somit den Gerichten der Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeiten zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts nehmen, da es einem außerhalb des institutionellen und gerichtlichen Rahmens der Union stehenden internationalen Gericht eine ausschließliche Zuständigkeit für die Entscheidung über eine beträchtliche Zahl von Klagen Einzelner im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftspatent und zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts in diesem Bereich übertragen würde. Das Übereinkommen hätte außerdem eine Auswirkung auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs, auf die von den nationalen Gerichten zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zu antworten. Somit würde das Übereinkommen die den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten zugewiesenen Zuständigkeiten verfälschen, die für die Wahrung der Natur des Unionsrechts wesentlich sind (Rz. 89 des Gutachtens).

Abzuwarten ist, ob das Gutachten die Bemühungen um ein Gemeinschaftspatent und/oder ein einheitliches Patentgerichtssystem auf absehbare Zeit bremsen wird oder einer Verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 20 EUV Vorschub leisten wird. Selbst eine Renaissance des EPLA scheint denkbar. So wird unter Rz. 62 des Gutachtens ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Art. 262 AEUV kein Monopol des Gerichtshofs auf dem Gebiet europäischer Rechtstitel für das geistige Eigentum schafft und auch nicht die Wahl eines gerichtlichen Rahmens für Rechtsstreitigkeiten zwischen Einzelnen im Zusammenhang mit derartigen Rechtstiteln präjudiziert. Auch in Rz. 82 des Gutachtens scheint anzuklingen, dass die Zuständigkeit von Gerichten, die in das Gerichtssystem der Union eingebunden sind, für Entscheidungen über Patentverletzungen im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit nicht zu beanstanden wäre.

Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsberufungsverfahren – 3 ZA (pat) 17/09

Die Rechtsprechung zur Kostenerstattung im Nichtigkeitsverfahren hat eine recht wechselhafte Geschichte hinter sich: Nachdem seit ca. 1990 im Nichtigkeitsverfahren die Kosten sowohl für den Patentanwalt als auch für den Rechtsanwalt als grundsätzlich erstattungsfähig angesehen wurden, sind in den letzten Jahren mehrere Nichtigkeitssenate des BPatG (etwa in 4 ZA (pat) 36/06) wieder davon abgerückt, die Kosten des neben einem Patentanwalt bestellten Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren als grundsätzlich und in jedem Fall erstattungsfähig anzusehen. Einen detaillierten Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung geben J. Pitz und G. A. Rauh in Mitt. 2010, 470.

Die Entscheidungen von unterschiedlichen Nichtigkeitssenaten des BPatG zu der Frage, ob die Mitwirkung des Rechtsanwalts neben dem Patentanwalt allgemein als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen ist, lassen eine sehr unterschiedliche Praxis verschiedener Nichtigkeitssenate des BPatG erkennen. Den Entscheidungen entnehmen kann man jedoch eine Tendenz dahingehend, dass jedenfalls kein Automatismus für die Erstattung der durch die Doppelvertretung anfallenden Zusatzkosten in den Fällen mehr besteht, in denen kein paralleles Verletzungsverfahren geführt wird.

In der Entscheidung 3 ZA (pat) 17/09 (veröffentlicht in BlPMZ 2010, 407) ging es um die Frage der Erstattungsfähigkeit bei einer Doppelvertretung im Nichtigkeitsberufungsverfahren, wenn kein paralleles Verletzungsverfahren zwischen den Parteien anhängig ist. Der 3. Nichtigkeitssenat des BPatG hat entscheiden, dass im Nichtigkeitsberufungsverfahren die Kosten für die Doppelvertretung durch Patentanwalt und Rechtsanwalt auch dann erstattungsfähig sind, wenn kein paralleles Verletzungsverfahren geführt wird.

Begründet wurde die Entscheidung damit,
a) dass nach ständiger Rechtsprechung des BPatG – unter Verweis auf 3 ZA (pat) 2/82 – die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im Nichtigkeitsberufungsverfahren typischerweise angebracht sei und die entstehenden Kosten erstattugsfähig seien;
auch die neuere Rechtsprechung dazu, dass Doppelvertretungskosten im erstinstanzlichen Nichtigkeitsverfahren nicht mehr als grundsätzlich erstattungsfähig angesehen werden, würde nichts an der ständigen Rechtsprechung des BPatG zur Erstattungsfähigkeit im Nichtigkeitsberufungsverfahren ändern;
b) dass das Verfahren vor dem BGH der Mitwirkung eines umfassend geschulten Rechtsanwalts besonders bedürfe; und
c) dass es im Verfahren vor dem BGH keine Möglichkeit mehr gebe, unsachgemäßen, lückenhaften oder gar falschen Sachvortrag in einem späteren Stadium des Prozesses klarzustellen, zu ergänzen oder zu berichtigen.

Die knappe Gründe, die in der Entscheidungsbegründung von 3 ZA (pat) 17/09 angeführt werden, sind aus mehreren Gründen fraglich:

Erstens zeigt ein Blick in die Entscheidungen, mit denen zunächst der 4. Nichtigkeitssenat des BPatG von einem Automatismus der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten abgerückt ist, dass diese Abkehr von der früheren Praxis in keiner Weise willkürlich vollzogen wurde, sondern unter sorgfältiger Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gesetzgeber zwar für das Verletzungsverfahren mit § 143 Abs. 3 PatG eine ausdrückliche Regelung für die Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten geschaffen, für das Nichtigkeitsverfahren aber keine derartige Regelung vorgesehen hat. Dies gilt natürlich nicht nur für das erstinstanzliche Nichtigkeitsverfahren, sondern auch für das Nichtigkeitsberufungsverfahren. Die den Entscheidungen 4 ZA (pat) 33/06 oder 4 ZA (pat) 36/06 zugrundeliegenden Überlegungen, dass der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung für die Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren geschaffen hätte, wenn ein derartiger Automatismus seinem Willen entsprochen hätte, gilt auch für das Nichtigkeitsberufungsverfahren.

Zweitens liegt der lange geübten Praxis der Nichtigkeitssenate, die Doppelvertretung im erstinstanzlichen Verfahren als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen, die Überlegung zugrunde, dass es keinen Grund für die Ungleichbehandlung zwischen der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten in I. und II. Instanz gibt (BPatG GRUR 1989, 910 und Diskussion dieser Entscheidung in dem eingangs genannten Artikel von J. Pitz und G. A. Rauh in Mitt. 2010, 470, 471). Die Entscheidung 3 ZA (pat) 17/09 würde jedoch zu einer derartigen Ungleichbehandlung führen, da jedenfalls nach derzeitiger Praxis der meisten Nichtigkeitssenate des BPatG die Doppelvertretungskosten für das erstinstanzliche Verfahren jedenfalls dann nicht grundsätzlich als erstattungsfähig angesehen werden, wenn kein paralleles Verletzungsverfahren geführt wird.

Drittens mag zwar das Verfahren vor dem BGH als letztinstanzliches Verfahren besonderen rechtlichen Sachverstand erfordern. Sollte eine Partei jedoch der Meinung sein, dass es dazu der „kundigen und auf allen Rechtsgebieten erfahrenen Mitwirkung von umfassend juristisch geschulten Rechtsanwälten“ (so Ziffer 4 der Entscheidungsgründe von 3 ZA (pat) 17/09) bedarf, würde es der Partei ja freistehen, (nur) einen Rechtsanwalt mit der Vertretung im Nichtigkeitsberufungsverfahren zu beauftragen.

Schließlich ist die Vertretungsbefugnis für den nicht vor dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt im Nichtigkeitsberufungsverfahren für diesen ebenso eine Ausnahemregelung wie für den Patentanwalt. Wollte man den oben unter b) und c) genannten Argumenten der Entscheidungsgründe von 3 ZA (pat) 17/09 wirklich großes Gewicht beimessen, müsste man aufgrund der besonderen Bedeutung des letztinstanzlichen Verfahrens vor dem BGH ja möglicherweise auch die Mitwirkung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts neben einem nicht beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO ansehen, um den Besonderheiten des Verfahrens vor dem BGH Rechnung zu tragen und die Risiken zu vermindern, die durch „unsachgemäßen, lückenhaften oder gar falschen Rechtsvortrag“ (so Ziffer 4 der Entscheidungsgründe von 3 ZA (pat) 17/09) resultieren könnten. Dies wird aber – natürlich – abzulehnen sein (siehe etwa 4 ZA (pat) 81/08 in Mitt. 2010, 394).

Es wird abzuwarten bleiben, ob weitere Nichtigkeitssenate des BPatG der Entscheidung 3 ZA (pat) 17/09 folgen. Wünschenswert wäre auf längere Sicht jedenfalls, dass eine gewisse Harmonisierung der Entscheidungspraxis zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten eintritt.