Autor: Dr. Florian Meier

EuGH weist Klagen Spaniens gegen Unitary Patent Package ab

Wie in einer Pressemitteilung des EuGH mitgeteilt wird, hat der EuGH die beiden Klagen Spaniens gegen die Verordnungen zur Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (Einheitspatent-VO und Übersetzungs-VO) abgewiesen (Rechtssachen C-146/13 und C-147/13).

Der Gerichtshof folgte damit den Schlussanträgen des Generalanwalts.

Jahresgebühren für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung

Ein erster Vorschlag des Präsidenten des EPA für die Jahresgebühren des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung wurde im März für den Engeren Ausschuss des Verwaltungsrats erstellt.

Kern des Vorschlags ist, dass sich die Jahresgebühren für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung ab dem 10. Jahr an den Kosten für die vier oder fünf EPÜ-Vertragsstaaten orientieren, in denen europäische Patente derzeit am häufigsten validiert werden. Konsultationen hatten vorher gezeigt, dass Jahresgebühren für das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung, die deutlich über der Summe der derzeitigen Jahresgebühren für DE, FR, GB liegen, das System eher unattraktiv werden lassen.

Der Vorschlag des Präsidenten zu den Jahresgebühren wurde entsprechend eher kritisch kommentiert, beispielsweise auf IPKat, von Allen Overy oder von Grünecker. Ein Problem ist beispielsweise, dass zu den neben DE, FR und GB am häufigsten validierten Staaten auch Länder wie IT, CH und ES gehören, die durch das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung gar nicht abgedeckt sind.

Diese Probleme sind auch dem Präsidenten ersichtlich bekannt. So heißt es in Rn. 11 des Vorschlags:

It is true that, at first glance, paying the total sum of national fees for a small number of states (e.g. three to five) looks a more attractive proposition than the IRF [= Internal Renewal Fees of the EPO] level. However, in addition to paying national fees, users always incur a number of associated costs, in particular for translation and national validation, where charged, but also for hiring a local patent attorney or specialist firm to administer renewal-fee payments. Once these additional costs are also included, the difference between the sum payable for a classical European patent and a unitary patent is less marked; indeed, the unitary patent option is actually cheaper from year 6 on. In any event, once the additional costs are included the two amounts differ by only a few hundred euros, a negligible share of applicants‘ overall costs up to the granting of the patent.

Zielsetzung des europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung sollte es jedoch gerade nicht sein, das europäische Patent mit einheitlicher Wirkung nur „geringfügig teurer“ (Rn. 11 des Vorschlags) als ein Bündelpatent zu machen. Versprochen war kostengünstiger Patentschutz.

So heißt es beispielsweise in ErwG (4) der Einheitspatent-VO:

Der einheitliche Patentschutz wird durch einen leichteren, weniger kostspieligen und rechtssicheren Zugang zum Patentsystem den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und die Funktionsweise des Binnenmarkts fördern. Er wird auch den Umfang des Patentschutzes verbessern, indem die Möglichkeit geschaffen wird, einen einheitlichen Patentschutz in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zu erlangen, so dass sich Kosten und Aufwand für die Unternehmen in der gesamten Union verringern.

Deutlich wird aus dem Vorschlag des Präsidenten, dass die Erwartung, kostengünstigen, auch für SMEPs finanziell leicht stemmbaren Patentschutz in ganz Europa zu erhalten, schlicht politisches Wunschdenken ist, dem die Gebührenstruktur in keiner Weise gerecht werden wird. Die Kosten allein für die Jahresgebühren würden sich auf ca. 40 000 EUR über die maximale Laufzeit des Patents bemessen.

Eine sehr gelungene satirische Darstellung, die die Unterschiede zwischen den durch die Politik geschürten Erwartungen von Anmeldern und der absehbaren zukünftigen Gebührenhöhe verdeutlicht, wird in einem fiktiven Mandantengespräch auf IPKat dargestellt.

Seitengebühren-Abzocke am Europäischen Patentamt

Hintergrund: Mit der Änderung der Gebührenstruktur für Anmeldegebühren, die zum 1.4.2009 in Kraft getreten ist, hat der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation die seitenzahlabhängige Zusatzgebühr als Teil der Anmeldegebühr eingeführt (CA/D 5/08). Durch diese wurde die seitenzahlabhängige Erhöhung der Erteilungsgebühr ersetzt. Nach Angabe des EPA sollten durch diese Maßnahmen Mehrkosten, die durch eine angeblich zunehmende Komplexität der Bearbeitung entstehen, auf den Anmelder umgelegt werden (vgl. Abl. EPA 2009, 118). Der tiefere Grund für die Verschiebung der seitenzahlabhängigen Gebührenerhöhung von der Erteilungsgebühr in die Anmeldegebühr dürfte schlicht darin gelegen haben, dass mit der seit 2009 geltenden Gebührenstruktur diese Zusatzgebühr auch für zurückgewiesene oder fallengelassene Anmeldungen vereinnahmt werden kann.

Sachverhalt: Die Eingangsstelle des EPA vertritt die Auffassung, die – bereits fällige und wirksam entrichtete – Zusatzgebühr zur Anmeldegebühr würde sich nachträglich erhöhen, wenn eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung (Regel 58 EPÜ) aus einem der folgenden Gründe ergeht:
– zu kleine Seitenränder,
– zu kleine Schriftgröße in der Beschreibung und den Ansprüchen oder
– zu kleine Schriftgröße in den Figuren.

Die Eingangsstelle des EPA fordert den Anmelder zusammen mit der Mitteilung nach Regel 58 EPÜ auf, die Zusatzgebühr für bei Mängelbehebung eingereichte Zusatzseiten, die die Seitenanzahl von 35 Seiten der Anmeldung überschreiten, nachzuentrichten. Nach Auffassung der Eingangsstelle tritt eine Rücknahmefiktion bei Nichtentrichtung ein. Weiterbehandlung ist möglich.

Würdigung: Die Praxis der Eingangsstelle ist jedenfalls fragwürdig (laut Visser: ohne Basis im EPÜ). Wird die fällige Anmeldegebühr mit etwaigen seitenzahlabhängigen Zusatzgebühren fristgerecht entrichtet, könnte die Zusatzgebühr dann, und nur dann, erneut in anderer Höhe fällig werden, wenn das EPÜ dies ausdrücklich anordnet. Dies ist beispielsweise der Fall bei
– der Nachreichung eines Anspruchssatzes (Regel 38 Abs. 3 Alt. 2 EPÜ) oder
– der Einreichung einer Anmeldung durch Bezugnahme auf eine frühere Anmeldung (Regel 38 Abs. 3 Alt. 3 EPÜ),
nicht jedoch bei einer Mängelbehebung auf eine Mitteilung nach Regel 58 EPÜ hin.

Auch die Systematik des EPÜ bei den Anspruchsgebühren zeigt, dass eine fällige, wirksam entrichtete Gebühr nach dem EPÜ nicht bei einer Änderung der Anmeldung automatisch erneut fällig wird, sondern es dazu einer gesetzlichen Anordnung (bei der Anspruchsgebühr: Regel 71(4) EPÜ) bedarf.

Es ist verständlich, dass es das EPA als misslich empfinden mag, dass durch eine Wahl kleiner Schriftgrößen und/oder Seitenränder die Zusatzgebühr als Teil der Anmeldegebühr verringert werden kann. Eine – gesetzlich nicht vorgesehene – nachträgliche Änderung der Zusatzgebühr zu postulieren, kann nicht der richtige Weg sein. Es bleibt zu hoffen, dass bald ein Anmelder den Weg zur Beschwerdekammer beschreitet, um eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Eingangsstelle herbeizuführen.

BGH, X ZR 69/13 – Audiosignalcodierung: Mittelbare Patentverletzung

BGH, Urteil vom 3.2.2015 – Audiosignalcodierung:

Leitsätze:

a) Ein Mittel bezieht sich nicht schon dann auf ein wesentliches Element der Erfindung im Sinne von § 10 Abs. 1 PatG, wenn es zur Verwirklichung eines Verfahrensschritts eingesetzt wird, der den im Patentanspruch eines Verfahrenspatents vorgesehenen Schritten vorausgeht. Dies gilt auch dann, wenn der vorgelagerte Schritt notwendig ist, um die im Patentanspruch vorgesehenen Schritte ausführen zu können, und wenn das Mittel aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung ausschließlich zu diesem Zweck eingesetzt werden kann.

b) Ein Mittel, mit dem bestimmte Verfahrensschritte bei der Übertragung eines Audiosignals ausgeführt werden, bezieht sich nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn das Patent zwar ein Übertragungsverfahren schützt, im Patentanspruch aber nur andere Schritte dieses Verfahrens näher festgelegt sind und die Ausgestaltung der Verfahrensschritte, auf die sich das Mittel bezieht, für die Verwirklichung der Erfindung nicht von Bedeutung ist.

c) Wer im Ausland ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, an einen Dritten liefert, der es mit seinem Wissen und Wollen zur Benutzung der Erfindung in Deutschland weiterliefert, veranlasst eine Lieferung des Mittels im Geltungsbereich des Patentgesetzes.

Anmerkungen:

Die Leitsatzentscheidung BGH, Urteil vom 3.2.2015 – Audiosignalcodierung dürfte eine der wichtigsten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur mittelbaren Patentverletzung der jüngeren Zeit sein.

Drei Anmerkungen zu dieser Entscheidung:

1. Der Patentanspruch des Klagepatents betraf ein Übertragungsverfahren für Audiodaten. Der Patentanspruch enthielt die coderseitigen und die decoderseitigen Verfahrensschritte der Übertragung.

Für das Übertragungsverfahren nötig, aber nicht im Anspruch enthalten waren darüber hinaus die Modulierung der codierten Daten auf ein Trägersignal und die entsprechende Demodulierung auf der Seite des Decoders.

Im Patentverletzungsverfahren wurden verschiedene Ausführungsbeispiele angegriffen: Zunächst gab es angegriffene Ausführungsformen, bei denen die Kombination aus einem Gerät zur Demodulation (typischerweise ein USB-Stick) und eine Software zur Decodierung angeboten wurde. Diese Ausführungsbeispiele stellten eine mittelbare Patentverletzung dar.

Darüber hinaus gab es jedoch angegriffene Ausführungsformen, bei denen nur das Gerät zur Demodulation (typischerweise ein USB-Stick) geliefert wurde. Die Decodierung wurde von anderer Software (z.B. Windows Media Player) ausgeführt, die nicht zur angebotenen Ausführungsform gehörten. Für diese wurde die Verletzung verneint.

2. Ein bedeutender Aspekt dieser Entscheidung liegt nach meiner Auffassung darin, dass der BGH klarstellt, dass auch bei mittelbarer Patentverletzung eines Verfahrensanspruchs nicht erforderlich ist, dass die beanspruchten Verfahrensschritte von ein- und derselben Person ausgeführt werden müssen. Eine mittelbare Patentverletzung kommt auch dann in Betracht, wenn ein wesentliches Mittel zur Realisierung eines Verfahrens angeboten oder geliefert wird, wenn die Verfahrensschritte dieses Verfahrens von zwei oder mehr unterschiedlichen Personen ausgeführt werden (vorliegend: Codierung durch eine Sendeanstalt, Decodierung durch die Software auf dem Computer des Benutzers). Dies ist eine Folge der vom BGH bejahten Möglichkeit der nebentäterschaftlichen Haftung für Patentverletzungen (BGH, Urteil vom 27. Februar 2007 – X ZR 113/04 Rn. 19 – Rohrschweißverfahren; BGH, Urteil vom 17. September 2009 – Xa ZR 2/08 Rn. 34 – MP3-Player-Import).

Dies ist für die Praxis des Patentverletzungsverfahrens insofern von Bedeutung, als die deutsche Praxis sich von der höchstrichterlichen Rechtsprechung des U.S. Supreme Court unterscheidet. Die Entscheidung US Supreme Court – LIMELIGHT NETWORKS scheint darauf hinzudeuten, dass eine mittelbare Verletzung eines Verfahrensanspruchs nur in Betracht kommt, wenn alle Verfahrensschritte des Patentanspruchs von derselben Person ausgeführt werden („single entity“-Theorie). So führt der Supreme Court in Abschnitt II.A der Entscheidung aus:

… there has simply been no infringement of the method in which respondents have staked out an interest, because the performance of all the patent’s steps is not attributable to any one person. And, as both the Federal Circuit and respondents admit, where there has been no direct infringement, there can be no inducement of infringement under §271(b).

3. Ein weiterer bedeutender Aspekt der BGH-Entscheidung: Der allgemeine Ansatz bei der patentanwaltlichen Praxis des Patent-Drafting ist, dass in den Patentansprüche meist gilt: „weniger ist mehr“. Überflüssige Merkmale sind aus den Ansprüchen wegzulassen.

In dem dieser BGH-Entscheidung zugrundeliegenden Fall hätte jedoch die mittelbare Patentverletzung durch diejenigen Ausführungsformen, die nur den Demodulierer, aber nicht den Decoder enthielten, wohl nicht mit der vom BGH gegebenen Begründung verneint worden können. Möglicherweise wäre die Entscheidung also anders ausgefallen, wenn der Patentanspruch nicht nur die Codierung und Decodierung der Daten, sondern auch die Modulations- und Demodulationsschritte, wenn auch nur in allgemeiner und breiter Form, enthalten hätte.

G 3/14: Klarheit im EPA-Einspruchsverfahren

Die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in der Sache G 3/14 vom 24.3.2015 wurde nunmehr bereits auf der EPA-Website veröffentlicht.

Die Entscheidung befasst sich mit den – in der patentamtlichen Praxis sehr relevanten – Fragen, unter welchen Umständen die Einspruchsabteilungen des EPA einen Einwand mangelnder Klarheit bei der Einreichung geänderter Ansprüche im Einspruchsverfahren prüfen dürfen und müssen. Ausgangspunkt der Vorlageentscheidung war, ob auch bei einer Kombination zweier erteilter Ansprüche durch den Patentinhaber, die dazu führt, dass der im Einspruchsverfahren verteidigte Gegenstand grundsätzlich schon von der Prüfungsabteilung auf Klarheit geprüft worden sein sollte, im Einspruchsverfahren eine Prüfungsbefugnis der Einspruchsabteilung im Hinblick auf das Klarheitserfordernis des Art. 84 EPÜ eröffnet ist.

EPA: Erneute Änderung der Praxis beim elektronischen Druckexemplar?

Das EPA hatte erst zum 1.1.2014 seine Praxis im Hinblick auf handschriftliche Änderungen dahingehend geändert, dass in strikter Anwendung von Regel 50 (1) EPÜ in Verbindung mit Regel 49 (8) EPÜ handschriftliche Änderungen in Schriftstücken, die die Unterlagen der europäischen Patentanmeldung ersetzen, nicht mehr akzeptiert werden (Abl. EPA 2013, 603 ).

Die Beschwerdekammern wenden diese Praxis weithin nicht an. Für Anmeldervertreter und vermutlich auch die Prüferschaft des EPA bedeutet diese Praxis einen erheblichen Mehraufwand.

Aus persönlicher Praxis kann ich auch anfügen, dass das elektronische System des EPA zur Erstellung des elektronischen Druckexemplars schlicht nicht zuverlässig arbeitet. Bei einer R. 71(3) – Mitteilung, die ich vor einigen Tagen in der Hand hatte, hatte das EDREX-System des EPA auf zahlreichen von der Prüfungsabteilung bearbeiteten Seiten die erste Zeile abgeschnitten, so dass Korrekturen nach R. 139 EPÜ beantragt werden mussten.

Nach Gerüchten scheint die Amtsleitung des EPA nun zu überdenken, handschriftliche Änderungen wieder zuzulassen und somit zur alten Praxis zurückzukehren. Dies wäre erfreulich. Doch mag man sich nicht vorstellen, welche Geldsummen aus den von Anmeldern entrichteten, beim EPA sowieso sehr hohen Gebühren zur Entwicklung eines nicht zuverlässig funktionierenden Systems zur Erstellung des elektronischen Druckexemplars nutzlos aufgewendet wurden.

BGH X ZR 81/31 – Kochgefäß: Äquivalente Patentverletzung

In dem Urteil BGH X ZR 81/31 – Kochgefäß vom 13.1.2015 beschäftigt sich der Bundesgerichtshof erneut mit Fragen der äquivalenten Patentverletzung. Über die Leitsätze wurde bereits auf diesem Blog berichtet.

Das Berufungsgericht hatte die äquivalente Verletzung bejaht, das Berufungsurteil aber maßgeblich auf die Verwirklichung der Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs und die damit erzielten „erfindungswesentlichen“ Wirkungen gestützt.

Nach Auffassung des Revisionsgerichts wurden Unterschiede im Oberbegriff und die damit erzielten Wirkungen vom Berufungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt. Entsprechend erhebt der Senat zum Leitsatz:

1. Zur Prüfung der Gleichwirkung ist es erforderlich, den Patentanspruch darauf zu untersuchen, welche der Wirkungen, die mit seinen Merkmalen erzielt werden können, zur Lösung der zugrundeliegenden Aufgabe erfindungsgemäß zusammenkommen müssen. Die Gesamtheit dieser Wirkungen repräsentiert die patentgemäße Lösung; ihre weitere Unterteilung in „erfindungswesentliche“ und „zusätzliche“ Wirkungen ist verfehlt.

Dies zeigt wieder einmal, wie viel Bedacht der Patentanmelder und sein Vertreter nicht nur bei der Formulierung des kennzeichnenden Teils des Patentanspruchs, sondern auch bei der Formulierung des Oberbegriffs, der den nächstliegenden Stand der Technik wiedergibt, walten lassen muss. Nur wenn überflüssige Einschränkungen im Oberbegriff des Patentanspruchs vermieden werden, kann der Anmelder das Risiko minimieren, dass ein potenzieller Verletzer durch Abwandlungen, die nicht den Kern der Erfindung betreffen, den Schutz des Patentes leicht umgehen kann.

Der zweite Leitsatz betont, dass der Gutglaubensschutz nach Art. II § 3 Abs. 5 IntPatÜG a.F. auch für denjenigen streitet, der die fehlerhafte Übersetzung nicht kannte, in Kenntnis derselben aber zu dem Schluss hätte kommen dürfen, das Patent würde einen anderen Gegenstand als den nach der Sprache des Erteilungsverfahrens tatsächlich beanspruchten Gegenstand schützen.

EPÜ: Rechtsfolge der verfristeten Zahlung der Beschwerdegebühr

In der Vorlageentscheidung T 1553/13 wird der Großen Beschwerdekammer die Frage vorgelegt, ob eine Beschwerde unzulässig ist oder als nicht eingelegt gilt, wenn die Beschwerdegebühr erst nach Ablauf der maßgeblichen Frist gezahlt wird.

Die Beantwortung dieser Frage hat Einfluss darauf, ob die verfristet gezahlte Beschwerdegebühr vom Amt zurückzuzahlen ist. Ist die Beschwerde bei verfristeter Gebührenzahlung unzulässig, ist die Beschwerdegebühr verfallen. Gilt die Nichteinlegungsfiktion, wenn die Gebührenzahlung nach der maßgeblichen Frist erfolgt, ist die Beschwerdegebühr vom Amt zurückzuerstatten.

Die vorlegende Beschwerdekammer tendiert zu der Auffassung, die Beschwerde sei bei verfristeter Zahlung der Beschwerdegebühr unzulässig. Dies begründet die vorlegende Kammer damit, die Vorschrift des Art. 108 S. 2 EPÜ („Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet worden ist.“) könne nicht ausgelegt werden im Sinne von: „Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr rechtzeitig entrichtet worden ist.“ Die Kammer verweist auch auf zwei Absätze aus den travaux préparatoires, Dokument IV/6.514/61-D, die die Frage von Rechtsbehelfen gegen die Feststellung, dass die Beschwerdegebühr nicht rechtzeitig gezahlt wurde, betreffen.

Art. 8 S. 1 GebO stellt den Grundsatz auf, dass nur bei rechtzeitiger Zahlung des vollen Gebührenbetrags die Zahlungsfrist eingehalten ist. Eine Zahlung des vollen Gebührenbetrags, die nicht rechtzeitig erfolgt, steht insoweit einer Nichtzahlung gleich. Im Lichte dieser Wertung sollte Art. 108 S. 2 EPÜ tatsächlich ausgelegt werden im Sinne von: „Die Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr rechtzeitig entrichtet worden ist.“

Auf die Gebührenordnung wurde auch in den von der Kammer zitierten Dokument IV/6.514/61-D der travaux préparatoires hingewiesen, und zwar unmittelbar nach der von der Kammer zitierten Textpassage.

Die Vorlagefrage sollte folglich von der Großen Beschwerdekammer – entgegen der Auffassung der vorlegenden Kammer – dahin beantwortet werden, dass die verfristete Zahlung der Beschwerdegebühr zur Fiktion der Nichteinlegung der Beschwerde führt.

Die Beantwortung der Vorlagefrage, die spezifisch im Kontext der Beschwerdegebühr gestellt ist, dürfte übrigens auch für die verfristete Zahlung der Einspruchsgebühr relevant sein, da Art. 99 Abs. 1 S. 2 EPÜ insoweit eine Art. 108 S. 2 EPÜ ähnliche Regelung enthält.

(Un-)Zulässigkeit von Vorlagefragen an die GBK

Über die aktuelle Entscheidung G 1/12 der Großen Beschwerdekammer (GBK) wurde in diesem Blog bereits berichtet.

Eine Minderheit der Mitglieder der Großen Beschwerdekammer hielt die Vorlage für unzulässig. Die entsprechenden Erwägungen wurden nach Art. 18(2) VO GBK in die Entscheidung mit aufgenommen (G 1/12, Ziffern 42-49 der Entscheidungsgründe).

Die Minderheit hielt die Rechtslage für derart klar, dass sie eine Entscheidung der GBK für nicht erforderlich hielt.

Jedoch ist nach Art. 112(1)(a) EPÜ für die Vorlagefrage Voraussetzung, dass die vorlegende Beschwerdekammer (und nicht etwa die GBK) die Beantwortung der Rechtsfrage zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage für erforderlich hält, wenn diese Rechtsfrage für das Verfahren vor der Beschwerdekammer entscheidungserheblich ist. Die Beschwerdekammer muss die Rechtsfrage der GBK nicht vorlegen, wenn sie die Rechtsfrage selbst zweifelsfrei beantworten kann (J 5/81: Leitsatz 2). Es steht dennoch im Ermessen der Beschwerdekammer, eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorzulegen, selbst wenn – wie in der Vorlageentscheidung zu G 1/12 auch – die vorlegende Beschwerdekammer kaum Zweifel hatte, wie die Rechtsfragen zu beantworten sind.

Wie die GBK selbst in G 2/04, Ziffer 1.4 der Entscheidungsgründe festgestellt hat, betrifft die Tatsache, dass die Antwort auf die vorgelegten Rechtsfragen klar zu sein scheinen, nicht die Zulässigkeit der Vorlage. Insofern verwundert die Erwägung der Minderheit zur (Un-)Zulässigkeit der Vorlagefragen nach Art. 112(1)(a) EPÜ in G 1/12 doch etwas. Wie durch G 3/08 in Erinnerung gerufen wurde, sind die Kriterien für die Zulässigkeit von Vorlagefragen des Präsidenten nach Art. 112(1)(b) EPÜ von denen für die Zulässigkeit von Vorlagefragen der Beschwerdekammern deutlich verschieden.

Konsultation zum European Patent Litigation Certificate

Mit der Konsultation zum Entwurf für Vorschriften zum European Patent Litigation Certificate wurde vom Preparatory Committee des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) ein Entwurf für die Qualifikationen zur Diskussion gestellt, die Europäischen Patentanwälten nach Art. 48(2) EPGÜ Vertretungsbefugnis vor dem EPG verleihen.

Die Konsultation endete am 25.7.2014. Zahlreiche Stellungnahmen sind bereits online verfügbar.

Wenig überraschend verlaufen bei den Stellungnahmen die Fronten relativ klar zwischen Rechtsanwaltschaft und Patentanwaltschaft.

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Rechtsanwälten wie z.B. die Stellungnahme des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) oder die Stellungnahme des Ausschusses Geistiges Eigentum des Deutschen Anwaltverein betonen, dass Regel 12 des Entwurfs einer großen Anzahl Europäischer Patentanwälte das Recht zur Eintragung in die Liste der beim EPG zugelassenen Vertreter verleihen würde. Vom CCBE wird – anders als beispielsweise vom Deutschen Anwaltverein – sogar Regel 11 des Entwurfs als zu weitgehend empfunden, nach der ein juristischer Universitätsabschluss (LL.M. oder LL.B.) oder eine gleichwertige staatliche Prüfung als äquivalente Qualifikation zum European Patent Litigation Certificate (EPLitCert) anerkannt werden soll. Teilweise wird kritisiert, dass die Anzahl von Stunden, die in einem Kurs zum Erwerb des EPLitCert absolviert werden muss, relativ gering ist (derzeit sind 120 Stunden vorgesehen).

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Patentanwälten wie z.B. die Stellungnahme der European Patent Litigators Association (EPLIT), die Stellungnahme des Intellectual Property Regulation Board (IPReg) (England), die Stellungnahme des Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) (England), die Stellungnahme der Companie Nationale des Conseils en Propriété Industrielle (CNCPI) (Frankreich) oder die Stellungnahme von Hoffmann Eitle halten die Übergangsregelung der Regel 12 des Entwurfs für grundsätzlich begrüßenswert, betonen aber, dass die derzeitige Liste von Kurses sehr stark auf die größten Staaten (DE, FR, GB) fokussiert ist und somit diskriminierend ist.

Die meisten Stellungnahmen betonen auch, dass die derzeitige Fassung der Regel 12 des Entwurfs Europäische Patentanwälte mit teilweise sehr langer Berufserfahrung diskriminiert, da die meisten der aufgeführten Kurse erst seit kürzerer Zeit existieren. Diese Kurse mussten von Patentanwälten absolviert werden, die erst seit kürzerer Zeit zugelassen sind, während sie von Patentanwälten, die bereits sehr lange im Beruf stehen, noch nicht absolviert werden konnten. Ebenfalls betont wird, dass Regel 12(b) des Entwurfs, nach der auch Erfahrung in Streitverfahren als äquivalente Qualifikation zum EPLitCert gelten kann, nach ihrem jetigen Wortlaut in vielen Staaten ins Leere läuft, da die Vertretung ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts erfolgt sein muss. Die englischen Organisationen betonen beispielsweise, dass Patentstreitigkeiten typischerweise die Mitarbeit eines größeren Teams von Patent- und Rechtsanwälten beinhalten und bezweifeln, dass irgendein Europäischer Patentanwalt aus England Regel 12(b) des Entwurfs erfüllen würde.

Einen sehr interessanten Aspekt enthält nach meiner Auffassung die Stellungnahme der IP Federation (England), einer Organisation von Unternehmen mit starkem Fokus auf IP-Rechte: Die Stellungnahme betont den Wunsch dieser Unternehmen nach „Kontinuität der Vertretung“ zwischen dem Patenterteilungsverfahren, das meist von einem Patentanwalt geführt wird, und streitigem Verfahren. Zumindest bei einem Teil der zukünftigen Nutzer des Verfahrens scheint jedenfalls der Wunsch vorhanden zu sein, dass auch in der Anfangsphase des neuen Gerichtssystems eine Vertretung durch eine ausreichende Anzahl von Europäischen Patentanwälten mit zusätzlichen Qualifikationen möglich sein wird.