Autor: Dr. Florian Meier

Kollisionsrecht und Prioritätsrecht

Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Prioritätsrechts ist von großer praktischer Relevanz. Da jedenfalls die Auslandspriorität naturgemäß internationale Sachverhalte betrifft, kommt der Frage, nach welchen Kollisionsnormen die für die Übertragung des Prioritätsrechts anwendbaren Formerfordernisse zu bestimmen sind, großer Bedeutung zu. Diese Frage hat in den vergangenen Jahren mehrfach die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts (beispielsweise in T 62/05 und T 205/14) und den Bundesgerichtshof (beispielsweise in BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe ) beschäftigt.

Die Beschwerdekammerentscheidung T 205/14 befasst sich auf 25 Seiten mit der Frage, nach welchen Kollisionsnormen das für die Übertragung des Prioritätsrecht anwendbare Formstatut zu ermitteln ist. Nach T 205/14 soll jedenfalls für Arbeitnehmererfindungen, bei denen die Arbeitnehmer Anmelder der Prioritätsanmeldung sind, auf die Übertragung des Prioritätsrechts dasjenige Recht Anwendung finden, dem das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterliegt.

Diese Auffassung führt zu der äußerst unglücklichen Situation, dass in den letzten Jahren die Rechtsprechung wenigstens die folgenden divergierenden Auffassungen zur Übertragung des Prioritätsrechts vertreten hat:

– In T 62/05 hat die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten, dass das Recht des Staats der Nachanmeldung anwendbar ist. Davon haben sich sowohl spätere Entscheidungen (BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe und T 205/14) als auch gewichtige Stimmen in der Literatur (T. Bremi: ‚Traps when transferring priority rights, or When in Rome do as the Romans do: A discussion of some recent European and national case law and its practical implications.‘ In: epi Information, 1/2010) deutlich abgegrenzt.

– Nach BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe sind die Formerfordernisse, denen die Übertragung des Prioritätsrechts unterliegt, nach dem Forderungsstatut (Art. 33 Abs. 2 EGBGB in der bis zum 17.12.2009 geltenden Fassung bzw. nunmehr Art. 14 Abs. 2 Rom-I-VO) zu bestimmen. Dies führt dazu, dass die Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts dem Recht des Staats der Erstanmeldung unterliegen.

– Nach T 205/14 sind die Formerfordernisse, denen die Übertragung des Prioritätsrechts unterliegt, jedenfalls für die Übertragung der Rechte vom Arbeitnehmer zum Arbeitgeber nach dem Recht desjenigen Staats zu bestimmen, dem das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterliegt. In Ermangelung einer ausdrücklichen Rechtswahl ist dies regelmäßig das Recht desjenigen Staats, in dem oder von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet (Art. 8 Abs. 2 Rom-I-VO).

Zu welch unterschiedlichen Ergebnissen man abhängig davon, welches Statut angewandt wird, gelangt, veranschaulicht die Entscheidung T 205/14: Die Beschwerdekammer gelangte zu der Überzeugung, dass das Prioritätsrecht wirksam übertragen worden sei, da das Recht des Staates Israel anwendbar sei. Sowohl nach den in T 62/05 (Recht des Staats der Nachanmeldung, vorliegend also EP) als auch nach den in BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe (Recht des Staats der Erstanmeldung, vorliegend also US) vertretenen Auffassungen wäre hingegen die wirksame Übertragung des Prioritätsrechts jedenfalls fraglich gewesen.

Die in T 205/14 vertretene Auffassung hat für Patentanmelder, die in nur einem Land Arbeitnehmererfinder beschäftigen, den praktischen Vorteil, dass nach der von der Beschwerdekammer vertretenen Auffassung das Recht dieses Staats auch die Formerfordernisse für die Übertragung des Prioritätsrechts bestimmt. Mit diesem Recht dürfte der Arbeitgeber sehr vertraut sein, da es sich regelmäßig um sein „Heimatrecht“ handelt.

Wie die Judikatur in Zukunft möglicherweise noch zeigen wird, führt die in T 205/14 vertretene Auffassung immer dann zu extremen Schwierigkeiten, wenn Arbeitnehmererfinder, die in unterschiedlichen Staaten tätig sind, Mitanmelder derselben Prioritätsanmeldung sind. Nach T 205/14 würde nämlich eine Zersplitterung dahingehend eintreten, dass der Arbeitgeber die Formerfordernisse all dieser Staaten berücksichtigen müsste, um das Prioritätsrecht wirksam auf sich überzuleiten. Der große Charme der Anwendung des Forderungsstatuts (BGH X ZR 49/12 – Fahrzeugscheibe ; T. Bremi: ‚Traps when transferring priority rights, or When in Rome do as the Romans do: A discussion of some recent European and national case law and its practical implications.‘ In: epi Information, 1/2010) besteht – abgesehen von der relativ sauberen dogmatischen Herleitung der Anwendbarkeit dieses Statuts – darin, dass immer nur die Formvorschriften einer einzigen Rechtsordnung, nämlich der des Staats der Erstanmeldung maßgeblich sind. Da Mängel in der Übertragung des Prioritätsrechts nach Einreichung der Nachanmeldung nicht mehr heilbar sind, ist jedenfalls große anwaltliche Sorgfalt bei der Beratung gefragt, um sicherzustellen, dass das Prioritätsrecht – selbst unter Berücksichtigung der verschiedenen in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen – vor Einreichung der Nachanmeldung wirksam übertragen wurde.

Einstweilige Benutzungserlaubnis – Ereignis mit Seltenheitswert am Bundespatentgericht

Das Bundespatentgericht hat mit Beschluss vom 31. August 2016 im Verfügungsverfahren eine einstweilige Benutzungserlaubnis für die Nutzung eines Patents für ein AIDS-Medikament erteilt (siehe BPatG-Pressemitteilung). Das Hauptsacheverfahren ist weiterhin anhängig.

Die letzte Erteilung einer Zwangslizenz (im Hauptsacheverfahren) liegt mehr als 20 Jahre zurück und wurde vom BGH aufgehoben (BGH, 05.12.1995 – X ZR 26/92, BGHZ 131, 247).

Beschwerdekammerentscheidung T 1402/13 – Achtung, Haftungsrisiko!

Die EPA-Beschwerdekammerentscheidung T 1402/13 vom 31.5.2016 weist mehrere interessante Aspekte auf:

1. Anhängigkeit einer Anmeldung bei Nichtzahlung der Jahresgebühr: Die Beschwerdekammer ist der Auffassung, dass bei Nichtzahlung der Jahresgebühr nach dem EPÜ2000 (insbesondere Art. 86(1) EPÜ2000) die Anmeldung nur bis zum Fälligkeitstag der Jahresgebühr und nicht mehr – wie unter dem EPÜ1973 – bis zum Ende der sechsmonatigen Frist zur Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag anhängig ist.

Anmerkung: Die Anhängigkeit einer Patentanmeldung ist von großer praktischer Bedeutung, da sie insbesondere bestimmt, ob die Einreichung einer Teilanmeldung möglich ist. Die Auffassung der Beschwerdekammer steht im Widerspruch zur derzeitigen Amtspraxis (Prüfungsrichtlinien A-IV, 1.1.1). Der Basisvorschlags für die Revision des EPÜ (MR/2/00), nach dem die Revision des EPÜ im Hinblick auf den Zeitpunkt, zu dem die Anhängigkeit einer Anmeldung bei Nichtzahlung der Jahresgebühr endet, keine Änderung mit sich bringen sollte, wird zwar in der Entscheidung
T 1402/13
diskutiert, doch vertritt die Beschwerdekammer die Auffassung, dass angesichts des eindeutigen Wortlauts von Art. 86 und Regel 51 EPÜ2000 eine teleologische Auslegung dieser Vorschriften die derzeitige Amtspraxis nicht stützen kann.
Für die Praxis empfiehlt es sich, Teilanmeldungen vorsorglich vor dem Fälligkeitstag der Jahresgebühr der Stammanmeldung einzureichen, wenn die Stammanmeldung durch Nichtzahlung der Jahresgebühr fallengelassen werden soll. Eine innerhalb der 6-Monats-Frist zur Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag für die Stammanmeldung eingereichte Teilanmeldung wäre nach T 1402/13 nicht wirksam, wenn die Jahresgebühr für die Stammanmeldung nicht entrichtet wird. Kann die Teilanmeldung nicht vor dem Fälligkeitstag der Jahresgebühr für die Stammanmeldung eingereicht werden, müsste ggf. die Zahlung einer weiteren Jahresgebühr mit Zuschlag in Betracht gezogen werden, um sicherzustellen, dass die Teilanmeldung wirksam eingereicht wurde.

2. Die teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ setzt nach Auffassung der Beschwerdekammer eine aktive Zurücknahme der Beschwerde oder Anmeldung voraus. Eine bloße Rücknahmefiktion genügt nicht, um in den Genuss der Gebührenprivilegierung nach Regel 103(2) EPÜ zu kommen.

3. Die teilweise Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ erfordert nach Auffassung der Beschwerdekammer, dass die Beschwerde zurückgenommen wird, während die Anmeldung noch anhängig ist.

Anmerkung: Da die Große Beschwerdekammer in der Entscheidung G 1/09 betont hat, dass zwischen Anhängigkeit der Anmeldung und Anhängigkeit eines Verfahrens zu differenzieren ist, ist nicht ersichtlich, warum die nach Regel 103(2) EPÜ gebührenmäßig privilegierte Rücknahme der Beschwerde nicht auch noch dann erfolgen können sollte, wenn die Anmeldung selbst bereits als zurückgenommen gilt. Auch in diesem Fall fällt für die Beschwerdekammer keine weitere Arbeit an, wenn die Beschwerde zurückgenommen wird. Falls der Beschwerdeführer an einer teilweisen Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103(2) EPÜ Interesse hat, sollte in der Praxis höchst vorsorglich die Beschwerde aktiv zurückgenommen werden, während die Anmeldung selbst noch anhängig ist.

Brexit – Vertretungsbefugnis von Anwälten aus dem Vereinigten Königreich

Ein englischer Kollege hat in einem Blog sein Bedauern über die möglichen Auswirkungen der Brexit-Abstimmung verkürzt dahingehend zum Ausdruck gebracht, dass es nunmehr leider keine Anwälte aus dem Vereinigten Königreich vor dem Einheitlichen Patentgericht geben wird. Aus diesem Anlass folgt hier eine Übersicht, wie sich nach der derzeitigen Gesetzeslage ein Vollzug des EU-Austritts auf die Vertretungsbefugnis von Kollegen aus dem Vereinigten Königreich im gewerblichen Rechtsschutz auswirken würde – wodurch auch gezeigt wird, dass die eingangs genannte Einschätzung des englischen Kollegen nicht notwendig richtig sein muss.

Vertretung vor dem EUIPO – Unionsmarke: Vertretungsberechtigt sind nach Art. 93 UMV Rechtsanwälte, die in einem der Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums zugelassen sind und einen Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraum haben. Darüber hinaus vertretungsberechtigt sind die in die Liste der Vertreter beim EUIPO eingetragenen UK Trademark Attorneys. Die Voraussetzungen für die Eintragung in diese Liste beinhalten die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums und einen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz im Europäischen Wirtschaftsraum. Von der Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums kann der Exekutivdirektor dispensieren. Die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter wird von Amts wegen gelöscht, wenn der zugelassene Vertreter nicht mehr die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaats des Europäischen Wirtschaftsraums hat oder wenn der zugelassene Vertreter seinen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz nicht mehr im Europäischen Wirtschaftsraum hat (Regel 78 UMDV).

Somit wären Rechtsanwälte und Trademark Attorneys aus dem Vereinigten Königreich weiter in Markenangelegenheiten vor dem EUIPO vertretungsbefugt, sofern das Vereinigte Königreich nach Vollzug des EU-Austritts im Europäischen Wirtschaftsraum verbleibt. Würde das Vereinigte Königreich nicht im Europäischen Wirtschaftsraum verbleiben, wären Rechtsanwälte und Trademark Attorneys aus dem Vereinigten Königreich vorbehaltlich noch zu treffender abweichender Regelungen auch nicht mehr in Unionsmarkensachen vor dem EUIPO vertretungsbefugt. Übrigens wurden die Regelungen zur Vertretung in Unionsmarkensachen vor dem EUIPO erst mit der Änderungsverordnung EU 2015/2424 vom24.12.2015 dahingehend geändert, dass Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraum ausreichen. Nach der GMV war noch Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz in der EU erforderlich.

Vertretung vor dem EUIPO – Gemeinschaftsgeschmacksmuster: Vertretungsberechtigt sind nach Art. 78 GGV Rechtsanwälte, die in ein EU-Mitgliedsstaat zugelassen sind und einen Geschäftssitz in einem EU-Mitgliedsstaat haben. Vorbehaltlich abweichender Regelungen, die bei Neufassung der GGV oder im Rahmen der Austrittsverhandlungen getroffen werden könnten, würden Rechtsanwälte aus dem Vereinigten Königreich mit Vollzug des EU-Austritts die Vertretungsberechtigung in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vor dem EUIPO verlieren. Darüber hinaus sind die in die Liste für Vertreter in Unionsmarkensachen eingetragene Vertreter auch in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vertretungsberechtigt (siehe hierzu oben). Darüber hinaus sind die in die Liste der Vertreter eingetragene UK Design Attorneys vertretungsberechtigt, wobei Voraussetzung für die Eintragung die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats und ein Geschäftssitz oder Arbeitsplatz in einem EU-Mitgliedsstaats sind. Von der Voraussetzung der Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats kann der Exekutivdirektor dispensieren. Die Eintragung in die Liste der zugelassenen Vertreter für Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen am EUIPO wird von Amts wegen gelöscht, wenn der zugelassene Vertreter nicht mehr die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaats hat oder wenn der zugelassene Vertreter seinen Geschäftssitz oder Arbeitsplatz nicht mehr in einem EU-Mitgliedsstaat hat (Regel 64 GGMDV).

Somit wären – nach derzeitiger Rechtslage – Rechtsanwälte und Design Attorneys aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vor dem EUIPO vertretungsberechtigt, sobald der EU-Austritt des Vereinigte Königreichs vollzogen ist. Es wäre allerdings zu erwarten, dass bei der anstehenden Änderung der GGV die Regelungen zur Vertretung in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen ähnlich wie in der neuen UMV geändert werden. Möglich bleibt darüber hinaus auch in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen die Vertretung durch UK Trademark Attorneys, die nach Art. 93 UMV in die Liste der Vertreter vor dem EUIPO eingetragen sind, falls denn das Vereinigte Königreich im Europäischen Wirtschaftsraum verbleibt.

Europäisches Patentamt: Es wird keine Änderungen geben. Die Anwälte aus dem Vereinigten Königreich bleiben auch nach einem etwaigen Vollzug des EU-Austritts vertretungsberechtigt.

Einheitliches Patentgericht: Bei der Vertretung durch Rechtsanwälte knüpft Art. 48 Abs. 1 EPGÜ an die Zulassung bei einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats an. Allgemein wird davon ausgegangen, dass das Vereinigte Königreich aufgrund des Gutachtens des EuGH 1/09 kein Vertragsmitgliedstaats des EPGÜ sein kann, falls der EU-Austritt vollzogen wird (a.A.: Tilmann: „A possible way for a non-EU UK to participate in the Unitary Patent and Unified Patent Court?“). Rechtsanwälte, die nur bei einem Gericht des Vereinigten Königreichs zugelassen sind, nicht aber auch vor einem Gericht eines anderen EU-Mitgliedsstaats, wären vor dem EPG nicht vertretungsberechtigt.

Anders ist die Lage bei Patentanwälten. Vertretungsberechtigt sind nach Art. 48 Abs. 2 EPGÜ Europäische Patentanwälte, die die erforderliche Qualifikation, beispielsweise das Patent Litigation Certificate, besitzen. Selbst wenn die derzeit recht umfassende Liste von Kursen im Entwurf für die Regelungen über das European Patent Litigation Certificate, die derzeit für die Übergangsregelung auch zahlreiche von Institutionen des Vereinigten Königreichs angebotene Kurse anführt, noch einmal geändert werden würde, stünde es einem Europäischen Patentanwalt mit britischer Staatsangehörigkeit oder britischem Geschäftssitz immer noch frei, das Patent Litigation Certificate zu erwerben. Europäische Patentanwälte aus dem Vereinigten Königreich könnten also auch nach einem Vollzug des EU-Austritts die Vertretung vor dem EPG ausüben. Die eingangs genannte Einschätzung des englischen Kollegen erscheint also nicht zutreffend, selbst wenn der EU-Austritt vollzogen werden würde. Wahr ist allerdings, dass die Zukunft des EPG insgesamt und insbesondere der Zeitrahmen zur Realisierung des EPG durch die Brexit-Abstimmung recht ungewiss geworden sind.

Fazit:
– Die Vertretung vor dem EUIPO in Unionsmarkensachen knüpft an Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz im Europäischen Wirtschaftsraums an. Anwälte aus dem Vereinigten Königreich könnten auch nach einem etwaigen EU-Austritt vertretungsberechtigt bleiben, wenn das Vereinigten Königreich im Europäischen Wirtschaftsraums bleibt.
– Die Vertretung vor dem EUIPO in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen knüpft – derzeit – an Staatsangehörigkeit und Geschäftssitz in einem EU-Mitgliedsstaat an an. Anwälte aus dem Vereinigten Königreich wären nach einem etwaigen EU-Austritt nicht mehr in Gemeinschaftsgeschmacksmustersachen vertretungsberechtigt, außer sie sind auch in die Liste der Vertreter für Unionsmarkensachen eingetragen.
– Die Vertretung vor dem EPG knüpft für Rechtsanwälte an die Zulassung bei einem Gericht eines Vertragsmitgliedstaats an. Rechtsanwälte aus dem Vereinigten Königreich wären vor dem EPG nicht vertretungsberechtigt, wenn das Vereinigte Königreich nach dem EU-Austritt kein Vertragsmitgliedstaats mehr sein kann. Andererseits könnten Europäische Patentanwälte aus dem Vereinigten Königreich als Vertreter vor dem EPG wirken, sofern sie ein European Patent Litigation Certificate oder eine äquivalente Qualifikation besitzen.

Brexit – Auswirkungen auf gewerbliche Schutzrechte

Welche Auswirkungen wird der Brexit für Inhaber gewerblicher Schutzrechte haben?

Die EU-Schutzrechte (Unionsmarke und Gemeinschaftsgeschmacksmuster) werden bis zum Vollzug des Austritts, d.h. jedenfalls bis nach dem Abschluss der Austrittsverhandlungen, auch im Vereinigten Königreich in Kraft bleiben. Mit Vollzug des EU-Austritts werden Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster ihre Wirkung im Vereinigten Königreich verlieren. Es besteht – wie von mehreren Anwaltskanzleien aus dem Vereinigten Königreich heute kommuniziert wurde – die Hoffnung, dass im Rahmen der Austrittsverhandlungen jedenfalls für die eingetragenen Schutzrechte (Unionsmarke und eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster) beispielsweise eine Regelung dahingehend getroffen werden könnte, dass eine Umwandlung in ein zeitranggleiches nationales Schutzrecht im Vereinigten Königreich ermöglicht wird. Ob nach Vollzug des EU-Austritts beispielsweise auch die Weitergeltung nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster im Vereinigten Königreich fingiert wird, würde abzuwarten bleiben.

Im Hinblick auf das herkömmliche EP-(Bündel-)Patent werden sich keine Änderungen ergeben. Anmelder werden durch das Erteilungsverfahren am Europäischen Patentamt weiterhin EP-Patente mit Wirkung für das Vereinigte Königreich erteilt bekommen können.

Sofern die Ratifizierung des Übereinkommens über ein einheitliches Patentgericht fortgeführt wird, die Voraussetzung für die Anwendung der Einheitspatent-VO ist (Art. 18 Abs. 2 (EU) Nr. 1257/2012), wird leider kein europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung mit Wirkung auch für das Vereinigte Königreich zu erhalten sein, da an der Verstärkten Zusammenarbeit nur EU-Mitgliedsstaaten teilnehmen können. Jedoch wird es möglich sein, für die an der Verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedsstaaten (ohne das Vereinigte Königreich) die einheitliche Wirkung eines EP-Patents eintragen zu lassen und daneben den nationalen Teil des EP-Patents im Vereinigten Königreich aufrecht zu erhalten.

Geplante Änderung des Doppelschutzverbots

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Anpassung patentrechtlicher Vorschriften auf Grund der europäischen Patentreform soll der Anpassung des deutschen Rechts an das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) dienen. Der Referentenentwurf schlägt auch eine Änderung der Vorschriften über das Doppelschutzverbot (Art. II § 8 IntPatÜbkG) vor, nach denen bislang ein deutsches (nationales) Patent in dem Umfang seine Wirkung verliert, in welchem ein zeitranggleiches europäisches Patent für denselben Patentinhaber oder seinen Rechtsnachfolger erteilt wird.

Der Referentenentwurf schlägt in Artikel 1 Nr. 1 lit. c) vor, dass für

– ein deutsches Patent und ein gegenstandsgleiches europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung und

– ein deutsches Patent und ein gegenstandsgleiches europäisches Bündelpatent, das der ausschließlichen Zuständigkeit des Einheitspatentgerichts (EPG) unterliegt,

kein Doppelschutzverbot mehr besteht.

Wird ein Opt-out nach Art. 83 Abs. 3 EPGÜ erklärt, so dass die Zuständigkeit des EPG für das europäische Patent derogiert ist und weiterhin nationale Gerichte für den deutschen Teil des europäischen Patents betreffende Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren zuständig sind, verliert das deutsche Patent – wie bisher – insoweit seine Wirkung, als sein Schutzbereich mit dem des europäischen Patents überlappt.

Wird der Opt-out nach Art. 83 Abs. 4 EPGÜ zurückgenommen (oft etwas missverständlich als Opt-in bezeichnet), so bleibt es dennoch bei dem durch Opt-out eingetretenen Verlust des Wirksamkeit des deutschen Patents in dem Umfang, in dem sein Schutzbereich mit dem des europäischen Patents überlappt (vorgeschlagener Art. II § 8 Abs. 3 IntPatÜbkG-E nach Artikel 1 Nr. 1 lit. c) bb) des Referentenentwurfs).

Als Ausgleich dafür, dass bei einer derartigen Änderung des Art. II § 8 IntPatÜbkG dieselbe Erfindung sowohl durch ein der Zuständigkeit deutscher Gerichte unterliegendes deutsches Patent als auch durch ein der Zuständigkeit des EPG unterliegendes europäisches Bündelpatent oder europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung geschützt sein kann, soll dem Verletzungsbeklagten eine Einrede der doppelten Inanspruchnahme vor den deutschen Gerichten eröffnet werden (neuer Art. II § 18 IntPatÜbkG-E gemäß Artikel 1 Nr. 1 lit. d) des Referentenentwurfs).

Hingegen würde das EPG möglicherweise nur in Ausnahmefällen eine nach Abschluss des Verletzungsverfahrens aus dem deutschen Patent erhobene zweite Klage vor dem EPG aus dem gegenstandsgleichen europäischen Patent wegen Rechtsmissbräuchlichkeit zurückweisen (Tilmann in GRUR Int. 2016, 409, 419). Somit könnte für Patentinhaber die Möglichkeit bestehen, zunächst ein Verletzungsverfahren aus dem deutschen Patent vor einem nationalen Gericht zu führen, wobei möglicherweise später ein zweites Verletzungsverfahren gegen denselben Beklagten aus dem gegenstandsgleichen europäischen Patent vor dem EPG geführt werden könnte.

Sowohl Tilmann, GRUR Int. 2016, 409, 419 als auch Romandini/Hilty/Lamping, GRUR Int. 2016, 554, 557f. äußern Bedenken gegen die Aufhebung des Doppelschutzverbotes. Jedoch wird gerade dadurch, dass das Doppelschutzverbot weiterbesteht, wenn mit einem Opt-out die Zuständigkeit des EPG für das europäische Patent derogiert wird, eine nicht zu unterschätzende Motivation für Patentinhaber geschaffen, kein Opt-out zu erklären. Dies dürfte politisch gewünscht sein, um dem neuen EPG zum Erfolg zu verhelfen. Auch angesichts der bei den Nutzern des Patentsystems, also insbesondere innovativen Unternehmen, bestehenden Unsicherheit, was sie vor dem EPG erwarten wird, scheint es wünschenswert, durch die Aufhebung des Doppelschutzverbots Patentinhabern die Möglichkeit zu eröffnen, aus ihren nationalen Patenten vor nationalen Gerichten Verletzungsverfahren führen zu können, selbst falls sie auch Inhaber gegenstandsgleicher europäischer Patente sind, die der Zuständigkeit des EPG unterliegen.

Wiedereinsetzung am EPA – Jahresgebühren

In den vergangenen Jahren haben die EPA-Beschwerdekammern in mehreren Wiedereinsetzungsfällen eine Kasuistik entwickelt, nach der das nach Art. 122 EPÜ zu erfüllende Kriterium der „nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt“ erfordert, dass der bestellte Vertreter den Anmelder nicht nur einmal, sondern mehrfach an die Frist zur Zahlung einer Jahresgebühr erinnert (J 4/07, Ziffer 4.1, J 12/10, Ziffer 3). Die Verpflichtung zur Erinnerung des Anmelders trifft den Vertreter – insoweit abweichend von der BPatG-Rechtsprechung (beispielsweise nach den Beschlüssen in den Verfahren 10 W (pat) 37/03, 10 W (pat) 36/04, 10 W (pat) 47/05) – selbst dann, wenn nicht der im Patentregister eingetragene Vertreter, sondern ein Dritter vom Anmelder mit der Zahlung der Jahresgebühren beauftragt wurde (J 12/10, Ziffer 3).

In der Entscheidung T 942/12 vom 17.11.2015 hat die Beschwerdekammer nunmehr entschieden, dass den Vertreter dann keine Verpflichtung trifft, den Anmelder an die Frist zur Zahlung einer Jahresgebühr zu erinnern, wenn der Anmelder dem Vertreter ausdrücklich mitgeteilt hatte, dass der Vertreter die Fristen nicht überwachen und auch keine Erinnerungen an den Anmelder senden müsse (T 942/12, Ziffer 3.4).

Für den patentanwaltlichen Anmeldervertreter empfiehlt es sich, ausdrücklich mit dem Anmelder abzuklären, ob dann, wenn die Jahresgebührenzahlung vom Anmelder selbst oder von Dritten vorgenommen wird, der im Register eingetragene Vertreter dennoch die Zahlungsfristen überwachen und den Anmelder an offene Jahresgebührenfristen erinnern soll, und die entsprechende Korrespondenz dauerhaft zu dokumentieren.

Markenrechtsrichtlinie 2015: Neues Verwaltungsverfahren zur Nichtigkerklärung

Die <a href="http://eur-lex visit this site right here.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32015L2436″>Richtlinie (EU) 2015/2436 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (im Folgenden: MarkenRiLi 2015) bringt neben materiellen Änderungen (wie einer Erweiterung der Liste möglicher Markenformen) auch die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung eines effizienten Verwaltungsverfahrens zur Nichtigerklärung einer Marke wegen relativer Schutzhindernisse mit sich (Artikel 45 i.V.m. Art. 5 Abs. 1-3 MarkenRiLi 2015). Durch die Umsetzung der MarkenRiLi 2015 in Deutschland wird zusätzlich zum Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten (§ 55 MarkenG) ein DPMA-Verfahren bereitgestellt werden, das mit einem geringeren Kostenrisiko als das landgerichtliche Löschungsverfahren verbunden sein wird. Für die Umsetzung dieser Vorschriften der MarkenRiLi 2015 ist eine längere Umsetzungsfrist von sieben Jahren nach Inkrafttreten der MarkenRiLi 2015 vorgesehen (ErwG 38 MarkenRiLi 2015).

Änderungen im EPA PACE-Verfahren

Zum 1. Januar 2016 sind Änderungen im PACE-Verfahren am EPA in Kraft getreten. Insbesondere führt ein Fristgesuch im Prüfungsverfahren nunmehr zum Verlust des PACE-Status (Ziffer 4 der Mitteilung des EPA über das PACE-Programm), wobei anschließend kein weiterer PACE-Antrag gestellt werden kann, um die Prüfung erneut nach dem PACE-Programm zu beschleunigen (Ziffer 2 der Mitteilung des EPA über das PACE-Programm).

Die Regelung, dass eine Anmeldung nach einem Fristgesuch aus dem PACE-Programm entfernt wird, gilt auch für solche Anmeldungen, für die bereits vor dem 1. Januar 2016 ein PACE-Antrag gestellt wurde (Ziffer 17 der Mitteilung des EPA über das PACE-Programm).

Eingeschränkte Klarheitsprüfung im DE-Verfahren

In der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband, deren Leitsätze bereits früher in diesem Blog berichtet wurden, befasste sich der X. Senat unter anderem mit der Frage, ob in einem Rechtsbestandsverfahren geänderte Patentansprüche auf Klarheit zu prüfen sind. Zum Leitsatz erhebt der X. Senat, dass eine Klarheitsprüfung jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (Leitsatz a).

Der X. Senat begründet dies damit, dass eine Prüfung bereits erteilter Ansprüche auf Klarheit weder im Europäischen Patentübereinkommen noch im Patentgesetz vorgesehen sei. Der Patentinhaber habe mit dem erteilten oder dem im Einspruchsverfahren geänderten Patent eine Rechtsposition erhalten, die ihm nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen (§§ 21, 22 PatG, Art. II § 6 IntPatÜG, Art. 100 EPÜ, Artt. 138, 139 EPÜ) ganz oder teilweise aberkannt werden kann, wobei mangelnde Klarheit nicht zu den Einspruchs- oder Nichtigkeitsgründen gehört. Nach Auffassung des X. Senats folge daraus, „dass eine Prüfung der Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft ist, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. EPA, Entsch. vom 24. März 2015 G 3/14.)“

Soweit der X. Senat in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband ausdrücklich auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 3/14 Bezug nimmt, sollte jedoch nicht vergessen werden, dass die rechtlichen Grundlagen der Klarheitsprüfung im deutschen nationalen Patentverfahrensrecht und EPÜ unterschiedlich sind. So stützt sich die Argumentation in G 3/14 maßgeblich darauf, dass zwar Artikel 84 EPÜ, nach dem die Patentansprüche deutlich abgefasst sein müssen, im Erteilungsverfahren vor dem EPA eine wichtige Rolle spielt und eine Zurückweisung unklarer Ansprüche im Erteilungsverfahren ermöglicht, mangelnde Klarheit jedoch nicht als Widerrufs- oder Nichtigkeitsgrund vorgesehen ist (G 3/14, Ziffern 55, 66-72).

Im Gegensatz zum EPÜ-Verfahrensrecht wird für das deutsche Verfahrensrecht derzeit von mehreren BPatG-Senaten die Auffassung vertreten, dass mangelnde Klarheit eines Anspruchs selbst im Erteilungsverfahren kein Zurückweisungsgrund ist (vgl. BPatG, Beschluss v. 24. Juni 2015, 15 W (pat) 9/13 – Polyurethanschaum). Die Präsidentin des DPMA, die dem Verfahren BPatG 15 W (pat) 9/13 – Polyurethanschaum beigetreten war, hatte die zugelassene Rechtsbeschwerde nicht eingelegt, obwohl der erkennende BPatG-Senat ihrer Auffassung, dass eine Zurückweisung einer Anmeldung wegen unklarer Patentansprüche im Erteilungsverfahren statthaft sei, nicht gefolgt war. Nach Auffassung von Schneider (Mitt. 2016, 49, 52) impliziert dieses Verhalten der dem Verfahren beigetretenen DPMA-Präsidentin eine Bindung der DPMA-Prüfungsstellen dahingehend, dass jedenfalls bis zu einer etwaigen anderweitigen Entscheidung des BGH die mangelnde Klarheit von Patentansprüche kein Zurückweisungsgrund im DPMA-Erteilungsverfahren sein kann.

Zusammenfassend führt die Argumentation des X. Senats in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband zu der etwas misslichen Situation, dass im Rechtsbestandsverfahren nationaler deutscher Patente eine bereits in den erteilten Ansprüchen enthaltene Unklarheit der Aufrechterhaltung nicht entgegenstehen kann, obwohl die Unklarheit – anders als im Verfahrensrecht für das Erteilungsverfahren nach dem EPÜ – nach derzeitiger Praxis kein Zurückweisungsgrund im DPMA-Erteilungsverfahren ist.

Offen gelassen hat der BGH in der Entscheidung BGH, X ZR 11/13 – Fugenband, ob eine Änderung von Ansprüchen im Rechtsbestandsverfahren, die zu einer in den erteilten Ansprüchen noch nicht enthaltenen neuen Unklarheit führt (z.B. aufgrund einer Einschränkung auf Basis der Beschreibung des Patents), der beschränkten Aufrechterhaltung entgegenstehen kann.