BGH, X ZR 111/09 – Rohrreinigungsdüse II: Zum Klageantrag und Streitgegenstand im Patentverletzungsverfahren

BGH, Urteil vom 21. Februar 2012 – X ZR 111/09 – Rohrreinigungsdüse II

Amtlicher Leitsatz:

Der Kläger ist durch das Prozessrecht nicht gehindert, Ansprüche wegen Patentverletzung nicht nur wegen einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform geltend zu machen, sondern auf das Klagepatent umfassende (prozessuale) Ansprüche zu stützen, die auf weitere Ausführungsformen, die sich unter den Patentanspruch subsumieren lassen, bezogene Handlungen des Beklagten erfassen sollen. Dass ein solches umfassendes Klagebegehren zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden soll, kann regelmäßig nicht schon daraus abgeleitet werden, dass es der Kläger unterlässt, einen wie geboten (BGH, Urteil vom 30. März 2005 X ZR 126/01, BGHZ 162, 365 Blasfolienherstellung) auf die von ihm vorgetragene angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Klageantrag zu formulieren.

Aus der Urteilsbegründung:

Urteile sind der Rechtskraft insoweit fähig, als über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist (§ 322 Abs. 1 ZPO), wobei die Bestimmung des erhobenen Anspruchs nach dem der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde liegenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff unter Würdigung der gestellten Anträge und des zu ihrer Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalts zu erfolgen hat (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5 = NJW 1992, 1172; Beschluss vom 10. Dezember 2002 X ARZ 208/02, BGHZ 153, 173, 175; Urteil vom 3. April 2003 I ZR 1/01, BGHZ 154, 342 = GRUR 2003, 716 f. Reinigungsarbeiten) und zur Auslegung der Urteilsformel, d.h. zur Klärung, wieweit über den erhobenen Anspruch entschieden worden ist, Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils heranzuziehen sind.

Das gilt im Grundsatz auch für ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil, das keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2002 XI ZR 90/02, BGHZ 153, 239 = NJW 2003, 104 f.). Anstelle des Tatbestands und der Entscheidungsgründe ist in diesem Fall zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft auf das Parteivorbringen zurückzugreifen (BGH, Urteil vom 14. Februar 2008 I ZR 135/05, GRUR 2008, 933 Rn. 13 Schmiermittel; Urteil vom 16. April 2002 KZR 5/01, GRUR 2002, 915 f. Wettbewerbsverbot in Realteilungsvertrag).

Über welchen Lebenssachverhalt das Gericht nach dem Klagebegehren zu entscheiden hat, kann nicht ohne Berücksichtigung der rechtlichen Grundlage entschieden werden, auf die der Kläger seine Klageanträge stützt. Denn diese rechtliche Grundlage bestimmt, welche Einzelheiten eines (behaupteten) tatsächlichen Geschehens in sachlicher, räumlicher und zeitlicher Hinsicht für das gerichtliche Erkenntnis (zumindest potentiell) von Bedeutung sind. Bei einer Patentverletzungsklage sind demgemäß für die Eingrenzung des Streitgegenstands, der der gerichtlichen Entscheidungsfindung unterworfen wird, vornehmlich diejenigen tatsächlichen Elemente von Bedeutung, aus denen sich Handlungen des Beklagten ergeben sollen, die einen der Tatbestände des § 9 PatG ausfüllen. Zur sachlichen Eingrenzung dieser vom Klagebegehren umfassten Handlungen kommt es wiederum typischerweise in erster Linie darauf an, aus welcher tatsächlichen Ausgestaltung eines angegriffenen Erzeugnisses oder Verfahrens sich nach dem Klagevortrag ergeben soll, dass das Erzeugnis oder Verfahren unter den mit der Klage geltend gemachten Patentanspruch subsumiert werden kann. Dabei ist grundsätzlich unerheblich, ob diese Subsumtion nach Meinung des Klägers eine wortsinngemäße oder eine unter dem Gesichtspunkt der gleichwertigen (äquivalenten) Verwirklichung eines oder mehrerer Merkmale der geschützten Erfindung in den Schutzbereich des Klagepatents fallende Benutzung der geschützten Erfindung ergibt. Grundsätzlich unerheblich sind ebenso Ort und Zeit der angegriffenen Handlungen. Für die Definition des Streitgegenstands können sie nur soweit Bedeutung erlangen, als sie die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens beeinflussen können, weil es entweder nach dem Gesetz (wie etwa vor oder nach Veröffentlichung der Patenterteilung oder innerhalb oder außerhalb des territorialen Geltungsbereichs des Patentgesetzes begangene Handlungen) oder auf Grund einer entsprechenden Beschränkung des Klageantrags (wie etwa bei einer auf Handlungen während eines Teils der Patentlaufzeit beschränkten Schadensersatzklage) insoweit auf den Ort oder den Zeitpunkt der Handlung ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2004 X ZR 234/02, BGHZ 159, 66, 70 ff. = GRUR 2004, 755 Taxameter).

Der Streitgegenstand der Patentverletzungsklage wird demgemäß regelmäßig im Wesentlichen durch die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt. Die Identität des Klagegrunds wird (erst) aufgehoben, wenn dieser Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts durch neue Tatsachen verändert wird (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 2006 KZR 45/05, GRUR 2007, 172 Rn. 11 Lesezirkel II; Urteil vom 3. April 2003 I ZR 1/01, BGHZ 154, 342, 348 f. = GRUR 2003, 716 Reinigungsarbeiten).

Der Kläger ist durch das Prozessrecht nicht gehindert, Ansprüche nicht nur wegen einer bestimmten angegriffenen Ausführungsform geltend zu machen, sondern auf das Klagepatent umfassende (prozessuale) Ansprüche zu stützen, die auf weitere Ausführungsformen, die sich nach Meinung des Klägers ebenfalls unter den Patentanspruch subsumieren lassen, bezogene Handlungen des Beklagten erfassen sollen.

Ob dem Kläger solche Ansprüche auch zuerkannt werden können, hängt (unter anderem) davon ab, ob der Kläger dartun kann, dass der Beklagte auch solche Handlungen begangen hat oder deren Begehung zumindest droht.

Dass ein solches umfassendes Klagebegehren zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden soll, kann jedoch in aller Regel nicht schon daraus abgeleitet werden, dass der Kläger es unterlässt, einen wie geboten (BGH, Urteil vom 30. März 2005 X ZR 126/01, BGHZ 162, 365 Blasfolienherstellung) auf die von ihm vorgetragene angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Klageantrag zu formulieren. Denn maßgeblich für Inhalt und Reichweite des materiellen Klagebegehrens ist nicht allein der Wortlaut des Klageantrags; dieser ist vielmehr unter Berücksichtigung des zu seiner Begründung Vorgetragenen auszulegen. Nicht der Wortlaut des Antrags, sondern das Klagebegehren definiert den Streitgegenstand, und nur an dieses und nicht an jenen ist das Gericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden. Ebenso wie mangels abweichender Anhaltspunkte im Parteivortrag anzunehmen ist, dass sich das Rechtsschutzbegehren auf sämtliche Handlungen des Beklagten erstrecken soll, die diejenigen Merkmale aufweisen, aus denen der Kläger die Qualifikation der Handlungen als rechtsverletzend herleitet (BGHZ 159, 66, 70 f. = GRUR 2004, 755 Taxameter), ist umgekehrt mangels abweichender Anhaltspunkte anzunehmen, dass der Kläger Ansprüche nur wegen solcher Handlungen des Beklagten geltend machen will, die sich auf eine Ausführungsform beziehen, für die der Kläger vorträgt, dass sie auf Grund ihrer tatsächlichen Ausgestaltung sämtliche Merkmale des Patentanspruchs aufweist und vom Beklagten entgegen § 9 PatG benutzt wird oder benutzt zu werden droht. Kommt dies im Klageantrag nicht hinreichend zum Ausdruck, hat das Gericht nach § 139 Abs. 1 ZPO auf eine sachdienliche Antragsfassung hinzuwirken.

BGH, I ZR 191/10 – Freie Wähler: Schutz des Namens einer Wählervereinigungen

BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 191/10 – Freie Wähler

Amtliche Leitsätze:

a) Für die Namen von Wählervereinigungen gilt das strenge Prioritätsprinzip gemäß § 4 Abs. 1 PartG nicht. Für ihre originäre Unterscheidungskraft ist es daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine bestimmte beschreibende Verwendung nicht festzustellen ist.

b) Der Verkehr geht davon aus, dass bei Wählervereinigungen nachgestellte geographische Angaben bei im Übrigen gleicher Bezeichnung ebenso wie bei Parteien auf bestehende organisatorische Verbindungen hinweisen.

BGH, I ZR 188/09 – Landgut Borsig: Recht am Namen einer Liegenschaft

BGH, Urteil vom 28. September 2011 – I ZR 188/09 – Landgut Borsig

Amtlicher Leitsatz:

Der Eigentümer einer Liegenschaft, die im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs mit dem bürgerlichen Namen einer Familie bezeichnet wird, kann diese Bezeichnung ungeachtet der Zustimmung der Namensträger für die Liegenschaft oder einen damit verbundenen Geschäftsbetrieb (weiter) verwenden, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht.

§ 12 BGB -> Namensrecht, Namensrecht eines Hauses oder einer Liegenschaft

Aus der Urteilsbegründung:

Für die rechtmäßig erworbene namensartige Kennzeichnung eines Hauses kann in entsprechender Anwendung des § 12 BGB ein Namensrecht in Anspruch genommen werden, wenn und soweit daran ein schutzwürdiges Interesse besteht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 1976 I ZR 71/74, MDR 1976, 998 – Sternhaus; KG, NJW 1988, 2892, 2893; Schalk in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 5 MarkenG Rn. 6; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 15 MarkenG Rn. 74; Hacker in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 5 Rn. 14; Zerhusen in Festschrift Koeble, 2010, S. 603, 604; aA Staudinger/Habermann, BGB, Bearb. 2004, § 12 Rn. 106; MünchKomm.BGB/Bayreuther aaO § 12 Rn. 53).

Nichts anderes gilt, wenn nicht die Bezeichnung eines Gebäudes, sondern die eines Grundstücks in Rede steht (vgl. H. Lehmann, MuW 1931, 353, 355).

Eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion kann auch der Bezeichnung eines Gebäudes zukommen, wenn sie im Sprachgebrauch des relevanten Verkehrs zu seiner Benennung anerkannt ist. Da ein berechtigtes Interesse an der Benennung eines Gebäudes mit einer vom Verkehr anerkannten Bezeichnung bestehen kann, entstünde eine nicht hinnehmbare Rechtsschutzlücke, wenn dieser Benennung ein Schutz entsprechend § 12 BGB versagt wäre. Der erforderliche personale Bezug des Namensrechts an einem Gebäude oder Grundstück besteht abhängig von den Umständen des Einzelfalls zum Erbauer, jeweiligen Eigentümer oder einem sonst Berechtigten (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349; H. Lehmann, MuW 1931, 353, 357).

Allein dieser jeweils Berechtigte ist befugt, sich auf den mit dem Gebäude oder Grundstück verbundenen Namen zu berufen, um von Dritten gegen die Namensführung erhobene Ansprüche abzuwehren. Diese Befugnis ist von der Berechtigung an dem Gebäude oder Grundstück abhängig, sie ist akzessorisch mit diesem verbunden. Ein Erwerber der Immobilie erlangt deshalb auch die mit ihr im Zeitpunkt des Erwerbs etwa verbundene Befugnis zur entsprechenden Namensführung.

Die Benennung eines Gebäudes ist indes nur unter zwei Vorausset-zungen namensrechtlich schutzwürdig.

(1) Zum einen muss ein objektiv berechtigtes Interesse an der Benen-nung bestehen. Es kann etwa darin liegen, dass durch die Bezeichnung auf die besonderen Beziehungen einer bekannten Persönlichkeit des kulturellen oder politischen Lebens zu einem Gebäude (Geburtshaus, Wohnhaus) hingewiesen werden soll (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Fezer aaO § 15 MarkenG Rn. 79; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349).

(2) Die Schutzwürdigkeit des Interesses der Beklagten an der Benennung der Liegenschaft als „Landgut Borsig“ setzt jedoch weiter voraus, dass diese Bezeichnung im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten entsprechend ihrer Behauptung im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs üblich war. Denn solange das nicht der Fall ist, fehlt der Bezeichnung eines Gebäudes oder einer Liegenschaft eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion, die eine entsprechende Anwendung des § 12 BGB rechtfertigen kann.

Wieder einmal Einheitspatent

In einem sehr interessanten Artikel in den Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2012, 54-59 gibt Stjerna einen Überblick über die neueren Entwicklungen in Sachen Einheitspatent. Kern des Artikels ist, dass wegen des politisch motivierten Bestrebens, rasch zu einer Einigung zu kommen, die erforderliche Transparenz des Rechtssetzungsverfahrens auf der Strecke bleibt und berechtigte sachliche Einwände von ausgewiesenen Patentrechtlern nicht angemessen berücksichtigt würden. Stjerna zieht das Fazit, dass all „dies für das in der Sache von allen Seiten befürwortete Projekt Gemeinschaftspatent nebst Gerichtsbarkeit nichts Gutes befürchten“ lasse.

Auch im Vorwort zum aktuellen Kammerrundschreiben 1/12 der Patentanwaltskammer wird der Sachstand der Diskussion um das Patentgerichtssystem umrissen, wobei die Zusammenfassung erahnen lässt, dass der Versuch mehrerer Staaten, einzelstaatliche Partikularinteressen zu wahren und ein „zu deutsches“ Verfahrensrecht (Trennungsprinzip) zu verhindern, wesentliche Fortschritte in der Diskussion erschwert.

Entsprechend zieht der polnische Europaminister das folgende Fazit zu den Bemühungen seines Landes während der polnischen Präsidentschaft: „Another disappointment was Poland’s inability to ink a final agreement on the EU patent. … But … the Polish presidency has „hit a wall“ because of the opposition of „one or two member states“ over the location of the central patent court.“

Begeisterung über ein bald zu einem guten und durchdachten Abschluss kommendes Projekt würde anders klingen.

Kühnen „Handbuch der Patentverletzung“ (5. Auflage, 2011) – Rezension

Die Neuauflage des früher von Kühnen/Geschke herausgegebenen Werks aus dem Jahr 2011 bietet auf mehr als 600 Seiten eine detaillierte und gut strukturierte Darstellung aller wesentlichen Aspekte des Patentverletzungsprozesses. Die Verweise auf die einschlägige Rechtsprechung sind so aktualisiert, dass auch jüngere Entscheidungen berücksichtigt werden. Naturgemäß wurden viele der instanzgerichtlichen Entscheidungen, auf die Bezug genommen wird, vom LG Düsseldorf oder OLG Düsseldorf getroffen, wobei jedoch auch die Rechtsprechung der anderen „wichtigen“ Patentstreitorte ausführlichen Niederschlag findet.

Auch für Patentanwälte ist der Gang der Darstellung gut nachvollziehbar, und verfahrensrechtliche Aspekte werden so detailliert erläutert, dass das Handbuch auch von einem Leser mit Grundkenntnissen des Zivilverfahrensrechts sinnvoll genutzt werden kann. Nutzbringend sind die vielen Formulierungsbeispiele, die das Handbuch enthält. Noch viel wertvoller sind mir aber die zahlreichen Praxistipps erschienen, mit denen der Autor Querverbindungen herstellt, die dem Praktiker, der nicht täglich mit Verletzungsverfahren befasst ist, wohl nicht ohne Weiteres ersichtlich wären (beispielsweise die Folgen, die eine Änderung der festgesetzten Sicherheitsleistung auf das Kostenrisiko haben kann, wie in Rz. 1765 diskutiert).

Bei zahlreichen Problemfeldern, bei denen die Rechtsprechung und verfahrensrechtliche Praxis aus dem Senat, dessen Vorsitzender der Herausgeber des Handbuchs ist, von der Auffassung der Revisionsinstanz abweicht oder in der Literatur nicht durchweg geteilt wird, setzt sich der Herausgeber pointiert mit den abweichenden Auffassungen auseinander. Dies gilt beispielsweise für die Abzugsfähigkeit von Kostenpositionen bei der Herausgabe des Verletzergewinns (Rz. 1988-1989 unter Verweis auf BGH Steckverbindergehäuse).

Der Leser sollte sich natürlich dessen bewusst sein, dass nicht alle im Handbuch vertretenen Auffassungen in der Literatur und/oder von der Revisionsinstanz durchgängig geteilt werden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Frage, wo die Grenze zwischen Zulässigkeit von funktionsbezogener Anspruchsauslegung und strukturellen Anspruchsmerkmalen zu ziehen ist. Die Entscheidung in der Sache „Okklusionsvorrichtung“, die im Handbuch beispielhaft für eine funktionsbezogene Anspruchsauslegung diskutiert wird (Rz. 17), wurde bekanntlich in der Literatur heftig kritisiert (Mitt. 2010, 507). Auch der BGH hat klargestellt, dass eine funktionsbezogene Auslegung an strukturellen Anspruchsmerkmalen ihre Grenze finden kann (BGH Mitt. 2011, 355 – Okklusionsvorrichtung). Ein weiteres Beispiel für in dem Handbuch vertretene Auffassungen, die in der Literatur nicht durchgängig geteilt werden, betrifft die Frage, inwieweit das Vorbenutzungsrecht der Hersteller auch zugunsten von Abnehmern des Herstellers wirken kann (bei der die Kommentierung in Benkard von der in Rz. 1321 des Handbuchs vertretenen Auffassung abweicht und wohl eine differenzierte Betrachtung abhängig vom Charakter des patentierten Gegenstands angezeigt sein dürfte).

Dessen ungeachtet weist das Handbuch in seiner Ausführlichkeit einen Tiefgang der Diskussion auf, der beeindruckend ist. Beispielhaft sei auf die Diskussion der – in der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht geklärten – Frage verwiesen, wann der Fristlauf für die Erhebung der Restitutionsklage beginnt, wenn ein Widerruf im Einspruchs(beschwerde)verfahren vor dem EPA erfolgt (Rz. 1673-1682). Praktische Aspekte, beispielsweise betreffend die an eine ordnungsgemäße Rechnungslegung zu stellenden Anforderungen (Rz. 1846-1892), kommen dabei aber dennoch nicht zu kurz.

Für Nachauflagen wünschenswert wäre allenfalls noch eine Erweiterung, die auch Vindikationsprozesse vollständiger abdeckt. Aspekte der (Mit-)Erfinderschaft finden in der 5. Auflage nur kurz und etwas unvermittelt auf Seiten 638-641 im Hinblick auf den Sachverständigenbeweis Erwähnung.

EP-Patenterteilung Änderungen ab 1.12.2012

Bereits im Dezember letzten Jahres hat das EPA eine Mitteilung über die geänderte Regel 71 und die neue Regel 71a EPÜ veröffentlicht, die am 1. April 2012 in Kraft treten.

In der geänderten Regel 71 EPÜ sind die Absätze 3 bis 11 der alten Fassung durch neue Absätze 3 bis 7 ersetzt.

Die gravierendsten Änderungen betreffen den Fall, dass der Anmelder nicht mit der nach Regel 71 (3) EPÜ zur Erteilung mitgeteilten Fassung einverstanden ist.

Hatte der Anmelder nach der bisherigen Regel 71(4) EPÜ nur die Möglichkeit Änderungen nach Regel 137 (3) vorzunehmen oder Fehler nach Regel 139 zu berichtigen, so gibt die neue Regel 71 (6) EPÜ nun zusätzlich die Möglichkeit, an der letzten von ihm vorgelegten Fassung festzuhalten und entsprechende Argumente zu liefern. In diesem Fall erlässt die Prüfungsabteilung bei Zustimmung eine neue 71 (3) Mitteilung oder sie nimmt das Prüfungsverfahren wieder auf. Zwar war es auch bisher grundsätzlich möglich, der mit der Regel 71(3) mitgeteilten Fassung zu widersprechen, aber es war unklar was passiert, wenn bspw. die Prüfungsabteilung einen Hilfsantrag gewährt hat. In diesem Fall war nämlich der Anmelder nicht beschwert und der Hilfsantrag konnte als die vom Anmelder gebilligte Fassung verstanden werden.

Nach der geänderten Regel 71 ist es jetzt möglich, in solchen Fällen am Hauptantrag festhalten zu können, wenn die 71 (3) Mitteilung auf Grundlage eines Hilfsantrages erlassen wurden,da die oben genannte Mitteilung u.a. klarstellt:

Die Reaktion des Anmelders auf die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ kann auch darin bestehen, die dort vorgeschlagene Fassung schlicht abzulehnen und keine Gebühren zu entrichten oder keine Übersetzungen einzureichen. Sofern die nachstehenden Kriterien zutreffen, wird die Anmeldung in solchen Fällen nach Artikel 97 (2) EPÜ wegen Nichtbeachtung des Artikels 113(2) EPÜ zurückgewiesen, weil keine vom Anmelder gebilligte Fassung vorliegt:

i) Die Prüfungsabteilung hat in der Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ keine Änderungen oder Berichtigungen der Anmeldung vorgeschlagen,

ii) die Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ wurde nicht auf der Grundlage eines Hilfsantrags erstellt, und

iii) der Anmelder hat mit seiner Ablehnung keine Änderungen oder Berichtigungen eingereicht.

Wenn eines dieser Kriterien nicht erfüllt ist, wird entweder die Prüfung wieder aufgenommen oder, falls die Anträge des Anmelders zu einer gewährbaren Fassung geführt haben, eine zweite Mitteilung nach Regel 71 (3) EPÜ versendet.

Außerdem ist nun klargestellt, dass der Anmelder, wenn er der R. 71 (3) Fassung widerspricht, keine Gebühren bezahlen muss, sondern diese bezahlen kann. Wenn er sie freiwillig entrichtet, werden ihm diese nach der neuen Regeil 71a (5) EPÜ nach Erlass einer weiteren Regel 71 (3) Mitteilung angerechnet.

Weitere Informationen finden sich in der oben genannten Mitteilung.

BGH, I ZB 98/10 – akustilon: Löschung der Marke durch das Patentamt wegen Verfalls

BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – I ZB 98/10 – akustilon

Amtlicher Leitsatz:

Das Verfahren nach § 53 MarkenG ist auf die formelle Prüfung beschränkt, ob der Inhaber der eingetragenen Marke der Löschung rechtzeitig widersprochen hat. Wird mit dem Antrag nach § 53 Abs. 1 MarkenG geltend gemacht, der Inhaber der Marke erfülle nicht mehr die in § 7 MarkenG genannten Voraussetzungen, und hat der im Register eingetragene Markeninhaber Widerspruch erhoben, hat das Deutsche Patent- und Markenamt im Verfahren nach § 53 MarkenG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 MarkenG nicht zu prüfen.

Aus der Urteilsbegründung:

Das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nach § 53 MarkenG ist ein dem Klageverfahren nach § 55 MarkenG vorgeschaltetes, fakultatives Registerverfahren, in dem keine Entscheidung über die Löschungsreife der Marke wegen Verfalls ergeht. Die materiell-rechtliche Prüfung, ob die Marke gemäß § 49 MarkenG verfallen ist, ist vielmehr dem Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten vorbehalten (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 53 Rn. 7).

Das Verfahren dient ebenso wie das Löschungsverfahren nach der Vorschrift des § 11 Abs. 4 WZG, die Vorbild für die Bestimmung des § 53 MarkenG war (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks. 12/6581, S. 97) der Klärung der einfach zu beantwortenden Frage, ob das Vorliegen eines Verfallsgrundes unstreitig und ein Klageverfahren entbehrlich ist (vgl. zum Warenzeichengesetz Busse/Starck, Warenzeichengesetz, 6. Aufl., § 11 Rn. 35; zum Markengesetz v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 53 MarkenG Rn. 1; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 53 Rn. 1).

BGH, I ZR 229/10 – Überregionale Klagebefugnis

BGH, Urteil vom 22. September 2011 – I ZR 229/10 – Überregionale Klagebefugnis

Amtliche Leitsätze:

a) Der Umstand, dass das Prozessgericht bei begründeten Zweifeln am (Fort)Bestehen der Eintragungsvoraussetzungen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, § 4 Abs. 4 UKlaG lediglich das Verfahren aussetzen kann, lässt die Notwendigkeit der Prüfung unberührt, ob die Prozessführung im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck des klagenden Verbandes umfasst ist.

b) Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist nicht daran gehindert, auch Wettbewerbsverstöße außerhalb Nordrhein-Westfalens zu verfolgen.

BGH, I ZR 6/10 – Echtheitszertifikat: Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz

BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 6/10 – Echtheitszertifikat

Bringt ein Wiederverkäufer mit der Marke des Softwareherstellers versehene Sicherungs-CDs eines Computerprogramms in den Verkehr, die er mit Echtheitszertifikaten des Herstellers versehen hat, die zuvor nicht auf den CDs, sondern auf Computern angebracht waren, kann sich der Softwarehersteller dem Vertrieb der Datenträger aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen.

BGH, I ZB 23/11 – Simca: rechtliches Gehör, bösgläubige Markenanmeldung

BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – I ZB 23/11 – Simca

Das rechtliche Gehör des Antragstellers eines Löschungsverfahrens nach § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1 MarkenG [-> Bösgläubige Markenanmeldung] ist nicht schon dann verletzt, wenn das Bundespatentgericht nicht ausdrücklich auf sämtliche Indizien eingeht, die für eine Markenanmeldung zu Spekulationszwecken geltend gemacht worden sind.