BGH, I ZR 179/22 – Microstock-Portal

BGH, Urteil vom 15. Juni 2023 – I ZR 179/22 – Microstock-Portal

Gerichtliche Leitsätze:

a) Das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung gemäß § 13 Satz 2 UrhG ist in seinem Kern unverzichtbar. Daraus, dass der Urheber nach § 13 Satz 2 UrhG bestimmen kann, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist, ergibt sich jedoch, dass es ihm außerhalb dieses unverzichtbaren Kerns grundsätzlich freisteht, durch ausdrücklich oder stillschweigend getroffene vertragliche Vereinbarungen mit dem Werkverwerter auf die Ausübung dieses Rechts zu verzichten oder in dieses Recht beeinträchtigende Nutzungen einzuwilligen.

b) Solche Vereinbarungen unterliegen allerdings Grenzen, deren Überschreitung gemäß § 138 Abs. 1 BGB und – soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen in Rede stehen – gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB zur Unwirksamkeit der Vereinbarung führt.

c) Im Rahmen der bei der Prüfung dieser Bestimmungen vorzunehmenden Gesamtabwägung sind sowohl die Interessen von Urheber und Vertragspartner als auch die jeweiligen vertragsrelevanten Umstände wie die Art des Werks sowie der Zweck und die Dauer der Vereinbarung in den Blick zu nehmen. Zu berücksichtigen sind der sachliche und zeitliche Umfang der in Rede stehenden Einschränkung des Namensnennungsrechts. Dabei kommt es etwa darauf an, ob die Einschränkung nur bestimmte Werke oder bestimmte Nutzungen betrifft und nur für eine bestimmte Zeit gelten oder widerruflich sein soll oder aber der Urheber sich pauschal und dauerhaft zum Verzicht auf die Ausübung seines Namensnennungsrechts verpflichtet hat. Im Rahmen der Abwägung können zudem Verkehrsgewohnheiten und Branchenübungen berücksichtigt werden.

BGH, I ZB 114/17 – Kaffeekapsel II

BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 – I ZB 114/17 – Kaffeekapsel II

Amtliche Leitsätze:

a) Verliert der Löschungsantragsteller oder derjenige, der im Hinblick auf eine IRMarke einen Schutzentziehungsantrag stellt, seine Beteiligtenfähigkeit, ist der Löschungsantrag beziehungsweise der Schutzentziehungsantrag als unzulässig zu verwerfen.

b) Ist der angefochtene Beschluss des Bundespatentgerichts aufzuheben, weil der Antragsteller des Verfahrens seine Beteiligtenfähigkeit verloren hat, und ist aus diesem Grund eine Sachentscheidung durch das Bundespatentgericht nicht mehr erforderlich, kann der Bundesgerichtshof von einer Zurückverweisung an das Bundespatentgericht absehen und abschließend selbst entscheiden.

BGH, X ZR 51/21 – Schlossgehäuse

BGH, Urteil vom 13. Juni 2023 – X ZR 51/21 – Schlossgehäuse

Amtliche Leitsätze:

a) Eine erfinderische Tätigkeit kann nicht auf ein Merkmal gestützt werden, das eine beliebige, von einem bestimmten technischen Zweck losgelöste Auswahl aus mehreren Möglichkeiten darstellt (Bestätigung von BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 – X ZR 56/03, GRUR 2008, 56 Rn. 25 – Injizierbarer
Mikroschaum; Urteil vom 27. November 2018 – X ZR 41/17, Rn. 46).

b) Mit einem Merkmal verbundene besondere Vorteile können nur dann zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden, wenn sie in der Patentschrift offenbart oder für den Fachmann erkennbar sind (Bestätigung von BGH, Urteil vom 27. November 2018 – X ZR 41/17, Rn. 46).

BGH, X ZB 12/20 – Tischgrill

BGH, Beschluss vom 12. September 2023 – X ZB 12/20 – Tischgrill

Amtliche Leitsätze:

GebrMG § 15

a) Auch im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ist die beschränkte Verteidigung eines mit einem Teil-Löschungsantrag angegriffenen Anspruchs durch Kombination mit einem insoweit nicht angegriffenen Unteranspruch oder mit einer von mehreren Varianten eines insoweit nicht angegriffenen Unteranspruchs unzulässig (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 1. März 2017 – X ZR 10/15, GRUR 2017, 604 Rn. 33 – Ankopplungssystem; Urteil vom 13. Juni 2023 – X ZR 47/21, GRUR 2023, 1274 Rn. 150 – Anschlussklemme).

b) Ein Rechtsschutzinteresse besteht hingegen, wenn der angegriffene Anspruch lediglich um einen Teil der Merkmale eines nicht angegriffenen Unteranspruchs ergänzt wird (Bestätigung von BGH, Urteil vom 13. Juni 2023 – X ZR 47/21, GRUR 2023, 1274 Rn. 151 – Anschlussklemme).

GebrMG § 17 Abs. 4 Satz 1; PatG § 84 Abs. 2 Satz 2; ZPO § 93

a) In der Regel fehlt es an einem Anlass zur Stellung eines Löschungsantrags, wenn der Gebrauchsmusterinhaber schon vor Einleitung des Verfahrens geänderte Anträge eingereicht und erklärt hat, dass sich das Schutzbegehren auf die neuen Ansprüche beschränkt (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 27. Juni 2023 – X ZR 59/21, Rn. 149 – Anzeigemonitor).

b) Begehrt der Antragsteller nach Abgabe einer solchen Erklärung eine Löschung des Gebrauchsmusters in weitergehendem Umfang und hat dieses Begehren Erfolg, so kommt eine Anwendung von § 93 ZPO zugunsten des Antragsgegners in der Regel dennoch nicht in Betracht.

BGH, X ZR 51/23 – EGVP-Störung

BGH, Zwischenurteil vom 25. Juli 2023 – X ZR 51/23 – EGVP-Störung

Amtliche Leitsätze:

a) Die nach § 130d Satz 3 ZPO erforderliche Darlegung und Glaubhaftmachung ist rechtzeitig, wenn sie am gleichen Tag wie die Ersatzeinreichung bei Gericht eingeht (Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 17. November 2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 Rn. 11; Beschluss vom 26. Januar 2023 V ZB 11/22, WRP 2023, 833 Rn. 11).

b) Eine vorübergehende Unmöglichkeit im Sinne von § 130d Satz 2 ZPO liegt jedenfalls dann vor, wenn eine elektronische Übersendung über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich und nicht abzusehen ist, wann die Störung behoben sein wird.

BGH, I ZB 31/20 – Sattelunterseite II

BGH, Beschluss vom 15. Juni 2023 – I ZB 31/20 – Sattelunterseite II

Amtlicher Leitsatz:

Die Sichtbarkeit eines Bauelements (hier: Fahrradsattel) eines komplexen Erzeugnisses (hier: Fahrrad) bei seiner bestimmungsgemäßen Verwendung durch den Endbenutzer im Sinne von §§ 4, 1 Nr. 4 DesignG (Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 98/71/EG) ist aus der Sicht dieses Benutzers sowie der Sicht eines außenstehenden Beobachters zu beurteilen. Die bestimmungsgemäße Verwendung umfasst die Handlungen, die bei der hauptsächlichen Verwendung eines komplexen Erzeugnisses (hier: Benutzung als Fortbewegungsmittel) vorgenommen werden, sowie die Handlungen, die der Endbenutzer im Rahmen einer solchen Verwendung üblicherweise vorzunehmen hat (hier: Aufbewahrung und Transport), mit Ausnahme von Instandhaltung, Wartung und Reparatur (Anschluss an EuGH, Urteil vom 16. Februar 2023 – C-472/21, GRUR 2023, 482 = WRP 2023, 430 – Monz Handelsgesellschaft International).

BGH, I ZR 152/21 – muenchen.de

BGH, Urteil vom 13. Juli 2023 – I ZR 152/21 – muenchen.de

Amtliche Leitsätze:

a) Zu der mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse zulässigen Öffentlichkeitsarbeit der Kommune gehören grundsätzlich auch das Stadtmarketing und die Tourismusförderung.

b) Eine Anzeigenwerbung ist in einer kommunalen Publikation nur als fiskalisch motivierte Randnutzung zulässig. Für die Bestimmung einer zulässigen Randnutzung ist auf den Umfang der Anzeigenschaltung abzustellen. Die Randnutzung muss als Annextätigkeit eine untergeordnete, quantitativ nachgeordnete Tätigkeit in innerem Zusammenhang mit der Hauptnutzung bleiben (Fortführung von BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 – I ZR 112/17, GRUR 2019, 189 [juris Rn. 41] – Crailsheimer Stadtblatt II).

c) Nach allgemeinen Regeln unzulässige geschäftliche Handlungen der öffentlichen Hand sind bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse nicht in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Wettbewerbsverstöße dieser Art sind nach den allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Regelungen, wie zum Beispiel § 4 Nr. 4, §§ 4a, 5 Abs. 1 oder § 5a Abs. 4 Satz 1 UWG, zu beurteilen; sie können zudem nur zu einem Verbot des jeweils konkret angegriffenen Beitrags, nicht aber der kommunalen Publikation in der konkreten Verletzungsform insgesamt führen.

BGH, X ZR 61/21 – Faserstoffbahn

BGH, Urteil vom 20. Juni 2023 – X ZR 61/21 – Faserstoffbahn

Amtliche Leitsätze

a) Die Modifikation eines vorbenutzten Gegenstandes, der alle Merkmale eines unabhängigen Schutzanspruchs des Klagegebrauchsmusters verwirklicht, kann auch dann von einem Vorbenutzungsrecht gedeckt sein, wenn der vorbenutzte Gegenstand weitere Merkmale, die nach dem Klageantrag zwingend vorgesehen sind, nicht aufgewiesen hat.

b) Dies gilt unabhängig davon, ob lediglich die Verletzungsklage auf eine in der genannten Weise beschränkte Fassung eines unabhängigen Schutzanspruchs gestützt wird oder ob das Gebrauchsmuster in einem Löschungsverfahren entsprechend beschränkt worden ist.

BGH, I ZR 86/22 – DACHSER

BGH, Urteil vom 12. Januar 2023 – I ZR 86/22 – DACHSER

Amtliche Leitsätze:

a) Angesichts der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen im Modellspielzeugbau und der Erwartung, die der Verkehr hieran stellt, besteht ein berechtigtes Interesse, ein in der Realität vorkommendes Fahrzeug nachzubauen und darauf nicht nur – wie in der Wirklichkeit – das Kennzeichen des Herstellers des jeweiligen Fahrzeugs, sondern auch Kennzeichen anzubringen, die Unternehmen auf solchen Fahrzeugen zum Zwecke der Werbung für ihre Dienstleistungen verwenden. Wenn ein von einem Dritten detailgetreu nachgebildetes Kfz-Modell an der entsprechenden Stelle die Abbildung einer bekannten Dienstleistungsmarke trägt, ist eine Ausnutzung des Rufs „in unlauterer Weise“ im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 MarkenG nur dann gegeben, wenn über die bloße wirklichkeitsgetreue Abbildung hinaus in anderer Weise versucht wird, die Wertschätzung der bekannten Marke werblich zu nutzen. Ergibt sich beim Vertrieb solcher Spielzeugautos jeglicher Zusammenhang mit der Marke allein aus der spielzeughaft verkleinerten Nachbildung des Originals zwangsläufig wie beiläufig, fehlt es an dem Merkmal der unlauteren Rufausnutzung (Bestätigung und Fortführung von BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – I ZR 88/08, GRUR 2010, 726 = WRP 2010, 1039 – Opel-Blitz II).

b) Wegen der jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen der Realität im Spielzeug- und Modellbereich und einer entsprechenden Verbrauchererwartung besteht ein berechtigtes Interesse des Spielzeugherstellers, nicht nur Fahrzeuge, sondern auch Gebäude als Modelle vertreiben zu können, auf denen bekannte Marken angebracht sind, soweit sie eine Miniaturdarstellung der Realität darstellen. Nach den Umständen des Einzelfalls kann es ausreichen, wenn das Modell die für die Unternehmensidentität entscheidenden Gestaltungsmerkmale einschließlich des Logos übernimmt, so dass der Verkehr in dem Modell den Nachbau eines in der Realität typischerweise vorkommenden Gebäudes des Markeninhabers erkennt.

BGH, I ZR 167/21 – Tellerschleifgerät

BGH, Urteil vom 9. März 2023 – I ZR 167/21 – Tellerschleifgerät

Amtlicher Leitsatz:

Die gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV) erforderliche Prüfung, ob Erscheinungsmerkmale ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind, ist für jedes den Gesamteindruck prägende Merkmal gesondert anhand aller für den Einzelfall maßgeblichen objektiven Umstände vorzunehmen (Bestätigung von
EuGH, Urteil vom 8. März 2018 – C-395/16, GRUR 2018, 612 = WRP 2018, 546 – DOCERAM; Urteil vom 2. März 2023 – C-684/21, WRP 2023, 434 – Papierfabriek Doetinchem; BGH, Urteil vom 7. Oktober 2020 – I ZR 137/19, GRUR 2021, 473 = WRP 2021, 196 – Papierspender).