Konsultation zum European Patent Litigation Certificate

Mit der Konsultation zum Entwurf für Vorschriften zum European Patent Litigation Certificate wurde vom Preparatory Committee des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) ein Entwurf für die Qualifikationen zur Diskussion gestellt, die Europäischen Patentanwälten nach Art. 48(2) EPGÜ Vertretungsbefugnis vor dem EPG verleihen.

Die Konsultation endete am 25.7.2014. Zahlreiche Stellungnahmen sind bereits online verfügbar.

Wenig überraschend verlaufen bei den Stellungnahmen die Fronten relativ klar zwischen Rechtsanwaltschaft und Patentanwaltschaft.

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Rechtsanwälten wie z.B. die Stellungnahme des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) oder die Stellungnahme des Ausschusses Geistiges Eigentum des Deutschen Anwaltverein betonen, dass Regel 12 des Entwurfs einer großen Anzahl Europäischer Patentanwälte das Recht zur Eintragung in die Liste der beim EPG zugelassenen Vertreter verleihen würde. Vom CCBE wird – anders als beispielsweise vom Deutschen Anwaltverein – sogar Regel 11 des Entwurfs als zu weitgehend empfunden, nach der ein juristischer Universitätsabschluss (LL.M. oder LL.B.) oder eine gleichwertige staatliche Prüfung als äquivalente Qualifikation zum European Patent Litigation Certificate (EPLitCert) anerkannt werden soll. Teilweise wird kritisiert, dass die Anzahl von Stunden, die in einem Kurs zum Erwerb des EPLitCert absolviert werden muss, relativ gering ist (derzeit sind 120 Stunden vorgesehen).

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Patentanwälten wie z.B. die Stellungnahme der European Patent Litigators Association (EPLIT), die Stellungnahme des Intellectual Property Regulation Board (IPReg) (England), die Stellungnahme des Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) (England), die Stellungnahme der Companie Nationale des Conseils en Propriété Industrielle (CNCPI) (Frankreich) oder die Stellungnahme von Hoffmann Eitle halten die Übergangsregelung der Regel 12 des Entwurfs für grundsätzlich begrüßenswert, betonen aber, dass die derzeitige Liste von Kurses sehr stark auf die größten Staaten (DE, FR, GB) fokussiert ist und somit diskriminierend ist.

Die meisten Stellungnahmen betonen auch, dass die derzeitige Fassung der Regel 12 des Entwurfs Europäische Patentanwälte mit teilweise sehr langer Berufserfahrung diskriminiert, da die meisten der aufgeführten Kurse erst seit kürzerer Zeit existieren. Diese Kurse mussten von Patentanwälten absolviert werden, die erst seit kürzerer Zeit zugelassen sind, während sie von Patentanwälten, die bereits sehr lange im Beruf stehen, noch nicht absolviert werden konnten. Ebenfalls betont wird, dass Regel 12(b) des Entwurfs, nach der auch Erfahrung in Streitverfahren als äquivalente Qualifikation zum EPLitCert gelten kann, nach ihrem jetigen Wortlaut in vielen Staaten ins Leere läuft, da die Vertretung ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts erfolgt sein muss. Die englischen Organisationen betonen beispielsweise, dass Patentstreitigkeiten typischerweise die Mitarbeit eines größeren Teams von Patent- und Rechtsanwälten beinhalten und bezweifeln, dass irgendein Europäischer Patentanwalt aus England Regel 12(b) des Entwurfs erfüllen würde.

Einen sehr interessanten Aspekt enthält nach meiner Auffassung die Stellungnahme der IP Federation (England), einer Organisation von Unternehmen mit starkem Fokus auf IP-Rechte: Die Stellungnahme betont den Wunsch dieser Unternehmen nach „Kontinuität der Vertretung“ zwischen dem Patenterteilungsverfahren, das meist von einem Patentanwalt geführt wird, und streitigem Verfahren. Zumindest bei einem Teil der zukünftigen Nutzer des Verfahrens scheint jedenfalls der Wunsch vorhanden zu sein, dass auch in der Anfangsphase des neuen Gerichtssystems eine Vertretung durch eine ausreichende Anzahl von Europäischen Patentanwälten mit zusätzlichen Qualifikationen möglich sein wird.

BGH, I ZR 210/12 – fishtailparka

BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 – I ZR 210/12 – fishtailparka

Amtliche Leitsätze:

a) Bei Unterlassungserklärungen, die nach marken- oder wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen abgegeben werden, entspricht es in aller Regel dem objektiven Interesse beider Vertragsparteien, ihre Beseitigung nur dann zuzulassen, wenn auch der Durchsetzung eines entsprechenden Vollstreckungstitels entgegengetreten werden kann. Das setzt regelmäßig Gründe voraus, auf die sich auch eine Vollstreckungsabwehrklage stützen lässt.

b) In der Regel fällt bei Unterlassungserklärungen mit Vertragsstrafeversprechen durch eine Gesellschaft und ihr Organ bei einem Verstoß, welcher der Gesellschaft nach § 31 BGB zuzurechnen ist, nur eine Vertragsstrafe an, für die Gesellschaft und Organ als Gesamtschuldner haften (Fortführung von BGH, Beschluss vom 12. Januar 2012 I ZB 43/11, GRUR 2012, 541 Rn. 6).

DPMA: Ab wann gilt in Patentverfahren die neue Einspruchsfrist von 9 Monaten?

Newsletter des DPMA, Januar 2014:

Durch das Gesetz zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3830) wird die Einspruchsfrist im Patentverfahren von 3 auf 9 Monate verlängert. Die Änderung tritt am 1. April 2014 in Kraft (Art. 1 Nr. 18a i.V.m. Art. 8 Abs. 2 PatNovG). Da das Gesetz keine ausdrückliche Übergangsregelung enthält, gilt der allgemeine Grundsatz, wonach neues Verfahrensrecht auf alle Rechtsverhältnisse anzuwenden ist, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung noch nicht abgeschlossen sind. Damit kommt die neue 9-Monatsfrist zur Anwendung, wenn die alte 3-Monatsfrist nach § 59 Abs. 1 Satz 1 PatG am 1. April 2014 noch nicht abgelaufen ist.

Das bedeutet, dass sich für deutsche Patenterteilungen, die im Januar, Februar und März 2014 im Patentblatt und in DPMAregister veröffentlicht werden, die Einspruchsfrist von drei auf neun Monate verlängert.

BGH, I ZR 15/12 – Kommanditistenbrief: Verbot der Werbung um Praxis

BGH, Urteil vom 13. November 2013 – I ZR 15/12 – Kommanditistenbrief

Ein Rechtsanwalt verstößt nicht zwingend gegen das Verbot der Werbung um
Praxis (§ 43b BRAO)
, wenn er einen potentiellen Mandanten in Kenntnis eines
konkreten Beratungsbedarfs (hier: Inanspruchnahme als Kommanditist einer
Fondsgesellschaft auf Rückzahlung von Ausschüttungen) persönlich anschreibt
und seine Dienste anbietet. Ein Verstoß liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn
der Adressat einerseits durch das Schreiben weder belästigt, genötigt oder
überrumpelt wird und er sich andererseits in einer Lage befindet, in der er auf
Rechtsrat angewiesen ist und ihm eine an seinem Bedarf ausgerichtete sachliche
Werbung hilfreich sein kann (Fortführung von BGH, Urteil vom 1. März
2001 – I ZR 300/98, BGHZ 147, 71, 80 – Anwaltswerbung II; BGH, Urteil vom
15. März 2001 – I ZR 337/98, WRP 2002, 71, 74 – Anwaltsrundschreiben).

BGH, I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail: Kein Ersatz der Abmahnkosten bei Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwalts trotz eigener Sachkunde

BGH, Urteil vom 12. September 2013 – I ZR 208/12 – Empfehlungs-E-Mail

Amtlicher Leitsatz:

Schafft ein Unternehmen auf seiner Website die Möglichkeit für Nutzer, Dritten unverlangt eine sogenannte Empfehlungs-E-Mail zu schicken, die auf den Internetauftritt des Unternehmens hinweist, ist dies nicht anders zu beurteilen als eine unverlangt versandte Werbe-E-Mail des Unternehmens selbst. Richtet sich die ohne Einwilligung des Adressaten versandte Empfehlungs-E-Mail an einen Rechtsanwalt, stellt dies einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

Aus der Urteilsbegründung:

Einen Anspruch des Klägers auf Erstattung von Abmahnkosten hat das Berufungsgericht dagegen mit Recht verneint.

a) Ebenso wie im Wettbewerbsrecht hat der Verletzte, der seinen Unterlassungsanspruch auf § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB stützt, grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten, wenn die Abmahnung begründet war (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 2009 – VI ZR 174/08, GRURRR 2010, 269 Rn. 20 – Rosenkrieg; Urteil vom 19. Oktober 2010 – VI ZR 237/09, GRUR 2011, 268 Rn. 11 mwN). Lässt sich der Verletzte bei der Abmahnung anwaltlich vertreten, so hat der Verletzer die gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zu tragen, wenn die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig war (vgl. BGH, GRUR 2011, 268 Rn. 11; Soehring in Soehring/Hoehne aaO § 30 Rn. 22).

b) Aufwendungen für eine Abmahnung sind unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes von dem Verletzer aber nur dann zu ersetzen, wenn die konkrete anwaltliche Tätigkeit aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur zweckentsprechenden Rechts-verfolgung notwendig war (BGH, GRURRR 2010, 269 Rn. 20; vgl. zum Wettbewerbsrecht BGH, Urteil vom 6. Mai 2004 – I ZR 2/03, GRUR 2004, 789 = WRP 2004, 908 – Selbstbeauftragung, mwN).

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Abmahnung eines Verstoßes gegen einen deliktsrechtlichen Tatbestand ist dann nicht notwendig, wenn der Abmahnende selbst über eine hinreichende eigene Sachkunde zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung eines unschwer zu erkennenden Verstoßes verfügt (vgl. BGH, GRUR 2004, 789, 790 – Selbstbeauftragung). Ein Rechtsanwalt muss im Fall der eigenen Betroffenheit seine Sachkunde bei der Abmahnung eines deliktischen Handelns unter dem Gesichtspunkt der Schadensvermeidung (§ 254 Abs. 1 BGB) einsetzen. Die Hinzuziehung eines weiteren Rechtsanwalts ist bei typischen, unschwer zu verfolgenden Rechtsverletzungen nicht notwendig. Es besteht dann kein Anspruch auf Erstattung der dafür anfallenden Kosten. Entsprechendes gilt für den Fall einer Selbstbeauftragung (vgl. BGH, GRUR 2004, 789, 790 – Selbstbeauftragung).

Markenrechtliche Stilblüte: Die nicht zurückgewiesene Dichterin

Aus einer markenrechtlichen Leitsatzentscheidung des 33. Senats des BPatG:

„Allein der Umstand, dass es sich bei der Person der Annette von Droste-Hülshoff um eine bekannte Dichterin handelt, deren Werke zum deutschen Kulturerbe zählen, rechtfertigt nicht ihre Zurückweisung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG …“

Rezension: The Knockoff Economy

In ihrem Buch „The Knockoff Economy“ (Oxford University Press 2012) beschäftigen sich Kal Raustiala und Christopher Sprigman, zwei US-Rechtswissenschaftler, mit der Wechselwirkung zwischen Innovation und (gesetzlich zulässiger) Nachahmung. Passend lautet der Untertitel „how imitation sparks innovation“.

Ausgangspunkt des Buchs sind Untersuchungen der Autoren zu den Verhaltensweisen von Marktteilnehmern in bestimmten Branchen, in denen gewerblich Schutzrechte und urheberrechtlicher Schutz nicht existieren oder faktisch nicht durchsetzbar sind. Kernaussage des Buchs ist, dass das Fehlen von Monopolrechten nicht immer dazu führt, dass Innovationen unterbleiben, und dass Innovationszyklen sogar dadurch schneller getrieben werden können, dass es an gesetzlich normierten Nutzungsmonopolen fehlt.

Die Autoren arbeiten in unterhaltsamer Weise anhand von zahlreichen Beispielen die Umstände heraus, die hohe Innovativität bei fehlendem Schutz gegen Kopien hervorbringen können. Innovationen werden nach den Autoren beispielsweise – trotz der Kopierfreudigkeit von Wettbewerbern – begünstigt durch
– kurze Produktzyklen gekoppelt mit der Bereitschaft der Kunden, aus Statusgründen das hochpreisige Original zu kaufen (Beispiel: Mode),
– die Bedeutung der handwerklichen Eigenschaften des „Herstellers“, die exakte Kopien unmöglich machen (Beispiel: erstklassige Köche),
– die Bereitschaft der Abnehmer, nicht in erster Linie für das Produkt selbst, sondern (zumindest auch) für damit verbundene Erfahrungen (Beispiel: Ambiente einer Bar oder eines Lokals) oder für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung des Produkts (Beispiel: Beratungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung von Open Source-Software) zu zahlen,
– starke Marktvorteile des ursprünglichen Anbieters („first-mover advantage“) (Beispiel: Finanzprodukte),
– soziale Normen der in der jeweiligen Branche Tätigen, die zu einer faktischen Ächtung von Plagiatoren führen (Beispiele: Komiker, Magier), oder
– schöpferische Tätigkeit, die aus Altruismus, als Hobby oder zu Ausbildungszwecken erbracht wird (Beispiele: Programmierwettbewerbe, Open Source-Software).

Besonders gut hat mir an diesem Buch gefallen, dass es erstens sehr überzeugend und unterhaltsam geschrieben ist; zweitens, und noch viel wichtiger, dass es sich eben nicht um eine borniert einseitige Stellungnahme gegen gewerbliche Schutzrechte handelt, sondern dass die Autoren in sachlicher und nachvollziehbarer Weise begründen, dass und warum in bestimmten Bereichen jedenfalls nicht mehr gesetzlicher Schutz für Innovation nötig ist. Ungerechtfertigte Verallgemeinerungen auf nicht von ihnen untersuchte Fragestellungen vermeiden die Autoren. Dadurch hebt sich dieses Buch beispielsweise sehr wohltuend von der Darstellung „Against Intellectual Monopoly“ von Boldrin und Levine ab.

Als Fazit wird man festhalten dürfen, dass die Untersuchungen von Raustiala und Sprigman keinerlei Gründe aufzeigen, außerhalb der von den Autoren untersuchten Branchen Schutzrechte zu begrenzen. Insbesondere kann die Belohnungstheorie weiterhin Geltung als Rechtfertigung für Patentrechte beanspruchen, nämlich insbesondere dann, wenn identische Kopien leicht verfügbar sind (ein realistisches Szenario, wenn Original und Kopie in derselben Fabrik in Fernost gefertigt werden), Abnehmer nicht aus Statusgründen hochpreisige Produkte bevorzugen (was für die gesamte Zulieferindustrie relevant ist, bei der die Identität des Zulieferers dem Endkunden unbekannt bleibt) und/oder der Anbieter nicht die Möglichkeit hat, ihm durch Kopien seines Produkts entstehende Verluste durch Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Produkt auszugleichen.

Eine sehr interessante Passage im Zusammenfassungsteil des Buchs (Seiten 204-210) hat übrigens nichts mit den oben genannten nicht-technischen Branchen zu tun, sondern stellt allgemein die These auf, dass Innovationen auch durch eine optimistische Erfolgserwartung und so genannte „Tournament-Market“-Bedingungen (kleine Chance auf einen großen Gewinn) gefördert werden. Dass Patentrechte die Erwartung von innovativen (technischen) Unternehmen stärken, für ihre Innovation durch ein zeitlich begrenztes Nutzungsmonopol mit finanziellem Gewinn belohnt zu werden, dürfte unumstritten sein. Zumindest in einem Markt, in dem Wettbewerb zwischen Anbietern herrscht, dürften somit nach den Thesen von Raustiala und Sprigman Patentrechte den Innovationszyklus wesentlich mit antreiben.

Keine erhöhte Streitwertschätzung mit Motivationswirkung

In dem – weithin kritisch diskutierten (vgl. Rojahn/Lunze in Mitt. 2012, 533; Beyerlein/Beyerlein, Mitt. 2012, 542; Stjerna, Mitt. 2012, 546) – Beschluss „Du sollst nicht lügen II“ des OLG Düsseldorf schlägt der Patentsenat des OLG Düsseldorf aus Praktikabilitätsüberlegungen vor, dass das Gericht einen hohen Streitwert festsetzen kann, um die Parteien zur Mitwirkung bei der Streitwertfestsetzung zu motivieren. So führt der Senat aus, „dass in Fällen, in denen die Parteien ihre Mitwirkung an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung verweigern, vom Gericht ein Streitwert geschätzt wird, der so hoch ist, dass er die Parteien zuverlässig motiviert, z.B. im Rahmen eines Antrages auf Streitwertkorrektur ihrer Mitwirkungspflicht wahrheitsgemäß nachzukommen.“

In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass eine Motivation des Beklagten durch hohe Streitwertangaben schon deswegen nicht in Betracht kommen kann, da nur der Kläger Kostenschuldner des Gerichtskostenvorschusses ist. Das Gericht könne dem Kläger (und nur diesem) eine Verzögerungsgebühr auferlegen oder ggf. einen Sachverständigen einschalten (vgl. Rojahn/Lunze in Mitt. 2012, 533; Beyerlein/Beyerlein, Mitt. 2012, 542; Stjerna, Mitt. 2012, 546), nicht aber bewusst einen hohen Streitwert schätzen. Andere Rechtsmittelgerichte sind dem OLG Düsseldorf nicht gefolgt (vgl. etwa OLG Frankfurt, Beschluss vom 3.11.2011, Mitt. 2012, 94).

Auch aus der Entscheidung BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – X ZR 104/09 – „antimykotischer Nagellack II“ in einer arbeitnehmerrechtlichen Sache kann geschlossen werden, dass der vom OLG Düsseldorf vorgeschlagenen Praxis der Schätzung eines hohen Streitwerts mit „Motivationswirkung“ nicht gefolgt werden kann. So führt der X. Zivilsensat aus, dass der Streitwert „grundsätzlich nach dem Betrag zu bemessen ist, den das Gericht aufgrund des Sachvortrags des Klägers als angemessen erachtet. Offensichtlich übertriebene Einschätzungen und Angaben insbesondere zu Umständen, über die der Beklagte erst Auskunft erteilen soll, haben dabei außer Betracht zu bleiben.“ Eine Schätzung des Streitwerts, die zuverlässig zu einem Antrag auf Streitwertkorrektur führen muss, wäre mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar.

BGH, X ZR 154/1: Rechtsscheinhaftung

BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 – X ZR 154/11

Amtlicher Leitsatz:

Bei einem unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft kann ein Dritter aufgrund des von ihm erzeugten Rechtsscheins, er sei Mitinhaber des Unternehmens, für die Erfüllung des darauf beruhenden Vertrags haften.

Aus der Urteilsbegründung:

Bei >unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Inhaber des Unternehmens, in dessen Tätigkeitsbereich das rechtsgeschäftliche Handeln fällt, und nicht der für das Unternehmen Handelnde der Vertragspartner werden soll (vgl. BGH, Urteile vom 3. Februar 1975 – II ZR 128/73, BGHZ 64, 11, 14; vom 15. Januar 1990, aaO unter II 1.; vom 18. Mai 1998 – II ZR 355/95, NJW 1998, 2897 unter 2 a; vom 18. Dezember 2007 – X ZR 137/04, NJW 2008, 1214 Rn. 11; jeweils mwN). Damit wird bezweckt, dass – abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall einer an das Unternehmen zu leistenden vertragscharakteristischen Leistung – für die Erfüllung einer vertraglichen, insbesondere einer vertragscharakteristischen Leistung der Rechtsträger des Unternehmens verpflichtet wird, der aufgrund der zu ihm gehörenden Vermögensgüter und seiner sonstigen vertraglichen Beziehungen die hinreichenden Mittel und Möglichkeiten hat, um diese Leistung erfüllen zu können. Die Erfüllung des Vertrags soll nicht daran scheitern, dass der Vertrag eine Person verpflichtet, der diese Mittel und Möglichkeiten fehlen. Weiterhin bezweckt dieser Auslegungsgrundsatz, jemanden, der als Stellvertreter handeln wollte, vor einer Verpflichtung als Vertragspartner zu bewahren, wenn er seine Vertreterstellung nicht ausdrücklich hervorgehoben hat, der Unternehmensbezug des Rechtsgeschäfts aber hinreichend deutlich zu erkennen war (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Februar 1975, aaO).

Dem Auslegungsgrundsatz zur personellen Zuordnung unternehmensbezogener Rechtsgeschäfte steht indessen eine Haftung aus Rechtsscheinsgründen nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1990, aaO unter II 2.; vom 18. Mai 1998, aaO unter II 2 b). Die zusätzliche Haftung dessen, der selbst einen Rechtsschein für die Stellung als Vertragspartner gesetzt hat oder für den ein solcher, ihm zuzurechnender Rechtsschein gesetzt wurde, mindert nicht die Erfüllbarkeit einer vom Rechtsgeschäft vorgesehenen Leistung, weil das hierfür vorgesehene Unternehmen als Vertragspartner verpflichtet bleibt. In diesen Fällen kann der kraft Rechtsschein Verpflichtete sich nicht darauf berufen, dass ein in Wahrheit als Vertreter Handelnder bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften vor einer Verpflichtung als Vertragspartner geschützt werden soll, denn dieser Schutz soll ihm nicht erlauben, einen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichenden Rechtsschein zu erwecken.

Dementsprechend ist in der Rechtsprechung die Rechtsscheinhaftung insbesondere für die Fälle einer Scheinsozietät anerkannt, wonach der als Sozius auftretende Scheinsozius für die Verpflichtungen der Sozietät ebenso haftet wie die wahren Inhaber der Sozietät (vgl. BGH, Urteile vom 11. März 1955 – I ZR 82/53, BGHZ 17, 13, 15; vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 359; vom 16. April 2008 – VIII ZR 230/07, NJW 2008, 2330 Rn. 10 mwN).

Wieder einmal Einheitspatent

In einem sehr interessanten Artikel in den Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2012, 54-59 gibt Stjerna einen Überblick über die neueren Entwicklungen in Sachen Einheitspatent. Kern des Artikels ist, dass wegen des politisch motivierten Bestrebens, rasch zu einer Einigung zu kommen, die erforderliche Transparenz des Rechtssetzungsverfahrens auf der Strecke bleibt und berechtigte sachliche Einwände von ausgewiesenen Patentrechtlern nicht angemessen berücksichtigt würden. Stjerna zieht das Fazit, dass all „dies für das in der Sache von allen Seiten befürwortete Projekt Gemeinschaftspatent nebst Gerichtsbarkeit nichts Gutes befürchten“ lasse.

Auch im Vorwort zum aktuellen Kammerrundschreiben 1/12 der Patentanwaltskammer wird der Sachstand der Diskussion um das Patentgerichtssystem umrissen, wobei die Zusammenfassung erahnen lässt, dass der Versuch mehrerer Staaten, einzelstaatliche Partikularinteressen zu wahren und ein „zu deutsches“ Verfahrensrecht (Trennungsprinzip) zu verhindern, wesentliche Fortschritte in der Diskussion erschwert.

Entsprechend zieht der polnische Europaminister das folgende Fazit zu den Bemühungen seines Landes während der polnischen Präsidentschaft: „Another disappointment was Poland’s inability to ink a final agreement on the EU patent. … But … the Polish presidency has „hit a wall“ because of the opposition of „one or two member states“ over the location of the central patent court.“

Begeisterung über ein bald zu einem guten und durchdachten Abschluss kommendes Projekt würde anders klingen.