BGH, I ZR 257/16 – Anschrift des Klägers

BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 – I ZR 257/16 – Anschrift des Klägers

Amtlicher Leitsatz:

Bei juristischen Personen des Privatrechts genügt als ladungsfähige Anschrift die Angabe der im Handelsregister eingetragenen Geschäftsanschrift, sofern dort gemäß § 170 Abs. 2 ZPO Zustellungen an das Organ als gesetzlichen Vertreter der juristischen Person oder den rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter im Sinne von § 171 ZPO bewirkt werden können.

BGH, Urteil vom 27. März 2018 – X ZR 59/16

BGH, Urteil vom 27. März 2018 – X ZR 59/16

Amtlicher Leitsatz:

Die generelle Eignung eines zum allgemeinen Fachwissen zählenden Lösungsmittels kann nur dann als Veranlassung zu ihrer Heranziehung genügen, wenn für den Fachmann ohne weiteres erkennbar ist, dass eine technische Ausgangslage besteht, in der sich der Einsatz des betreffenden Lösungsmittels als objektiv zweckmäßig darstellt (im Anschluss an BGH, Urteil vom 30. April 2009 – Xa ZR 56/05, GRUR 2009, 743 – Airbag-Auslösesteuerung, und Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR 2014, 647
– Farbversorgungssystem).

BGH Trommeleinheit – Erschöpfung

In der Entscheidung BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – Trommeleinheit setzt sich der Patentsenat des Bundesgerichtshofs erneut mit der Frage der Erschöpfung im Patentrecht – insbesondere mit der Abgrenzung zwischen einer (nicht erlaubten) Neuherstellung und einer (erlaubten) Instandhaltungsmaßnahme des mit Zustimmung des Patentinhabers in den Verkehr gebrachten patentgeschützten Erzeugnisses – auseinander.

Dabei ergänzt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung für eine bestimmte Fallgruppe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Patent hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind (BGH Trommeleinheit, Rn. 35 m.w.N.). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Erschöpfung ist das durch die Patentansprüche geschützte Erzeugnis. Dies gilt selbst dann, wenn das durch die Patentansprüche geschützte Erzeugnis nur als Bestandteil eines noch größeren Gegenstands vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wird (BGH Trommeleinheit, Leitsatz a und Rn. 41-44).

Zur Abgrenzung zwischen einem bestimmungsgemäßen Gebrauch und einer unerlaubten Neuherstellung des geschützten Erzeugnisses kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich auf die Verkehrsauffassung sowie – unter Umständen – darauf an, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln (so bereits BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – Palettenbehälter II, Leitsätze a und b). Liegt nach der Verkehrsauffassung eine Neuherstellung vor, kann eine Patentverletzung regelmäßig nicht allein mit dem Argument verneint werden, dass das ausgetauschte Teil nicht die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegelt (BGH Trommeleinheit, Rn. 54; BGH Palettenbehälter II, Leitsatz b).

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kam es auf die Frage, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln, daher regelmäßig nur dann an, wenn nach der Verkehrsauffassung mit dem Austausch des in Rede stehenden Teils während der Lebensdauer des geschützten Erzeugnisses üblicherweise zu rechnen ist (BGH Trommeleinheit, Rn. 54; BGH Palettenbehälter II, Leitsatz c).

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGH Trommeleinheit dahingehend ergänzt und fortgeführt, dass eine Ausnahme vom Vorrang der Orientierung an der Verkehrsauffassung grundsätzlich geboten ist, wenn eine tatsächliche Verkehrsauffassung nicht festgestellt werden kann. Dies kann (wie im entschiedenen Fall) insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Patentanspruch ein aus mehreren Teilen bestehendes Erzeugnis schützt, der Berechtigte jedoch nur Gegenstände in Verkehr bringt, die nochmals weitere Bestandteile umfassen (BGH Trommeleinheit, Rn. 55). In diesem speziellen Fall ist für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung allein darauf abzustellen, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln (BGH Trommeleinheit, Leitsatz b und Rn. 61-62).

BGH, X ZB 1/17 – Mehrschichtlager

BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – X ZB 1/17 – Mehrschichtlager

Amtlicher Leitsatz:

Haben zwei Beteiligte gemeinsam eine Beschwerdeschrift eingereicht, jedoch nur eine Beschwerdegebühr gezahlt, ist ihre Erklärung im Zweifel dahin auszulegen, dass die Beschwerde, falls sie mangels Entrichtung einer ausreichenden Zahl von
Gebühren nicht für beide Beteiligte in zulässiger Weise erhoben wurde, für den im Rubrum der angefochtenen Entscheidung an erster Stelle Genannten erhoben sein soll.

Aus der Beschlussbegründung:

bb) Für den Fall, dass – wie hier – solche Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, hat die Rechtsprechung bislang angenommen, dass eine Zuordnung der entrichteten Beschwerdegebühr nicht möglich sei und die Beschwerde sämtlicher Beteiligter als nicht erhoben gelte (BGH, Beschluss vom 25. März 1982 – X ZB 24/80, BGHZ 83, 271, 274 – Einsteckschloss; Beschluss vom 27. September 1983 – X ZB 19/82, GRUR 1984, 36 – Transportfahrzeug; ebenso BPatGE 12, 163, 167 f.). Einer Zuordnung der Gebühr nach Ablauf der Beschwerdefrist stehe der Grundsatz entgegen, wonach bei befristeten Rechtsmitteln innerhalb der Frist klar sein müsse, wer Rechtsmittelführer sei (BGHZ 83, 271, 274 – Einsteckschloss, unter Bezugnahme auf BGHZ 8, 293, 302 und BGHZ 21, 168, 172).

cc) An dieser Rechtsprechung wird nicht festgehalten. Sie trägt dem Grundsatz nicht hinreichend Rechnung, dass Prozesserklärungen so auszulegen sind, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Erklärenden entspricht (BGH, Beschluss vom 29. März 2011 – VIII ZB 25/10, NJW 2011, 1455 Rn. 9; GRUR 2014, 911 Rn. 9 – Sitzgelenk; Beschluss vom 12. Juli 2016 – VIII ZB 55/15, WM 2016, 632 Rn. 6 mwN).

BPatG: Kosten des mitwirkenden Rechtsanwalts

Der 35. Senat des Bundespatentgerichts hat im Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 35 W (pat) 16/12 entschieden, dass die Kosten des im Gebrauchsmusterlöschungsverfahrens neben dem Patentanwalt mitwirkenden Rechtsanwalts regelmäßig selbst dann nicht erstattungsfähig sind, wenn ein Verletzungsstreit gegen den Löschungsantragsteller anhängig ist. Damit hat der 35. Senat die im Senatsbeschluss vom 27. November 2014 – 35 W (pat) 5/12 (nur kurzzeitig) vertretene Auffassung zur Erstattungsfähigkeit der Kosten des im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren mitwirkenden Rechtsanwalts wieder aufgegeben. Der 35. Senat des Bundespatentgerichts setzt sich in seiner neuen Entscheidung detailliert mit der Entscheidung BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2012 – X ZB 11/12 auseinander, nach der im Patentnichtigkeitsverfahren die Kosten des neben dem Patentanwalt mitwirkenden Rechtsanwalts – anders als nunmehr (wieder) im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren – regelmäßig erstattungsfähig sind, wenn ein Verletzungsstreit zwischen den Parteien des Nichtigkeitsverfahrens anhängig ist.

Nachtrag: Diese Senatsrechtsprechung wurde im Beschluss vom 17. Mai 2017 – 35 W (pat) 1/14 (vgl. hier in diesem Blog) ausdrücklich aufgegeben.

BGH zu Arbeitnehmererfindungen

In der Entscheidung BGH, Urteil v. 14. Februar 2017, X ZR 64/15 – Lichtschutzfolie (deren Leitsätze bereits hier in diesem Blog berichtet wurden), befasst sich der X. Senat des Bundesgerichtshofs erneut mit dem Beginn der Frist für die Inanspruchnahme einer Diensterfindung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbNEG a.F. Dabei werden die Grundsätze der
Haftetikett-Entscheidung fortgeführt: Die Einreichung einer Patentanmeldung durch den Arbeitgeber löst nach der bis zum 30. September 2009 geltenden Rechtslage selbst dann die Frist zur schriftlichen Inanspruchnahme der Diensterfindung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbNEG a.F. aus, wenn der Arbeitnehmererfinder nach Einreichung der Patentanmeldung eine formgerechte Erfindungsmeldung nach § 5 ArbNEG a.F. nachreicht.

Es sei daran erinnert, dass im Gegensatz zur seit dem 1. Oktober 2009 geltenden Fassung des § 6 ArbNEG die bis zum 30. September 2009 geltende Fassung keine Fiktion der Inanspruchnahme vorsah, also ein aktives Handeln des Arbeitgebers zur wirksamen Überleitung der Rechte aus der Diensterfindung erforderlich war. § 6 ArbNEG a.F. bleibt auf Diensterfindungen anwendbar, die bis zum 30. September 2009 gemeldet wurden.

Die Lichtschutzfolie-Entscheidung zeigt, dass die Formvorschriften für die Inanspruchnahme von Diensterfindungen, die vor dem 30. September 2009 gemeldet oder ohne ordnungsgemäße Meldung durch den Arbeitgeber zum Patent angemeldet wurden, die Gerichte wohl noch viele Jahre beschäftigen werden. Auch wenn die Haftetikett-Entscheidung immer wieder kritisiert wurde, da sie das Schriftformerfordernis des § 5 ArbNEG a.F. einseitig zu Gunsten des Arbeitnehmererfinders unterläuft, wenn durch die Einreichung der Patentanmeldung dokumentiert ist, dass dem Arbeitgeber alle relevanten Informationen über die Diensterfindung vorlagen, hat beispielsweise der derzeitige Vorsitzende des X. Senats in Vorträgen mehrfach betont, dass die Inanspruchnahme der Diensterfindung auch nach den Grundsätzen der Haftetikett-Entscheidung für den Arbeitgeber gut handhabbar sei, da der Fristlauf für die Inanspruchnahme erst mit der Einreichung der Patentanmeldung ausgelöst wird. Wie die Lichtschutzfolie-Entscheidung eindrucksvoll zeigt, stellte die fristgerechte Inanspruchnahme von Diensterfindungen nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ArbNEG a.F. für viele – nicht nur mittelständische – Unternehmen dennoch eine signifikante Herausforderung dar.

BGH, X ZB 7/15

BGH, Beschluss vom 21. März 2017 – X ZB 7/15

Geht am Abend des vorletzten Tages der Rechtsmittelbegründungsfrist bei dem Rechtsmittelgericht ein unvollständig per Telefax übermittelter Schriftsatz ein, bei dem unter anderem die letzte Seite mit der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten fehlt, gebietet es die gerichtliche Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht, den Prozessbevollmächtigten am Folgetag auf die von der Geschäftsstelle erkannte Unvollständigkeit des Schriftsatzes hinzuweisen.

BGH, X ZR 119/14 – Gestricktes Schuhoberteil

BGH, Urteil vom 31. Januar 2017 – X ZR 119/14 – Gestricktes Schuhoberteil

Amtliche Leitsätze:

Dass für den Fachmann eine bestimmte Entgegenhaltung als möglicher Ausgangspunkt von Bemühungen um eine Fortentwicklung in Betracht kam, darf insbesondere bei im Prioritätszeitpunkt sehr altem Stand der Technik nicht allein aus der sachlichen Nähe zur erfindungsgemäßen Lösung gefolgert werden. Enthält jedoch eine seit vielen Jahren bekannte technische Lösung bereits alle wesentlichen Elemente der Erfindung, bedarf die Annahme, die ältere Lösung liege außerhalb desjenigen Bereichs, in dem sich am Prioritätstag aus fachmännischer Sicht mögliche Ansatzpunkte für die Lösung des technischen Problems finden ließen, einer besonders sorgfältigen Prüfung.

BGH, I ZR 207/14 – ARD-Buffet

BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 – I ZR 207/14 – ARD-Buffet

Amtliche Leitsätze:

a) Die Bestimmung des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV, wonach der öffentlich-rechtliche Rundfunk programmbegleitend Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt anbieten kann, ist eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 3a UWG, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

b) Aus § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ergibt sich das an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtete Verbot, Druckwerke (selbst) anzubieten oder – was dem gleichsteht – (durch Dritte) anbieten zu lassen, wenn es sich dabei nicht um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt. Darüber hinaus lässt sich § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV das an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gerichtete Verbot entnehmen, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen, und zwar auch dann, wenn es sich dabei um programmbegleitende Druckwerke mit programmbegleitendem Inhalt handelt.

c) Anbieter eines Druckwerks im Sinne des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV ist sowohl derjenige, der das Druckwerk auf eigene Kosten vervielfältigt und verbreitet und damit die wirtschaftliche Verantwortung für das Druckwerk trägt, als auch derjenige, der den Inhalt des Druckwerks bestimmt und damit die publizistische Verantwortung für das Druckwerk hat.

d) Es verstößt gegen § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV, wenn eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt das Angebot eines Druckwerks durch einen Verlag dadurch fördert, dass sie auf ihrer Internetseite für das Druckwerk wirbt und für ihre Sendungen geschützte Marken durch eine rechtlich selbständige Tochtergesellschaft für das Druckwerk lizenziert. Für einen solchen Verstoß haftet neben der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt deren rechtlich selbständige Tochtergesellschaft.

e) Die Bestimmung des § 16a Abs. 1 Satz 1 RStV, wonach die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio berechtigt sind, kommerzielle Tätigkeiten auszuüben, ist im Hinblick auf die Regelung des § 11a Abs. 1 Satz 2 RStV dahin einschränkend auszulegen, dass sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weder berechtigt, Druckwerke anzubieten oder anbieten zu lassen, wenn es sich dabei nicht um programmbegleitende Druckwerke mit programmbezogenem Inhalt handelt, noch berechtigt, das Angebot von Druckwerken durch Dritte zu unterstützen.

Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem BPatG

Die Entscheidung BGH, Beschluss vom 08. November 2016, X ZB 1/16 – Ventileinrichtung, deren Leitsätze in diesem Blog bereits zitiert wurden, dürfte die bedeutendste Entscheidung zum Einspruchsverfahrensrecht seit vielen Jahren sein, da sie den Rahmen der Prüfungsbefugnisse des Bundespatentgerichts im Beschwerdeverfahren absteckt. Dabei ergeben sich wesentliche Unterschiede zum Verfahrensrecht vor dem Europäischen Patentamt.

Nach der Ventileinrichtung-Entscheidung darf der Einsprechende im Einspruchsbeschwerdeverfahren, das ein deutsches (nationales) Patent zum Gegenstand hat, auch neue Widerrufsgründe geltend machen, die nicht zum Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gehören, wenn das Patent von der Patentabteilung aufrechterhalten wurde (Leitsatz b). Das Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht ist insoweit nicht auf die Überprüfung der patentamtlichen Entscheidung beschränkt. Im Gegensatz dazu ist der Einsprechende als Beschwerdeführer im Einspruchsbeschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt regelmäßig daran gehindert, neue Einspruchsgründe erstmalig im Beschwerdeverfahren einzuführen (G 10/91, Leitsatz 3); eine (in der Praxis wenig relevante) Ausnahme gilt nur, wenn der Patentinhaber mit der Prüfung der neu eingeführten Einspruchsgründe einverstanden ist.