EPA, T 0037/12, Entscheidung vom 2.10.2014 – Handschriftliche Änderungen in der mündlichen Verhandlung

T 0037/12, Entscheidung vom 2.10.2014 – Handschriftliche Änderungen in der mündlichen Verhandlung

Amtliche Leitsätze:

1. Bei Anwendung der Generalverweisung in Regel 99 (3) EPÜ ist nach deren Entstehungsgeschichte und Zweck im Einzelfall zu prüfen, ob und wie eine der Regeln, auf die verwiesen wird, auf einen bestimmten Sachverhalt anzuwenden ist.

2. Eine entsprechende Anwendung der Regeln 49 (8) und 50 (1) EPÜ auf Unterlagen, die während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht werden, würde der Verfahrensökonomie widersprechen und ist auch nicht aus anderen Gründen geboten.

3. Die Einführung von Regel 99 (3) EPÜ hat daher keinen Anlass gegeben, die jahrelang geübte Praxis aufzugeben, wonach in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichte Unterlagen gut lesbare handschriftliche Änderungen aufweisen dürfen.

BPatG, 3 ZA (pat) 2/15 zu 3 Ni 3/12 (EP) (KoF 44/14) – selbst (eigenhändig) durchgeführte Recherche

BPatG, Beschl. v. 20. Mai 2015 – 3 ZA (pat) 2/15 zu 3 Ni 3/12 (EP) (KoF 44/14) – selbst (eigenhändig) durchgeführte Recherche

Amtliche Leitsätze:

Führt der Kläger eines Nichtigkeitsverfahrens eine Recherche nach einschlägigem Stand der Technik selbst (eigenhändig) durch, anstatt eine entgeltliche professionelle Recherche in Auftrag zu geben, so handelt es sich bei dem damit verbundenen Zeit- und Müheaufwand nicht um Kosten i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern um allgemeinen Prozessaufwand i. S. d. § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO, der grundsätzlich nicht erstattet wird.

Soweit nach der Rechtsprechung (vgl. OLG Nürnberg MDR 2001, 1439), ausnahmsweise eine Erstattung von allgemeinem Prozessaufwand in Betracht kommt, etwa bei Unzumutbarkeit der Eigenleistung oder Fehlen der besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten zur sachgerechten Prozessführung, sind die zu § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO entwickelten Grundsätze über die Notwendigkeit von Kosten heranzuziehen, insbesondere das Kostenschonungsgebot und die Schadensminderungspflicht. Zudem ist der Partei ein erheblicher Zeitaufwand zuzumuten.

Jedenfalls bei einer mit einem völlig überzogenen Zeitaufwand selbst durchgeführten Recherche wird der damit verbundene Zeit- und Müheaufwand nicht erstattet.

BGH, I ZR 8/13 – UsedSoft III

BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – I ZR 8/13 – UsedSoft III

Amtliche Leitsätze:

a) Die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an den Kopien eines Computerprogramms tritt unabhängig davon ein, ob der Rechtsinhaber der Veräußerung einer bestimmten Anzahl körperlicher Datenträger zustimmt oder ob er dem Anfertigen einer entsprechenden Anzahl von Kopien durch Herunterladen einer Kopie des Computerprogramms und dem Anfertigen weiterer Kopien von dieser Kopie zustimmt (Fortführung von BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR
129/08, GRUR 2014, 264 = WRP 2014, 308 – UsedSoft II).

b) Ist ein körperliches oder ein unkörperliches Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden, ist die Weiterverbreitung aufgrund
der eingetretenen Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts ungeachtet einer inhaltlichen Beschränkung des eingeräumten Nutzungsrechts frei (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 – I ZR 244/97,
BGHZ 145, 7 – OEM-Version).

c) Hat der Ersterwerber eine Lizenz erworben, die die Nutzung der auf einem Server installierten Kopie des Computerprogramms durch mehrere Nutzer gestattet, kann sich der Nacherwerber der Kopie dieses Programms nur
dann mit Erfolg auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an dieser Kopie berufen, wenn der Ersterwerber diese Kopie unbrauchbar gemacht hat. Hat der Ersterwerber dagegen eine Lizenz erworben, die die Nutzung mehrerer
eigenständiger Kopien des Computerprogramms erlaubt, kann sich der Nacherwerber von Kopien dieses Programms bereits dann mit Erfolg auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an diesen Kopien berufen, wenn der
Ersterwerber eine entsprechende Anzahl von Kopien unbrauchbar gemacht hat.

d) Das dem Nacherwerber einer „erschöpften“ Kopie eines Computerprogramms durch § 69d Abs. 1 UrhG vermittelte Recht zu dessen bestimmungsgemäßer Nutzung kann nicht durch vertragliche Bestimmungen eingegrenzt
werden, die die Verkehrsfähigkeit des Computerprogramms beeinträchtigen. Bestimmungen eines Lizenzvertrages, die den Einsatz der Software auf einen bestimmten Nutzerkreis oder einen bestimmten Verwendungszweck
einschränken, regeln daher nicht die bestimmungsgemäße Nutzung des Computerprogramms im Sinne von § 69d Abs. 1 UrhG.

BPatG, 4 Ni 25/09 – Kostentragung bei streitgenössischer Nebenintervention

BPatG, Beschl. v. 20. März 2013 – 4 Ni 25/09 – Kostentragung bei streitgenössischer Nebenintervention

Amtliche Leitsätze:

1. § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG ermöglicht auch im Falle der nach Rücknahme der Nichtigkeitsklage entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO auf Antrag zu treffenden isolierten Kostenentscheidung die Einbeziehung materiell-rechtlicher Billigkeitserwägungen.

2. Wird die Nichtigkeitsklage aufgrund einer ausschließlich zwischen den Hauptparteien getroffenen vergleichsweisen Vereinbarung unter Verzicht auf Kostenerstattungsansprüche des Beklagten gegenüber der Klägerin zurückgenommen, so ist der gegen die streitgenössische Nebenintervenientin gerichtete Kostenantrag auf anteilige Erstattung der außergerichtlichen Kosten zurückzuweisen.

BPatG, 30 W (pat) 703/13 – DE-Flagge

BPatG, Beschl. v. 22. Januar 2015 – 30 W (pat) 703/13 – DE-Flagge

Amtliche Leitsätze:

1. Der in Art. 6ter Abs. 1 PVÜ verwendete Begriff der „Nachahmung im heraldischen Sinn“ ist im Hinblick auf die relative Unbestimmtheit der dort genannten Zeichen nicht zu eng auszulegen.

2. Eine missbräuchliche Benutzung eines Hoheitszeichens oder dessen Nachahmung kann ausgeschlossen sein, wenn das Design selbst das Hoheitszeichen oder dessen Nachahmung zusammen mit weiteren Merkmalen zeigt, die jeden amtlichen Anschein zerstreuen (im Anschluss an BGH GRUR 2003, 705 – Euro-Billy; GRUR 2003, 707 – DM-Tassen; GRUR 2003, 708 – Schlüsselanhänger). Erschöpft sich dagegen ein Design in der Wiedergabe eines Hoheitszeichens oder einer Nachahmung hiervon, ist auch von einer missbräuchlichen Benutzung auszugehen; unbedenkliche Gebrauchszwecke des Designs können nur berücksichtigt werden, wenn sie im Design selbst Niederschlag gefunden haben.

BPatG, 7 W (pat) 7/14 – Akteneinsicht in Nichtpatentliteratur

BPatG, Beschl. v. 23. März 2015 – 7 W (pat) 7/14 – Akteneinsicht in Nichtpatentliteratur

Amtlicher Leitsatz:

Akteneinsicht in der Form der Übersendung von Kopien der patentamtlichen Akte nach § 22 Abs. 2 Satz 2 DPMAV ist auch für solche Aktenteile nicht ausgeschlossen, an denen als sog. Nichtpatentliteratur (NPL) Urheberrecht Dritter bestehen können.

Aus der Beschlussbegründung:

Denn ein mit der patentamtlichen Herstellung und Übersendung von Kopien der streitgegenständlichen Aktenteile möglicherweise verbundener Eingriff in das ausschließlich dem Urheber zustehende Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung nach §§ 16, 17 UrhG ist von der Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 UrhG gedeckt.

BPatG, 25 W (pat) 76/11 – Yosaja / YOSOI

BPatG, Urt. v. 15. Januar 2015 – 25 W (pat) 76/11 – Yosaja / YOSOI (Leitsätze)

Amtliche Leitsätze:

1. Das undifferenzierte Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke ist regelmäßig als Erhebung beider Einreden nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG zu verstehen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Soweit nach der Datenlage nur die Voraussetzungen für die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gegeben
sind, ist eine solche verfahrensrechtliche Erklärung entsprechend § 133 BGB im Zweifel dahingehend auszulegen, dass nur diese nach dem Gesetz mit Rechtswirkung mögliche und damit sinnvolle Einrede erhoben werden soll.

2. Die Rechtsauffassung des Präsidenten des HABM gemäß Mitteilungen Nr. 4/03 vom 16. Juli 2003 und Nr. 2/12 vom 20. Juni 2012, wonach vor dem 20. Juni 2012 mit allen in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffen eingetragene Marken für sämtliche in der zum Anmeldezeitpunkt maßgeblichen alphabetischen Liste der
entsprechenden Klasse aufgeführten Produkte Schutz genießen sollen, widerspricht fundamentalen registerrechtlichen Grundsätzen und auch der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2012, 822 – Chartered Institut of Patent Attorneys = IP-Translator). Sie ist nicht vereinbar mit der Funktion des Markenregisters, allein mit den dort aufgeführten Angaben
die Öffentlichkeit und insbesondere die Mitbewerber über den waren- und dienstleistungsmäßigen Schutzumfang von Marken klar und eindeutig zu unterrichten.

BPatG, 4 Ni 26/13 (EP) – apparatus

BPatG, Urt. v. 29. April 2015 – 4 Ni 26/13 (EP) – apparatus

Amtlicher Leitsatz:

1. Ob die Berücksichtigung einer beschränkenden Änderung der Anspruchsfassung des Streitpatents im Nichtigkeitsverfahren, welche zwar im Hinblick auf § 83 Abs. 4 PatG verspätet erfolgt, aber entschuldigt ist, einen von der Klägerin gestellten Antrag auf Vertagung der mündlichen Verhandlung nach § 227 ZPO rechtfertigt, bedarf einer Prüfung des geltenden gemachten Sachgrundes im Einzelfall unter Berücksichtigung der Kriterien der auch im Nichtigkeitsverfahren für die Parteien geltenden allgemeinen Prozessförderungspflicht (Fortführung zu BGH GRUR 2004, 254 – Crimpwerkzeug I).

2. Das Verlangen einer Vertagung kann jedenfalls von der Klägerin dann nicht mit einer gewünschten Nachrecherche zur Patentfähigkeit eines in der mündlichen Verhandlung geänderten Anspruchs begründet werden, wenn dessen Fassung lediglich einer von der Klägerin selbst bereits schriftsätzlich geforderten Beseitigung einer unzulässigen Verallgemeinerung des Inhalts der Anmeldung durch Aufnahme der geforderten beschränkenden Merkmale aus der Beschreibung Rechnung trägt und wenn die Klägerin keine konkreten Gesichtspunkte geltend macht, weshalb im Rahmen der durchgeführten Recherche keine vorsorgliche Einbeziehung der geforderten Änderung zumutbar war (Abgrenzung zu BGH GRUR 2004, 254 – Crimp

BPatG, 23 W (pat) 26/12 – Ill-Nitrid Halbleitervorrichtung mit Grabenstruktur

BPatG, Urt. v. 27. Januar 2015 – 23 W (pat) 26/12 – Ill-Nitrid Halbleitervorrichtung mit Grabenstruktur

Amtliche Leitsätze:

1. Ein Verzicht auf Teile der Anmeldung liegt nicht vor, wenn sich der Anmelder explizit vorbehalten hat, die in dem anhängigen Verfahren nicht weiterverfolgten Patentansprüche auszuscheiden oder einer Teilanmeldung zuzuführen.

2. Der bloße Vorbehalt, Teile der Anmeldung auszuscheiden, die nicht weiterverfolgt werden, ist noch keine Ausscheidung, sondern lediglich die Ankündigung einer möglichen künftigen Ausscheidungserklärung.

3. Auch wenn der Anmelder für die Teile der Anmeldung, die der Einheitlichkeit entgegenstehen (§ 34 Abs. 5 PatG) weder eine Ausscheidung noch einen Verzicht erklärt, kann die Anmeldung nicht wegen mangelnder Einheitlichkeit zurückgewiesen werden, wenn der Anmelder der gerügten Uneinheitlichkeit in der (Stamm-)Anmeldung begegnet, indem er ein einheitliches Patentbegehren formuliert und zusätzlich erklärt, bestimmte – im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Erfindung problematische – Teile der Anmeldung in dem anhängigen (Stamm-)Verfahren nicht weiterzuverfolgen. Die Abkehr von einer solchen Erklärung wäre nämlich in der Regel rechtsmissbräuchlich.

BPatG, 4 Ni 36/13 (EP) – Brustpumpe

BPatG, Urteil v. 3. Februar 2015 – 4 Ni 36/13 (EP) – Brustpumpe

Amtliche Leitsätze:

1. Losgelöst von der Frage, ob ein Nichtigkeitsangriff im Verfahren vor dem Bundespatentgericht wegen unzulässiger Erweiterung des aus einer Teilanmeldung hervorgegangenen EP-Patents auch darauf gestützt werden kann, dass das Streitpatent gegenüber dem Inhalt der Teilanmeldung erweitert ist, kann der Angriff jedenfalls nicht auf Änderungen der Teilanmeldung gestützt werden, die allein für die Beurteilung der Zulässigkeit nach Art. 76 EPÜ maßgeblich sind und auf den Gegenstand des aus der Teilanmeldung hervorgegangenen Streitpatents keinen Einfluss haben.

2. Es ist deshalb auch unbeachtlich, ob die ursprünglich eingereichten Patentansprüche der Teilanmeldung zulässig waren oder die Teilanmeldung aus anderen Gründen zurückzuweisen gewesen wäre.

3. Mängel der Teilanmeldung sind – wie auch andere Mängel eines Erteilungsverfahrens – mit der Patenterteilung geheilt (im Anschluss an BPatG Urt. v. 10.4.2014, 2 Ni 34/12; zu § 39 PatG: BGH GRUR 2003, 47 – Sammelhefter) und können nicht zur Nichtigerklärung der aus der Teilanmeldung resultierenden erteilten Patentansprüche führen (zum erweiterten Prüfungsumfang geänderter Patentansprüche nach Art. 76 EPÜ BPatG GRUR 2013, 609 – Unterdruckwundverband).

4. Eine ursprünglich durch den gesamten Inhalt der Stammanmeldung bereits als zur Erfindung gehörend offenbarte technische Lehre wird auch nicht dadurch unzulässig geändert, weil der Patentinhaber im Verfahren über die Teilanmeldung diese Lehre erstmals eigenständig unter Schutz stellt.

5. Die im Zusammenhang mit Ausführungsbeispielen einer erfindungsgemäßen Vorrichtung (hier Brustpumpe) offenbarten Vorrichtungsbestandteile (hier Deckel, Schale) können eigenständige Erfindungsgestände sein und müssen als solche weder auf die ausführungsgemäße konkrete Ausgestaltung noch auf den insoweit aufgezeigten konkreten Verwendungszusammenhang
festgelegt sein.

Aus der Urteilsbegründung:

Soweit sich die Klägerin auf eine unzulässige Erweiterung des Patentgegenstandes gegenüber dem Inhalt der Teilanmeldung abstellt, hat der Senat bereits Zweifel, ob die Klägerin sich insoweit überhaupt auf einen Nichtigkeitstatbestand berufen kann. Denn in Art. II § 6 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c Halbsatz 2 EPÜ wird bestimmt, dass das EP-Patent „nur für nichtig erklärt werden kann, wenn…der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten ursprünglichen Fassung oder, wenn das Patent auf einer Teilanmeldung…beruht, über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht“.

Zutreffend ist zwar, dass die Teilanmeldung eine eigenständige Anmeldung darstellt, für welche Art. 76 EPÜ besondere Anforderungen aufstellt. Hieraus folgt nach Überzeugung des Senats jedoch nicht zwingend, dass der Patentanspruch eines erteilten Patents zur Vermeidung einer Nichtigerklärung im Hinblick auf eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung zwei Tests bestehen muss: nämlich primär ggü. der Teilanmeldung und einer mit Art. 123 Abs. 2 EPÜ korrespondierenden Prüfung auf Erweiterung als eigenständige Anmeldung nach dem 1. Halbsatz der Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ und ferner gegenüber der „früheren Anmeldung“ nach dem jeweiligen Halbsatz 2, also der ausdrücklichen Regelung für die Teilanmeldung. Eine derartige zweifache Prüfung und ein Verständnis kumulativer Anforderungen nach Halbsatz 1 und Halbsatz 2 entspricht zwar der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts zu Art. 76 EPÜ und gründet auf dem Verständnis der Teilanmeldung als eigenständige Anmeldung, welche auch das Gebot nach Art. 123 Abs. 2 EPÜ zu beachten habe; auch in der Literatur wird diese Auffassung geteilt (Benkard/Schäfers Art. 123 Rn. 159; Teschemacher in Singer/Stauder, EPÜ, 6. Aufl., Art. 76 Rn. 12; Keukenschrijver/Busse PatG, 7. Aufl., § 39 Rn .77). Soweit diese Forderung jedoch ebenso im Rahmen der Überprüfung erteilter Patente Einspruchsverfahren nach dem insoweit mit Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ wortgleichen Art. 100 lit. c EPÜ herangezogen wird (vgl. Rspr. der Beschwerdekammern des Europäischen
Patentamts 2013, II.F.1, zu Art. 100c EPÜ S. 513; Benkard/Rogge/Ehlers EPÜ, 2. Aufl. 2012, Art. 100 Rn. 12; ferner Benkard/Dobrucki Art. 76 Rn. 9), erscheint dem Senat diese Folgerung jedenfalls im Rahmen des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. c EPÜ nicht zwingend. (so auch Busse/Keukenschrijver, PatG, 7. Aufl., Art. II § 6 IntPatÜG, Rn. 14, zum EP-Einspruchsverfahren § 21 Rn. 85; abweichend BGH Urt. v. 16.01.2014 – X ZR 78/12).

Insoweit spricht nicht nur der Gesetzeswortlaut gegen ein derartiges Verständnis, sondern auch die nur formale Selbständigkeit der Teilanmeldung als eigenständige Anmeldung, welche inhaltlich nur die Abspaltung eines Teils der Stammanmeldung mit identischem Anmeldetag darstellt. Auch zum nationalen Recht und der durch Teilungserklärung hervorgegangenen Teilanmeldung, welche gleichfalls zu einer abgespaltenen, formal selbständigen Anmeldung führt, wird in der wortgleichen Fassung des § 21 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 PatG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Beleg dafür gesehen, dass auch insoweit für die Beurteilung einer unzulässigen Erweiterung des aus einer Teilanmeldung hervorgegangenen Patentgegenstandes allein der Offenbarungsgehalt der Stammanmeldung maßgeblich ist (GRUR 1992, 38 – Straßenkehrmaschine; GRUR 1999, 148 – Informationsträger; zu gestuften Teilungen bzw. zur Kette von Teilanmeldungen G1/06 = ABL. 2008, 307; Melullis GRUR 2001, 971).