BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 – X ZR 141/13 – Rezeptortyrosinkinase

BGH, Urteil vom 19. Januar 2016 – X ZR 141/13 – Rezeptortyrosinkinase

Amtlicher Leitsatz:

Eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, ist dem Patentschutz unabhängig davon zugänglich, ob die Lehre über die zweckgerichtete Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen „erfinderischen Überschuss“ enthält. Dies gilt auch für die Bereitstellung einer für ein Humanprotein codierenden Nukleinsäuresequenz. Einer Kennzeichnung der Sequenz als isoliert oder durch ein technisches Verfahren gewonnen im Patentanspruch bedarf es dabei nicht.

Aus der Urteilsbegründung:

Eine Entdeckung ist nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. a, Abs cheap cialis 100mg. 3 EPÜ als solche ebenso wie eine wissenschaftliche Theorie oder eine mathematische Methode dem Patentschutz nicht zugänglich. Anders als es der Oberste Gerichtshof
der Vereinigten Staaten für das amerikanische Patentrecht entschieden hat (566 U.S. (2012) – Mayo v. Prometheus), ist jedoch eine Lehre zum technischen Handeln, die die Nutzung einer Entdeckung zur Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs lehrt, nach europäischem – und deutschem – Recht dem Patentschutz unabhängig davon zugänglich, ob die Lehre über die Nutzung des aufgedeckten naturgesetzlichen Zusammenhangs hinaus einen „erfinderischen Überschuss“ enthält. Denn jedes technische Handeln beruht auf der zielgerichteten Nutzung von Naturgesetzen, so dass es sich verbietet, bei der – auch für den Patentschutz computerimplementierter Erfindungen maßgeblichen – Prüfung der Frage, ob die gelehrte technische Lösung des Problems auf erfinderischer Tätigkeit beruht, die Frage außer Betracht zu lassen, ob dem Fachmann die Erkenntnis einer physikalischen, chemischen oder biologischen Gesetzmäßigkeit, die die Grundlage der technischen Lehre der Erfindung bildet, nahegelegt war.

BGH, X ZR 170/12 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II

BGH, Versäumnisurteil vom 1. Dezember 2015 – X ZR 170/12 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II

Amtliche Leitsätze:

a) Den vom Schutzrechtsinhaber im Hinblick auf eine Schutzrechtsverwarnung eingeschalteten Rechtsanwalt trifft gegenüber dem später Verwarnten eine Garantenpflicht dahin, den Schutzrechtsinhaber nicht in einer die Rechtslage unzutreffend einschätzenden Weise über die Berechtigung der Schutzrechtsverwarnung zu beraten.

b) Geht die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung auf eine fahrlässig unzutreffende Rechtsberatung des Schutzrechtsinhabers durch einen Rechtsanwalt zurück, kann der Rechtsanwalt neben dem Schutzrechtsinhaber un-ter dem Gesichtspunkt eines rechtswidrigen und schuldhaften Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zum Schadensersatz verpflichtet sein.

c) Hat der Rechtsanwalt den Schutzrechtsinhaber bei unklarer Rechtslage auf alle wesentlichen Gesichtspunkte hingewiesen, die für oder gegen eine Verletzung des Schutzrechts sprechen, und entscheidet sich der Schutzrechtsinhaber trotz der aufgezeigten Bedenken dazu, die Verwarnung auszusprechen, kommt eine Haftung des Rechtsanwalts wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung nach § 823 Abs. 1 BGB regelmäßig nicht in Betracht.

BGH, Urteil vom 8. Oktober 2015 – I ZR 136/14 – Allgemeine Marktnachfrage

BGH, Urteil vom 8. Oktober 2015 – I ZR 136/14 – Allgemeine Marktnachfrage

Amtliche Leitsätze:

Die in Abschnitt XIII Buchst. A Ziffer 11 der Ausführungsbestimmungen zum Verteilungsplan der GEMA für das Aufführungs- und Senderecht in der am 23./24. Juni 2009 beschlossenen Fassung (A-VPA 2010) getroffene Bestimmung zur Nettoeinzelverrechnung für Werkaufführungen, die ohne eine allgemeine Marktnachfrage stattfinden, verstößt gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Sieht der Verteilungsplan der GEMA im Bereich „U-Musik“ im Grundsatz die Kollektivverrechnung vor und greift eine Klausel über die Einzelverrechnung nicht ein, weil sie unwirksam ist, sind die Einnahmen nach der Kollektivverrechnung zu ermitteln. Der GEMA steht in diesem Fall kein Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zu.

BGH, I ZR 182/14 – Durchgestrichener Preis

BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 182/14 – Durchgestrichener Preis II

Amtlicher Leitsatz:

Werbung mit einem durchgestrichenen Preis misst der Verbraucher nicht eine je nach Vertriebsform unterschiedliche Bedeutung bei. Auch im Internethandel und auf einer Handelsplattform wie Amazon.de erkennt der Verkehr in einer durchgestrichenen Preisangabe regelmäßig den früher von dem werbenden Unternehmer verlangten Preis.

BGH, I ZR 51/12 – Davidoff Hot Water II

BGH, Urteil vom 21. Oktober 2015 – I ZR 51/12 – Davidoff Hot Water II

Amtlicher Leitsatz:

§ 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 MarkenG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn das Konto für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde.

BGH, I ZB 87/14 – Fünf-Streifen-Schuh

BGH, Beschluss vom 11. Februar 2016 – I ZB 87/14 – Fünf-Streifen-Schuh

Amtliche Leitsätze:

a) Die Zulässigkeit eines Löschungsantrags gemäß § 54 Abs. 1, §§ 50, 8 MarkenG setzt die Angabe eines konkreten absoluten Schutzhindernisses im Sinne von § 8 MarkenG voraus.

b) Die Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG wird durch einen unzulässigen Löschungsantrag nicht in Gang gesetzt.

Aus der Urteilsbegründung:

Nach diesen für das markenrechtliche Löschungsverfahren entsprechend geltenden Grundsätzen [rechtliches Gehör] war das Deutsche Patent- und Markenamt gehalten, die Antragstellerin auf die Mängel des Löschungsantrags hinzuweisen.

Entgegen der Ansicht des Bundespatentgerichts verstößt ein solcher Hinweis nicht gegen die Neutralitätspflicht des Deutschen Patent- und Markenamtes. Vielmehr haben auch die Zivilgerichte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Kläger auf Mängel beim notwendigen Inhalt der Klageschrift hinzuweisen (vgl. zu § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO BGH, Urteil vom 12. Dezember 2012 – VIII ZR 307/11, NJW 2013, 387 Rn. 29, mwN; Zöller/Greger aaO § 253 Rn. 23; Bacher in BeckOK ZPO, Stand 1. Dezember 2015, § 253 Rn. 80). Dies gilt auch im markenamtlichen Löschungsverfahren im Hinblick auf den notwendigen Inhalt des Antrags gemäß § 54 Abs. 1 MarkenG.

Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, läuft ein Hinweis auf die nicht ordnungsgemäße Begründung des Löschungsantrags auch nicht auf die Möglichkeit hinaus, der Antragstellerin neue Löschungsgründe nahezulegen, die in ihrem Sachvortrag nicht einmal andeutungsweise enthalten waren. Die Antragstellerin hat ihren Löschungsantrag damit begründet, dass die angegriffene Marke der Markeninhaberin entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden ist. Der im Streitfall gebotene Hinweis des Deutschen Patent- und Markenamtes betrifft keinen vollständig neuen Löschungsgrund, sondern ist lediglich auf die nähere Konkretisierung der in § 8 MarkenG angeführten Schutzhindernisse gerichtet.

Ein Hinweis war vorliegend nicht deshalb entbehrlich, weil ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf damit rechnen musste, dass die Zulässigkeit des Löschungsantrags wegen absoluter Schutzhindernisse gemäß § 54 Abs. 1 MarkenG die Angabe des oder der konkreten Schutzhindernisse im Sinne von § 8 Abs. 2 MarkenG erfordert. Ein solches Erfordernis ist bislang von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht aufgestellt worden. Der Vorhersehbarkeit steht außerdem die Gestaltung des gemäß § 41 Abs. 1 MarkenV vom Deutschen Patent- und Markenamtes herausgegebenen Formblatts entgegen. Dessen Gestaltung zum Zeitpunkt der Antragstellung schloss zwar eine differenzierte Angabe des Schutzhindernisses nicht aus, legte eine solche Angabe aber auch nicht nahe, sondern sah ausdrücklich lediglich die formularmäßige Angabe eines Verstoßes gegen § 8 MarkenG vor.

Die Entscheidung des Bundespatentgerichts beruht auf dem Versagen des rechtlichen Gehörs.

BGH, I ZR 91/11 – Marcel-Breuer-Möbel II

BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 91/11 – Marcel-Breuer-Möbel II

Amtlicher Leitsatz:

Das ausschließliche Verbreitungsrecht des Urhebers umfasst das Recht, das
Original oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und gegenüber der Öffentlichkeit gezielt für den Erwerb des Originals oder von Vervielfältigungsstücken des Werkes zu werben.

BGH, I ZR 88/13 – Al Di Meola

BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 88/13 – Al Di Meola

Amtliche Leitsätze:

a) Das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 UrhG, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu verbreiten, umfasst das Recht, diesen Bild- oder Tonträger der Öffentlichkeit zum Erwerb anzubieten und gegenüber der Öffentlichkeit gezielt für den Erwerb dieses Bild- oder Tonträgers zu werben.

b) Wer den objektiven Tatbestand einer Urheberrechtsverletzung in eigener Person erfüllt, haftet als Täter auch ohne Verschulden nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG auf Unterlassung.

c) Wer als bloße unselbständige Hilfsperson tätig wird, haftet nicht als Täter einer Urheberrechtsverletzung. Unselbständige Hilfsperson ist, wer aufgrund seiner untergeordneten Stellung keine eigene Entscheidungsbefugnis und keine Herrschaft über die Rechtsverletzung hat.

d) Wer eigene Angebote abgibt, ist für diese auch dann verantwortlich, wenn er sie von Dritten erstellen lässt und ihren Inhalt nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht. Er kann sich auch nicht mit Erfolg auf die Haftungsprivilegien eines Diensteanbieters nach §§ 8 bis 10 TMG berufen.

BGH, I ZR 76/11 – Wagenfeld-Leuchte II

BGH, Urteil vom 5. November 2015 – I ZR 76/11 – Wagenfeld-Leuchte II

Amtliche Leitsätze:

a) Wer seine Werbung für den Erwerb von Vervielfältigungsstücken eines Werkes auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und diese Mitglieder der Öffentlichkeit durch ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungsstücke des Werkes liefern zu lassen, bringt die an diese Mitglieder der Öffentlichkeit gelieferten Vervielfältigungsstücke des Werkes in diesem Mitgliedstaat im Sinne von § 17 Abs. 1 Fall 2 UrhG in Verkehr.

b) Der Testamentsvollstrecker, dem der Urheber gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 UrhG durch letztwillige Verfügung die Ausübung des Urheberrechts übertragen hat, bleibt neben einem Dritten, dem der Urheber ein ausschließliches urheberrechtliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, berechtigt, selbst Ansprüche wegen Rechtsverletzungen geltend zu machen, soweit er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der rechtlichen Verfolgung dieser Ansprüche hat.

BGH, I ZR 225/13 – Eizellspende

BGH, Urteil vom 8. Oktober 2015 – I ZR 225/13 – Eizellspende

Amtliche Leitsätze:

a) Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG geregelten Straftatbestände fallen als Bestimmungen hinsichtlich der guten Sitten im Sinne von Erwägungsgrund 7 Satz 3 der Richtlinie 2005/29/EG nicht in deren Anwendungsbereich.

b) Die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ESchG geregelten Straftatbestände stellen keine Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar.

c) Bei dem in den ärztlichen Berufsordnungen verankerten Verbot der Mitwirkung an einer Eizellspende handelt es sich nicht um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.

d) Verstöße gegen außerwettbewerbsrechtliche Normen, die keine Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG sind, sind nicht allein wegen ihrer Gesetzeswidrigkeit als unlauter im Sinne von § 3 UWG anzusehen (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2009 – I ZR 152/07, GRUR 2010, 654 Rn. 25 = WRP 2010, 876 – Zweckbetrieb; Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 157/08, GRUR 2011, 431 Rn. 11 = WRP 2011, 444 – FSA-Kodex).