BPatG, 20 W (pat) 28/13 – Blattgut

BPatG, Beschl. v. 10. November 2015 – 20 W (pat) 28/13 – Blattgut

Amtlicher Leitsatz:

Verfahrensansprüchen kommt grundsätzlich ein anderer Schutzbereich zu als Vorrichtungsansprüchen.
Selbst für den Fall, dass die Fassung des Vorrichtungsanspruchs dem Verfahrensanspruch
im Hinblick auf die Gesamtheit der Merkmale inhaltlich nichts hinzufügt, hat
der Patentanmelder ein Rechtsschutzbedürfnis an einem solchen Vorrichtungsanspruch, der
deshalb neben dem Verfahrensanspruch grundsätzlich zulässig ist (so auch BPatG Beschluss
vom 16. Dezember 1987 – 31 W (pat) 5/87; BPatGE 29, 177; BPatG, Beschluss vom
17. August 1998 – 20 W (pat) 41/97 – Elektronische Programmzeitschrift; BPatGE 40, 219).
Die Entscheidung BGH X ZB 21/94 Handhabungsgerät (GRUR 1998, 130) betraf einen nicht
verallgemeinerungsfähigen Fall, in dem das Rechtsschutzbedürfnis deshalb verneint wurde,
weil sich der geltend gemachte Verfahrensanspruch nach Art einer bloßen Bedienungsanleitung
in der bestimmungsgemäßen Verwendung der beanspruchten Vorrichtung erschöpfte.
Diese Voraussetzung muss im Einzelfall positiv festgestellt werden.

BGH, I ZR 7/14 – Tauschbörse II

BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14 – Tauschbörse II

Amtliche Leitsätze:

a) Eltern sind verpflichtet, die Internetnutzung ihres minderjährigen Kindes zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an Tauschbörsen zu verhindern. Allerdings genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen
belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Nicht ausreichend ist es insoweit, dem Kind nur die Einhaltung allgemeiner Regeln zu einem ordentlichen Verhalten aufzugeben (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 – Morpheus).

b) Sind Eltern gemäß § 832 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihrer Aufsichtspflicht für eine durch die zu beaufsichtigende Person widerrechtlich herbeigeführte Urheberrechtsverletzung verantwortlich, kann der zu ersetzende Schaden nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden.

BGH, I ZR 62/14 – GVR Tageszeitungen I

BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 – I ZR 62/14 – GVR Tageszeitungen I

Amtliche Leitsätze:

a) Eine angemessene Vergütung kann nur dann gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 UrhG in Verbindung mit § 36 UrhG in unmittelbarer Anwendung einer gemeinsamen Vergütungsregel (hier der Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen vom 29. Januar 2010, nachfolgend „GVR Tageszeitungen“) bestimmt werden, wenn die darin festgelegten persönlichen, sachlichen und zeitlichen Anwendungsvoraussetzungen vorliegen.

b) Bei der gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG vorzunehmenden Prüfung, ob eine Vergütung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicher Weise zu leisten ist, können auch solche gemeinsamen Vergütungsregelungen als Vergleichsmaßstab und Orientierungshilfe herangezogen werden, deren Anwendungsvoraussetzungen nicht (vollständig) erfüllt sind und die deshalb keine unwiderlegliche Vermutungswirkung im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 UrhG entfalten.

c) Für die indizielle Heranziehung von Vergütungsregelungen im Rahmen der gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG vorzunehmenden Einzelfallabwägung reicht eine vergleichbare Interessenlage aus; eventuell für die Frage der Angemessenheitsprüfung bestehenden erheblichen Unterschieden ist im Einzelfall durch eine modifizierte Anwendung dieser Vergütungsregelungen Rechnung zu tragen (Fortführung von BGHZ 182, 337 – Talking to Addison).

Amtliche Leitsätze:

a) Eine angemessene Vergütung kann nur dann gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 UrhG in Verbindung mit § 36 UrhG in unmittelbarer Anwendung einer gemeinsamen Vergütungsregel (hier der Gemeinsamen Vergütungsregeln für freie hauptberufliche Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen vom 29. Januar 2010, nachfolgend „GVR Tageszeitungen“) bestimmt werden, wenn die darin festgelegten persönlichen, sachlichen und zeitlichen Anwendungsvoraussetzungen vorliegen.

b) Bei der gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG vorzunehmenden Prüfung, ob eine Vergütung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicher Weise zu leisten ist, können auch solche gemeinsamen Vergütungsregelungen als Vergleichsmaßstab und Orientierungshilfe herangezogen werden, deren Anwendungsvoraussetzungen nicht (vollständig) erfüllt sind und die deshalb keine unwiderlegliche Vermutungswirkung im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 UrhG entfalten.

c) Für die indizielle Heranziehung von Vergütungsregelungen im Rahmen der gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG vorzunehmenden Einzelfallabwägung reicht eine vergleichbare Interessenlage aus; eventuell für die Frage der Angemessenheitsprüfung bestehenden erheblichen Unterschieden ist im Einzelfall durch eine modifizierte Anwendung dieser Vergütungsregelungen Rechnung zu tragen (Fortführung von BGHZ 182, 337 – Talking to Addison).

BGH, I ZR 39/14 – GVR Tageszeitungen II

BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 – I ZR 39/14 – GVR Tageszeitungen II

Amtliche Leitsätze:

a) Die Bestimmung des § 32 UrhG umfasst nach ihrem Wortlaut allein eine Vergütung, die dem Urheber für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung zusteht. Sie regelt mithin lediglich die Vergütung des Urhebers als Gegenleistung für die gemäß § 31 UrhG eingeräumten Nutzungsrechte. Betrifft eine Vereinbarung zwischen Urheber und Werknutzer auch andere Elemente, ist die in § 32 UrhG geregelte Angemessenheitskontrolle allein auf diejenigen Vergütungselemente anwendbar, die auf das eingeräumte Nutzungsrecht entfallen.

b) Fahrtkosten, die einem Journalisten im Zusammenhang mit seiner Recherchetätigkeit entstehen, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 32 UrhG.

BGH, I ZR 226/13 – Deltamethrin

BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 226/13 – Deltamethrin

Amtliche Leitsätze:

a) Von einer Beweisvereitelung kann nur ausgegangen werden, wenn eine Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie vorhandene Beweismittel vernichtet, vorenthält oder ihre Benutzung erschwert. Deshalb ist eine Beweisvereitelung nicht anzunehmen, wenn es der beweisbelasteten Partei möglich gewesen wäre, den Beweis – etwa im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens – zu sichern.

b) Kann einer Partei der Vorwurf gemacht werden, sie habe den vom Prozessgegner zu führenden Beweis vereitelt, führt dies nicht dazu, dass eine Beweiserhebung gänzlich unterbleiben kann und der Vortrag der beweispflichtigen Partei als bewiesen anzusehen ist. Vielmehr sind zunächst die von der beweispflichtigen Partei angebotenen Beweise zu erheben. Stehen solche Beweise nicht zur Verfügung oder bleibt die beweisbelastete Partei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme beweisfällig, ist eine Beweislastumkehr in Betracht zu ziehen und den Beweisangeboten des Prozessgegners nachzugehen.

BGH, I ZR 228/14 – Ramses

BGH, Urteil vom 17. September 2015 – I ZR 228/14 – Ramses

Amtliche Leitsätze:

a) Überträgt eine Wohnungseigentümergemeinschaft über Satellit ausgestrahlte und mit einer Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage empfangene Fernseh- oder Hörfunksignale zeitgleich, unverändert und vollständig durch ein Kabelnetz an die angeschlossenen Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungseigentümer weiter, handelt es sich nicht um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG und sind weder Schadensersatzansprüche oder Wertersatzansprüche von Urhebern, ausübenden Künstlern, Sendeunternehmen oder Filmherstellern noch Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft begründet.

b) Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens ist bei einem Streitfall nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG, an dem eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und der die Nutzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werken oder Leistungen betrifft, gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UrhWG keine Sachurteilsvoraussetzung nach § 16 Abs. 1 UrhWG, wenn die Frage der Anwendbarkeit und der Angemessenheit des Tarifs nicht entscheidungserheblich ist. Die Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG kommt in einem solchen Fall gleichfalls nicht in Betracht.

BGH, X ZR 113/13 – PALplus

BGH, Urteil vom 8. September 2015 – X ZR 113/13 – PALplus

Amtlicher Leitsatz:

Eine ältere nachveröffentlichte Patentanmeldung ist bei der Neuheitsprüfung auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nach ihrer Veröffentlichung zurückgenommen wird oder als zurückgenommen gilt.

Aus der Entscheidungsbegründung:

Wird die Anmeldung nach ihrer Veröffentlichung zurückgenommen, fällt damit zwar auch die Möglichkeit einer Doppelpatentierung weg. Dies rechtfertigt aber kein einschränkendes Verständnis des Art. 54 Abs. 3 EPÜ, der kein Doppelpatentierungsverbot formuliert, sondern zum Stand der Technik den – gesamten – Inhalt einer älteren nachveröffentlichten europäischen Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zählt. Schon die Entscheidung des Europäischen Patentübereinkommens für die Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Anmeldung („whole content approach“) und gegen die vom Straßburger Übereinkommen in Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 eröffnete Möglichkeit, auf die Ansprüche der früheren Anmeldung abzustellen („prior claim approach“), macht deutlich, dass die (umfassende) Berücksichtigung älterer Anmeldungen bei dem für die Neuheitsprüfung maßgeblichen Stand der Technik nicht nur dazu bestimmt ist, einer Doppelpatentierung vorzubeugen. Sie soll auch den Erstanmelder vor einer Einschränkung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit durch die Erteilung eines Patents auf die von ihm offenbarte Erfindung aufgrund einer späteren Anmeldung eines Dritten schützen (vgl. zu § 3 Abs. 2 PatG: BTDrucks. 7/3712 S. 29 li. Sp.). Dieser Schutzzweck verliert nicht an Bedeutung, wenn der ältere Anmelder sich nach der Veröffentlichung seiner Anmeldung entscheidet, die Anmeldung zurückzunehmen und damit die Erfindung für die Allgemeinheit freizugeben, deren technisches Wissen durch die erneute Offenbarung einer ihr bereits zur Verfügung stehenden technischen Lehre nicht bereichert wird.

BGH, X ZR 74/14 – Luftkappensystem

BGH, Urteil vom 13. Oktober 2015 – X ZR 74/14 – Luftkappensystem

Amtlicher Leitsatz:

Werden in einer Patentschrift zwei sich nur graduell unterscheidende Maßnahmen (hier: Blockieren und Drosseln eines Luftstroms) ohne nähere Differenzierung als Ausgangspunkt für eine im Stand der Technik auftretende Schwierigkeit benannt, so kann aus dem Umstand, dass im Patentanspruch nur die stärker wirkende Maßnahme (hier: Blockieren) erwähnt ist, nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass die schwächer wirkende Maßnahme zur Verwirklichung
der geschützten Lehre nicht ausreicht.

BGH, X ZB 2/15 – Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs

BGH, Beschluss vom 22. September 2015 – X ZB 2/15 – Verzinsung des Kostenerstattungsanspruchs

Antliche Leitsätze:

a) Wird eine zugunsten des Beklagten ergangene Kostengrundentscheidung aufgrund einer Klagerücknahme wirkungslos, so ist der Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO dennoch vom Zeitpunkt des Eingangs eines auf der Grundlage der ersten Entscheidung eingereichten Kostenfestsetzungsantrags an zu verzinsen, soweit gemäß § 269 Abs. 4 ZPO eine inhaltsgleiche Kostenentscheidung zugunsten des Beklagten ergangen ist.

b) Wird eine Kostengrundentscheidung aufgehoben oder zu Ungunsten des Gläubigers abgeändert, zu einem späteren Zeitpunkt aber wiederhergestellt, so ist eine Verzinsung des Anspruchs auf Kostenerstattung gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO frühestens von dem Zeitpunkt an möglich, in dem die wiederherstellende Entscheidung verkündet worden ist.

BGH, I ZR 15/14 – Amplidect/ampliteq

BGH, Urteil vom 23. September 2015 – I ZR 15/14 – Amplidect/ampliteq

Amtlicher Leitsatz:

Eine Verletzungshandlung, die während der Geltung einer später für nichtig erklärten Gemeinschaftsmarke und noch vor der Eintragung der aus der Gemeinschaftsmarke im Wege der Umwandlung gemäß Art. 112 Abs. 1 Buchst. b EGV
207/2009 hervorgegangenen deutschen Klagemarke stattgefunden hat, löst weder Ansprüche wegen Verletzung der gemäß Art. 55 Abs. 2 EGV 207/2009 mit Wirkung ex tunc für nichtig erklärten Gemeinschaftsmarke noch Ansprüche nach dem Markengesetz wegen Verletzung der zu diesem Zeitpunkt noch nicht
eingetragenen deutschen Klagemarke aus.