Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, I ZR 2/21 – Tina Turner

BGH, Urteil vom 24. Februar 2022 – I ZR 2/21 – Tina Turner

Amtlicher Leitsatz:

a) Wird eine Person durch eine andere Person dargestellt, ist die Darstellung (erst) dann als Bildnis der dargestellten Person anzusehen, wenn der täuschend echte Eindruck erweckt wird, es handele sich um die dargestellte Person selbst, wie dies etwa bei dem Einsatz eines Doppelgängers oder „look-alike“ oder einer nachgestellten berühmten Szene oder Fotografie der Fall sein kann (Fortführung von BGH, Urteil vom 1. Dezember 1999 – I ZR 226/97, GRUR 2000, 715, 716 f. [juris Rn. 21] = WRP 2000, 754 – Der blaue Engel; Urteil vom 18. Mai 2021 – VI ZR 441/19, GRUR 2021, 1222 Rn. 22 bis 27 mwN). Dabei reicht es aus, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Publikums glaubt, es handele sich um die dargestellte Person.

b) In einem solchen Fall kann sich allenfalls die tatsächlich, nicht aber die vermeintlich abgebildete Person darauf berufen, dass es sich um ein auf Bestellung angefertigtes Bildnis im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG handelt. Nur zwischen der tatsächlich abgebildeten Person und dem Künstler kann durch die Umstände bei der Entstehung der Abbildung ein Vertrauensverhältnis entstehen, das der Verbreitung oder Schaustellung des Bildnisses für ein höheres Interesse der Kunst entgegensteht.

c) Die Werbung für eine Show, in der Lieder einer prominenten Sängerin von einer ihr täuschend ähnlich sehenden Darstellerin nachgesungen werden, mit einem Bildnis der Darstellerin, das den täuschend echten Eindruck erweckt, es handele sich um die prominente Sängerin selbst, ist grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Ein nicht gerechtfertigter Eingriff in den vermögenswerten Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des prominenten Originals ist mit der Werbung
für eine solche Tribute-Show allerdings dann verbunden, wenn der unzutreffende Eindruck erweckt wird, das prominente Original unterstütze sie oder wirke sogar an ihr mit.

BGH, X ZR 107/19 – Präventive Antibiotikabehandlung

BGH, Urteil vom 14. Dezember 2021 – X ZR 107/19 – Präventive Antibiotikabehandlung

Amtlicher Leitsatz:

Der Einsatz eines Wirkstoffs zur Prävention einer Krankheit, die sich noch nicht manifestiert hat, ist nicht neu [-> Medizinische Indikationen], wenn die Kriterien, an deren Vorliegen das Patent die erfindungsgemäße Präventionswirkung knüpft, bereits im Stand der Technik als Kriterien für die Verabreichung des Wirkstoffs herangezogen worden sind, und weder eine neue Art und Weise der Wirkstoffgabe gelehrt noch eine Patientengruppe als erfolgreich behandelbar aufgezeigt wird, die mit dem Wirkstoff bislang nicht behandelt worden ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – X ZR 68/08, GRUR 2011, 999 – Memantin).

BGH, X ZR 26/20 – Nichtigkeitsstreitwert IV

BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2021 – X ZR 26/20 – Nichtigkeitsstreitwert IV

Amtliche Leitsätze:

a) Für die Festsetzung des Streitwerts im Patentnichtigkeitsverfahren sind Wertänderungen, die nach Erhebung der Klage bzw. Einlegung des Rechtsmittels eingetreten sind, grundsätzlich unerheblich. Zu berücksichtigen sind jedoch Erkenntnisquellen, die zwar erst nach dem maßgeblichen Stichtag zutage getreten sind, aber ein neues Licht auf die Wertverhältnisse an diesem Tag werfen.

b) Wenn in der Berufungsinstanz des Nichtigkeitsverfahrens nicht mehr über den gesamten erstinstanzlichen Streitgegenstand zu entscheiden ist, kann es angezeigt sein, für die zweite Instanz einen niedrigeren Streitwert festzusetzen. Eine solche Reduzierung ist jedoch in der Regel nicht angemessen, wenn die Unterschiede im Streitgegenstand weder für ein anhängiges oder bereits abgeschlossenes Verletzungsverfahren noch für den sonstigen Wert des Streitpatents von erkennbarer Bedeutung sind.

BGH, I ZR 148/20 – Kopplungsangebot III

BGH, Urteil vom 25. November 2021 – I ZR 148/20 – Kopplungsangebot III

Amtlicher Leisatz:

Die an die Preisinformation bei Kopplungsangeboten zu stellenden Anforderungen ergeben sich nunmehr aus dem lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 UWG), dem Tatbestand der Informationspflichtverletzung (im unternehmerischen Verkehr § 5a Abs. 1 UWG, im Verhältnis zu Verbrauchern § 5a Abs. 2 UWG) sowie aus dem Verbot aggressiver geschäftlicher Handlungen (§ 4a UWG) und der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel (im unternehmerischen Verkehr § 3 Abs. 1 UWG, im Verhältnis zu Verbrauchern § 3 Abs. 2 UWG; Weiterführung von BGH, Urteil vom 13. Juni 2002 – I ZR 173/01, BGHZ 151, 84 – Kopplungsangebot I; Urteil vom 27. Februar 2003 – I ZR 253/00, BGHZ 154, 105 – Gesamtpreisangebot).

BGH, I ZR 125/20 – Influencer II

BGH, Urteil vom 9. September 2021 – I ZR 125/20 – Influencer II

Amtliche Leitsätze:

a) Die Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG für kommerzielle Kommunikation in Telemedien sowie des § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und des § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV für Werbung in Telemedien sind bereichsspezifische Marktverhaltensregelungen für Telemedien. Die in diesen Spezialvorschriften zum Ausdruck kommenden medienrechtlichen Wertungen dürfen nicht durch die Anwendung der allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Vorschrift des § 5a Abs. 6 UWG unterlaufen werden (Fortführung von BGH, Urteil vom 24. März 2016 – I ZR 7/15, GRUR 2016, 1068 Rn. 20 = WRP 2016, 1219 – Textilkennzeichnung).

b) Das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG für kommerzielle Kommunikation in Telemedien sowie in § 58 Abs. 1 Satz 1 RStV und § 22 Abs. 1 Satz 1 MStV für Werbung in Telemedien vorgesehene Tatbestandsmerkmal der Gegenleistung gilt nur für werbliche Handlungen zugunsten fremder Unternehmen, nicht aber für Eigenwerbung.

BGH, X ZR 59/19 – Oszillationsantrieb

BGH, Teilurteil vom 24. August 2021 – X ZR 59/19 – Oszillationsantrieb

Amtlicher Leitsatz:

Über eine auf Nichtigerklärung eines Patents gerichtete Klage mehrerer Kläger kann, wenn das Verfahren gegen einen der Kläger gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist, gegenüber den anderen Klägern durch Teilurteil entschieden werden (Bestätigung von BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 – X ZR 146/13 Rn. 6 f.).

Aus der Entscheidungsbegründung:

§ 62 ZPO steht einem Teilurteil nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines von mehreren Klägern eines Patentnichtigkeitsverfahrens jedoch nicht entgegen, weil es trotz des inhaltlichen Zusammenhangs der Klagen im Ermessen des Gerichts steht, einzelne Verfahren miteinander zu verbinden oder voneinander zu trennen, und ein Teilurteil ohne Abtrennung keine anderen Wirkungen hat als ein Schlussurteil in einem abgetrennten Verfahren (BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 – X ZR 146/13 Rn. 6 f.; ebenso für Klagen auf Nichtigerklärung einer Marke BGH, Urteil vom 3. November 2016 – I ZR 101/15; GRUR 2017, 520 Rn. 20 – MICRO COTTON).

BGH, I ZR 163/19 – Hohenloher Landschwein

BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – I ZR 163/19 – Hohenloher Landschwein

Amtliche Leitsätze:

Der Schutz geografischer Herkunftsangaben als Kollektivmarken nach dem Markengesetz besteht grundsätzlich selbständig neben dem Schutz geografischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen nach der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel.

Ist eine nach deutschem Recht als Kollektivmarke eingetragene geografische Herkunftsangabe nicht nach der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 eingetragen und wurde auch kein Antrag auf eine Eintragung dorthin gestellt, wird die Anwendung des § 100 Abs. 1 MarkenG bei der Bestimmung der Grenzen zur Benutzung der Angabe seitens eines Dritten durch die Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 daher weder gesperrt noch eingeschränkt. Im Rahmen der Abwägung, ob die Benutzung durch einen Dritten den guten Sitten im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 1 MarkenG entspricht, kann demgemäß auch die Qualitätsfunktion der Marke Berücksichtigung finden.

BGH, I ZR 212/17 – Bewässerungsspritze II

BGH, Urteil vom 22. Juli 2021 – I ZR 212/17 – Bewässerungsspritze II

Amtlicher Leitsatz:

Der für die Feststellung maßgebliche Zeitpunkt, ob der in Art. 51 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 genannte ununterbrochene Nichtbenutzungszeitraum von fünf Jahren abgelaufen ist, ist derjenige der Erhebung der Widerklage auf Erklärung des Verfalls (Anschluss an EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – C-607/19, GRUR 2021, 613 = WRP 2021, 325 – Husqvarna).

BGH, X ZR 71/19 – Bediengerät für Spiele

BGH, Urteil vom 3. August 2021 – X ZR 71/19 – Bediengerät für Spiele

Amtliche Leitsätze:

a) Hat der Kläger in der ersten Instanz des Patentnichtigkeitsverfahrens erklärt, dass er den vom Beklagten mit einem Hilfsantrag verteidigten Gegenstand des Streitpatents nicht angreift, ist eine Berufung mit dem Ziel, das Streitpatent in weitergehendem Umfang für nichtig zu erklären, mangels formeller Beschwer unzulässig.

b) Ein solches Rechtsmittel kann in eine Anschlussberufung umgedeutet werden, wenn die für diesen Rechtsbehelf maßgeblichen Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen.

BGH, I ZR 201/20 – ÖKO-TEST III

BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 – I ZR 201/20 – ÖKO-TEST III

Amtliche Leitsätze:

a) Die Verwendung einer bekannten Marke, die ein Testlogo darstellt, zur Bewerbung eines getesteten Produkts mit dem um das Testergebnis und die Fundstelle ergänzten Testlogo stellt eine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der Marke dar, wenn für die getestete Produktgruppe ein neuerer Test mit veränderten Testkriterien vorliegt.

b) Der Markeninhaber kann seinen durch eine Markenverletzung entstandenen Schaden nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen, wenn er in ständiger Lizenzierungspraxis ausschließlich unentgeltliche Lizenzen an der verletzten Marke erteilt.

c) Der Markeninhaber kann seinen durch eine Markenverletzung entstandenen Schaden nach den Grundsätzen der Herausgabe des Verletzergewinns berechnen, auch wenn er seine Marke selbst nicht kommerziell vermarktet.