Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, X ZR 81/19 – Diskontinuierliche Funkverbindung

BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – X ZR 81/19 – Diskontinuierliche Funkverbindung

Amtliche Leitsätze:

ZPO §§ 69, 511, 520

Bei einer streitgenössischen Nebenintervention im Sinne von § 69 ZPO ist die Zulässigkeit der von einer Partei und ihrem Streithelfer eingelegten Rechtsmittel grundsätzlich gesondert zu beurteilen (Bestätigung von BGH, Beschluss vom Oktober 1993 – II ZB 9/93, DtZ 1994, 29; Urteil vom 30. April 2001 II ZR 328/00, NJW 2001, 2638).

EPÜ Art. 54 Abs. 2; PatG § 3 Abs. 1

Ein elektronisches Dokument, das im Internet auf einem ftp-Server vorgehalten wird, ist jedenfalls dann der Öffentlichkeit zugänglich, wenn es über ein Verzeichnis aufgerufen werden kann, das der Öffentlichkeit als Speicherort für fachbezogene Veröffentlichungen bekannt ist und als Informationsquelle zur Verfügung steht.

BGH, I ZB 20/21

BGH, Beschluss vom 23. September 2021 – I ZB 20/21

Amtliche Leitsätze:

a) Wird ein Zeichen allein in der Werbung markenrechtsverletzend genutzt, schließt das nicht von vornherein aus, den Schadensersatzanspruch im Rahmen der Lizenzanalogie auf der Grundlage einer Umsatzlizenz zu berechnen. Die Wahl der Berechnungsgrundlage ist im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO in erster Linie Sache des Tatgerichts.

b) Bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs auf der Basis einer Umsatzlizenz kann eine Lizenzminderung bei einer Markenrechtsverletzung nur in der Werbung nicht damit begründet werden, es werde an einen Umsatz angeknüpft, der nur zu einem geringen Teil auf der Markenrechtsverletzung beruhe (Fortführung von BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 – I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 = WRP 2010, 384 – BTK). Der Umstand, dass die Markenrechtsverletzung sich auf die Werbung beschränkt, kann aber wegen einer möglicherweise Bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs auf der Basis einer Umsatzlizenz kann eine Lizenzminderung bei einer Markenrechtsverletzung nur in der Werbung nicht damit begründet werden, es werde an einen Umsatz angeknüpft, der nur zu einem geringen Teil auf der Markenrechtsverletzung beruhe (Fortführung von BGH, Urteil vom 29. Juli 2009 – I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 = WRP 2010, 384 – BTK). Der Umstand, dass die Markenrechtsverletzung sich auf die Werbung beschränkt, kann aber wegen einer möglicherweise geringeren Intensität der Markenrechtsverletzung lizenzmindernd zu berücksichtigen sein.

BGH, I ZR 137/20 – Kaffeebereiter

BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – I ZR 137/20 – Kaffeebereiter

Amtliche Leitsätze:

a) Der Kläger, der wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz beansprucht, hat zu seinem Produkt und dessen Merkmalen, die seine wettbewerbliche Eigenart begründen, konkret vorzutragen. Hat er diesen Anforderungen genügt, trifft den Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die das Entstehen der an sich gegebenen wettbewerblichen Eigenart hindern oder eine an sich bestehende wettbewerbliche Eigenart schwächen oder entfallen lassen. Danach ist es Sache des Beklagten, zum wettbewerblichen Umfeld des in Rede stehenden Produkts vorzutragen und die Marktbedeutung von Produkten darzulegen, mit denen er die wettbewerbliche Eigenart des nachgeahmten Produkts in Frage stellen will.

b) Bei der Prüfung, ob durch eine Nachahmung eine vermeidbare Herkunftstäuschung hervorgerufen wird, ist auf den Zeitpunkt der Markteinführung der Nachahmung abzustellen. Daraus ergibt sich, dass dieser Zeitpunkt auch für die Prüfung der Frage maßgeblich ist, ob die an sich gegebene wettbewerbliche Eigenart des klägerischen Produkts durch einen Vertrieb unter einem Zweitkennzeichen entfallen ist. Die wettbewerbliche Eigenart muss grundsätzlich im Zeitpunkt des Angebots der Nachahmung auf dem Markt noch bestehen.

BGH, I ZR 113/18 – Deutsche Digitale Bibliothek II

BGH, Urteil vom 9. September 2021 – I ZR 113/18 – Deutsche Digitale Bibliothek II

Amtliche Leitsätze:

a) Die Einbettung eines mit Einwilligung des Rechtsinhabers auf einer frei zugänglichen Internetseite verfügbaren Werks in die Internetseite eines Dritten im Wege des Framing stellt einen Eingriff in das Recht zur öffentlichen Wiedergabe nach § 15 UrhG dar, wenn sie unter Umgehung von Schutzmaßnahmen gegen Framing erfolgt, die der Rechtsinhaber getroffen oder veranlasst hat (Anschluss an EuGH, Urteil vom 9. März 2021 – C-392/19, GRUR 2021, 706 = WRP 2021, 600 – VG Bild-Kunst).

b) Bedingungen einer Nutzungsrechtseinräumung können im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 VGG angemessen sein, wenn sie der Gefahr von Rechtsverletzungen vorbeugen sollen, die nicht durch den zukünftigen Vertragspartner der Verwertungsgesellschaft, sondern durch Drittnutzer begangen werden.

c) Bei der nach § 34 Abs. 1 VGG vorzunehmenden Interessenabwägung ist nicht auf das tatsächlich bestehende Interesse einzelner Urheber abzustellen, sondern auf die typische, auf Rechtswahrung gerichtete Interessenlage der von der Verwertungsgesellschaft treuhänderisch vertretenen Urheberrechtsinhaber.

BGH, I ZR 61/20 – Die Filsbacher

BGH, Urteil vom 6. Mai 2021 – I ZR 61/20 – Die Filsbacher

Amtliche Leitsätze:

a) Ansprüche wegen der Verletzung eines Ausschließlichkeitsrechts setzen nach den allgemeinen Grundsätzen voraus, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem als pflichtwidrig geltend gemachten Verhalten (Tun oder Unterlassen) und der Beeinträchtigung des geschützten Rechts vorliegt. Das Grunderfordernis für die Annahme eines Zurechnungszusammenhangs ist im Rahmen sowohl der vertraglichen als auch der deliktischen Haftung die Verursachung im logisch-naturwissenschaftlichen Sinn. Nach der insoweit anzuwendenden Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Besteht das dem Verletzer vorgeworfene Verhalten in einem Unterlassen, ist zu fragen, ob eine pflichtgemäße Handlung den Eintritt der Rechtsgutsverletzung verhindert hätte.

b) Die Rechtsprechungsgrundsätze, nach denen Handlungen Dritter dem in Anspruch Genommenen als eigene Handlungen zugerechnet werden, wenn er sich diese zu eigen gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 193/18, GRUR 2020, 543 Rn. 16 = WRP 2020, 574 – Kundenbewertungen auf Amazon, mwN), betreffen nicht die zunächst festzustellende Verursachung im logisch-naturwissenschaftlichen Sinne. Betroffen ist vielmehr – ebenso wie bei der Kategorie der Täterschaft und Teilnahme – die der Feststellung der äquivalenten Kausalität nachgelagerte normative Zurechnung, bei der zu fragen ist, nach welchen Kriterien sich die Haftung bestimmt, wenn mehrere Personen einen für die Rechtsverletzung äquivalent kausalen Beitrag geleistet haben.

BGH, I ZB 93/20 – Werknutzer

BGH, Beschluss vom 17. Juni 2021 – I ZB 93/20 – Werknutzer

Amtliche Leitsätze:

a) Werknutzer im Sinne des § 36 Abs. 1 Satz 1 UrhG ist nicht nur der urhebervertragsrechtliche Vertragspartner des Urhebers, sondern auch ein Sendeunternehmen, das sich bei einer Auftragsproduktion vom Produktionsunternehmen die umfassenden Nutzungsrechte an dem hergestellten Werk einräumen lässt.

b) Der in § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG angeordnete Vorrang von Tarifverträgen vor gemeinsamen Vergütungsregeln besteht nur in dem persönlichen, räumlichen, sachlichen und zeitlichen Geltungsbereich der Tarifverträge. Der persönliche Geltungsbereich beschränkt sich bei unterbliebener Allgemeinverbindlicherklärung gemäß § 5 TVG auf das Verhältnis der tarifvertragsschließenden Parteien und ihrer Mitglieder. Für die individualvertragliche Einbeziehung von Tarifverträgen gilt der in § 36 Abs. 1 Satz 3 UrhG geregelte Vorrang nicht.

c) Die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens nach § 36a Abs. 3 UrhG für die Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln nach § 36 Abs. 1 UrhG ist möglich, wenn die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke in Betracht kommt, ohne dass es der Feststellung konkreter Nutzungshandlungen bedarf. Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens setzt ferner nicht voraus, dass Urheber in der betroffenen Produktionsform typischerweise nicht nur untergeordnete urheberrechtliche Leistungen erbringen

BGH, I ZR 119/20 – Lautsprecherfoto

BGH, Urteil vom 27. Mai 2021 – I ZR 119/20 – Lautsprecherfoto

Amtlicher Leitsatz:

Das für die Prüfung der öffentlichen Zugänglichmachung relevante Kriterium „recht viele Personen“ ist nicht erfüllt, wenn ein Produktfoto, dass zunächst von einem Verkäufer urheberrechtsverletzend auf einer Internethandelsplattform im Rahmen seiner Verkaufsanzeige öffentlich zugänglich gemacht worden war, nach Abgabe einer Unterlassungserklärung des Verkäufers nur noch durch die Eingabe einer rund 70 Zeichen umfassenden URL-Adresse im Internet zugänglich war und nach der Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass die URL-Adresse nur von Personen eingegeben wird, die diese Adresse zuvor – als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige des Verkäufers frei zugänglich gewesen war – abgespeichert oder sie sonst in irgendeiner Weise kopiert oder notiert haben, oder denen die Adresse von solchen Personen mitgeteilt worden war.

BGH, X ZR 61/20 – Zündlanze

BGH, Urteil vom 27. Juli 2021 – X ZR 61/20 – Zündlanze

Amtlicher Leitsatz:

Ein Arbeitgeber ist nach einer Mitteilung im Sinne von § 16 Abs. 1 ArbNErfG nur dann zur Übertragung des Rechts an den Arbeitnehmer verpflichtet, wenn dieser ein entsprechendes Verlangen innerhalb der in § 16 Abs. 2 ArbNErfG normierten Frist äußert. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber an seiner Absicht, die Schutzrechtsanmeldung bzw. das Schutzrecht aufzugeben, nicht mehr festhält.

BGH, I ZR 139/20 – Goldhase III

BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 – I ZR 139/20 – Goldhase III

Amtliche Leitsätze:

Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 MarkenG in der seit dem 14. Januar 2019 geltenden Fassung findet keine Anwendung auf Zeichen, die vor diesem Zeitpunkt eingetragen worden sind (§ 4 Nr. 1 MarkenG) oder durch Benutzung als Marke Verkehrsgeltung erworben haben (§ 4 Nr. 2 MarkenG). Einer Marke, die vor dem Inkrafttreten einer Neuregelung – sei es durch Eintragung, sei es durch Benutzung – Schutz erlangt hat, kann dieser Schutz durch eine Neuregelung grundsätzlich nicht
entzogen werden.

Ein Zuordnungsgrad von über 50%, der bei einer abstrakten Farbmarke für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung in den beteiligten Verkehrskreisen gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG im Regelfall ausreicht, genügt erst recht für die Annahme einer Verkehrsgeltung innerhalb beteiligter Verkehrskreise gemäß § 4 Nr. 2 MarkenG.

Der Erwerb von Verkehrsgeltung eines Farbzeichens als Marke setzt nur voraus, dass das Zeichen als Hinweis auf die Herkunft eines Produkts dient und nicht – darüber hinaus – als „Hausfarbe“ für sämtliche oder zahlreiche Produkte des Unternehmens und damit produktlinienübergreifend verwendet wird.

Inhaber der Benutzungsmarke ist derjenige, zu dessen Gunsten die Verkehrsgeltung erworben wurde. Benutzen mehrere Unternehmen eine Kennzeichnung und sehen die beteiligten Verkehrskreise diese Unternehmen als eine wirtschaftliche Einheit oder als Mitglieder eines Konzerns an, kann kraft Verkehrsgeltung die Benutzungsmarke für jedes der Unternehmen entstehen.

BGH, X ZR 58/19 – Führungsschienenanordnung

BGH, Urteil vom 15. Juni 2021 – X ZR 58/19 – Führungsschienenanordnung

Amtlicher Leitsatz:

Wenn ein bestimmtes Mittel als generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel seiner Art nach zum allgemeinen Fachwissen gehört und sich auch in dem konkret zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt, ist eine Anwendung aus fachlicher Sicht nicht allein deshalb untunlich, weil dieses Mittel generell bestimmte Nachteile aufweist oder weil im konkreten Zusammenhang auch andere Ausführungsformen in Betracht kommen (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 11. März 2014 – X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 Rn. 26 – Farbversorgungssystem; Urteil vom 27. März 2018 – X ZR 59/16, GRUR 2018, 716 Rn. 29 – Kinderbett; Beschluss vom 13. Juli 2020 – X ZR 90/18, GRUR 2020, 1074 Rn. 49 – Signalübertragungssystem).