Wie vor Kurzem in diesem Blog thematisiert wurde, wurde der Entwurf der Verordnung zur Schaffung des EU-Patents im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit veröffentlicht. Ebenfalls bereits diskutiert wurde die Übersetzungsproblematik.
Eine Durchsicht des Entwurfs zeigt aber, dass noch ganz andere Schwierigkeiten auf dem Weg zum EU-Patent bestehen könnten. Diese resultieren nach Auffassung des Verfassers dieses Artikels aus dem Bestreben, das EU-Patent ohne Änderung des EPÜ Wirklichkeit werden zu lassen. Dieses Bemühen ist verständlich, damit nicht einzelne Staaten (beispielsweise aus dem mediterranen Raum) bei einer Ratifizierung eines geänderten EPÜ faktisch ein Vetorecht gegen die Verordnung zum EU-Patent ausüben könnten. Jedoch ist fraglich, ob der Vorschlag so gelingen kann.
Nach Auffassung des Verfassers dieses Artikels besteht ein Problem des Entwurfs zur Verordnung darin, dass der Spagat gemacht wird, einerseits ein neues Schutzrecht (das „EP mit einheitlicher Wirkung“, wie das EU-Patent im Entwurf bezeichnet wird) schaffen zu wollen, das sich durch die Einheitlichkeit vom bisherigen EP und somit auch von EPÜ-Vorschriften unterscheidet, andererseits aber das EP mit einheitlicher Wirkung vollständig auf dem EPÜ in seiner jetzigen Form aufzusetzen.
Dass es sich bei dem „EP mit einheitlicher Wirkung“ um ein „Europäisches Patent“ im Sinne des EPÜ handeln soll, ist aus dem gesamten Verordnungsentwurf ersichtlich. So sind nach Art. 3 Ziff. 1 des Entwurfs EU-Patente „Europäisches Patente, die mit identischem Schutzbereich für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten erteilt wurden, … sofern ihre einheitliche Wirkung in dem … Register für den einheitlichen Patentschutz eingetragen wurde“. Auch aus den Erläuterungen zum rechtlichen Ansatz (Ziffer 1.2) wird klar, dass sich der neue Vorschlag – anders als der Vorschlag aus dem Jahr 2000 – auf das bereits bestehende Europäische Patentsystem stützt. Ein EU-Patent ist immer ein EP im Sinne des EPÜ.
Um die Einheitlichkeit des Schutzrechts sicherzustellen, sieht Art. 4 Ziff. 2 des Entwurfs vor, dass die teilnehmenden Mitgliedsstaaten die notwendigen Maßnahmen ergreifen um sicherzustellen, dass am Tag der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des EP im Europäischen Patentblatt die Wirkung eines EPs als nationales Patent als noch nicht eingetreten gelten, wenn die einheitliche Wirkung eingetragen wurde.
Das Dilemma besteht darin, dass diese Verpflichtung EPÜ-Regelungen widerspricht. So gewährt nach Art. 64 Abs.1 EPÜ das EP seinem Inhaber ab dem Tag der Bekanntmachung des Erteilungshinweises (vorbehaltlich der Übersetzungserfordernisse des Art. 64 Abs. 2 EPÜ) dieselben Rechte wie ein nationales Patent. Nach Art. 4 Ziff. 2 des Entwurfs soll durch nationalstaatliche Regelungen sichergestellt werden, dass diese nationalen Wirkungen nicht eintreten. Soll Art. 64 EPÜ einfach dadurch ausgehebelt werden können, dass durch nationales Recht fingiert wird, dass der Hinweis auf die Erteilung eines EPs als nicht veröffentlicht gilt, wenn es sich um ein EP mit einheitlicher Wirkung handelt?
Um die Problematik zusammenzufassen:
– Alle Mitgliedsstaaten, für die das EU-Patent potenziell Geltung haben kann, sind EPÜ-Vertragsstaaten.
– Der Verordnungsentwurf sieht vor, dass das EU-Patent als Europäisches Patent im Sinne des EPÜ erteilt wird. Als einziger – verfahrensrechtlicher – Unterschied erfolgt eine Eintragung der einheitlichen Wirkung in einem separaten Register (Art. 12 Ziff. 1 (b) des Verordnungsentwurfs).
– Obwohl die Mitgliedsstaaten als EPÜ-Vertragsstaaten verpflichtet sind, dem erteilten Patent in ihrem Hoheitsgebiet dieselbe Wirkung zuzuerkennen wie einem nationalen Patent, sollen nach Art. 4 Ziff. 2 des Verordnungsentwurfs die Mitgliedsstaaten durch nationale Regelungen sicherstellen, dass das EP, für das einheitliche Wirkung eingetragen wird, anders behandelt wird als ein EP, für das keine einheitliche Wirkung eingetragen wird.
Es ist dem Verfasser dieses Artikels unklar, wie Art. 4 Ziff. 2 des Verordnungsentwurfs realisiert werden kann, ohne dass die Mitgliedsstaaten gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen aus dem EPÜ (insbesondere Art. 64 Abs. 1 EPÜ) verstoßen müssten.
Möglich erscheint eine Verpflichtung der EU-Mitgliedsstaaten, auf eine entsprechende Änderung des EPÜ hinzuwirken. Dabei würde jedoch wieder das Problem bestehen, dass die Verwirklichung des EU-Patents durch die erforderliche Revision des EPÜ lange verzögert oder durch einzelne Staaten blockiert werden könnte.
Es scheint also auch neben der Übersetzungsproblematik sehr wesentliche Probleme zu geben, die dem EU-Patent noch im Weg stehen.
Nur als Randnotiz sei angemerkt, dass die deutschsprachige Fassung des Entwurfs nur mit Vorsicht zu Rate gezogen werden sollte. So ist beispielsweise Artikel 5 mit „Prioritätsrecht“ überschrieben. Die Regelung bezieht sich aber ganz offensichtlich nicht auf das Prioritätsrecht, sondern auf das Verhältnis zu älteren Rechten (wie dies in der englischsprachigen Fassung zutreffend angegeben ist).