Wieder einmal Einheitspatent

In einem sehr interessanten Artikel in den Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 2012, 54-59 gibt Stjerna einen Überblick über die neueren Entwicklungen in Sachen Einheitspatent. Kern des Artikels ist, dass wegen des politisch motivierten Bestrebens, rasch zu einer Einigung zu kommen, die erforderliche Transparenz des Rechtssetzungsverfahrens auf der Strecke bleibt und berechtigte sachliche Einwände von ausgewiesenen Patentrechtlern nicht angemessen berücksichtigt würden. Stjerna zieht das Fazit, dass all „dies für das in der Sache von allen Seiten befürwortete Projekt Gemeinschaftspatent nebst Gerichtsbarkeit nichts Gutes befürchten“ lasse.

Auch im Vorwort zum aktuellen Kammerrundschreiben 1/12 der Patentanwaltskammer wird der Sachstand der Diskussion um das Patentgerichtssystem umrissen, wobei die Zusammenfassung erahnen lässt, dass der Versuch mehrerer Staaten, einzelstaatliche Partikularinteressen zu wahren und ein „zu deutsches“ Verfahrensrecht (Trennungsprinzip) zu verhindern, wesentliche Fortschritte in der Diskussion erschwert.

Entsprechend zieht der polnische Europaminister das folgende Fazit zu den Bemühungen seines Landes während der polnischen Präsidentschaft: „Another disappointment was Poland’s inability to ink a final agreement on the EU patent. … But … the Polish presidency has „hit a wall“ because of the opposition of „one or two member states“ over the location of the central patent court.“

Begeisterung über ein bald zu einem guten und durchdachten Abschluss kommendes Projekt würde anders klingen.

Kühnen „Handbuch der Patentverletzung“ (5. Auflage, 2011) – Rezension

Die Neuauflage des früher von Kühnen/Geschke herausgegebenen Werks aus dem Jahr 2011 bietet auf mehr als 600 Seiten eine detaillierte und gut strukturierte Darstellung aller wesentlichen Aspekte des Patentverletzungsprozesses. Die Verweise auf die einschlägige Rechtsprechung sind so aktualisiert, dass auch jüngere Entscheidungen berücksichtigt werden. Naturgemäß wurden viele der instanzgerichtlichen Entscheidungen, auf die Bezug genommen wird, vom LG Düsseldorf oder OLG Düsseldorf getroffen, wobei jedoch auch die Rechtsprechung der anderen „wichtigen“ Patentstreitorte ausführlichen Niederschlag findet.

Auch für Patentanwälte ist der Gang der Darstellung gut nachvollziehbar, und verfahrensrechtliche Aspekte werden so detailliert erläutert, dass das Handbuch auch von einem Leser mit Grundkenntnissen des Zivilverfahrensrechts sinnvoll genutzt werden kann. Nutzbringend sind die vielen Formulierungsbeispiele, die das Handbuch enthält. Noch viel wertvoller sind mir aber die zahlreichen Praxistipps erschienen, mit denen der Autor Querverbindungen herstellt, die dem Praktiker, der nicht täglich mit Verletzungsverfahren befasst ist, wohl nicht ohne Weiteres ersichtlich wären (beispielsweise die Folgen, die eine Änderung der festgesetzten Sicherheitsleistung auf das Kostenrisiko haben kann, wie in Rz. 1765 diskutiert).

Bei zahlreichen Problemfeldern, bei denen die Rechtsprechung und verfahrensrechtliche Praxis aus dem Senat, dessen Vorsitzender der Herausgeber des Handbuchs ist, von der Auffassung der Revisionsinstanz abweicht oder in der Literatur nicht durchweg geteilt wird, setzt sich der Herausgeber pointiert mit den abweichenden Auffassungen auseinander. Dies gilt beispielsweise für die Abzugsfähigkeit von Kostenpositionen bei der Herausgabe des Verletzergewinns (Rz. 1988-1989 unter Verweis auf BGH Steckverbindergehäuse).

Der Leser sollte sich natürlich dessen bewusst sein, dass nicht alle im Handbuch vertretenen Auffassungen in der Literatur und/oder von der Revisionsinstanz durchgängig geteilt werden. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Frage, wo die Grenze zwischen Zulässigkeit von funktionsbezogener Anspruchsauslegung und strukturellen Anspruchsmerkmalen zu ziehen ist. Die Entscheidung in der Sache „Okklusionsvorrichtung“, die im Handbuch beispielhaft für eine funktionsbezogene Anspruchsauslegung diskutiert wird (Rz. 17), wurde bekanntlich in der Literatur heftig kritisiert (Mitt. 2010, 507). Auch der BGH hat klargestellt, dass eine funktionsbezogene Auslegung an strukturellen Anspruchsmerkmalen ihre Grenze finden kann (BGH Mitt. 2011, 355 – Okklusionsvorrichtung). Ein weiteres Beispiel für in dem Handbuch vertretene Auffassungen, die in der Literatur nicht durchgängig geteilt werden, betrifft die Frage, inwieweit das Vorbenutzungsrecht der Hersteller auch zugunsten von Abnehmern des Herstellers wirken kann (bei der die Kommentierung in Benkard von der in Rz. 1321 des Handbuchs vertretenen Auffassung abweicht und wohl eine differenzierte Betrachtung abhängig vom Charakter des patentierten Gegenstands angezeigt sein dürfte).

Dessen ungeachtet weist das Handbuch in seiner Ausführlichkeit einen Tiefgang der Diskussion auf, der beeindruckend ist. Beispielhaft sei auf die Diskussion der – in der Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht geklärten – Frage verwiesen, wann der Fristlauf für die Erhebung der Restitutionsklage beginnt, wenn ein Widerruf im Einspruchs(beschwerde)verfahren vor dem EPA erfolgt (Rz. 1673-1682). Praktische Aspekte, beispielsweise betreffend die an eine ordnungsgemäße Rechnungslegung zu stellenden Anforderungen (Rz. 1846-1892), kommen dabei aber dennoch nicht zu kurz.

Für Nachauflagen wünschenswert wäre allenfalls noch eine Erweiterung, die auch Vindikationsprozesse vollständiger abdeckt. Aspekte der (Mit-)Erfinderschaft finden in der 5. Auflage nur kurz und etwas unvermittelt auf Seiten 638-641 im Hinblick auf den Sachverständigenbeweis Erwähnung.

BGH, I ZB 98/10 – akustilon: Löschung der Marke durch das Patentamt wegen Verfalls

BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – I ZB 98/10 – akustilon

Amtlicher Leitsatz:

Das Verfahren nach § 53 MarkenG ist auf die formelle Prüfung beschränkt, ob der Inhaber der eingetragenen Marke der Löschung rechtzeitig widersprochen hat. Wird mit dem Antrag nach § 53 Abs. 1 MarkenG geltend gemacht, der Inhaber der Marke erfülle nicht mehr die in § 7 MarkenG genannten Voraussetzungen, und hat der im Register eingetragene Markeninhaber Widerspruch erhoben, hat das Deutsche Patent- und Markenamt im Verfahren nach § 53 MarkenG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 MarkenG nicht zu prüfen.

Aus der Urteilsbegründung:

Das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nach § 53 MarkenG ist ein dem Klageverfahren nach § 55 MarkenG vorgeschaltetes, fakultatives Registerverfahren, in dem keine Entscheidung über die Löschungsreife der Marke wegen Verfalls ergeht. Die materiell-rechtliche Prüfung, ob die Marke gemäß § 49 MarkenG verfallen ist, ist vielmehr dem Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten vorbehalten (vgl. Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 53 Rn. 7).

Das Verfahren dient ebenso wie das Löschungsverfahren nach der Vorschrift des § 11 Abs. 4 WZG, die Vorbild für die Bestimmung des § 53 MarkenG war (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BTDrucks. 12/6581, S. 97) der Klärung der einfach zu beantwortenden Frage, ob das Vorliegen eines Verfallsgrundes unstreitig und ein Klageverfahren entbehrlich ist (vgl. zum Warenzeichengesetz Busse/Starck, Warenzeichengesetz, 6. Aufl., § 11 Rn. 35; zum Markengesetz v. Gamm in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 53 MarkenG Rn. 1; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 53 Rn. 1).

BGH, I ZR 229/10 – Überregionale Klagebefugnis

BGH, Urteil vom 22. September 2011 – I ZR 229/10 – Überregionale Klagebefugnis

Amtliche Leitsätze:

a) Der Umstand, dass das Prozessgericht bei begründeten Zweifeln am (Fort)Bestehen der Eintragungsvoraussetzungen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, § 4 Abs. 4 UKlaG lediglich das Verfahren aussetzen kann, lässt die Notwendigkeit der Prüfung unberührt, ob die Prozessführung im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck des klagenden Verbandes umfasst ist.

b) Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist nicht daran gehindert, auch Wettbewerbsverstöße außerhalb Nordrhein-Westfalens zu verfolgen.

BGH, I ZR 6/10 – Echtheitszertifikat: Ausnahme vom Erschöpfungsgrundsatz

BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 – I ZR 6/10 – Echtheitszertifikat

Bringt ein Wiederverkäufer mit der Marke des Softwareherstellers versehene Sicherungs-CDs eines Computerprogramms in den Verkehr, die er mit Echtheitszertifikaten des Herstellers versehen hat, die zuvor nicht auf den CDs, sondern auf Computern angebracht waren, kann sich der Softwarehersteller dem Vertrieb der Datenträger aus berechtigten Gründen im Sinne von § 24 Abs. 2 MarkenG widersetzen.

BGH, I ZB 23/11 – Simca: rechtliches Gehör, bösgläubige Markenanmeldung

BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2011 – I ZB 23/11 – Simca

Das rechtliche Gehör des Antragstellers eines Löschungsverfahrens nach § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1 MarkenG [-> Bösgläubige Markenanmeldung] ist nicht schon dann verletzt, wenn das Bundespatentgericht nicht ausdrücklich auf sämtliche Indizien eingeht, die für eine Markenanmeldung zu Spekulationszwecken geltend gemacht worden sind.

BGH, I ZB 70/10 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.

BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – I ZB 70/10 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.

Amtliche Leitsätze:

a) Für das Vorliegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt es nicht darauf an, ob der Anmelder bereits über ein Namens- oder Kennzeichenrecht verfügt, mit dem er Dritte von der Verwendung einer der Marke entsprechenden Angabe im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausschließen kann.

b) Die Bezeichnung „Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.“ ist unter anderem für die Waren und Dienstleistungen „Druckereierzeugnisse, betriebswirtschaftliche Beratung, Marketing und finanzielle Beratung“ freihaltebedürftig.

Rechtliche Anlaufschwierigkeiten bei Mailbox-Zustellung des EPA?

Mit dem Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 13. Dezember 2011 über die Zustellung durch technische Einrichtungen zur Nachrichtenübermittlung in ausgewählten Verfahren vor dem EPA hat der Präsident die Zustellung durch Übermittlung einer elektronischen Benachrichtigung an die Mailbox eines zugelassenen Vertreters nach R. 127 EPÜ als zulässige Zustellungsart festgelegt. Vorerst erfolgt eine Erprobungsphase. Die Teilnahme ist freiwillig. Der zugelassene Vertreter muss – ähnlich wie beim HABM – mitteilen, dass er in der Erprobungsphase mit der Zustellung an die Mailbox einverstanden ist.

Doch schon im Ansatz – nämlich im Beschluss des Präsidenten selbst – scheinen Unwägbarkeiten zu lauern. So soll in Art. 4(2) des Beschlusses eine Zustellfiktion ähnlich zu R. 126(2) EPÜ definiert werden. Leider gibt es eine wesentliche Diskrepanz zwischen dem Wortlaut des Art. 4(2) des Beschlusses und der R. 126 (2) EPÜ.

Für Zustellung durch technische Einrichtungen gilt die Zustellung „spätestens mit dem zehnten Tag nach Übermittlung der elektronischen Benachrichtigung an die Mailbox als bewirkt, es sei denn …“ (englische Fassung: „Notification is deemed to have been effected at the latest on the tenth day after transmission of the electronic communication to the Mailbox, unless …“). Der problematische Unterschied zu R. 126 (2) EPÜ liegt in dem „spätestens“ – (vgl. R. 126 (2) EPÜ: „Bei der Zustellung mittels eingeschriebenen Briefs mit oder ohne Rückschein gilt dieser mit dem zehnten Tag nach der Abgabe zur Post als zugestellt, es sei denn …“ bzw. „such letter shall be deemed to be delivered to the addressee on the tenth day following its posting, unless it has failed to reach the addressee or has reached him at a later date“).

Was soll Art. 4(2) des Beschlusses aber bedeuten? Kann die Zustellung durch technische Einrichtungen (d.h. an die Mailbox) auch an einem früheren Tag als mit dem zehnten Tag als bewirkt gelten, beispielsweise wenn die entsprechende elektronische Benachrichtigung vor diesem Tag abgerufen wurde? Der Beschluss des Präsidenten gibt hierzu keine Auskunft. Bis zu einer Klarstellung durch das EPA bestehen vorerst Unsicherheiten, die aus den Formulierungsunterschieden zu R. 126(2) EPÜ resultieren.

Internationale Zuständigkeit – Konnexität bei Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums

Der EuGH hat sich in der Rechtssache C-145/10 – Painer, Urteil v. 1.12.2011 damit befasst, inwieweit der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art. 6 Nr. 1 EuGVO auch dann eröffnet sein kann, wenn die Verletzung von (Urheber-)Rechten durch mehrere Beklagte in mehreren Mitgliedsstaaten im Streit steht. Das Urteil dürfte auch für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes von Relevanz sein.

In Rz. 80-82 der Painer-Entscheidung wird ausgeführt:

„Bei der Beurteilung, ob zwischen verschiedenen Klagen ein Zusammenhang gegeben ist, ob also in getrennten Verfahren die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestünde, ist der Umstand, dass die erhobenen Klagen auf derselben Rechtsgrundlage beruhen, nur einer von mehreren erheblichen Faktoren. Er ist keine unabdingbare Voraussetzung für eine Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 …

Dass gegen mehrere Beklagte erhobene Klagen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, steht daher als solches der Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht entgegen, sofern für die Beklagten nur vorhersehbar war, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem mindestens einer von ihnen seinen Wohnsitz hatte, verklagt werden könnten …

Dies gilt erst recht, wenn sich, wie im Ausgangsrechtsstreit, die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt sind, dem vorlegenden Gericht zufolge als in den Grundzügen identisch erweisen.“

Anmerkungen hierzu:

1. Die Begründung der Painer-Entscheidung steht in gewissem Gegensatz zur Urteilsbegründung der der Roche/Primus Entscheidung (EuGH C-539/03, Urteil v. 13.7.2006 – Roche/Primus). Dort wurde in Rz. 31-32 noch ausgeführt: „Folglich läge, wenn bei mehreren Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen Verletzung eines in jedem dieser Staaten erteilten europäischen Patents gegen Personen, die ihren Wohnsitz in diesen Staaten haben, aufgrund von dort angeblich begangenen Handlungen erhoben werden, etwaigen Abweichungen zwischen den Entscheidungen dieser Gerichte nicht dieselbe Rechtslage zugrunde. Etwaige abweichende Entscheidungen können folglich nicht als einander widersprechend qualifiziert werden.“

Hierbei scheint – wie Rz. 29 und 30 der Roche/Primus-Entscheidung nahelegen – für das Vorliegen einer „unterschiedlichen Rechtslage“ im Sinne der Roche/Primus-Entscheidung schon ausgereicht zu haben, dass unterschiedliche nationale Rechtsgrundlagen zur Anwendung kommen, ohne dass ermittelt wurde, ob sich diese „als in den Grundzügen identisch erweisen“. Im Lichte der Painer-Entscheidung würde dies allein aber wohl nicht (mehr) für die Verneinung der Konnexität ausreichen.

2. Angesichts der fortschreitenden Harmonisierung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, dürften Fälle, in denen sich „die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt sind, … als in den Grundzügen identisch erweisen“, zunehmend häufig anzutreffen sein. Dies gilt für die Verletzung von Gemeinschaftsschutzrechten, aber möglicherweise auch dann, wenn für einen Schutzrechtsinhaber identische Marken oder Geschmacksmuster in mehreren Mitgliedsstaaten eingetragen sind.

3. Mit der Painer-Entscheidung voll in Einklang steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGH I ZR 11/04, Urteil vom 14.12.2006 – Aufarbeitung von Fahrzeugkomponenten (veröffentlicht in GRUR 2007, 705). Dort wurde – trotz der erst kurz zuvor ergangenen Roche/Primus-Entscheidung – für die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten eine Konnexität i.S.v. Art. 6 Nr. 1 EuGVO bejaht. Begründet wurde dies wie folgt (Rz. 18): „Der Bejahung von Konnexität im Streitfall steht deren Verneinung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Falle der Verletzung des europäischen Patents nicht entgegen … Das europäische Patent stellt ein Bündel nationaler Schutzrechte dar, die in jedem Vertragsstaat, für den sie er-teilt worden sind, dieselbe Wirkung haben und denselben Vorschriften unterliegen wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. In einer solchen Situation besteht eine geringere Gefahr sich widersprechender Entscheidungen als im Falle der – hier in Rede stehenden – Verletzung eines einheitlichen Gemeinschaftsschutzrechts“. Dies wird im Lichte der Painer-Entscheidung verstärkt gelten müssen, soweit die Vorschriften für das entsprechende Schutzrecht bereits auf europäischer Ebene harmonisiert wurden und sich die nationalen Regelungen entsprechend als „in Grundzügen identisch“ darstellen.

„Against Intellectual Monopoly“ – Rezension

Das Buch „Against Intellectual Monopoly“ von M. Boldrin und D. K. Levine (Cambridge University Press 2008; auch abrufbar von der Website des Autors) wird von patentkritischen Kreisen hoch geschätzt (siehe etwa http://www.againstmonopoly.org/).

Der Titel ist Programm. Auf fast 280 Seiten legen die Autoren dar, warum urheberrechtliche und patentrechtliche Monopole – jedenfalls mit den derzeitigen maximalen Schutzdauern – schädlich sind.

Die folgenden Kommentare beziehen sich nur auf die Teile des Buchs, die sich (der Abschaffung von) Patentrechten widmen.

Ein signifikantes Problem des Buchs besteht nach meiner Auffassung darin, dass die Darstellung tendenziös ist. Es sollen Vorurteile gegen Patente vertieft werden, ohne dass man dabei der Rechtslage und der jeweiligen Technik Rechnung trägt. Einige Beispiele:
– Mehrere historische Beispiele von U-Boot-Patenten werden ausführlich diskutiert, um Missbrauch des Patentsystems zu illustrieren (Seiten 84-87). Dass dieses Problem sich aus früheren Regelungen spezifisch im US-System ergab, wird dabei nur kurz erwähnt. Dass durch die Berechnung der Laufzeit ab Anmeldetag auch in den US (durch gesetzliche Regelungen lang vor dem Erscheinungsjahr des Buchs) das Problem auch in den USA entschärft wurde, verkommt zur Randnotiz.
– Es wird unterstellt, Patentinhaber würden durch Patentierung von weithin bekannten Technologien ungerechtfertigt Monopole schaffen. Als Beleg wird beispielsweise im Zusammenhang mit US 6,219,045 auf eine Pressemitteilung der Rechtsinhaberin verwiesen (Seite 91). Auch ohne jede Auseinandersetzung mit der Technologie der US 6,219,045 ist festzuhalten, dass es natürlich gerechtfertigt sein kann, jemandem ein Patent für etwas zu erteilen, was zwar im Zeitpunkt der Patenterteilung schon weithin verwendet wird, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Anmelde- oder Prioritätstags aber neu und erfinderisch war. Dies scheinen die Autoren entweder nicht verstanden oder aber bewusst nicht erläutert zu haben.
– Patente werden lächerlich gemacht, wobei wieder einmal Amazon’s one-click-Patent zur Erläuterung herhalten muss (Seiten 168-169). Die Autoren kritisieren unter Zitierung eines abstrakt gehaltenen Absatzes aus der Beschreibung, dass dieser Absatz – für die Autoren als Wirtschaftswissenschaftler – keine hinreichend konkrete Beschreibung der Implementierung geben würde. Ich bezweifle, dass ein Informatiker (als Adressat des Patents) diese Auffassung im Licht der gesamten Beschreibung (als maßgebliche Offenbarung) teilen würde.
– Im abschließenden Kapitel, in dem die Autoren Lösungsmöglichkeiten vorschlagen, wird die „reintroduc[e]tion [of] renewal fees“ angeregt (Seite 251). Ein Kommentar verbietet sich hier schon fast. Im selben Kapitel schlagen die Autoren auch vor, staatlich verliehene Monopolrechte durch Privatverträge zu ersetzen. Man fragt sich, welcher Wettbewerber, der ein staatlich verliehenes Monopolrecht nicht respektiert, einen solchen Vertrag abschließen oder einhalten würde.

Die tendenziöse Darstellung ist deswegen bedauerlich, da sie auch einen Schatten auf die für mich interessantesten Passagen des Buchs wirft: Die Befassung mit der Frage, ob aus (gesamt-)wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Verleihung von Patentrechten gerechtfertigt ist.

Die Autoren führen starke Indizien dafür an, dass bei einer Gesamtbetrachtung die „sozialen Kosten“ des Patents so hoch sind, dass sie wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind. Soweit ich – ohne wirtschaftliche Kenntnisse – diese Aussagen verstehen kann, ist damit wohl gemeint, dass die Kosten, die für Abnehmer und Wettbewerber durch das Monopolrecht entstehen, größer sind als die wirtschaftlichen Vorteile, die für den Patentinhaber resultieren, und die Vorteile, die die Gesellschaft aus der Veröffentlichung der neuen technischen Lehre hat.

In diesem Sinn führt jedoch jede Art von Privateigentum zu „sozialen Kosten“. Da ich einen eigenen Fernseher habe und eine Tür an meiner Wohnung, die verhindert, dass mein Nachbar meinen Fernseher benutzt, muss sich auch mein Nachbar einen Fernseher anschaffen. Die Autoren erkennen auch an, dass jede Art von Privateigentum gesellschaftliche Kosten verursacht. Im Unterschied zu Patentrechten würde jedoch ein Eigentum an Sachen ein positives Recht zur Benutzung verleihen, nicht ein Ausschließungsrecht darstellen. Dieses Argument finde ich nicht ganz nachvollziehbar, da auch der Gebrauch von Sacheigentum dort seine Grenzen findet, wo Rechte anderer berührt werden. Wenn ich mit meinem Rasenmäher das Blumenbeet meiner Nachbarin mähe, berühre ich ihre Rechte (ähnlich wie der Patentverletzer, der in das Monopolrecht des Patentinhabers eingreift), auch wenn der Rasenmäher mir gehört.

Ein letzter Punkt: Auch wenn die Frage nach gesamtwirtschaftlichen Kosten von Monopolrechten sicher wichtig und zu berücksichtigen ist, wenn es um Sinn oder Unsinn von Patentrechten geht, kann dies nicht der einzig maßgebliche Punkt sein. Erfinder sind stolz auf ihre Entwicklungsleistungen. Sie sehen Patente oder schon das Anstoßen eines Patenterteilungsverfahrens als Auszeichnung ihrer Tätigkeit an. Dies weiß ich aus meiner Tätigkeit. Unternehmer und Unternehmen sind stolz auf die Entwicklungstätigkeit und den Erfindungsreichtum ihrer Mitarbeiter. Es gibt nicht nur die Patent-Trolle und großen Monopolisten, die in dem Buch ausführlich beschrieben werden, sondern auch die innovativen Mittelständler. Und zum Gebiet des Patentrechts gehört eben nicht nur der vermögensrechtliche Teil (Ausschließungsrecht) des Monopolrechts, sondern auch das Erfinderpersönlichkeitsrecht. Solche Aspekte haben zwar vielleicht in der rein wirtschaftlichen Betrachtung von Boldrin und Levine keinen Platz, sollten aber nicht vergessen werden, wenn Sinn oder Unsinn von Patenten diskutiert wird.