BGH, I ZB 70/10 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.

BGH, Beschluss vom 17. August 2011 – I ZB 70/10 – Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.

Amtliche Leitsätze:

a) Für das Vorliegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG kommt es nicht darauf an, ob der Anmelder bereits über ein Namens- oder Kennzeichenrecht verfügt, mit dem er Dritte von der Verwendung einer der Marke entsprechenden Angabe im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen ausschließen kann.

b) Die Bezeichnung „Institut der Norddeutschen Wirtschaft e.V.“ ist unter anderem für die Waren und Dienstleistungen „Druckereierzeugnisse, betriebswirtschaftliche Beratung, Marketing und finanzielle Beratung“ freihaltebedürftig.

Rechtliche Anlaufschwierigkeiten bei Mailbox-Zustellung des EPA?

Mit dem Beschluss des Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 13. Dezember 2011 über die Zustellung durch technische Einrichtungen zur Nachrichtenübermittlung in ausgewählten Verfahren vor dem EPA hat der Präsident die Zustellung durch Übermittlung einer elektronischen Benachrichtigung an die Mailbox eines zugelassenen Vertreters nach R. 127 EPÜ als zulässige Zustellungsart festgelegt. Vorerst erfolgt eine Erprobungsphase. Die Teilnahme ist freiwillig. Der zugelassene Vertreter muss – ähnlich wie beim HABM – mitteilen, dass er in der Erprobungsphase mit der Zustellung an die Mailbox einverstanden ist.

Doch schon im Ansatz – nämlich im Beschluss des Präsidenten selbst – scheinen Unwägbarkeiten zu lauern. So soll in Art. 4(2) des Beschlusses eine Zustellfiktion ähnlich zu R. 126(2) EPÜ definiert werden. Leider gibt es eine wesentliche Diskrepanz zwischen dem Wortlaut des Art. 4(2) des Beschlusses und der R. 126 (2) EPÜ.

Für Zustellung durch technische Einrichtungen gilt die Zustellung „spätestens mit dem zehnten Tag nach Übermittlung der elektronischen Benachrichtigung an die Mailbox als bewirkt, es sei denn …“ (englische Fassung: „Notification is deemed to have been effected at the latest on the tenth day after transmission of the electronic communication to the Mailbox, unless …“). Der problematische Unterschied zu R. 126 (2) EPÜ liegt in dem „spätestens“ – (vgl. R. 126 (2) EPÜ: „Bei der Zustellung mittels eingeschriebenen Briefs mit oder ohne Rückschein gilt dieser mit dem zehnten Tag nach der Abgabe zur Post als zugestellt, es sei denn …“ bzw. „such letter shall be deemed to be delivered to the addressee on the tenth day following its posting, unless it has failed to reach the addressee or has reached him at a later date“).

Was soll Art. 4(2) des Beschlusses aber bedeuten? Kann die Zustellung durch technische Einrichtungen (d.h. an die Mailbox) auch an einem früheren Tag als mit dem zehnten Tag als bewirkt gelten, beispielsweise wenn die entsprechende elektronische Benachrichtigung vor diesem Tag abgerufen wurde? Der Beschluss des Präsidenten gibt hierzu keine Auskunft. Bis zu einer Klarstellung durch das EPA bestehen vorerst Unsicherheiten, die aus den Formulierungsunterschieden zu R. 126(2) EPÜ resultieren.

Internationale Zuständigkeit – Konnexität bei Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums

Der EuGH hat sich in der Rechtssache C-145/10 – Painer, Urteil v. 1.12.2011 damit befasst, inwieweit der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art. 6 Nr. 1 EuGVO auch dann eröffnet sein kann, wenn die Verletzung von (Urheber-)Rechten durch mehrere Beklagte in mehreren Mitgliedsstaaten im Streit steht. Das Urteil dürfte auch für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes von Relevanz sein.

In Rz. 80-82 der Painer-Entscheidung wird ausgeführt:

„Bei der Beurteilung, ob zwischen verschiedenen Klagen ein Zusammenhang gegeben ist, ob also in getrennten Verfahren die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestünde, ist der Umstand, dass die erhobenen Klagen auf derselben Rechtsgrundlage beruhen, nur einer von mehreren erheblichen Faktoren. Er ist keine unabdingbare Voraussetzung für eine Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 …

Dass gegen mehrere Beklagte erhobene Klagen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, steht daher als solches der Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht entgegen, sofern für die Beklagten nur vorhersehbar war, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem mindestens einer von ihnen seinen Wohnsitz hatte, verklagt werden könnten …

Dies gilt erst recht, wenn sich, wie im Ausgangsrechtsstreit, die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt sind, dem vorlegenden Gericht zufolge als in den Grundzügen identisch erweisen.“

Anmerkungen hierzu:

1. Die Begründung der Painer-Entscheidung steht in gewissem Gegensatz zur Urteilsbegründung der der Roche/Primus Entscheidung (EuGH C-539/03, Urteil v. 13.7.2006 – Roche/Primus). Dort wurde in Rz. 31-32 noch ausgeführt: „Folglich läge, wenn bei mehreren Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen Verletzung eines in jedem dieser Staaten erteilten europäischen Patents gegen Personen, die ihren Wohnsitz in diesen Staaten haben, aufgrund von dort angeblich begangenen Handlungen erhoben werden, etwaigen Abweichungen zwischen den Entscheidungen dieser Gerichte nicht dieselbe Rechtslage zugrunde. Etwaige abweichende Entscheidungen können folglich nicht als einander widersprechend qualifiziert werden.“

Hierbei scheint – wie Rz. 29 und 30 der Roche/Primus-Entscheidung nahelegen – für das Vorliegen einer „unterschiedlichen Rechtslage“ im Sinne der Roche/Primus-Entscheidung schon ausgereicht zu haben, dass unterschiedliche nationale Rechtsgrundlagen zur Anwendung kommen, ohne dass ermittelt wurde, ob sich diese „als in den Grundzügen identisch erweisen“. Im Lichte der Painer-Entscheidung würde dies allein aber wohl nicht (mehr) für die Verneinung der Konnexität ausreichen.

2. Angesichts der fortschreitenden Harmonisierung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, dürften Fälle, in denen sich „die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt sind, … als in den Grundzügen identisch erweisen“, zunehmend häufig anzutreffen sein. Dies gilt für die Verletzung von Gemeinschaftsschutzrechten, aber möglicherweise auch dann, wenn für einen Schutzrechtsinhaber identische Marken oder Geschmacksmuster in mehreren Mitgliedsstaaten eingetragen sind.

3. Mit der Painer-Entscheidung voll in Einklang steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGH I ZR 11/04, Urteil vom 14.12.2006 – Aufarbeitung von Fahrzeugkomponenten (veröffentlicht in GRUR 2007, 705). Dort wurde – trotz der erst kurz zuvor ergangenen Roche/Primus-Entscheidung – für die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten eine Konnexität i.S.v. Art. 6 Nr. 1 EuGVO bejaht. Begründet wurde dies wie folgt (Rz. 18): „Der Bejahung von Konnexität im Streitfall steht deren Verneinung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Falle der Verletzung des europäischen Patents nicht entgegen … Das europäische Patent stellt ein Bündel nationaler Schutzrechte dar, die in jedem Vertragsstaat, für den sie er-teilt worden sind, dieselbe Wirkung haben und denselben Vorschriften unterliegen wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. In einer solchen Situation besteht eine geringere Gefahr sich widersprechender Entscheidungen als im Falle der – hier in Rede stehenden – Verletzung eines einheitlichen Gemeinschaftsschutzrechts“. Dies wird im Lichte der Painer-Entscheidung verstärkt gelten müssen, soweit die Vorschriften für das entsprechende Schutzrecht bereits auf europäischer Ebene harmonisiert wurden und sich die nationalen Regelungen entsprechend als „in Grundzügen identisch“ darstellen.

„Against Intellectual Monopoly“ – Rezension

Das Buch „Against Intellectual Monopoly“ von M. Boldrin und D. K. Levine (Cambridge University Press 2008; auch abrufbar von der Website des Autors) wird von patentkritischen Kreisen hoch geschätzt (siehe etwa http://www.againstmonopoly.org/).

Der Titel ist Programm. Auf fast 280 Seiten legen die Autoren dar, warum urheberrechtliche und patentrechtliche Monopole – jedenfalls mit den derzeitigen maximalen Schutzdauern – schädlich sind.

Die folgenden Kommentare beziehen sich nur auf die Teile des Buchs, die sich (der Abschaffung von) Patentrechten widmen.

Ein signifikantes Problem des Buchs besteht nach meiner Auffassung darin, dass die Darstellung tendenziös ist. Es sollen Vorurteile gegen Patente vertieft werden, ohne dass man dabei der Rechtslage und der jeweiligen Technik Rechnung trägt. Einige Beispiele:
– Mehrere historische Beispiele von U-Boot-Patenten werden ausführlich diskutiert, um Missbrauch des Patentsystems zu illustrieren (Seiten 84-87). Dass dieses Problem sich aus früheren Regelungen spezifisch im US-System ergab, wird dabei nur kurz erwähnt. Dass durch die Berechnung der Laufzeit ab Anmeldetag auch in den US (durch gesetzliche Regelungen lang vor dem Erscheinungsjahr des Buchs) das Problem auch in den USA entschärft wurde, verkommt zur Randnotiz.
– Es wird unterstellt, Patentinhaber würden durch Patentierung von weithin bekannten Technologien ungerechtfertigt Monopole schaffen. Als Beleg wird beispielsweise im Zusammenhang mit US 6,219,045 auf eine Pressemitteilung der Rechtsinhaberin verwiesen (Seite 91). Auch ohne jede Auseinandersetzung mit der Technologie der US 6,219,045 ist festzuhalten, dass es natürlich gerechtfertigt sein kann, jemandem ein Patent für etwas zu erteilen, was zwar im Zeitpunkt der Patenterteilung schon weithin verwendet wird, zum maßgeblichen Zeitpunkt des Anmelde- oder Prioritätstags aber neu und erfinderisch war. Dies scheinen die Autoren entweder nicht verstanden oder aber bewusst nicht erläutert zu haben.
– Patente werden lächerlich gemacht, wobei wieder einmal Amazon’s one-click-Patent zur Erläuterung herhalten muss (Seiten 168-169). Die Autoren kritisieren unter Zitierung eines abstrakt gehaltenen Absatzes aus der Beschreibung, dass dieser Absatz – für die Autoren als Wirtschaftswissenschaftler – keine hinreichend konkrete Beschreibung der Implementierung geben würde. Ich bezweifle, dass ein Informatiker (als Adressat des Patents) diese Auffassung im Licht der gesamten Beschreibung (als maßgebliche Offenbarung) teilen würde.
– Im abschließenden Kapitel, in dem die Autoren Lösungsmöglichkeiten vorschlagen, wird die „reintroduc[e]tion [of] renewal fees“ angeregt (Seite 251). Ein Kommentar verbietet sich hier schon fast. Im selben Kapitel schlagen die Autoren auch vor, staatlich verliehene Monopolrechte durch Privatverträge zu ersetzen. Man fragt sich, welcher Wettbewerber, der ein staatlich verliehenes Monopolrecht nicht respektiert, einen solchen Vertrag abschließen oder einhalten würde.

Die tendenziöse Darstellung ist deswegen bedauerlich, da sie auch einen Schatten auf die für mich interessantesten Passagen des Buchs wirft: Die Befassung mit der Frage, ob aus (gesamt-)wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Verleihung von Patentrechten gerechtfertigt ist.

Die Autoren führen starke Indizien dafür an, dass bei einer Gesamtbetrachtung die „sozialen Kosten“ des Patents so hoch sind, dass sie wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind. Soweit ich – ohne wirtschaftliche Kenntnisse – diese Aussagen verstehen kann, ist damit wohl gemeint, dass die Kosten, die für Abnehmer und Wettbewerber durch das Monopolrecht entstehen, größer sind als die wirtschaftlichen Vorteile, die für den Patentinhaber resultieren, und die Vorteile, die die Gesellschaft aus der Veröffentlichung der neuen technischen Lehre hat.

In diesem Sinn führt jedoch jede Art von Privateigentum zu „sozialen Kosten“. Da ich einen eigenen Fernseher habe und eine Tür an meiner Wohnung, die verhindert, dass mein Nachbar meinen Fernseher benutzt, muss sich auch mein Nachbar einen Fernseher anschaffen. Die Autoren erkennen auch an, dass jede Art von Privateigentum gesellschaftliche Kosten verursacht. Im Unterschied zu Patentrechten würde jedoch ein Eigentum an Sachen ein positives Recht zur Benutzung verleihen, nicht ein Ausschließungsrecht darstellen. Dieses Argument finde ich nicht ganz nachvollziehbar, da auch der Gebrauch von Sacheigentum dort seine Grenzen findet, wo Rechte anderer berührt werden. Wenn ich mit meinem Rasenmäher das Blumenbeet meiner Nachbarin mähe, berühre ich ihre Rechte (ähnlich wie der Patentverletzer, der in das Monopolrecht des Patentinhabers eingreift), auch wenn der Rasenmäher mir gehört.

Ein letzter Punkt: Auch wenn die Frage nach gesamtwirtschaftlichen Kosten von Monopolrechten sicher wichtig und zu berücksichtigen ist, wenn es um Sinn oder Unsinn von Patentrechten geht, kann dies nicht der einzig maßgebliche Punkt sein. Erfinder sind stolz auf ihre Entwicklungsleistungen. Sie sehen Patente oder schon das Anstoßen eines Patenterteilungsverfahrens als Auszeichnung ihrer Tätigkeit an. Dies weiß ich aus meiner Tätigkeit. Unternehmer und Unternehmen sind stolz auf die Entwicklungstätigkeit und den Erfindungsreichtum ihrer Mitarbeiter. Es gibt nicht nur die Patent-Trolle und großen Monopolisten, die in dem Buch ausführlich beschrieben werden, sondern auch die innovativen Mittelständler. Und zum Gebiet des Patentrechts gehört eben nicht nur der vermögensrechtliche Teil (Ausschließungsrecht) des Monopolrechts, sondern auch das Erfinderpersönlichkeitsrecht. Solche Aspekte haben zwar vielleicht in der rein wirtschaftlichen Betrachtung von Boldrin und Levine keinen Platz, sollten aber nicht vergessen werden, wenn Sinn oder Unsinn von Patenten diskutiert wird.

BGH, X ZB 6/10 – Installiereinrichtung II: Zur Bewertung der Erfindungshöhe

BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 – X ZB 6/10

Amtlicher Leitsatz:

In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln [-> erfinderische Tätigkeit] ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen.

BPatG, 30 W (pat) 33/09 – Schwarzwälder Schinken

BPatG, Entsch. v. 13. Oktober 2011 – 30 W (pat) 33/09 – Schwarzwälder Schinken

Amtliche Leitsätze:

1. Eine Änderung der Rechtslage kann einen Grund für die Änderung der Spezifikation für eine geschützte geografische Angabe im Sinne von Art. 9 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 darstellen.

2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die in einer Spezifikation enthaltene Vorgabe gerechtfertigt ist, dass das Schneiden und Verpacken eines Erzeugnisses nur im Herkunftsgebiet durchgeführt werden darf.

Aus der Urteilsbegründung:

Art. 9 VO 510 eröffnet die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Spezifikation der geschützten geografischen Angabe. Die allgemeinen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Nach dieser Entscheidung (GRUR 2003, 616 ff.) handelt es sich beim Aufschneiden und Verpacken eines Schinkens um wichtige Vorgänge, die die Qualität des Erzeugnisses mindern, die Garantie der Echtheit gefährden und damit auch dem Ansehen der geschützten geografischen Angabe schaden können. Daher können hierfür besondere technische Regeln festgelegt werden, um Qualität und Herkunftsgarantie zu gewährleisten.

So soll eine Spezifikation, mit der vorgeschrieben wird, dass das Aufschneiden und Verpacken im Erzeugungsgebiet erfolgen muss, es den Inhabern der geschützten Angabe ermöglichen, die Kontrolle über die jeweilige Aufmachungsform zu behalten. Voraussetzung ist allerdings der Nachweis, dass diese Vorgaben ein erforderliches und verhältnismäßiges Mittel darstellen, um das Ansehen der geschützten Angabe zu erhalten (a. a. O. Nr. 65, 66). Im dortigen Fall hat der Gerichtshof die Verlagerung des Schneidens und Verpackens in das Erzeugungsgebiet nach einem System von genau und streng geregelten technischen Maßnahmen und Kontrollen in Bezug auf Echtheit und Qualität als gerechtfertigt gesehen, insbesondere vor dem Hintergrund effektiver Kontrollen ausschließlich im Erzeugungsgebiet (a. a. O. Nr. 75, 76).

BGH, X ZR 23/11 – Rohrreinigungsdüse: Rechtskrafterstreckung

BGH, Urteil vom 29. November 2011 – X ZR 23/11 – Rohrreinigungsdüse

Amtlicher Leitsatz (ZPO § 325; PatG §§ 81 ff):

Eine Kapitalgesellschaft muss sich nicht die Rechtskraft eines gegen ihren
Alleingesellschafter ergangenen klageabweisenden Nichtigkeitsurteils entgegenhalten lassen

Aus der Urteilsbegründung:

Eine über § 325 Abs. 1 ZPO hinausgehende Rechtskraftwirkung
(Rechtskrafterstreckung) kommt nur auf Grund gesetzlicher Regelung in Betracht (Beispiele bei Musielak, ZPO, 8. Aufl., § 325 Rn. 11 ff.)

Darüber hinaus kann sich aus Vorschriften des materiellen Rechts ergeben, dass ein am Verfahren nicht beteiligter Dritter die rechtskräftige Entscheidung gegen sich
gelten lassen muss. So folgt aus der akzessorischen Haftung des Bürgen,
des Eigentümers des hypothekarisch belasteten Grundstücks oder des Verpfänders einer beweglichen Sache (§ 768 Abs. 1, § 1137 Abs. 1, § 1211 Abs.
1 BGB), dass diese sich auf die Abweisung der Klage des Gläubigers gegen
den Schuldner berufen können (vgl. Musielak, aaO Rn. 15).

Aus § 129 Abs. 1 HGB folgt, dass ein rechtskräftiges Urteil, das in einem Prozess zwischen der offenen Handelsgesellschaft und einem Gesellschaftsgläubiger ergeht, insoweit auch gegenüber den Gesellschaftern wirkt, als es sich um Einwendungen handelt, die der Gesellschaft durch das Urteil abgesprochen worden sind (vfg. BGH, Urteil vom 11. Dezember 1978 – II ZR 235/77, BGHZ 73, 217, 224 f.: s. auch Senatsbeschluss vom 18. März 1975 – X ZB 12/74, BGHZ 64, 155, 156 ff. – Lampenschirm).

Materiellrechtliche Vorschriften, aus denen abgeleitet werden könnte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung müsse die Abweisung einer (Patentnichtigkeits-)Klage ihres Alleingesellschafter gegen sich gelten lassen, gibt es indessen nicht.((BGH, Urteil vom 29. November 2011 – X ZR 23/11 – Rohrreinigungsdüse; m.V.a. bereits Senatsurteil vom
17. Dezember 2002 – X ZR 155/09, zu I a.E., juris; Benkard/Rogge, PatG,
10. Aufl., § 22 Rn. 34))

Der Strohmann muss die rechtskräftige Abweisung der Nichtigkeitsklage gegen sich gelten lassen. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen auf die Rechtskraft gegründeten Einwand, sondern um eine Folgerung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben im Prozessrecht. Der ohne eigenes Interesse auf die Nichtigerklärung eines Patents antragende Strohmann muss gegen sich gelten lassen, dass derjenige, an dessen Stelle er klagt, an der Klage gehindert ist.

BGH, I ZR 181/10 – Frühlings-Special: Irreführende Ankündigung einer Sonderverkaufsaktion

BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – I ZR 181/10 – Frühlings-Special

Amtlicher Leitsatz (UWG § 5 Abs. 1 Nr. 2):

Ein Reiseveranstalter, der mit einem zeitlich befristeten Frühbucherrabatt wirbt, muss sich grundsätzlich an die gesetzte Frist halten, will er sich nicht dem Vorwurf einer Irreführung aussetzen. Der Verkehr rechnet indessen damit, dass es für die Verlängerung eines solchen Rabatts vernünftige Gründe wie beispielsweise eine schleppende Nachfrage geben kann. Trotz der Verlängerung erweist sich die ursprüngliche Ankündigung in einem solchen Fall nicht als irreführend.

Aus der Urteilsbegründung:

Nach dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 1 UWG sind als irreführende ge-schäftliche Handlungen nur unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben unlauter. Ein von der Richtigkeit der werblichen Angabe unabhängiges Durchführungsverbot, wie es das alte Recht in § 7 Abs. 1 UWG aF für Sonderveranstaltungen vorsah und auf das der Hilfsantrag abzielt, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen und unterfällt schon gar nicht dem Irreführungstatbestand des § 5 UWG (Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 6.9; vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 4.11).

Werden in der Ankündigung einer Vergünstigung von vornherein feste zeitliche Grenzen angegeben, muss sich der Kaufmann hieran grundsätzlich festhalten lassen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. April 2010 – 20 U 186/08, juris Rn. 20; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn. 6.6c). Dabei hängt die Frage der Irreführung maßgebend davon ab, wie der Verkehr die Werbung mit einem befristet gewährten Preisvorteil nach den Umständen des konkreten Falls versteht.

Eine irreführende Angabe wird zum einen regelmäßig dann vorliegen, wenn der Unternehmer bereits bei Erscheinen der Werbung unabhängig vom Buchungsstand die Absicht hat, die Vergünstigung über die zeitliche Grenze hinaus zu gewähren, dies aber in der Werbung nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt. Denn ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher wird bei einem vorbehaltlosen Angebot eines Rabattes mit der Angabe eines Endtermins davon ausgehen, dass der Unternehmer den genannten Endtermin auch tatsächlich einhalten will (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juli 2011 – I ZR 173/09 Rn. 21 – 10% Ge-burtstags-Rabatt; KG, WRP 2009, 1426; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. April 2010 – 20 U 186/08, juris Rn. 21; vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 4.11).

Wird die Rabattaktion dagegen aufgrund von Umständen verlängert, die nach dem Erscheinen der Werbung eingetreten sind, wird regelmäßig danach zu unterscheiden sein, ob diese Umstände für den Unternehmer unter Berücksichtigung fachlicher Sorgfalt voraussehbar waren und deshalb bei der Planung der befristeten Aktion und der Gestaltung der ankündigenden Werbung berücksichtigt werden konnten. Denn der Verkehr wird nach der Lebenserfahrung zwar in Rechnung stellen, dass ein befristeter Sonderpreis aus Gründen ver-längert wird, die bei Schaltung der Werbung erkennbar nicht zugrunde gelegt wurden. Mit einer Verlängerung aus Gründen, die bei Schaltung der Anzeige bereits absehbar waren, rechnet der Verkehr allerdings nicht. Dabei ist es grundsätzlich die Sache des Werbenden, die Umstände darzulegen, die für die Unvorhersehbarkeit der Verlängerungsgründe und für die Einhaltung der fachlichen Sorgfalt sprechen (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2000 – I ZR 229/97, GRUR 2002, 187, 188 f. = WRP 2000, 1131 – Lieferstörung, zur parallelen Problematik der Irreführung über die Angemessenheit eines Warenvorrats; vgl. auch Berneke, GRUR-Prax 2011, 235, 237).

Ein solcher absehbarer Umstand kann auch dann vorliegen, wenn der Unternehmer – wie im Streitfall – mit dem Rabatt bezweckt, die ihm gewährten günstigen Einkaufspreise an seine Kunden weiterzugeben, wenn und soweit für ihn bei sorgfältiger Beurteilung der Umstände erkennbar war, dass ihm solche günstigen Einkaufspreise auch nach Ablauf der Befristung weiter gewährt werden. Dabei kann von erheblicher indizieller Bedeutung sein, ob und in welchem Umfang der Unternehmer einen befristet beworbenen Vorteil bereits zuvor aus dem gleichen Grund verlängert hatte.

LG Mannheim, 7 O 442/11: Unwirksame allgemeine Geschäftsbedingung eines Verlages

LG Mannheim Urteil vom 5.12.2011, 7 O 442/11

Amtliche Leitsätze:

1. Ein Presseunternehmen verwendet Vertragsbedingungen, wenn es mit ihm vertraglich zusammenarbeitenden freien Journalisten ein Abrechnungsformular mit Vertragsklauseln überlässt, die Benutzung des Formulars erwartet und wirtschaftlichen Druck bei Nichtverwendung ausübt.

2. Eine Klausel über den Umfang der Nutzungsrechtseinräumung ist unwirksam, wenn Rechte für jede erdenkliche, ausdrücklich aufgezählte Nutzungsart übertragen werden, auch für unbekannte Nutzungsarten eine weitere Vergütung nicht verlangt werden kann, die Ausübung des Widerrufsrechts ausgeschlossen wird und die Nutzungsrechte „umfassend, ausschließlich, räumlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkt“ durch eine Einmalzahlung abgegolten werden sollen.

Aus der Urteilsbegründung:

Die Kammer schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg (vgl. GRUR-RR 2011, 293) an, wonach es sich bei § 31 Abs. 5 UrhG um eine zwingende Inhaltsnorm handelt, die im Rahmen der AGB-Kontrolle zu beachten ist und wonach ein Übermaß an Rechtsübertragung im Wege Allgemeiner Geschäftsbedingungen selbst dann einer Kontrolle zu unterwerfen ist, wenn die einzelnen Nutzungsarten einzeln bezeichnet sind. Um eine solche Übertragung im Übermaß handelt es sich vorliegend, da die Verfügungsbeklagte als Verwenderin der Klausel sich ausgehend von einer konkreten Verwendungssituation des vom jeweiligen Journalisten erstellten Beitrages letztlich alle denkbaren Nutzungsrechte übertragen lässt, die sie zudem noch auf gesellschaftlich verbundene Unternehmen weiterübertragen können will. Bereits aus diesem Grund ist die Klausel nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

BPatG, 26 W (pat) 47/10 – Regelgegenstandswert im Widerspruchsbeschwerdeverfahren

Amtlicher Leitsatz der Entescheidung des BPatG vom 30. November 2011 – 26 W (pat) 47/10 zum
Regelgegenstandswert im Widerspruchsbeschwerdeverfahren:

Im Widerspruchsbeschwerdeverfahren wird im Regelfall einer im Inland noch unbenutzten
Marke ein Gegenstandswert in Höhe von 50.000 € für angemessen erachtet (Anschluss an BPatG PAVIS PROMA, 27 W (pat) 75/09, Beschluss vom 5. August 2008).