Im der Rechtssache X ZR 23/09 – Notablaufvorrichtung hat sich der BGH mit der Frage beschäftigt, inwieweit nach Patenterteilung ein Übergang von einem Erzeugnisanspruch zu einem Verwendungsanspruch zulässig ist.
Der erkennende Senat hält einen solchen Übergang für – wohl grundsätzlich – zulässig. So heißt es unter Rz. 14 des Urteils: „Dabei hält der Senat an seiner gefestigten Rechtsprechung fest, nach der ein Übergang von einem Erzeugnisanspruch zu einer VerwendungDies entspricht auch dem praktischen Bedürfnis, dem Patentinhaber, der im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Sachschutz erhalten hat, dessen erfinderische Leistung aber darin begründet ist, eine neue und nicht naheliegende Verwendung der an sich bekannten Sache aufgezeigt zu haben, den ihm gebührenden Schutz zukommen zu lassen. Sofern und soweit dabei, etwa bei der Einbeziehung des sinnfälligen Herrichtens, einer Erstreckung auf Verfahrenserzeugnisse oder bei der mittelbaren Patentverletzung, die Gefahr einer Ausweitung des Schutzumfangs in Betracht kommen sollte, kann und muss dem bei der Bestimmung des Schutzumfangs insbesondere im Verletzungsstreit Rechnung getragen werden.“
Anmerkungen hierzu:
1. Der Senat erkannt an, dass Situationen vorstellbar sind, in denen eine Handlung eine Verletzungshandlung, beispielsweise im Hinblick auf mittelbare Verletzung, in den Schutzbereich des Verwendungsanspruchs darstellen würde, obwohl sie nicht dem Schutzbereich des Erzeugnisanspruchs unterfallen wäre. Dies sei im Verletzungsverfahren durch eine entsprechende Beschränkung des Schutzbereichs des Verwendungsanspruchs zu berücksichtigen
Der Ansatz, derartige Fragestellungen einer etwaigen Erweiterung des Schutzbereichs dem Verletzungsverfahren zu überlassen, erscheint zwar auf den ersten Blick etwas systemfremd, da Fragen, die das BPatG traditionell schon im Bestandsverfahren entscheidet, im Verletzungsverfahren geklärt werden sollen. Diese Vorgehensweise ist jedoch sachgerecht. Dem Patentinhaber wird die Umstellung von Erzeugnisanspruch auf Verwendungsanspruch, der für eine Aufrechterhaltung erforderlich sein kann, nicht schon deswegen verwehrt, weil beispielsweise Handlungen, die auf das sinnfällige Herrichten zur beanspruchten Verwendung gerichtet sind, dem Erzeugnisanspruch nicht unterfallen wären. Eine Überprüfung, ob beim Übergang von Erzeugnis- auf Verwendungsanspruch eine Erweiterung des Schutzbereichs vorliegt, erfolgt im Verletzungsverfahren anhand der konkret angegriffenen Handlung bzw. Ausführungsform, nicht aufgrund rein abstrakter Überlegungen im Nichtigkeits- oder Einspruchsverfahren.
2. Fraglich ist, ob derartige Überlegungen nicht auch dann greifen sollten, wenn der Patentinhaber nach Patenterteilung den Anspruch von einem erteilten Vorrichtungsanspruch auf einen Systemanspruch ändert, wobei das System die (im erteilten Anspruch beanspruchte) Vorrichtung umfasst. Jedenfalls die vom erkennenden Senat angestellte Überlegung, dass derjenige, der im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Vorrichtungsschutz erhalten hat, diesen nach Erteilung noch auf eine nicht naheliegende Verwendung – gekleidet in die Form eines Systemanspruchs und nicht eines Verwendungsanspruchs – einschränken können soll, sollte auch für Systemansprüche gelten.
Zur Illustration, dass es sich hierbei nicht um ein rein abstrakets Problem handelt, sei auf die BPatG-Entscheidung in der Sache 3 Ni 77/06 – Paneelelement verwiesen. Der Nichtigkeitssenat des BPatG hatte dort in einem (nach Erteilung aufgestellten) Systemanspruch, der die (im erteilten Anspruch allein beanspruchte) Vorrichtung umfasst, eine unzulässige Änderung des Schutzbereichs gesehen, da das System ein aliud zur Vorrichtung sei. Der Nichtigkeitssenat hat in dieser Entscheidung in 3.d) der Entscheidungsgründe beispielsweise die folgende Auffassung vertreten: „Gegenüber einem einzelnen Paneelelement [Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, Anm.] als gedankliche Verkörperung der hieraus ausschließlich gebildeten Wand- und Deckenverkleidung [Gegenstand des nach Erteilung geänderten Anspruchs, Anm.] und der hierdurch repräsentierten technischen Lehre stellt ein mit weiteren, für die Erfindung wesentlichen Elementen komplettiertes Wand- und Deckenverkleidungssystem jedoch keine beschränkende Ausgestaltung des geschützten Gegenstandes, sondern etwas Anderes, außerhalb des „Paneelelements“ Stehendes dar.“
Auch für die „Verwendung eines Paneelelements für eine Wand- oder Deckenverkleidung“ würde gelten, dass diese etwas anderes als das Paneelement als solches ist. Die hier diskutierte Entscheidung des BGH zeigt aber gerade auf, dass dies an sich nicht ausreicht, um eine Erweiterung des Schutzbereichs zu bejahen. Der in der BGH-Entscheidung in der Rechtssache X ZR 23/09 aufgezeigte Ansatz wäre auch für den Übergang von Vorrichtungs- zu Systemansprüchen nach Erteilung ein gangbarer (und im Vergleich zur Paneelelement-Entscheidung des BPatG wohl angemessenerer) Weg, der Interessen des Patentinhabers und Rechtssicherheit für die Allgemeinheit in ein ausgewogenes Verhältnis stellt.