BGH, I ZR 199/10 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung

BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 199/10 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung

Amtliche Leitsätze:

a) Die Stellung mehrerer nahezu identischer Unterlassungsanträge, die sich auf kerngleiche Verletzungshandlungen beziehen und ohne inhaltliche Erweiterung des begehrten Verbotsumfangs zu einer Vervielfachung des Streitwerts führen, kann ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch sein.

b) Hat der Gläubiger den Schuldner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, ist eine zweite Abmahnung wegen desselben oder eines kerngleichen Wettbewerbsverstoßes nicht im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG berechtigt.

Teilanmeldungen beim EPA – immer noch Unsicherheit mit R. 36(1) EPÜ

Die Diskussion um den Zeitraum, in dem nach R. 36(1) a) und b) EPÜ eine Teilanmeldung eingereicht werden kann, wurde nunmehr um eine weitere Facette bereichert: Das EPA hat in der Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 nunmehr erläutert, dass eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ die Frist der Regel 36(1) a) EPÜ dann nicht auslöst, wenn sie von einem Formalsachbearbeiter unter Verwendung des Formulars 2001A erlassen wurde. Derartige Formalbescheide, die auf die in der Stellungnahme zum Europäischen Recherchenbericht erhobenen Einwände Bezug nehmen, wurden zwischen 2005 und 2012 in Fällen versandt, in denen der Anmelder auf eine vor dem 1.4.2010 erstellte Stellungnahme zum Recherchenbericht nicht (freiwillig) geantwortet hatte.

Kurz gesagt läuft die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 darauf hinaus, dass nicht jede Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ als Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Artikel 94(3) EPÜ im Sinne der R. 36(1) EPÜ zu verstehen ist. Dies nämlich dann nicht, wenn die Mitteilung unter Verwendung eines Formblatts von einem Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung erlassen wurde.

Zum besseren Verständnis der Historie dieser Mitteilung, sei zur Historie der Regel 36(1) EPÜ an Folgendes erinnert:

– Der Verwaltungsrat hatte mit Beschluss vom 25. März 2009 Fristen zur Einreichung von Teilanmeldungen eingeführt, um einem angeblichen Missbrauch durch Ketten von Teilanmeldungen entgegenzuwirken. Die Fristen wurden nach der ursprünglich beschlossenen Fassung der R. 36(1)a) und b) EPÜ ausgelöst durch „Bescheide“ (deutschsprachige Fassung) bzw. „communications“ (englischsprachige Fassung) der Prüfungsabteilung.

– Diese Regelung führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit, die sich in umfangreicher Kritik im Schrifttum widerspiegelt. Beispielsweise war unklar, ob auch die Mitteilung nach R 161/162 EPÜ, die auch von der Prüfungsabteilung erlassen wird, die Frist der Regel 36(1) EPÜ a.F. auslöst.

– Das EPA war in der Folge sehr darum bemüht, hier Klarheit zu schaffen. Dies gipfelte in fast humoristisch anmutenden Klarstellungsversuchen, dass eben nicht jede Mitteilung der Prüfungsabteilung eine Mitteilung nach R. 36(1) EPÜ sei (siehe Mitteilung des EPA vom 20.8.2009, Buchst. a): „The Examining Division’s first communication is a communication under Article 94(3) and Rule 71(1), (2) EPC or, where appropriate, Rule 71(3) EPC.„) Für einen Überblick über die geäußerte Kritik siehe etwa Frischknecht und Kley in epi Information 3/2009 oder epi Information 1/2010.

– Erst durch einen weiteren Beschluss des Verwaltungsrates vom 26.10.2010 wurde die Situation durch eine klarere Fassung von R. 36(1) EPÜ verbessert. In der neuen (und derzeit geltenden Fassung) nimmt beispielsweise R. 36(1) a) EPÜ Bezug auf „the Examinin Division’s first communication under Article 94, paragraph 3, and Rule 71, paragraph 1 and 2, or Rule 71, paragraph 3„.

– Die oben genannte Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 führt nun aus, dass – trotz des Wortlauts der R. 36(1) EPÜ – eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ, die vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde, vom EPA nicht als fristauslösend für die Teilungsfrist der R. 36(1) EPÜ angesehen wird.

Auslöser für die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 war die Entscheidung J 9/10, in der sich die Juristische Beschwerdekammer damit zu befassen hatte, was der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Sachprüfung durch die Prüfungsabteilung für die Frage der Gebührenrückerstattung nach Art. 11 b) GebO ist. In dieser Entscheidung führt die Juristische Beschwerdekammer beispielsweise aus (J 9/10, r. 2.9): „It follows from the previous considerations that the communication of 28 May 2009 on EPO Form 2001A did not constitute an act of the examining division pertaining to the examination in accordance with Article 94(3) EPC.“

Die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 hat mehrere für die Praxis bedeutsame Konsequenzen:

a) Der Angabe im Register, wann der erste Bescheid ergangen ist, ist für die Berechnung der Frist nach R. 36(1) EPÜ keine zuverlässige Grundlage mehr. Im Register wird (derzeit) nicht differenziert zwischen Bescheiden nach Artikel 94(3) EPÜ, die von der Prüfungsabteilung selbst erlassen wurden, und solchen, die von einem Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde.

b) Bei bereits notierten Fristen nach R. 36(1) EPÜ wird immer im Einzelfall geprüft werden müssen, ob die Frist nach der in der Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 dargelegten Praxis bereits abgelaufen ist oder sich verlängert, weil eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde.

c) Wird eine Teilanmeldung innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach der ersten Mitteilung der Prüfungsabteilung, aber später als zwei Jahre nach der vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassenen Mitteilung eingereicht, werden trotz allem Rechtsunsicherheiten bestehen, inwieweit sich diese Anmeldung oder ein darauf erteiltes Patent als rechtsbeständig erweist. Denn selbst wenn eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ unter Verwendung des Formblatts 2001A nicht bedeutet, dass die Prüfungsabteilung mit der Sachprüfung begonnen hat (so J 9/10), bedeutet dies nicht, dass es sich dabei nicht doch um eine fristauslösende Mitteilung im Sinne der R. 36(1) EPÜ handeln kann. Klärung wird allenfalls durch die Rechtsprechung der Beschwerdekammern herbeigeführt werden können.

EU-Patent und nachveröffentlichter Stand der Technik

Es ist derzeit nicht ganz einfach, den Überblick über die aktuellen Entwicklungen beim EP-Patent mit einheitlicher Wirkung und dem geplanten Übereinkommen über die Schaffung eines Europäischen Patentgerichtssystems (im Folgenden: UPC-Übereinkommen) zu behalten. Bei einer Durchsicht der nun erlassenen Verordnung zur Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (genauer: der Verordnung über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutze – aus ersichtlichen Gründen wird diese im Folgenden nur noch als Patent-VO bezeichnet) ist mir folgender Punkt aufgefallen, den ich für sehr wichtig halte.

Die früheren Entwürfe für die Patent-VO sahen noch vor, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit eine Durchbrechung erfährt, wenn neuheitsschädlicher nachveröffentlichten Stand der Technik existiert. So hieß es in Artikel 5 des Entwurfs für die Patent-VO (Kommissionsdokument COM(2011) 215/3) noch:

„In the event of a limitation or a revocation on the ground of lack of novelty pursuant to Article 54(3) of the EPC [eigentlich gemeint gewesen sein dürften nationale nachveröffentlichte Dokumente nach Artikel 139(2) EPÜ oder Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ, Anm.], the limitation or revocation of a European patent with unitary effect shall take effect only in respect of the participating Member State(s) designated in the earlier European patent application as published.”

Diese Regelung ist im Rechtssetzungsverfahren (aufgrund von Änderungsvorschlägen im Rechtsausschuss des Parlaments) entfallen. Die erlassene Patent-VO betont vielmehr immer wieder den Grundsatz der Einheitlichkeit, ohne eine Spezialregelung für den Fall vorzusehen, dass nachveröffentlichter nationaler Stand der Technik einem Anspruch des EP-Patents mit einheitlicher Wirkung neuheitsschädlich entgegensteht.

So heißt es beispielsweise in der Patent-VO
– in ErwG (7): „Folglich sollte ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen, für nichtig erklärt oder erlöschen.“
– in Artikel 3(2): „Ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung hat einen einheitlichen Charakter. Es bietet einheitlichen Schutz und hat gleiche Wirkung in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten. Es kann nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden oder erlöschen.“

Auch die aktuellste der derzeit im Internet gut auffindbaren Fassungen des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass nachveröffentlichter (nationaler) Stand der Technik einem Anspruch des EP-Patents mit einheitlicher Wirkung neuheitsschädlich entgegensteht. So verweist Artikel 38a(2) des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen auf Artikel 139(2) EPÜ: „The Court may revoke a patent, either entirely or partly, only on the grounds referred to in Articles 138(1) and 139(2) of the EPC.“ Artikel 139(2) EPÜ betrifft die neuheitsschädliche Wirkung des nachveröffentlichen (nationalen) Stands der Technik gegenüber dem entsprechenden nationalen Teil eines Europäischen Patents. Jedoch scheint auch diese Regelung im Entwurf für das UPC-Übereinkommen nicht mit der notwendigen Klarheit zu regeln, welche Wirkung eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung für das Patent mit einheitlicher Wirkung hat. Das „partly“ in Artikel 38a(2) des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen scheint sich nur auf die Einschränkung des Anspruchs (d.h. des Schutzgegenstands) im Rechtsbestandsverfahren, nicht auf eine territoriale Beschränkung auf diejenigen Staaten zu beziehen, in denen es keinen neuheitsschädlichen nachveröffentlichten Stand der Technik gibt.

Nach meiner Auffassung könnten die derzeitigen Regelungen auf zweierlei Weise ausgelegt werden:

a) Eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung in nur einem der Staaten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten, würde dazu führen, dass das EP-Patent mit einheitlicher Wirkung insgesamt (also für alle Staaten) beschränkt oder nichtig erklärt werden muss. Zu diesem Ergebnis könnte man mit der Überlegung gelangen, dass aufgrund der Wirkung der nachveröffentlichten nationalen Anmeldung als Stand der Technik nach Artikel 139(2) EPÜ das EP-Patent mit einheitlicher Wirkung nicht in allen Staaten Bestand haben kann und daher – wegen Art. 3 (2) der Patent-VO – mit Wirkung für alle Staaten beschränkt oder widerrufen werden muss. Für eine solche Interpretation könnten auch die Historie des Rechtssetzungsverfahrens sprechen, in dem eine (ursprünglich vorgesehene) Regelung dahingehend, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit bei nachveröffentlichtem Stand der Technik durchbrochen wird, schlussendlich verworfen wurde. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass eine derart drastische Wirkung einer nachveröffentlichten nationalen Patentanmeldung tatsächlich beabsichtigt war, wenn man dem EP-Patent mit einheitlicher Wirkung zum Erfolg verhelfen wollte. Man könnte in diesem Fall einem Anmelder bzw. Patentinhaber wohl nie zur Eintragung der einheitlichen Wirkung raten.

ODER:

b) Eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung in nur einem der Staaten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten, würde zwar dazu führen, dass die einheitliche Wirkung entfällt, nicht aber dazu, dass das EP-Patent auch mit Wirkung für die anderen Staaten beschränkt oder nichtig erklärt werden muss. Zu diesem Ergebnis könnte man mit der Überlegung gelangen, dass die nachveröffentlichte nationale Anmeldung als Stand der Technik nach Artikel 139(2) EPÜ nur das EP-Patent im entsprechenden „Kollisionsstaat“ betrifft und deswegen zu unterschiedlichen Anspruchssätzen in den unterschiedlichen Staaten führen würde. Dies lässt die Voraussetzung für die Eintragung der einheitlichen Wirkung entfallen (Art. 3 (3) der Patent-VO), stellt aber nicht den Rechtsbestand des EP-Patents in den anderen Staaten in Frage. Alternativ könnte der Patentinhaber die Ansprüche für alle Staaten so einschränken, dass sie neu gegenüber jedem nachveröffentlichten nationalen Stand der Technik sind. Dieses Ergebnis ist für den Patentinhaber deutlich weniger schlimm als bei der obigen Interpretation a), würde ihn aber immer noch vor die unangenehme Wahl stellen, entweder die Ansprüche selbst für die Staaten einschränken zu müssen, in denen es keinen nachveröffentlichten nationalen Stand der Technik gibt, oder die einheitliche Wirkung zu verlieren. Rechtliche Regelungen für den Fall, dass die einheitliche Wirkung nachträglich aufgrund unterschiedlicher Anspruchssätze in unterschiedlichen Staaten entfällt, wären in diesem Fall relevant (z.B. im Hinblick auf Jahresgebühren), scheinen aber weder in der Patent-VO noch im Entwurf für das UPC-Übereinkommen enthalten zu sein.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die oben skizzierte Interpretation a), die so drastische Wirkungen für den Schutzrechtsinhaber hätte, im Bereich der Gemeinschaftsschutzrechte durchaus vorkommt. So sieht beispielsweise Art. 25 Abs. 1 d) (ii) GGsmVO vor, dass ein nachveröffentlichtes nationales Geschmacksmuster eines EU-Mitgliedsstaats zur Nichtigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters führt.

Vielleicht bringen die weiteren Arbeiten am UPC-Übereinkommen und/oder an den Verfahrensregeln für das Patentgericht Klärung der skizzierten Fragen. Zu wünschen wäre dies jedenfalls.

BPatG, ZA (pat) 46/12 – Kosten des Privatgutachtens

BPatG, Beschl. v. 30. Oktober 20125 – ZA (pat) 46/12 (zu 5 Ni 33/09 (EU))

Amtlicher Leitsatz:

Bei der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Privatsachverständigen im Nichtigkeitsberufungsverfahren
ist auch dann der allgemein strenge Maßstab anzuwenden, wenn der Bundesgerichtshof
bei einer vor dem 1.10.2009 erhobenen Klage im Berufungsverfahren von der
Beauftragung eines gerichtlichen Sachverständigen abgesehen hat.

BPatG, 4 Ni 15/10 (EU) – Unterdruckwundverband

BPatG, Urteil v. 3. Juli 2012 – 4 Ni 15/10 (EU) – Unterdruckwundverband

Amtliche Leitsätze:

1. Ein im Nichtigkeitsverfahren wegen unzulässiger Erweiterung einer Teilanmeldung nach Art. 138 Abs. 1 Buchst c EPÜ angegriffenes europäisches Patent ist für nichtig zu erklären, wenn die Teilanmeldung über den Inhalt der Stammanmeldung hinausgeht und zu einer anderen Lehre, einem Aliud, geführt hat.

2. Ein aus einer Teilanmeldung hervorgegangenes europäisches Patent kann im Nichtigkeitsverfahren mit geänderten Ansprüchen nur zulässig beschränkt verteidigt werden, wenn die verteidigte Fassung auch den Anforderungen des Art. 76 Abs. 1 EPÜ für eine zulässige Teilanmeldung genügt.

3. Die Frage, ob im Rahmen der sich aus Art. 123 Abs. 2 und 3 EPÜ ergebenden Beschränkungen des Änderungsrechts auch bei europäischen Patenten der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu nationalen Patenten gefolgt werden kann, wonach trotz unzulässiger Erweiterung der Anmeldung (Stammanmeldung) durch Aufnahme eines beschränkenden Merkmals das Patent erhalten werden kann (BGH GRUR 2011, 40, Tz. 18 – Winkelmesseinrichtung, ebenfalls zur Teilanmeldung; GRUR 2001, 140, Tz. 40 – Zeittelegramm) bedarf jedenfalls dann keiner Klärung, wenn die unzulässige Erweiterung zu einem Aliud geführt hat.

BGH, X ZR 10/10: Kniehebelklemmvorrichtung

BGH, Urteil vom 25. September 2012 – X ZR 10/10

Besteht aus fachmännischer Sicht Anlass, im Rahmen der technischen Weiterentwicklung einer Vorrichtung eine bestimmte Konstruktion in Erwägung zu ziehen, und bedarf es deshalb hierfür keiner erfinderischen Tätigkeit, führt allein das Verharren bei dieser Konstruktion auch dann nicht zu einer anderen Bewertung, wenn erkennbare Nachteile der erwogenen Konstruktion dem Fachmann eine konkrete Anregung geben könnten, bei dieser nicht stehen zu bleiben.

EuGH: Gerichtsstand der unerlaubten Handlung und negative Feststellungsklage

Der EuGH hat im Urteil in der Rechtssache C‑133/11 (Urteil vom 25.10.2012) entschieden, dass die internationale Zuständigkeit am Ort der unerlaubten Handlung (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) auch für die negative Feststellungsklage eröffnet ist. Mit dem Urteil wurde die in der Entscheidung BGH KZR 8/10 – Trägermaterial für Kartenformulare gestellte Vorlagefrage beantwortet.

Wichtige Konsequenzen wird diese Entscheidung beispielsweise für die unberechtigte Abmahnung aus einem europäischen Bündelpatent haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Abmahnung auf mehrere Staaten bezieht (beispielsweise weil der Patentinhaber nur pauschal auf das EP-Patent, nicht auf einen einzelnen nationalen Teil desselben Bezug nimmt). Der zu Unrecht Abgemahnte kann eine negative Feststellungsklage (sofern sie nach den nationalen Vorschriften zulässig ist) in allen Staaten erheben, für die er abgemahnt wurde. Das eröffnet dem zu Unrecht Abgemahnten die Möglichkeit, die Klage in einem ihm genehmen Staat zu erheben. Da die Kognitionsbefugnis der Gerichte am Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auf die (Nicht-)Verletzung im jeweiligen Staat beschränkt ist, kann der zu Unrecht Abgemahnte sogar parallel in unterschiedlichen Staaten mehrere negative Feststellungsklagen jeweils am Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO erheben.

Ein Schutzrechtsinhaber, der einen Verletzer aus einem EP-Bündelpatent abmahnen will, wird tunlichst abwägen, ob die Abmahnung nicht spezifisch auf Schutzrechte und/oder Handlungen in einem bestimmten Staat beschränkt werden soll. Nur so kann der Schutzrechtsinhaber der Gefahr begegnen, in einer Vielzahl von Staaten gerichtspflichtig zu werden, wenn sich die Abmahnung als unberechtigt herausstellt.

BGH, I ZR 182/11: Metall auf Metall II

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 210/2012 zu Urteil vom 13. Dezember 2012 – I ZR 182/11 – Metall auf Metall II

Aus der Pressemitteilung:

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass es unzulässig ist, die auf einem fremden Tonträger aufgezeichneten Töne oder Klänge im Wege der sogenannten freien Benutzung für eigene Zwecke zu verwenden, wenn es einem durchschnittlichen Musikproduzenten möglich ist, eine gleichwertige Tonaufnahme selbst herzustellen.

EuGH C-553/11 (PROTI) – Benutzung in abgewandelter Form

Der EuGH hat die ihm vom BGH vorgelegten Fragen zur rechtserhaltenden Benutzung einer Marke in abgewandelter Form, wenn diese abgewandelte Form selbst als Marke eingetragen ist, beantwortet (Urteil vom 25.10.2012 in der Rechtssache C-553/11).

Ausgangspunkt für die Vorlagefragen des BGH war, dass nach dem EuGH-Urteil Il Ponte Finanziaria (
Rechtssache C‑234/06, dort insbesondere Rz. 86) in der Instanzrechtsprechung und Literatur Zweifel aufgekommen waren, ob die Regelung des § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG richtlinienkonform ist. Nach § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG steht es einer rechtserhaltenden Benutzung einer eingetragenen Marke in abgewandelter Form nicht entgegen, wenn auch die abgewandelte Form als Marke eingetragen ist.

In dem Urteil vom 25.10.2012 in der Rechtssache C-553/11 entschied der EuGH nun, dass
– § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG richtlinienkonform ist und
– die Ausführungen des Gerichtshof in Rz. 86 des Urteils Il Ponte Finanziaria (Rechtssache C‑234/06) im spezifischen Kontext des diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalts (in dem das Vorliegen einer Markenserie geltend gemacht wurde) zu sehen sind und nur für derartige Sachverhalte Geltung beanspruchen.

BGH, X ZR 58/07: Patentierung von Zellen, die aus menschlichen Stammzellen hergestellt werden

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 198/2012 vom 27. November 2012

Aus der Pressemitteilung:

Der für das Patentrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat über die Patentierung von Zellen entschieden, die aus menschlichen Stammzellen hergestellt werden.

Der EuGH hat mit Urteil vom 18. Oktober 2011 (C-34/10 – Brüstle/Greenpeace) unter anderem entschieden, dass jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an ein „menschlicher Embryo“ im Sinne der Richtlinie ist, dass der Patentierungsausschluss sich auch auf die Verwendung von menschlichen Embryonen zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung bezieht und dass eine Erfindung nach Art. 6 der Richtlinie auch dann von der Patentierung ausgeschlossen ist, wenn in der Beschreibung der beanspruchten technischen Lehre die Verwendung menschlicher Embryonen nicht erwähnt ist, die technische Lehre, die Gegenstand des Patentantrags ist, aber die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen oder deren Verwendung als Ausgangsmaterial erfordert.

Den Einsatz von menschlichen embryonalen Stammzellen als solchen hat der Bundesgerichtshof nicht als Verwendung von Embryonen im Sinne der Richtlinie qualifiziert. Stammzellen weisen nicht die Fähigkeit auf, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen. Dass sie unter Umständen durch Kombination mit bestimmten anderen Zellen in einen Zustand versetzt werden können, in dem sie über die genannte Fähigkeit verfügen, reicht nicht aus, um sie schon vor einer solchen Behandlung als Embryonen ansehen zu können.