BPatG, 4 Ni 28/11 (EP) – Bildprojektor: Unzulässigkeit des Prioritätsdisclaimers

BPatG, Urt. vom 1. August 2013 – 4 Ni 28/11 (EP) – Bildprojektor

Amtliche Leitsätze:

1. Kann eine Priorität nach Art. 87 EPÜ für einen Patentanspruch eines EP-Patents nicht in Anspruch genommen werden, weil dieser ein beschränkendes Anspruchsmerkmal enthält, welches über den Inhalt des Prioritätsdokuments hinausgeht, so ist es nicht zulässig, die erforderliche Erfindungsidentität durcheine schutzbeschränkende Erklärung (Prioritätsdisclaimer) herzustellen.

2. Die beschränkte Verteidigung eines im Nichtigkeitsverfahren wegen mangelnder Patentfähigkeit angegriffenen Patentanspruchs eines EP-Patents unter Erklärung eines sog. Prioritätsdisclaimers oder dessen Aufnahme in den Patentanspruch ist deshalb unzulässig.

BGH, I ZR 80/12 – File-Hosting-Dienst (Rapidshare)

BGH, Urteil vom 15. August 2013 – I ZR 80/12 – File-Hosting-Dienst

a) Ist das Geschäftsmodell eines File-Hosting-Dienstes nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt, ist der Umstand, dass der Betreiber durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung des Dienstes fördert, bei der Bestimmung des Umfangs der ihm als Störer obliegenden Prüfpflichten zu berücksichtigen (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 21 ff. – Alone in the Dark).

b) Leistet ein File-Hosting-Dienst durch sein konkretes Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub, so ist ihm eine umfassende regelmäßige Kontrolle der Linksammlungen zuzumuten, die auf seinen Dienst verweisen (Fortführung von BGHZ 194, 339 Rn. 39 – Alone in the Dark).

c) Die Prüfpflichten des Störers, die sich danach ergeben, bestehen in Bezug auf jedes Werk, hinsichtlich dessen ihm eine klare Rechtsverletzung angezeigt worden ist; sie verringern sich nicht deswegen, weil er auf eine große Zahl von Verletzungen – im Streitfall auf das Öffentlich-Zugänglichmachen von über 4800 Musiktiteln – hingewiesen worden ist.

BGH, I ZB 56/11 – Schokoladenstäbchen II

BGH, Beschluss vom 28. Februar 2013 – I ZB 56/11 – Schokoladenstäbchen II

Amtliche Leitsätze:

a) Die graphische Darstellbarkeit und die für die Bejahung der Markenfähigkeit erforderliche hinreichende Bestimmtheit einer Marke im Sinne von Art. 2 MarkenRL gehören zu den wesentlichen Grundlagen des harmonisierten Markenrechts und fallen daher unter den Begriff der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ, Art. 5 Abs. 1 MMA.

b) Den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit eines Zeichens im Sinne von Art. 2 MarkenRL, § 3 Abs. 1 MarkenG genügt es nicht, wenn sich der Gegenstand einer Anmeldung auf unterschiedliche Erscheinungsformen erstreckt.

c) Die wegen Unbestimmtheit fehlende Markenfähigkeit ist nicht nur im Eintragungsverfahren relevant, sondern kann auch zur Schutzentziehung einer bereits eingetragenen Marke führen.

BGH, I ZB 79/11: kerngleiche Verletzungsformen

BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – I ZB 79/11

Amtliche Leitsätze:

a) Eine Anschlussbeschwerde kann auch nach Vorlage der Beschwerde an das Beschwerdegericht beim erstinstanzlichen Gericht eingelegt werden.

b) Ein ausschließlich die konkrete Verletzungshandlung aufgreifendes Verbot ist nicht zwangsläufig auf identische oder nahezu identische Handlungen beschränkt, sondern kann auch kerngleiche Verletzungsformen erfassen. Die Zuordnung einer Handlung zum Kernbereich des Verbots scheidet allerdings aus, wenn sie nicht Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen ist.

BPatG, 4 Ni 8/11 (EP): Nichtigkeitsverfahren im Falle der Insolvenz des Patentinhabers

BPatG, Urteil v. 10. Juli 2013 – 4 Ni 8/11 (EP)

Amtliche Leitsätze:

1. Richtiger Beklagter im Nichtigkeitsverfahren ist wegen der ausschließlich auf die Eintragung im Patentregister abstellenden passiven Prozessführungsbefugnis nach § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG auch im Falle der Insolvenz der als Patentinhaber im Patentregister eingetragene Gemeinschuldner und nicht der Insolvenzverwalter.

2. Eine vor Klageerhebung erfolgte Umschreibung im Patentregister, welche lediglich aufgrund eines identitätswahrenden Rechtsformwechsels erfolgt ist – und damit auf einer nach § 30 Abs. 3 PatG nicht eintragungsbedürftigen Änderung der Gesellschaftsform beruht – ist für die Beurteilung der passiven Prozessführungsbefugnis nach § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG unbeachtlich – hier die nach italienischem Recht zu beurteilende Umwandlung einer italienischen S.p.A. (Aktiengesellschaft) in eine S.r.l. (GmbH).

3. Das nach italienischem Insolvenzrecht vor der Insolvenzeröffnung liegende freiwillige Vergleichsverfahren (concordato preventivo) über das Vermögen des Patentinhabers gilt nach Art. 2 Ziff. a) und b) Anhang A EuInsVO als Insolvenzverfahren i. S. v Art. 1 Abs. 1 EuInsVO und führt, sofern das Streitpatentbei Anhängigkeit des Nichtigkeitsverfahrens noch die Insolvenzmasse betrifft, zur Unterbrechung des Verfahrens. Der im freiwilligen Vergleichsverfahren bestellte Verwalter (liquidatore giudiziale) verfügt nach (im deutschen Verfahrenmaßgeblichen) italienischem Recht jedoch noch nicht über die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gemeinschuldners.

BPatG, 4 Ni 1/12 – Arretiervorrichtung

BPatG, Urteil v. 16. April 2013 – 4 Ni 1/12 – Arretiervorrichtung (Leitsätze)

Amtliche Leitsätze:

1. Der Senat ist trotz des auch im neu gestalteten Patentnichtigkeitsverfahren nach § 87 Abs. 1 Satz 1 PatG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes nicht gehalten, unkommentiert vorgelegte Schriften auf ihre Relevanz im Hinblick auf die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu untersuchen.

2. Die Obliegenheiten der Parteien zu einem konkretisierten Sachvortrag im Nichtigkeitsverfahren korrespondieren mit den Grenzen, die an die Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts bestehen, wie auch mit den Anforderungen, die unter Berücksichtigung des reformierten Verfahrens an die Anerkennung als Tatsachenvortrag der ersten Instanz in der Berufungsinstanz zu setzen sind.

Aus der Urleisbegründung:

Der Senat ist trotz des auch im neu gestalteten Patentnichtigkeitsverfahren nach § 87 Abs. 1 Satz 1 PatG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes, wonach das Patentgericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, nicht gehalten, unkommentiert vorgelegte Schriften auf ihre Relevanz im Hinblick auf die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu untersuchen. Denn die im pflichtgemessen Ermessen stehende Amtsermittlungspflicht (Busse/Engels, Patentgesetz, 7. Auflage, Rn. 261, 271 zu § 59) ist nicht unbegrenzt; sie findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit zu treffender Ermittlungen, die durch den Aufwand und die Erfolgsaussichten einerseits, aber auch die Erforderlichkeit und Möglichkeit der Mitwirkung der Beteiligten – der Verfahrensförderungspflicht – anderseits bestimmt wird (Busse/Engels, a. a. O., Rn. 266 und 267 zu § 59; zum alten Recht: Benkard/Schäfers, Patentgesetz 10. Aufl. Rn. 9 zu § 87) und im Kontext des jeweiligen Verfahrens zu sehen sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das als kontradiktorisches Streitverfahren ausgeprägte Nichtigkeitsverfahren in besonderem Maße der Disposition der Parteien Rechnung trägt und es dem Kläger obliegt, vorzutragen und geltend zu machen, auf welchen technischen Sachverhalt er sein Vorbringen stützt, und er insoweit seinen Vortrag zu den verfahrensgegenständlichen Nichtigkeitsgründen zu substantiieren hat (Busse/Keukenschrijver, a. a. O., Rn. 61 zu § 82 PatG; vgl. auch Busse/Engels, a. a. O., Rn. 267 zu § 59). Ebenso suspendiert § 82 Abs. 2 PatG die Untersuchungspflicht, wenn der Beklagte der Klage nicht widerspricht, da die vom Kläger behaupteten Tatsachen für erwiesen angenommen werden. Die Obliegenheiten der Parteien im Nichtigkeitsverfahren zur Substantiierung ihres Vorbringens korrespondieren deshalb mit den Grenzen, die an die Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen bestehen (vgl. Busse/Keukenschrijver, a. a. O., Rn. 11 zu § 87 PatG), wie auch mit den Anforderungen, die unter Berücksichtigung des reformierten Verfahrens an die Anerkennung als Tatsachenvortrag der ersten Instanz in der Berufungsinstanz zu setzen sind (hierzu auch Gröning GRUR 2012, 996): dort ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 28.8.2012, X ZR 99/11, GRUR 2012, 1236 ff., Rn. 36 – Fahrzeugwechselstromgenerator) eine Druckschrift als Angriffsmittel i. S. v. § 117 PatG, § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eine neue Tatsache, wenn sie zwar in erster Instanz erwähnt und/oder zu den Akten gereicht wurde, der technische Sachvortrag, für den sich die Partei auf das Dokument stützen will, aber nicht in hinreichend konkreter Form bereits in der ersten Instanz gehalten wurde. Die eine Amtsermittlung erst auslösende Konkretisierung des Tatsachenvortrags ist deshalb auch für das neue Novenrecht im Berufungsverfahren vorausgesetzt.

EP: Kommission schließt rechtliche Lücken beim einheitlichen Patentschutz

Pressemitteilung der Europäischen Kommission Nr. IP/13/750 vom 29.7.2013:

Die Justiz im Dienst des Wachstums: Kommission schließt rechtliche Lücken beim einheitlichen Patentschutz

Die Europäische Kommission hat heute vorgeschlagen, den Rechtsrahmen für einen EU‑weiten Patentschutz zu vervollständigen und die EU-Vorschriften über die Rechtsprechung der Gerichte sowie die Anerkennung von Urteilen („Brüssel-I-Verordnung“) zu aktualisieren. Diese Änderungen werden den Weg für ein europäisches Patentgericht – das Einheitliche Patentgericht (EPG) – ebnen, das nach Ratifizierung der entsprechenden Vorschriften eingesetzt werden soll. Damit wird es für Erfinder und Unternehmen leichter, ihre Patente zu schützen. Das Gericht wird die ausschließliche Zuständigkeit für Patentstreitigkeiten besitzen, wodurch vermieden wird, dass mehrere Verfahren bei bis zu 28 nationalen Gerichten anhängig sind. Durch sinkende Kosten und rasche Entscheidungen über die Rechtsgültigkeit oder die Verletzung von Patenten erhält Europa einen Innovationsschub. Das Gericht ist Teil eines kürzlich vereinbarten Maßnahmenpakets zur Gewährleistung eines einheitlichen Patentschutzes im Binnenmarkt (IP/11/470).

„Durch geänderte Vorschriften für die Anerkennung von Urteilen schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass das neue Einheitliche Patentgericht seine Arbeit aufnehmen kann. Bei einem Streitfall sind die Unternehmen nicht mehr gezwungen, sich an eine Reihe von Gerichten in verschiedenen Ländern zu wenden“, sagte Vizepräsidentin Viviane Reding, die für Justiz zuständige EU-Kommissarin, und ergänzte: „Wenn die Verfahren unbürokratischer und kostengünstiger werden und die Rechtssicherheit steigt, weil man es nicht mehr mit 28 unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Systemen zu tun hat, gewinnt der Binnenmarkt an Attraktivität. Dieses Beispiel veranschaulicht sehr gut, wie Wachstumsimpulse von Maßnahmen im Justizbereich ausgehen können.“

Der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier erklärte dazu: „Damit Europa wettbewerbsfähig bleibt, müssen innovative Unternehmen unbedingt so rasch wie möglich von den lange erwarteten Vorteilen des einheitlichen europäischen Patents profitieren können. Auch wenn die politische Einigung vom Dezember 2012 ein großer Durchbruch war, wird das einheitliche Patent erst mit der Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts Realität. Genau das muss uns möglichst schnell gelingen, und mit dem heute vorgelegten Vorschlag sind wir diesem Ziel wieder ein gutes Stück näher gekommen.“

Die Zahlen sprechen für sich. Im Jahr 2011 wurden in den Vereinigten Staaten 224 000 Patente erteilt und in China 172 000, in Europa wurden dagegen lediglich 62 000 europäische Patente ausgestellt. Dieser Unterschied ist unter anderem auf die enormen Kosten und den für die Erlangung des Patentschutzes im gesamten Binnenmarkt erforderlichen Aufwand zurückzuführen. Wenn man derzeit seine Erfindungen europaweit schützen lassen will, muss man europäische Patente in allen 28 EU‑Mitgliedstaaten validieren lassen. Der Patentinhaber kann in verschiedenen Ländern an mehreren Streitsachen beteiligt sein, die denselben Fall betreffen. Dank der Einigung über das Paket für den einheitlichen Patentschutz wird sich dies in naher Zukunft jedoch ändern.

Das Einheitliche Patentgericht, das mit dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 eingerichtet wurde (PRES/13/61), wird die Verfahren vereinfachen und die Entscheidungsfindung beschleunigen: Künftig wird nur mehr ein einziges Gerichtsverfahren vor dem ausschließlich zuständigen Gericht geführt, so dass die bei nationalen Gerichten parallel anhängigen Verfahren bald der Vergangenheit angehören. Da das Gericht Urteile über die Rechtsgültigkeit und Verletzung europäischer und einheitlicher Patente für alle Vertragsstaaten fällen kann, werden Parallelverfahren und voneinander abweichende Entscheidungen künftig vermieden. Bisher beteiligen sich 25 Mitgliedstaaten an diesem einheitlichen Patentrahmen, der allen Mitgliedstaaten offensteht.

Hinsichtlich der Festlegung der internationalen Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts stützt sich das Übereinkommen auf die „Brüssel-I-Verordnung“ (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012).

Die Kommission schlägt deshalb vor, durch eine Änderung der Brüssel-I-Verordnung zu präzisieren, wie die gerichtliche Zuständigkeit im Kontext des Einheitlichen Patentgerichts geregelt ist und in welcher Form die Verordnung für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens über das Einheitliche Patentgericht sind, und den übrigen Mitgliedstaaten gelten soll.

Nächste Schritte
Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen dem Vorschlag zustimmen, damit er rechtsgültig werden kann.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auch dazu auf, das Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht so rasch wie möglich zu ratifizieren und die entsprechenden Vorarbeiten abzuschließen, damit das Gericht sein Tätigkeit aufnehmen kann und die ersten einheitlichen Patente binnen möglichst kurzer Frist erteilt werden.

Hintergrund

Nach dem geltenden EU-Recht müssen Streitigkeiten über die Rechtsgültigkeit oder eine mutmaßliche Verletzung eines Patents vor die Gerichte des Mitgliedstaats gebracht werden, in dem das Patent angemeldet wurde. Die Verfahren können entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats stattfinden, in dem der Beklagte niedergelassen ist, oder vor den Gerichten des Mitgliedstaates, in dem es zu dem Verstoß kam bzw. kommen könnte. Bei vielen Patentverletzungsverfahren bringt der Beklagte vor, dass das Patent nicht gültig ist. Für solche Fälle ist ausschließlich der Staat zuständig, in dem das Patent erteilt wurde. In der Praxis bedeutet dies, dass der Patentinhaber teure und aufwendige Parallelverfahren führen muss, bei denen die Gerichte möglicherweise voneinander abweichenden Entscheidungen fällen.

Bereits seit den 1970-er Jahren bemüht man sich – bisher immer erfolglos – um ein einheitliches, europaweit gültiges und rechtsverbindliches Patent.

Im April 2011 legte die Kommission neue Vorschläge zur Einführung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (oder „einheitliches Patent“) im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit vor (IP/11/470) und (MEMO/11/240).

Im Dezember 2012 erzielten das Europäische Parlament und der Rat die lange erwartete Einigung über das Paket für den einheitlichen Patentschutz. Damit war der Weg frei für die Unterzeichnung des internationalen Übereinkommens über das Einheitliche Patentgericht.

Durch das Paket für den einheitlichen Patentschutz wird es möglich sein, in den 25 teilnehmenden Mitgliedstaaten durch einen einzigen Antrag Patentschutz zu erlangen, ohne dass in den Mitgliedstaaten weitere Verwaltungsformalitäten, etwa Validierungs- und Übersetzungsanforderungen, erfüllt werden müssen. Erfinder und Unternehmen werden dadurch zu erheblich niedrigeren Kosten und mit wesentlich weniger bürokratischen Hürden Zugang zu den Märkten aller Mitgliedstaaten erhalten, die an der verstärkten Zusammenarbeit und dem Übereinkommen über das Einheitliche Patentgerichts beteiligt sind.

Das internationale Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht wurde am 19. Februar 2013 unterzeichnet. Das Einheitliche Patentgericht wird für Streitigkeiten zuständig sein, die sowohl künftige einheitliche Patente als auch die bereits bestehenden „klassischen“ europäischen Patente betreffen. Das Übereinkommen muss jetzt von den beteiligten Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Das Einheitliche Patentgericht wird als einziges ausschließlich zuständiges Patentgericht auf lokaler und regionaler Ebene in den EU-Mitgliedstaaten vertreten sein. Anstatt Parallelverfahren vor nationalen Gerichten führen zu müssen, werden die Parteien künftig rasch qualifizierte Entscheidungen für alle Staaten

BGH, I ZR 78/11/I ZR 136/11: Regalsystem

BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 – I ZR 136/11 / I ZR 78/11

Leitsätze:

a) Die Tatbestände des § 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG bilden regelmäßig einen einheitlichen Streitgegenstand.

b) Die Beweiskraft des Tatbestands nach § 314 Satz 1 ZPO bezieht sich auf Parteivorbringen tatsächlicher Art; dazu gehört nicht die Beantwortung der Frage, ob das nachgeahmte Produkt über wettbewerbliche Eigenart verfügt.

c) Haben die Abnehmer wegen eines Ersatz- und Erweiterungsbedarfs ein Interesse an der Verfügbarkeit in der äußeren Gestaltung mit den Erzeugnissen des Originalherstellers kompatiblen Konkurrenzprodukten (hier: Regalsysteme für den Einzelhandel), dürfen Wettbewerber im Regelfall nicht nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes auf abweichende Produktgestaltungen verwiesen werden, die die Verkäuflichkeit ihrer Produkte im Hinblick auf den Ersatz- und Erweiterungsbedarf beim Originalprodukt einzuschränken.

Aus der Urteilsbegründung:

Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass das Regalsystem der Klägerin über wettbewerbliche Eigenart verfügt (dazu B III 3) und das von der Beklagten vertriebene System eine Nachahmung des Produkts der Klägerin darstellt (dazu B III 4). Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die durch die Gestaltung des angegriffenen Produkts hervorgerufene Herkunftstäuschung sei vermeidbar (dazu B III 5).

Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, ob ein Ersatz- und Erweite-rungsbedarf besteht, der von Wettbewerbern der Klägerin nur befriedigt werden kann, wenn deren Produkte nicht nur in technischer Hinsicht mit dem Regalsystem der Klägerin kompatibel sind, sondern mit diesem auch in der optischen Gestaltung übereinstimmen. Die Beklagten haben hierzu geltend gemacht, dass von dem durchschnittlichen Ladeninhaber Abweichungen im Erscheinungsbild eines Regalsystems wegen der damit einhergehenden nicht ansprechenden Warenpräsentation häufig nicht akzeptiert werden. Mit diesem naheliegenden Vortrag wird sich das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsrechtszug auseinandersetzen müssen. Zudem kommt es für die Frage, ob die Klägerin den nahezu identischen Nachbau ihres Regalsystems trotz auftretender Herkunftsverwechslungen hinnehmen muss, auch auf den Umfang des Erweiterungs- und Ergänzungsbedarfs auf dem in Rede stehenden Produktsektor an. Dieser darf im Verhältnis zum Geschäft mit der Erstausstattung von Ladengeschäften mit Regalsystemen wirtschaftlich nicht so gering sein, dass er zu vernachlässigen ist, weil die Beklagte falls ihr der beanstandete Nachbau erlaubt ist in die Lage versetzt wird, auch die Erstausstattung von Ladengeschäften zu übernehmen.

BGH, X ZR 21/12 – Walzstraße

BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 – X ZR 21/12 – Walzstraße

Amtliche Leitsätze:

Lässt das Patentgericht in seinem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis erkennen, dass es die Argumentation des Nichtigkeitsklägers in einem bestimmten Punkt für zutreffend erachtet, hat der Kläger in der Regel keine Veran-lassung, zu diesem Punkt in erster Instanz weitere Angriffsmittel vorzutragen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 99/11, BGHZ 194, 290 = GRUR 2012, 1236 Rn. 38 – Fahrzeugwechselstromgenerator).

Die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents mit einer geänderten Fassung ist in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der Beklagte mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs Rech-nung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab.