BGH, I ZB 27/13 – VIVA FRISEURE/VIVA

BGH, Beschluss vom 13. März 2014 – I ZB 27/13 – VIVA FRISEURE/VIVA

Amtliche Leitsätze:

a) Die auf § 83 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG gestützte zulassungsfreie Rechtsbeschwerde ist grundsätzlich nur statthaft, wenn der Rechtsbeschwerdeführer geltend macht, selbst im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen zu sein.

b) Mehrere Inhaber einer Marke bilden eine Bruchteilsgemeinschaft, wenn sie ihre Rechtsbeziehungen nicht abweichend geregelt haben.

c) Steht eine Marke mehreren Personen in Bruchteilsgemeinschaft zu, sind sie notwendige Streitgenossen in dem gegen diese Marke gerichteten Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht.

BPatG, 4 Ni 34/12 (EP) – Fettabsaugevorrichtung

BPatG, Entsch. v. 8. April 2014 – 4 Ni 34/12 (EP) – Fettabsaugevorrichtung

Amtlicher Leitsatz:

Anders als beim nationalen Patent führt die auf eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung gestützte Nichtigkeitsklage bei einem angegriffenen EP-Patents nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst c EPÜ auch dann zur Nichtigerklärung des Streitpatents, wenn die unzulässige Erweiterung in der unzulässigen Aufnahme eines einschränkenden Merkmals besteht (uneigentliche Erweiterung) und der Patentinhaber das Streitpatent auch durch Aufnahme einer entsprechenden Schutzrechtserklärung (Disclaimer) verteidigt.

BGH, I ZR 185/12 – Geld-Zurück-Garantie III

BGH, Urteil vom 19. März 2014 – I ZR 185/12 – Geld-Zurück-Garantie III

Der Tatbestand der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG setzt keine hervorgehobene Darstellung der vermeintlichen Besonderheit des Angebots, sondern lediglich voraus, dass beim Verbraucher der unrichtige Eindruck erweckt wird, der Unternehmer hebe sich bei seinem Angebot dadurch von den Mitbewerbern ab, dass er dem Verbraucher freiwillig ein Recht einräume. Der Tatbestand ist jedoch nicht erfüllt, wenn dem angesprochenen Verbraucher gegenüber klargestellt wird, dass ihm keine Rechte eingeräumt werden, die ihm nicht schon kraft Gesetzes zustehen.

Eine gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG irreführende Werbung mit bei Leistungsstörungen bestehenden Gewährleistungsansprüchen liegt nicht vor, wenn die im Gewährleistungsfall bestehenden Ansprüche nicht als etwas Ungewöhnliches herausgestellt, sondern als selbstverständlich bestehend bezeichnet werden.

BGH, X ZR 2/13 – Analog-Digital-Wandler

BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – X ZR 2/13 – Analog-Digital-Wandler

Greift das Patentgericht in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis nur einzelne Angriffsmittel des Klägers auf, so hat der Beklagte in der Regel keinen Anlass, zusätzlich zu Hilfsanträgen, die dem erteilten Hinweis Rechnung tragen, vorsorglich weitere Hilfsanträge im Hinblick auf Angriffsmittel zu stellen, auf die das Patentgericht in seinem Hinweis nicht eingegangen ist oder die es als nicht aussichtsreich eingeschätzt hat.

Konsultation zum European Patent Litigation Certificate

Mit der Konsultation zum Entwurf für Vorschriften zum European Patent Litigation Certificate wurde vom Preparatory Committee des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) ein Entwurf für die Qualifikationen zur Diskussion gestellt, die Europäischen Patentanwälten nach Art. 48(2) EPGÜ Vertretungsbefugnis vor dem EPG verleihen.

Die Konsultation endete am 25.7.2014. Zahlreiche Stellungnahmen sind bereits online verfügbar.

Wenig überraschend verlaufen bei den Stellungnahmen die Fronten relativ klar zwischen Rechtsanwaltschaft und Patentanwaltschaft.

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Rechtsanwälten wie z.B. die Stellungnahme des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) oder die Stellungnahme des Ausschusses Geistiges Eigentum des Deutschen Anwaltverein betonen, dass Regel 12 des Entwurfs einer großen Anzahl Europäischer Patentanwälte das Recht zur Eintragung in die Liste der beim EPG zugelassenen Vertreter verleihen würde. Vom CCBE wird – anders als beispielsweise vom Deutschen Anwaltverein – sogar Regel 11 des Entwurfs als zu weitgehend empfunden, nach der ein juristischer Universitätsabschluss (LL.M. oder LL.B.) oder eine gleichwertige staatliche Prüfung als äquivalente Qualifikation zum European Patent Litigation Certificate (EPLitCert) anerkannt werden soll. Teilweise wird kritisiert, dass die Anzahl von Stunden, die in einem Kurs zum Erwerb des EPLitCert absolviert werden muss, relativ gering ist (derzeit sind 120 Stunden vorgesehen).

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Patentanwälten wie z.B. die Stellungnahme der European Patent Litigators Association (EPLIT), die Stellungnahme des Intellectual Property Regulation Board (IPReg) (England), die Stellungnahme des Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) (England), die Stellungnahme der Companie Nationale des Conseils en Propriété Industrielle (CNCPI) (Frankreich) oder die Stellungnahme von Hoffmann Eitle halten die Übergangsregelung der Regel 12 des Entwurfs für grundsätzlich begrüßenswert, betonen aber, dass die derzeitige Liste von Kurses sehr stark auf die größten Staaten (DE, FR, GB) fokussiert ist und somit diskriminierend ist.

Die meisten Stellungnahmen betonen auch, dass die derzeitige Fassung der Regel 12 des Entwurfs Europäische Patentanwälte mit teilweise sehr langer Berufserfahrung diskriminiert, da die meisten der aufgeführten Kurse erst seit kürzerer Zeit existieren. Diese Kurse mussten von Patentanwälten absolviert werden, die erst seit kürzerer Zeit zugelassen sind, während sie von Patentanwälten, die bereits sehr lange im Beruf stehen, noch nicht absolviert werden konnten. Ebenfalls betont wird, dass Regel 12(b) des Entwurfs, nach der auch Erfahrung in Streitverfahren als äquivalente Qualifikation zum EPLitCert gelten kann, nach ihrem jetigen Wortlaut in vielen Staaten ins Leere läuft, da die Vertretung ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts erfolgt sein muss. Die englischen Organisationen betonen beispielsweise, dass Patentstreitigkeiten typischerweise die Mitarbeit eines größeren Teams von Patent- und Rechtsanwälten beinhalten und bezweifeln, dass irgendein Europäischer Patentanwalt aus England Regel 12(b) des Entwurfs erfüllen würde.

Einen sehr interessanten Aspekt enthält nach meiner Auffassung die Stellungnahme der IP Federation (England), einer Organisation von Unternehmen mit starkem Fokus auf IP-Rechte: Die Stellungnahme betont den Wunsch dieser Unternehmen nach „Kontinuität der Vertretung“ zwischen dem Patenterteilungsverfahren, das meist von einem Patentanwalt geführt wird, und streitigem Verfahren. Zumindest bei einem Teil der zukünftigen Nutzer des Verfahrens scheint jedenfalls der Wunsch vorhanden zu sein, dass auch in der Anfangsphase des neuen Gerichtssystems eine Vertretung durch eine ausreichende Anzahl von Europäischen Patentanwälten mit zusätzlichen Qualifikationen möglich sein wird.

EPA: Geänderte Regeln 164 und 135 EPÜ

Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 10. Juni 2014 über die geänderten Regeln 164 und 135 EPÜ

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 hat der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation die Regeln 164 und 135 EPÜ geändert. Nach der geänderten Regel 164 EPÜ können Anmelder gegen Zahlung einer (weiteren) Recherchengebühr eine Recherche zu jeder beanspruchten Erfindung durchführen lassen, die das Europäische Patentamt (EPA) in der internationalen Phase nicht recherchiert hat. Darüber hinaus können Anmelder jede vom EPA in der internationalen Phase, im Verfahren für die ergänzende europäische Recherche oder im Verfahren nach der geänderten Regel 164 EPÜ recherchierte Erfindung als Grundlage für die Weiterverfolgung der Euro-PCT-Anmeldung in der europäischen Phase auswählen.

EPA: Neue Möglichkeiten zur Teil-Rückerstattung der Beschwerdegebühr

Zum 1.4.2014 sind neben einer spürbaren Erhöhung der Beschwerdegebühr im Verfahren vor dem europäischen Patentamt auch weitere wesentliche Änderungen zum Gebührenrecht im Beschwerdeverfahren in Kraft getreten. Mit dem Beschluss des Verwaltungsrats vom 13. Dezember 2013 zur Änderung der Regel 103 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen (CA/D 16/13) wurden neue Möglichkeiten zur teilweisen Rückerstattung der Beschwerdegebühr eingeführt. Ziel dürfte gewesen sein, Anreize zur Beschwerderücknahme zu setzen, um unnötigen Arbeitsanfall bei den Beschwerdekammern und somit schlussendliche die hohe Anzahl anhängiger Verfahren bei den Beschwerdekammern zu reduzieren.

Nach der neuen Regel 103 (2) EPÜ werden 50 % der Beschwerdegebühr zurückerstattet, falls die Beschwerderücknahme in folgenden Zeiträumen erfolgt:

a) falls ein Termin für eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde, mindestens vier Wochen vor diesem Termin,

b) falls kein Termin für eine mündliche Verhandlung anberaumt wurde und die Beschwerdekammer den Beschwerdeführer in einem Bescheid zur Einreichung einer Stellungnahme aufgefordert hat, vor Ablauf der von der Beschwerdekammer für die Stellungnahme gesetzten Frist,

c) in allen anderen Fällen vor Erlass der Entscheidung.

Etwas kontraproduktiv dürfte die Zusammenschau von R. 103 (2) b) und a) EPÜ sein: Falls der Beschwerdeführer bereits auf eine Aufforderung zur Einreichung einer Stellungnahme erwidert hat und noch keine Verhandlung beantragt hat, kann er die Anberaumung einer Verhandlung beantragen und dann wenigstens vier Wochen vor dem Termin der Verhandlung die Beschwerderücknahme erklären, um dann wohl noch eine Teilerstattung der Beschwerdegebühr nach R. 103(2) a) EPÜ zu erhalten.

Interessant ist auch, dass nach der Übergangsvorschrift des Art. 2(2) des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 13. Dezember 2013 zur Änderung der Regel 103 der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen (CA/D 16/13) die neue Regel 103 EPÜ auch für Beschwerden gilt, die am 1.4.2014 bereits anhängig waren. Die Teil-Rückerstattung der Beschwerdegebühr dürfte auch für zahlreiche Beschwerdeführer von Altfällen interessant sein, bei denen – beispielsweise wegen der langen Anhängigkeit im Beschwerdeverfahren – kein Interesse an der Weiterverfolgung der Anmeldung oder Einspruchs in der Beschwerdeinstanz mehr besteht.

BGH, I ZB 18/13 – Gute Laune Drops

BGH, Beschluss vom 10. Juli 2014 – I ZB 18/13 – Gute Laune Drops

Einem auf den Gesichtspunkt der fehlenden Unterscheidungskraft gestützten Löschungsantrag gemäß § 50 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kann grundsätzlich ein aufgrund jahrelanger Benutzung entstandenes Vertrauen am unveränderten Fortbestand der Eintragung nicht entgegengehalten werden.

Europäisches Patent und Opt-Out: Unklarheit über anwendbares materielles Recht

Das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (EPGÜ) wird nach seinem Inkrafttreten nicht nur für europäische Patente mit einheitlicher Wirkung, sondern grundsätzlich auch für die europäischen Patente gelten, für die keine einheitliche Wirkung eingetragen wurde (Art. 3c, d EPGÜ).

Art. 83(3) EPGÜ sieht für einen Übergangszeitraum die Möglichkeit eines Opt-out vor. Ein Opt-out hat die Wirkung, dass die Zuständigkeit des einheitlichen Patentgerichts ausgeschlossen wird. Fraglich und Gegenstand einer Kontroverse ist, ob durch ein Opt-out auch das materielle Recht des EPGÜ ausgeschlossen wird.

In der Literatur wurde weithin die Auffassung vertreten, dass durch ein Opt-out nur die Zuständigkeit des einheitlichen Patentgerichts derogiert wird, das materielle Recht des EPGÜ aber auch für das europäische Patent ohne einheitliche Wirkung anwendbar bleibt, für das ein Opt-out erklärt wurde.

Das Preparatory Committee hat zwischenzeitlich jedoch in einem Dokument ( Interpretative note – Consequences of the application of Article 83 UPCA ) die Auffassung vertreten, dass durch ein Opt-out nicht nur die Zuständigkeit des einheitlichen Patentgerichts, sondern auch das materielle Recht des EPGÜ derogiert wird. Begründet wird das u.a. damit, dass mit dem Einheitspatentpaket keine Vollharmonisierung des nationalen Patentrechts beabsichtigt war. Dieses Argument lässt außer Betracht, dass selbst bei Anwendung des materiellen Rechts des EPGÜ auf europäische Patente ohne einheitliche Wirkung nach Opt-out das nationale Recht immer noch Anwendung auf die nationalen Schutzrechte finden würde (ähnlich wie bei Marken und Designs).

Die Frage, ob für ein Patent nach Opt-out nationales Recht oder das materielle Recht des EPGÜ anwendbar ist, kann wesentliche Konsequenzen haben, z.B.:

a) Unterlassungsanspruch bei Patentverletzung: Nach Art. 63(1) EPGÜ wird dem Gericht Ermessen eingeräumt, ob der Unterlassungsanspruch zugesprochen wird, nach § 139 Abs. 1 PatG besteht kein derartiges Ermessen.

b) Mittelbare Verletzung: Die Lieferung eines erfindungswesentlichen Mittels in Deutschland zur Benutzung der Erfindung in England oder Frankreich ist eine mittelbare Verletzung nach dem EPGÜ (vgl. hier), nicht aber eine mittelbare Verletzung nach deutschem, englischem oder französischem nationalen Patentrecht.

Die Auffassung des Preparatory Committee dürfte keine Klärung dieser wichtigen Frage bringen. Denn da das einheitliche Patentgericht für Bündelpatente nach Opt-out nicht kognitionsbefugt ist, werden allein die nationalen Gerichte zur Entscheidung berufen sein, ob ein europäisches Patent ohne einheitliche Wirkung nach Opt-out dem materiellen Recht des EPGÜ oder allein dem nationalen Recht unterliegt.