BPatG, 3 Ni 26/12 (EP) – L-Arginin: zur Kostenentscheidung im Patentnichtigkeitsverfahren

BPatG, Beschl. v. 5. Mai 2014 – 3 Ni 26/12 (EP) – L-Arginin

Amtliche Leitsätze:

1. Im Patentnichtigkeitsverfahren ergeht die Kostenentscheidung nach einer Klagerücknahme, bei der der Anlass zur Klage bereits vor Rechtshängigkeit weggefallen ist (§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO), in der Regel nicht auf Grund mündlicher Verhandlung.

2. Allein der Umstand, dass die Nebenintervention erst in einem sehr späten Verfahrensstadium erklärt wird, erlaubt noch nicht den Schluss, diese Vorgehensweise des Neben-intervenienten diene lediglich dem Zweck, Kosten zu verursachen, sei rechtsmiss-bräuchlich und

BPatG, 21 W (pat) 13/10 – Elektrochemischer Energiespeicher: Zur Klarheit der Patentansprüche

BPatG, Entsch. v. 22.Mai 2014 – 21 W (pat) 13/10 – Elektrochemischer Energiespeicher

Amtliche Leitsätze:

Der Patentanspruch hat gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG die Aufgabe, eindeutig und unmissverständlich anzugeben, was als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll.

Ist den Patentansprüchen im Erteilungsbeschwerdeverfahren nicht zweifelsfrei zu entnehmen, was gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG als patentfähig unter Schutz gestellt werden soll, sind diese mängelbehaftet und daher nicht zulässig.

Das Erfordernis des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG ist nicht erfüllt, wenn Merkmale eines Patentanspruchs widersprüch-lich zueinander sind oder im Widerspruch zu allgemein bekannten mathematischen Definitionen stehen.

Der Fachmann kann zwar zum allgemeinen Verständnis abstrakt formulierter Begriffe im Einzelfall die Ausfüh-rungen in der Beschreibung heranziehen, dies findet aber jedenfalls da seine Grenze, wo die Formulierungen im angemeldeten Patentanspruch so deutliche Widersprüche aufweisen, dass sie gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG in dieser Form in einem erteilten Patentanspruch nicht bestehen dürfen und daher im Erteilungsverfahren klarzu-stellen sind.

Im Anmelde- und Patenterteilungsverfahren ist kein Raum für die Auslegung widersprüchlich formulierter Patent-ansprüche; vielmehr ist der Forderung nach klaren und deutlichen Patentansprüchen Rechnung zu tragen. Eine andere Ansicht würde zur Aushöhlung der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG führen.

Die Aufgabe, auf klare Patentansprüche hinzuwirken (vgl. BGH – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren – GRUR 2013, 1210-1212, III.1a), trifft auch das Bundespatentgericht im Erteilungsbeschwerdeverfahren. Diese Aufgabe beinhaltet aber nicht, jeden widersprüchlichen Patentanspruch im Wege der Auslegung zu „reparieren“. Die Be-schreibung kann vielmehr nur dann herangezogen werden im Zusammenspiel mit dem Anmelder als Beschwer-deführer, dessen alleinige Aufgabe es ist, einen solchen Patentanspruch klarzustellen. Erscheint der Anmelder in der mündlichen Verhandlung aber nicht und begibt er sich damit seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, so geht er das Risiko ein, dass seine Anmeldung zurückgewiesen wird. Das Bundespatentgericht kann nämlich wegen §34 Abs. 3 Nr. 3 PatG kein Patent mit einem Patentanspruch erteilen, der nicht aus sich heraus klar und ver-ständlich ist.

Demnach ist es dem Patentgericht aufgrund der Vorschrift des § 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG verwehrt, einen unklaren Patentanspruch

BPatG, 4 Ni 34/12 (EP): Zur Disclaimer-Lösung

BPatG, Entsch. v. 8. April 2014, 4 Ni 34/12 (EP)

Amtlicher Leitsatz:

Anders als beim nationalen Patent führt die auf eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der
Anmeldung gestützte Nichtigkeitsklage bei einem angegriffenen EP-Patents nach Art. II § 6
Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst c EPÜ auch dann zur Nichtigerklärung des
Streitpatents, wenn die unzulässige Erweiterung in der unzulässigen Aufnahme eines
einschränkenden Merkmals besteht (uneigentliche Erweiterung) und der Patentinhaber das
Streitpatent auch durch Aufnahme einer entsprechenden Schutzrechtserklärung (Disclaimer)
verteidigt.

BGH, I ZR 35/13 – Porträtkunst

BGH, Urteil vom 19. März 2014 – I ZR 35/13 – Porträtkunst

Amtlicher Leitsatz:

Die Schrankenregelung des § 53 Abs. 1 UrhG ist nicht einschränkend dahin auszulegen, dass sie lediglich eine Vervielfältigung veröffentlichter Werke erlaubt. Eine solche Auslegung ist weder im Blick auf entsprechende Einschränkungen anderer Schrankenregelungen oder auf das Grundrecht der Kunstfreiheit oder auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung
bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft geboten.

BGH, I ZR 70/1: Zum fristwahrenden Eingang eines Schriftstückes bei Gericht

BGH, Beschluss vom 22. Mai 2014 – I ZR 70/14

Amtlicher Leitsatz:

Ein Schriftstück, mit dem eine bei einem Gericht zu wahrende Frist eingehalten werden sollte, gelangt nicht schon zu dem Zeitpunkt fristwahrend tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Gerichts, zu dem der mit der Annahme von Schriftstücken beauftragte Mitarbeiter des Gerichts die ihm von einem Rechtsanwalt oder einem Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei übergebene Postmappe zum Zwecke der Anbringung des Eingangsstempels auf den Schriftstücken und Einbehaltung der für das Gericht bestimmten Exemplare annimmt.

BGH, I ZB 27/13 – VIVA FRISEURE/VIVA

BGH, Beschluss vom 13. März 2014 – I ZB 27/13 – VIVA FRISEURE/VIVA

Amtliche Leitsätze:

a) Die auf § 83 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG gestützte zulassungsfreie Rechtsbeschwerde ist grundsätzlich nur statthaft, wenn der Rechtsbeschwerdeführer geltend macht, selbst im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen zu sein.

b) Mehrere Inhaber einer Marke bilden eine Bruchteilsgemeinschaft, wenn sie ihre Rechtsbeziehungen nicht abweichend geregelt haben.

c) Steht eine Marke mehreren Personen in Bruchteilsgemeinschaft zu, sind sie notwendige Streitgenossen in dem gegen diese Marke gerichteten Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht.

BPatG, 4 Ni 34/12 (EP) – Fettabsaugevorrichtung

BPatG, Entsch. v. 8. April 2014 – 4 Ni 34/12 (EP) – Fettabsaugevorrichtung

Amtlicher Leitsatz:

Anders als beim nationalen Patent führt die auf eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung gestützte Nichtigkeitsklage bei einem angegriffenen EP-Patents nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst c EPÜ auch dann zur Nichtigerklärung des Streitpatents, wenn die unzulässige Erweiterung in der unzulässigen Aufnahme eines einschränkenden Merkmals besteht (uneigentliche Erweiterung) und der Patentinhaber das Streitpatent auch durch Aufnahme einer entsprechenden Schutzrechtserklärung (Disclaimer) verteidigt.

BGH, I ZR 185/12 – Geld-Zurück-Garantie III

BGH, Urteil vom 19. März 2014 – I ZR 185/12 – Geld-Zurück-Garantie III

Der Tatbestand der Nummer 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG setzt keine hervorgehobene Darstellung der vermeintlichen Besonderheit des Angebots, sondern lediglich voraus, dass beim Verbraucher der unrichtige Eindruck erweckt wird, der Unternehmer hebe sich bei seinem Angebot dadurch von den Mitbewerbern ab, dass er dem Verbraucher freiwillig ein Recht einräume. Der Tatbestand ist jedoch nicht erfüllt, wenn dem angesprochenen Verbraucher gegenüber klargestellt wird, dass ihm keine Rechte eingeräumt werden, die ihm nicht schon kraft Gesetzes zustehen.

Eine gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 UWG irreführende Werbung mit bei Leistungsstörungen bestehenden Gewährleistungsansprüchen liegt nicht vor, wenn die im Gewährleistungsfall bestehenden Ansprüche nicht als etwas Ungewöhnliches herausgestellt, sondern als selbstverständlich bestehend bezeichnet werden.

BGH, X ZR 2/13 – Analog-Digital-Wandler

BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 – X ZR 2/13 – Analog-Digital-Wandler

Greift das Patentgericht in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis nur einzelne Angriffsmittel des Klägers auf, so hat der Beklagte in der Regel keinen Anlass, zusätzlich zu Hilfsanträgen, die dem erteilten Hinweis Rechnung tragen, vorsorglich weitere Hilfsanträge im Hinblick auf Angriffsmittel zu stellen, auf die das Patentgericht in seinem Hinweis nicht eingegangen ist oder die es als nicht aussichtsreich eingeschätzt hat.

Konsultation zum European Patent Litigation Certificate

Mit der Konsultation zum Entwurf für Vorschriften zum European Patent Litigation Certificate wurde vom Preparatory Committee des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) ein Entwurf für die Qualifikationen zur Diskussion gestellt, die Europäischen Patentanwälten nach Art. 48(2) EPGÜ Vertretungsbefugnis vor dem EPG verleihen.

Die Konsultation endete am 25.7.2014. Zahlreiche Stellungnahmen sind bereits online verfügbar.

Wenig überraschend verlaufen bei den Stellungnahmen die Fronten relativ klar zwischen Rechtsanwaltschaft und Patentanwaltschaft.

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Rechtsanwälten wie z.B. die Stellungnahme des Council of Bars and Law Societies of Europe (CCBE) oder die Stellungnahme des Ausschusses Geistiges Eigentum des Deutschen Anwaltverein betonen, dass Regel 12 des Entwurfs einer großen Anzahl Europäischer Patentanwälte das Recht zur Eintragung in die Liste der beim EPG zugelassenen Vertreter verleihen würde. Vom CCBE wird – anders als beispielsweise vom Deutschen Anwaltverein – sogar Regel 11 des Entwurfs als zu weitgehend empfunden, nach der ein juristischer Universitätsabschluss (LL.M. oder LL.B.) oder eine gleichwertige staatliche Prüfung als äquivalente Qualifikation zum European Patent Litigation Certificate (EPLitCert) anerkannt werden soll. Teilweise wird kritisiert, dass die Anzahl von Stunden, die in einem Kurs zum Erwerb des EPLitCert absolviert werden muss, relativ gering ist (derzeit sind 120 Stunden vorgesehen).

Stellungnahmen von Interessenverbänden oder Organisationen von Patentanwälten wie z.B. die Stellungnahme der European Patent Litigators Association (EPLIT), die Stellungnahme des Intellectual Property Regulation Board (IPReg) (England), die Stellungnahme des Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) (England), die Stellungnahme der Companie Nationale des Conseils en Propriété Industrielle (CNCPI) (Frankreich) oder die Stellungnahme von Hoffmann Eitle halten die Übergangsregelung der Regel 12 des Entwurfs für grundsätzlich begrüßenswert, betonen aber, dass die derzeitige Liste von Kurses sehr stark auf die größten Staaten (DE, FR, GB) fokussiert ist und somit diskriminierend ist.

Die meisten Stellungnahmen betonen auch, dass die derzeitige Fassung der Regel 12 des Entwurfs Europäische Patentanwälte mit teilweise sehr langer Berufserfahrung diskriminiert, da die meisten der aufgeführten Kurse erst seit kürzerer Zeit existieren. Diese Kurse mussten von Patentanwälten absolviert werden, die erst seit kürzerer Zeit zugelassen sind, während sie von Patentanwälten, die bereits sehr lange im Beruf stehen, noch nicht absolviert werden konnten. Ebenfalls betont wird, dass Regel 12(b) des Entwurfs, nach der auch Erfahrung in Streitverfahren als äquivalente Qualifikation zum EPLitCert gelten kann, nach ihrem jetigen Wortlaut in vielen Staaten ins Leere läuft, da die Vertretung ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts erfolgt sein muss. Die englischen Organisationen betonen beispielsweise, dass Patentstreitigkeiten typischerweise die Mitarbeit eines größeren Teams von Patent- und Rechtsanwälten beinhalten und bezweifeln, dass irgendein Europäischer Patentanwalt aus England Regel 12(b) des Entwurfs erfüllen würde.

Einen sehr interessanten Aspekt enthält nach meiner Auffassung die Stellungnahme der IP Federation (England), einer Organisation von Unternehmen mit starkem Fokus auf IP-Rechte: Die Stellungnahme betont den Wunsch dieser Unternehmen nach „Kontinuität der Vertretung“ zwischen dem Patenterteilungsverfahren, das meist von einem Patentanwalt geführt wird, und streitigem Verfahren. Zumindest bei einem Teil der zukünftigen Nutzer des Verfahrens scheint jedenfalls der Wunsch vorhanden zu sein, dass auch in der Anfangsphase des neuen Gerichtssystems eine Vertretung durch eine ausreichende Anzahl von Europäischen Patentanwälten mit zusätzlichen Qualifikationen möglich sein wird.