BGH, I ZR 152/13 – Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle II

BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 – I ZR 152/13 – Teststreifen zur Blutzuckerkontrolle II

UWG § 3a; Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika Erwägungsgrund 19, Art. 8 Abs. 1 Satz 1, Art. 9 und 11; ZPO § 33 Abs. 1, § 256 Abs. 2, § 542 Abs. 2 Satz 1, §§ 802, 927 Abs. 2 Halbs. 2

a) Der Parallelimporteur eines Produkts zur Eigenanwendung für die Blutzuckerbestimmung, das die CE-Kennzeichnung trägt und von einer benannten Stelle einer Konformitätsbewertung unterzogen worden ist, ist nicht verpflichtet, eine neue Bewertung vornehmen zu lassen, mit der die Konformität der Kennzeichnung und der Gebrauchsanweisung dieses Produkts wegen ihrer Übersetzung in die Amtssprache des Einfuhrmitgliedstaats bescheinigt werden soll (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2016 – C-277/15, GRUR Int. 2016, 1149 Rn. 52 = WRP 2017, 161 – Servoprax/RDD; Aufgabe von BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 185/07, GRUR 2010, 756 Rn. 11 = WRP 2010, 1020 – One Touch Ultra).

b) Unterlassungsansprüche, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche sowie Ansprüche auf Abmahnkostenersatz hängen nicht in einer Weise voneinander ab, die die Erhebung einer Zwischenfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 2 ZPO zulässt (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 2. Mai 2002 – I ZR 45/01, BGHZ 150, 377, 383 – Faxkarte; Urteil vom 31. Mai 2012 – I ZR 45/11, GRUR 2012, 949 Rn. 36 = WRP 2012, 1086 – Missbräuchliche Vertragsstrafe).

c) Gegenüber einer nach vorausgegangenem Verfügungsverfahren erhobenen Hauptsacheklage kann im Wege der Widerklage ein Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung verfolgt werden.

d) Bei einer nach Erlass einer einstweiligen Verfügung erhobenen Hauptsacheklage liegt der für die Zulässigkeit einer Hilfswiderklage auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung im Falle der Abweisung der Hauptsacheklage gemäß § 33 Abs. 1 ZPO erforderliche Sachzusammenhang regelmäßig vor.

e) Mit der Revision kann die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung im Wege der (Eventual-)Widerklage nicht begehrt werden.

BGH, X ZR 120/15 – Abdichtsystem

BGH, Urteil vom 16. Mai 2017 – X ZR 120/15 – Abdichtsystem

Amtliche Leitsätze:

ZPO § 521 Abs. 2 Satz 2, § 277 Abs. 2, § 524 Abs. 3 Satz 2

Die Wirksamkeit einer Frist zur Berufungserwiderung hängt nicht davon ab, ob der Berufungsbeklagte darüber belehrt wurde, dass auch eine Anschlussberufung nur innerhalb dieser Frist zulässig ist.

PatG § 140a Abs. 3 Satz 1

a) Die in § 140a Abs. 3 Satz 1 PatG vorgesehenen Ansprüche auf Rückruf und auf endgültige Entfernung aus den Vertriebswegen können nebeneinander geltend gemacht werden.

b) Ein Anspruch auf Rückruf aus den Vertriebswegen ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Verpflichtete im Ausland ansässig ist.

PatG § 9 Nr. 1, § 139; BGB § 840

a) Ein im Ausland ansässiger Lieferant eines im Inland patentgeschützten Erzeugnisses, der einen ebenfalls im Ausland ansässigen Abnehmer beliefert, ist nicht ohne weiteres verpflichtet, die weitere Verwendung der gelieferten Ware durch den Abnehmer zu überprüfen oder zu überwachen.

b) Der Lieferant ist in der genannten Lage zu einer Überprüfung des Sachverhalts verpflichtet, wenn für ihn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es als naheliegend erscheinen lassen, dass seine Abnehmer die gelieferte Ware ins Inland weiterliefern oder dort anbieten.

c) Die pflichtwidrige und schuldhafte Ermöglichung oder Förderung einer fremden Patentverletzung kann Ansprüche aus §§ 139 ff. PatG nur dann begründen, wenn es zu einer Patentverletzung durch den Dritten gekommen ist oder wenn zumindest Erstbegehungsgefahr besteht (Bestätigung von BGH, Urteil vom 30. April 1964 – Ia ZR 224/63, GRUR 1964, 496, 497 – Formsand II).

d) Die pflichtwidrige und schuldhafte Förderung oder Ermöglichung einer fremden Patentverletzung begründet nicht ohne weiteres einen uneingeschränkten Anspruch auf Unterlassung von Handlungen, die für sich gesehen noch keine Patentverletzung darstellen.

e) Sofern ein Abnehmer zumindest eine Verletzungshandlung begangen hat, ist der Lieferant, der dies pflichtwidrig und schuldhaft mitverursacht hat, grundsätzlich verpflichtet, über alle Lieferungen an diesen Abnehmer Rechnung zu legen.

BGH, I ZB 55/16

BGH, Beschluss vom 28. Februar 2017 – I ZB 55/16

Amtlicher Leitsatz:

Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

BGH, I ZR 273/14 – Videospiel-Konsolen III

BGH, Urteil vom 2. März 2017 – I ZR 273/14 – Videospiel-Konsolen III

Amtlicher Leitsatz:

Die Vorschrift des § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist zwar einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die erst während des Revisionsverfahrens oder nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz eingetreten sind, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange der Gegenseite nicht entgegenstehen. Tatsachen, die bereits vor Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz entstanden sind und von einer Partei erst während des Revisionsverfahrens vorgetragen werden, können vom Revisionsgericht jedoch nicht berücksichtigt werden (Fortführung von BGH, Urteil vom 23. September 2014 – VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 21 mwN).

BGH, I ZB 43/16

BGH, Beschluss vom 26. Januar 2017 – I ZB 43/16

Amtlicher Leitsatz:

Gelingt es einem Prozessbevollmächtigten infolge einer technischen Störung des Empfangsgeräts des Gerichts nicht, einen fristwahrenden Schriftsatz per Telefax zu übermitteln, ist er nicht gehalten, eine dem Pressesprecher des Gerichts zugewiesene Telefaxnummer ausfindig zu machen und den Schriftsatz zur Fristwahrung an diese Nummer zu versenden.

BGH, X ZR 17/13 – Vakuumtransportsystem

BGH, Urteil vom 10. Januar 2017 – X ZR 17/13 – Vakuumtransportsystem

Amtliche Leitsätze:

a) Die Revision gegen ein auf Patentverletzung erkennendes Berufungsurteil ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, wenn das Patent ganz oder teilweise rechtskräftig für nichtig erklärt wird und dies dem Berufungsurteil die Grundlage entzieht. Der Zulassungsgrund muss – gegebenenfalls innerhalb der Frist zur Wiedereinsetzung in die insoweit versäumte Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde – geltend gemacht werden (Fortführung von BGH, Beschluss vom 6. April 2004 – X ZR 272/02, BGHZ 158, 372 – Druckmaschinen-Temperierungssystem I).

b) Die Partei kann den Wegfall der Urteilsgrundlage nicht im Wege einer Restitutionsklage geltend machen, wenn sie es schuldhaft unterlassen hat, den Restitutionsgrund zum Gegenstand einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Verletzungsurteil zu machen.

BGH, X ZR 41/15 – Prozesskostensicherheit

BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – X ZR 41/15 – Prozesskostensicherheit

Amtliche Leitsätze:

a) Hat eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum errichtete Gesellschaft ihren satzungsmäßigen Sitz in diesem Mitgliedoder Vertragsstaat, ist sie jedenfalls dann nicht verpflichtet, auf Verlangen des Beklagten wegen der Prozesskosten Sicherheit zu leisten, wenn sämtliche Orte, an die zur Bestimmung des tatsächlichen Verwaltungssitzes angeknüpft werden könnte, ebenfalls in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegen.

b) Der aufgrund neuer, in ihrem Einflussbereich eingetretener tatsächlicher Umstände obsiegenden Partei können Kosten des Rechtsmittelverfahrens nur dann auferlegt werden, wenn sie dadurch gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat, dass sie diese Umstände nicht bereits in einem früheren Rechtszug herbeigeführt hat.

BGH, I ZR 100/15 – Notarielle Unterlassungserklärung

BGH, Urteil vom 21. April 2016 – I ZR 100/15 – Notarielle Unterlassungserklärung

Amtliche Leitsätze:

a) Der Zugang einer vom Schuldner abgegebenen notariellen Unterlassungserklärung beseitigt nicht das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für eine gerichtliche Verfolgung des Unterlassungsanspruchs.

b) Lässt sich der Gläubiger auf die Streitbeilegung mittels notarieller Unterlassungserklärung ein, so ist für den Wegfall der Wiederholungsgefahr die Zustellung des Beschlusses über die Androhung von Ordnungsmitteln gem. § 890 Abs. 2 ZPO beim Schuldner erforderlich.

BGH, Beschluss vom 9. August 2016 – I ZB 1/15

BGH, Beschluss vom 9. August 2016 – I ZB 1/15

Amtliche Leitsätze:

a) Der Erlass eines Endschiedsspruchs lässt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den seine Zuständigkeit bejahenden Zwischenentscheid des Schiedsgerichts (§ 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2, § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO) nicht entfallen (Aufgabe von BGH, Beschluss vom 19. September 2013 – III ZB 37/12, SchiedsVZ 2013, 333 f.; Beschluss vom 30. April 2014 – III ZB 37/12, SchiedsVZ 2014, 200 Rn. 4 bis 8).

b) Gegen den Endschiedsspruch kann der Antrag auf gerichtliche Aufhebung (§ 1059 ZPO) gestellt werden, wenn das Rechtsbeschwerdegericht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO verneint hat. Sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben, muss der Aufhebungsantrag nach § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO innerhalb einer Frist von drei Monaten bei Gericht eingereicht werden. Die Frist beginnt in entsprechender Anwendung von § 1059 Abs. 3 Satz 2 ZPO mit dem Tag, an dem der Antragsteller die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts empfangen hat.

c) Die Frage nach der Erforderlichkeit der Durchführung eines der Schiedsklage vorgeschalteten Streitbeilegungsverfahrens ist nicht im Verfahren nach § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Entscheidung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu beantworten, weil sie nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, sondern die Zulässigkeit der Schiedsklage betrifft.

d) Haben die Parteien eines Vertrages eine Schiedsklausel vereinbart, wonach alle Rechtsstreitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, führt nach § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Unwirksamkeit oder Beendigung des Vertrages im Zweifel nicht zur Unwirksamkeit oder Beendigung der darin enthaltenen Schiedsvereinbarung und ist das Schiedsgericht zur Entscheidung von Streitigkeiten über die Gültigkeit und das Bestehen des Vertrags und die bei Unwirksamkeit oder Beendigung des Vertrags bestehenden Ansprüche zuständig.

BGH, I ZR 51/12 – Davidoff Hot Water II

BGH, Urteil vom 21. Oktober 2015 – I ZR 51/12 – Davidoff Hot Water II

Amtlicher Leitsatz:

§ 19 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 MarkenG ist unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass ein Bankinstitut nicht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Auskunft über Namen und Anschrift eines Kontoinhabers unter Berufung auf das Bankgeheimnis verweigern darf, wenn das Konto für den Zahlungsverkehr im Zusammenhang mit einer offensichtlichen Markenverletzung genutzt wurde.