Rechtserhaltende Benutzung – § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG vs. EuGH Bainbridge

Der Bundesgerichtshof hat im Verfahren I ZR 84/09 dem EuGH mehrere Vorlagefragen vorgelegt, die die rechtserhaltende Benutzung betreffen.

Im Kern geht es um die Frage, ob eine Benutzungsform eines Zeichens (z.B. einer Wortmarke in einer bestimmten Gestaltung) für mehrere eingetragene Marken rechtserhaltend sein kann.

§ 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG ist insoweit eigentlich unmissverständlich: Eine eingetragene Marke kann durch Benutzung in einer abgewandelten Form, die den kennzeichnenden Charakter nicht verändert, rechtserhaltend benutzt werden, selbst wenn die abgewandelte Form ebenfalls als Marke eingetragen ist. Mit § 26 Marken wird Art. 10 der MarkenRL umgesetzt. Die Regelung des § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG, die keine Entsprechung in der MarkenRL hat, war vom Gesetzgeber wohl als Klarstellung intendiert: Ein Markeninhaber sollte Abwandlungen (z.B. Modernisierung eines Schriftbilds einer Wort-Bild-Marke) einer eingetragenen Marke ebenfalls registrieren können und die Marke in der abgewandelten Form benutzen dürfen, ohne Gefahr zu laufen, dadurch seine alte und deshalb wertvolle Marke wegen Nichtbenutzung zu verlieren.

Die Richtlinienkonformität des § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG wurde über lange Zeit weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung angezweifelt. Eine ausführliche Darstellung gibt Rdnr. 37 des PROTI-Beschlusses.

Kompliziert wurde die Lage durch die Bainbridge-Entscheidung des EuGH (Urteil v. 13. September 2007 C-234/06). Teilweise wurde aus dieser Entscheidung abgeleitet, dass § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG nicht richtlinienkonform sei und deswegen unangewendet zu bleiben habe (OLG Köln, GRUR 2009, 958). Andere Obergerichte konnten keinen Widerspruch zwischen der Bainbridge-Rechtsprechung und § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG erkennen (OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2011, 134). Eine detaillierte Darstellung wird unter Rdnr. 21 des Proti-Beschlusses gegeben. Das Spannungsverhältnis zwischen der Bainbridge-Entscheidung und § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG, das sich in der unterschiedlichen Auffassung der Berufungsgerichte widerspiegelt, hat den BGH zu dem sehr ausführlichen und differenzierten Vorlagebeschluss veranlasst. Wenig Zweifel besteht daran, dass der BGH eine Auslegung der MarkenRL, nach der § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG nicht richtlinienkonform ist, aus zeichenrechtlichen Überlegungen für wenig befriedigend halten würde.

Der Fall hat auch noch eine sehr interessante europarechtliche Komponente, die ebenfalls Gegenstand einer Vorlagefrage ist: Ist das Vertrauen des Markeninhabers in § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG schützenswert, auch wenn sich dieser als nicht unionsrechtskonform erweisen würde? Die Brisanz dieser Frage ergibt sich vorliegend auch daraus, dass die Unionsrechtskonformität von § 26 Abs. 3 S. 2 MarkenG bis zur Bainbridge-Entscheidung des EuGH nicht in Frage gestellt wurde. Entsprechend führt der BGH im PROTI-Beschluss aus (Rdnr. 37): „Das Vertrauen auf die Gültigkeit des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG für eingetragene Marken hält der Senat gegenüber einer richtlinienkonformen Auslegung gem. Art. 10 Abs. 2 Buchst. a MarkenRL, falls die Bestimmung des § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG mit der Richtlinie nicht in Einklang steht, für so gewichtig, dass er die Bestimmung ihrem Wortlaut gemäß jedenfalls auf vor der Veröffentlichung der ‚BAINBRIDGE‘-Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union liegende Sachverhalte weiter anwenden möchte.“

BGH zu äquivalenter Patentverletzung: Hüte Dich vor zu viel Offenbarung!

Der Bundesgerichtshof hatte in der Entscheidung im Verfahren X ZR 16/09 – Okklusionsvorrichtung wieder einmal Gelegenheit, sich näher mit Fragen der äquivalenten Patentverletzung auseinanderzusetzen. Das hat er in einer Weise getan, die für den Praktiker neue Fragen aufwirft: Kann der Anmelder für eine umfassende Offenbarung verschiedener alternativer Lösungen im Verletzungsprozess dadurch bestraft werden, dass der Schutzbereich unter der Äquivalenzlehre kleiner ist, als wenn er nur eine einzige Ausführungsform offenbart hätte?

Interessant ist die Entscheidung schon deswegen, weil eine äquivalente Verletzung mit der Begründung verneint wurde, dass es an der Gleichwertigkeit (und nicht etwa an den anderen in den Custodiol- und Schneidmesser-Entscheidungen aufgestellten Kriterien der objektiven Gleichwirkung und Auffindbarkeit) fehlte.

Einige der zentralen Aussagen aus der Entscheidung sind:

Im zweiten Leitsatz:
„Offenbart die Beschreibung mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden, begründet die Benutzung einer der übrigen Möglichkeiten regelmäßig keine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln.“

In Rz. 35:
„Trifft der Patentanspruch eine Auswahlentscheidung zwischen verschiedenen Möglichkeiten, eine technische Wirkung zu erzielen, müssen die fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen.“

In Rz. 36:
„[Somit führt] die Prüfung der Orientierung am Patentanspruch zum Ausschluss einer Ausführungsform aus dem Schutzbereich des Patents, die zwar offenbart oder für den Fachmann jedenfalls auffindbar sein mag, von der der Leser der Patentschrift aber annehmen muss, dass sie – aus welchen Gründen auch immer – nicht unter Schutz gestellt werden sollte“.

Bevor einige kritische Überlegungen und Fragen folgen, sei vorangestellt, dass der Verfasser die Entscheidung des Senats im Ergebnis absolut nachvollziehbar findet. Ob es dazu der oben erwähnten Aussagen bedurft hätte, ist jedoch fraglich.

Auch vorangestellt sei, dass – wie jedem Patentanwalt aus seiner Praxis geläufig ist – der Fall, in dem die Ansprüche nicht mehr alle ursprünglich offenbarten Ausführungsbeispiele abdecken und dies in der Beschreibung kenntlich zu machen ist, sei es durch Streichung von Ausführungsbeispielen oder durch entsprechende Klarstellung im Beschreibungstext, eher die Regel als die Ausnahme ist.

Dies gibt Anlass zu folgenden kritischen Überlegungen:

1. Warum soll ein Anmelder keinen Schutz nach der Äquivalenzlehre mehr für eine Ausgestaltung erhalten, die er in seiner Anmeldung als technische Lösung offenbart hat, die aber nicht mehr unter den Wortlaut des erteilten Anspruchs fällt – wohingegen ein anderer Anmelder, der taggleich dieselbe Erfindung zum Patent angemeldet, dabei das nicht mehr vom erteilten Anspruch abgedeckte Ausführungsbeispiel aber von Anfang an gar nicht offenbart hat, für eben dieses (von ihm nie offenbarte) Ausführungsbeispiel nach der Äquivalenzlehre noch Schutz erhalten kann?

2. Möglicherweise hatte der Senat bei den Ausführungen unter Rz. 35 und 36 Konstellationen im Kopf, bei denen ein Anmelder einzelne Ausführungsformen aus dem Anspruchsgegenstand entfernen musste, um Neuheit und erfinderische Tätigkeit herzustellen. Das ist aber nur ein Grund, aus dem ein erteilter Anspruch nicht mehr alles abdecken kann, was offenbart ist.

Gerade die formalen Hürden des EPÜ und die Erhöhung dieser Hürden durch die in den letzten Jahren erfolgten Änderungen der Ausführungsordnung können dazu führen, dass ein Erfinder nicht immer Schutz für alle Ausführungsformen erhalten kann, die neu und erfinderisch wären.

Beispiel: Ursprünglich beansprucht ist ein Gerät, bei dem eine „erste Komponente aus einem ersten Metall ist“. Ausführungsformen beschreiben, dass das erste Metall Gold oder Kupfer sein kann. Nachdem das Prüfungsverfahren vor dem EPA schon zwei Jahre läuft, führt die Prüfungsabteilung erstmals neuheitsschädlichen Stand der Technik an, in dem das erste Metall Silber ist und der zur Einschränkung des breiten Anspruchs führen muss. Die beiden Ausführungsformen sind jedoch jeweils neu und erfinderisch. Und doch kann es sein, dass der arme Anmelder nicht beide schützen kann: Die Prüfungsabteilung macht klar, dass sie uneinheitliche Anspruchssätze nach R. 137(3) EPÜ zurückweisen werde. Somit bleibt dem armen Anmelder noch nicht einmal die Möglichkeit, eine neue Frist zur Teilung nach R. 36 (1) b) EPÜ auszulösen. Ein ganz realistisches Szenario, gerade für viele, die die Praxis des EPA unter „raising the bar“ erleben.

Notgedrungen wird sich der Anmelder in diesem Beispiel für eine der ursprünglich offenbarten Ausführungsformen entscheiden und diese zum Gegenstand seines Anspruchs machen müssen. Warum sollte er – nach dem zweiten Leitsatz von X ZR 16/09 – keinen Schutz nach der Äquivalenzlehre mehr für die andere Ausführungsform erhalten können, falls diese für den Fachmann objektiv gleichwertig und – schon wegen der Offenbarung in der Anmeldung – auffindbar ist?

3. Für den Verfasser dieses Beitrags relativ unklar bleibt die oben zitierte Textpassage in Rz. 35 des Urteils. Wenn es um die Frage der äquivalenten Verletzung geht, muss der Anspruch eigentlich immer eine „Auswahlentscheidung“ getroffen haben. Hätte er es nicht, könnte nicht ein Anspruchsmerkmal mit einem anderen Merkmal gleicher technischer Funktion ersetzt worden sein. In welchen Fällen kann man dann aber noch davon ausgehen, dass die „fachmännischen Überlegungen zu möglichen Abwandlungen … gerade auch mit dieser Auswahlentscheidung in Einklang stehen“? Soll künftig differenziert werden zwischen Abwandlungen, die im Einklang mit einem Anspruchsmerkmal stehen, und solchen, die nicht im Einklang mit einem Anspruchsmerkmal stehen? Welche Kriterien könnten für eine solche Unterscheidung entwickelt werden?

Der Verfasser dieses Beitrags sieht der Aufnahme und Kommentierung des Urteils X ZR 16/09 in den Fachkreisen jedenfalls mit Spannung entgegen.

BGH zu Softwarepatenten

Der X. Senat des Bundesgerichtshofs hatte sich im Nichtigkeitsverfahren X ZR 121/09 wieder einmal mit computerimplementierten Erfindungen zu befassen. Dabei bestätigte er die in der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung (z.B. in BGH X ZR 47/07 – Wiedergabe topographischer Informationen) entwickelte Prüfungsmethodik:

Zunächst wird in einem ersten Prüfungsschritt geprüft, ob wenigstens ein Teilaspekt der beanspruchten Erfindung auf technischem Gebiet liege (§ 1 Abs. 1 PatG). Dann wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob der Patentierungsausschluss für Programme für Datenverarbeitungsanlagen eingreift (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG). Zum zweiten Schritt wird ermittelt, ob die beanspruchte Lehre der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dient.

Interessantes enthält diese jüngste BGH-Entscheidung zu beiden genannten Prüfungspunkten:

Was die Technizitätsprüfung (§ 1 Abs. 1 PatG) angeht, ist interessant, dass der Anspruch nicht unbedingt die ausführenden technischen Einheiten (Server, Client) nennen muss, um diese Hürde zu überwinden.

Was den zweiten Prüfungsschritt angeht, werden die früher aufgestellten Kriterien angewandt. So wird ein konkretes technisches Problem jedenfalls dann gelöst,
(a) wenn Gerätekomponenten modifiziert oder grundsätzlich abweichend adressiert werden, oder
(b) wenn der Ablauf eines zur Problemlösung eingesetzten Datenverarbeitungsprogramms durch technische Gegebenheiten außerhalb der Datenverarbeitungsanlage bestimmt wird oder wenn die Lösung gerade darin besteht, ein Datenverarbeitungsprogramm so auszugestalten, dass es auf die technischen Gegebenheiten der Datenverarbeitungsanlage Rücksicht nimmt.

Etwas überraschend an der Entscheidung im Verfahren X ZR 121/09 mutet an, dass die Prüfung, ob ein konkretes technisches Problem gelöst wird, so stark auf eine Subsumtion unter die bislang entwickelten – zahlenmäßig sehr wenigen – Fallgruppen reduziert wird.

Die in der Entscheidung X ZR 121/09 angelegten Maßstäbe, was ein „konkretes technisches Problem ist“, erscheinen dem Verfasser dieses Beitrags jedenfalls recht streng. So wird beispielsweise die Verlagerung von bestimmten Operationen in einem Netzwerk von einem Client-Rechner auf einen Server als „äußerlich-organisatorische Umverlagerung der Datenverarbeitung zwischen mehreren Netzwerkkomponenten“ angesehen, die allenfalls eine „Maßnahme der Datenverarbeitung“ und keine Lösung eines konkreten technischen Problems sei. Diese Argumentation ist insofern überraschend, als ja auch eine Maßnahme der Datenverarbeitung durchaus ein technisches Problem lösen kann.

Interessant ist jedenfalls, dass die Nichtigerklärung des Patents auf Grundlage des Ausschlusses für Programme für Datenverarbeitungsanlagen erfolgte, obwohl es die beanspruchte Lehre das Zusammenwirken mehrerer Geräte in einem Netzwerk betraf.

Internationale Zuständigkeit – Ort der unerlaubten Handlung

Der Kartellsenat des BGH hat in dem Beschluss KZR 8/10 dem EuGH nach Art. 267 AEUV die Frage vorgelegt, ob der besondere Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auch für negative Feststellungsklagen eröffnet ist.

Diese Frage ist  auch für patentrechtliche Streitigkeiten von großer Bedeutung.

Der vorlegende Senat gibt zu erkennen, dass er der Auffassung zuneigt, die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sei auch bei negativen Feststellungsklagen eröffnet. Die Hauptargumente hierfür sind:

– Nach der Tatry-Rechtsprechung des EuGH löst die negative Feststellungsklage die Rechtshängigkeitssperre nach Art. 27 EuGVVO aus. Denn nach der Kerntheorie des EuGH betreffen negative Feststellungsklage und Leistungsklage denselben Streitgegenstand. Nichts anderes kann dann aber für Art. 5 Ziff. 3 EuGVVO gelten.

– Es gibt keinen Grund, dem Kläger der negativen Feststellungsklage einen Gerichtsstand abzuschneiden, der dem Kläger einer Leistungsklage oder positiven Feststellungsklage eröffnet ist.

– Entsprechend kann auch das Problem einer unerwünschten Vermehrung von Gerichtsständen nicht eintreten.

– Auch bei der negativen Feststellungsklage spricht die besondere Sachnähe dafür, eine Zuständigkeit des Gerichts am Ort der (potenziell) unerlaubten Handlung zu begründen.

Es ist erfreulich, dass eine Klärung dieser wichtigen Frage zur Anwendung des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO durch den EuGH nunmehr absehbar sein sollte.

Negatives Gutachten des Gerichtshof der EU zum Entwurf für ein Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems

Der Gerichtshof der EU hat nunmehr das lange erwartete Gutachten zum Entwurf für ein Übereinkommen eines Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente veröffentlicht. Der Gerichtshof ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass das geplante Übereinkommen zur Schaffung eines Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Die entsprechende Pressemeldung des Gerichtshofs ist hier verfügbar.

Der Entwurf für das Übereinkommen sieht eine ausschließliche Zuständigkeit eines neu geschaffenen internationalen Patentgerichts vor, das außerhalb des institutionellen und gerichtlichen Rahmens der Union stehen würde (Rz. 71 des Gutachtens). Dieses habe nach dem Entwurf für das Übereinkommen auch Unionsrecht anzuwenden und auszulegen. Das internationale Patentgericht könnte sogar die Gültigkeit eines Rechtsakts der Union zu überprüfen haben (Rz. 78 des Gutachtens). Dies unterscheide den Entwurf für das Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patengerichtssystems von Übereinkommen, die früher Gegenstand von Gutachten des EuGH waren und die nicht die Zuständigkeit der nationalen Gerichte und des EuGH bei der Anwendung und Auslegung des Gemeinschaftsrechts berührten (Rz. 77 des Gutachtens).

Da das neue internationale Gericht im Rahmen seiner ausschließlichen Zuständigkeit an die Stelle der nationalen Gerichte treten würde, würde es diesen die Möglichkeit nehmen, dem Gerichtshof Ersuchen um Vorabentscheidungen in diesem Bereich vorzulegen (Rz. 79 des Gutachtens) – auch wenn das neue internationale Patentgericht selbst die Möglichkeit der Vorlage hätte (Rz. 81 des Gutachtens). Darüber hinaus könnte eine das Unionsrecht verletzende Entscheidung des Gerichts für europäische Patente und Gemeinschaftspatente weder Gegenstand eines Vertragsverletzungsverfahrens sein noch zu irgendeiner vermögensrechtlichen Haftung eines oder mehrerer Mitgliedstaaten führen (Rz. 86 des Gutachtens).

Das geplante Übereinkommen zur Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems würde somit den Gerichten der Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeiten zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts nehmen, da es einem außerhalb des institutionellen und gerichtlichen Rahmens der Union stehenden internationalen Gericht eine ausschließliche Zuständigkeit für die Entscheidung über eine beträchtliche Zahl von Klagen Einzelner im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftspatent und zur Auslegung und Anwendung des Unionsrechts in diesem Bereich übertragen würde. Das Übereinkommen hätte außerdem eine Auswirkung auf die Zuständigkeit des Gerichtshofs, auf die von den nationalen Gerichten zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen zu antworten. Somit würde das Übereinkommen die den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten zugewiesenen Zuständigkeiten verfälschen, die für die Wahrung der Natur des Unionsrechts wesentlich sind (Rz. 89 des Gutachtens).

Abzuwarten ist, ob das Gutachten die Bemühungen um ein Gemeinschaftspatent und/oder ein einheitliches Patentgerichtssystem auf absehbare Zeit bremsen wird oder einer Verstärkten Zusammenarbeit nach Art. 20 EUV Vorschub leisten wird. Selbst eine Renaissance des EPLA scheint denkbar. So wird unter Rz. 62 des Gutachtens ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Art. 262 AEUV kein Monopol des Gerichtshofs auf dem Gebiet europäischer Rechtstitel für das geistige Eigentum schafft und auch nicht die Wahl eines gerichtlichen Rahmens für Rechtsstreitigkeiten zwischen Einzelnen im Zusammenhang mit derartigen Rechtstiteln präjudiziert. Auch in Rz. 82 des Gutachtens scheint anzuklingen, dass die Zuständigkeit von Gerichten, die in das Gerichtssystem der Union eingebunden sind, für Entscheidungen über Patentverletzungen im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit nicht zu beanstanden wäre.