BGH, X ZR 27/16 – Wasserdichter Lederschuh

BGH, Urteil vom 30. Januar 2018 – X ZR 27/16 – Wasserdichter Lederschuh

Amtliche Leitsätze:

Ist nach dem unter Schutz gestellten Verfahren ein Halbzeug in bestimmter Weise zu bearbeiten (hier: eine Lederseite in bestimmter Weise auszurüsten), beschränkt der Zweck der Bearbeitung nur insoweit den Gegenstand des Verfahrens, als das bearbeitete Halbzeug geeignet sein muss, dem
Zweck entsprechend weiterverarbeitet zu werden.

Stellt ein Sachanspruch das unter Verwendung des Halbzeugs hergestellte Fertigprodukt unter Schutz, erfasst er regelmäßig nur einen Gegenstand, bei dem das Halbzeug dem Zweck entsprechend weiterverarbeitet worden
ist.

BGH, X ZR 110/17 – Akteneinsicht XXIII

BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 – X ZR 110/17 – Akteneinsicht XXIII

Amtliche Leitsätze:

a) Der Widerspruch einer Partei kann nur dann dazu führen, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Akten eines Patentnichtigkeitsverfahrens darzulegen hat, wenn die widersprechende Partei ein eigenes Interesse aufzeigt, das der Einsichtnahme entgegenstehen kann.

b) Das Interesse eines Privatgutachters daran, dass sein Name und der Umstand, dass er im Auftrag einer bestimmten Partei tätig geworden ist, nicht bekannt werden, hat in der Regel hinter dem in § 98 Abs. 3 und § 31 PatG grundsätzlich für jedermann vorgesehenen Recht auf Akteneinsicht zurückzutreten.

BGH, X ZR 55/16 – Trommeleinheit

BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – X ZR 55/16 – Trommeleinheit

Amtliche Leitsätze:

a) Für die Beurteilung der Frage, ob der Austausch von Teilen einer mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebrachten Vorrichtung zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehört oder eine Neuherstellung darstellt, ist als maßgeblicher Bezugspunkt das geschützte Erzeugnis heranzuziehen. Dies gilt auch dann, wenn der Berechtigte ein Exemplar des geschützten Erzeugnisses (hier: eine Bildtrommeleinheit) als Bestandteil eines umfassenderen Gegenstands (hier: einer Prozesskartusche) in Verkehr gebracht hat.

b) Wenn ein Patentanspruch ein aus mehreren Teilen bestehendes Erzeugnis schützt, der Berechtigte jedoch nur Gegenstände in Verkehr bringt, die nochmals weitere Bestandteile umfassen und deshalb im Hinblick auf das geschützte Erzeugnis eine tatsächliche Verkehrsauffassung nicht festgestellt werden kann, ist für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung allein darauf abzustellen, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln (Ergänzung zu Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 97/11, GRUR 2012, 1118 – Palettenbehälter II).

BGH, X ZR 63/15 – Digitales Buch

BGH, Urteil vom 7. November 2017 – X ZR 63/15 – Digitales Buch

Amtlicher Leitsatz:

Der Umstand, dass alle in einer Anmeldung geschilderten Ausführungsbeispiele ein bestimmtes Merkmal aufweisen, steht der Beanspruchung von Schutz für Ausführungsformen ohne dieses Merkmal entgegen, wenn dem Inhalt der Anmeldung zu entnehmen ist, dass die im Anspruch vorgesehenen Mittel der Lösung eines Problems dienen, das das Vorhandensein des betreffenden Merkmals voraussetzt (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 – X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 = GRUR 2014, 542 Rn. 31 – Kommunikationskanal).

BGH Trommeleinheit – Erschöpfung

In der Entscheidung BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – Trommeleinheit setzt sich der Patentsenat des Bundesgerichtshofs erneut mit der Frage der Erschöpfung im Patentrecht – insbesondere mit der Abgrenzung zwischen einer (nicht erlaubten) Neuherstellung und einer (erlaubten) Instandhaltungsmaßnahme des mit Zustimmung des Patentinhabers in den Verkehr gebrachten patentgeschützten Erzeugnisses – auseinander.

Dabei ergänzt der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung für eine bestimmte Fallgruppe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Patent hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind (BGH Trommeleinheit, Rn. 35 m.w.N.). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Erschöpfung ist das durch die Patentansprüche geschützte Erzeugnis. Dies gilt selbst dann, wenn das durch die Patentansprüche geschützte Erzeugnis nur als Bestandteil eines noch größeren Gegenstands vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in den Verkehr gebracht wird (BGH Trommeleinheit, Leitsatz a und Rn. 41-44).

Zur Abgrenzung zwischen einem bestimmungsgemäßen Gebrauch und einer unerlaubten Neuherstellung des geschützten Erzeugnisses kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblich auf die Verkehrsauffassung sowie – unter Umständen – darauf an, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln (so bereits BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – Palettenbehälter II, Leitsätze a und b). Liegt nach der Verkehrsauffassung eine Neuherstellung vor, kann eine Patentverletzung regelmäßig nicht allein mit dem Argument verneint werden, dass das ausgetauschte Teil nicht die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegelt (BGH Trommeleinheit, Rn. 54; BGH Palettenbehälter II, Leitsatz b).

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kam es auf die Frage, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln, daher regelmäßig nur dann an, wenn nach der Verkehrsauffassung mit dem Austausch des in Rede stehenden Teils während der Lebensdauer des geschützten Erzeugnisses üblicherweise zu rechnen ist (BGH Trommeleinheit, Rn. 54; BGH Palettenbehälter II, Leitsatz c).

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung BGH Trommeleinheit dahingehend ergänzt und fortgeführt, dass eine Ausnahme vom Vorrang der Orientierung an der Verkehrsauffassung grundsätzlich geboten ist, wenn eine tatsächliche Verkehrsauffassung nicht festgestellt werden kann. Dies kann (wie im entschiedenen Fall) insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Patentanspruch ein aus mehreren Teilen bestehendes Erzeugnis schützt, der Berechtigte jedoch nur Gegenstände in Verkehr bringt, die nochmals weitere Bestandteile umfassen (BGH Trommeleinheit, Rn. 55). In diesem speziellen Fall ist für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßem Gebrauch und Neuherstellung allein darauf abzustellen, ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln (BGH Trommeleinheit, Leitsatz b und Rn. 61-62).

Gebühren für die Teilanmeldung

Dass die anspruchsabhängige Anmeldegebühr bei der Teilung deutscher Patentanmeldungen zu einem gebührenrechtlichen Fallstrick führen kann, wurde bereits früher in diesem Blog diskutiert. Anders als nach der Systematik der EPA-Gebührenordnung ist bei deutschen Patentanmeldungen die „Anspruchsgebühr“ nach dem PatKostG ein von der Anspruchsanzahl abhängiger Teil der Anmeldegebühr. Da für die Teilanmeldung die für die Stammanmeldung angefallenen Kosten zu entrichten sind (§ 39 Abs. 2 PatG), fällt der bereits für die Stammanmeldung angefallene anspruchsabhängige Teil der Anmeldegebühr für die Teilanmeldung selbst dann an, wenn die Teilanmeldung weniger Ansprüche als die Stammanmeldung hat.

Das Bundespatentgericht hat nunmehr in zwei Entscheidungen (BPatG, Beschluss vom 14. November 2016 – 7 W (pat) 30/15 – Gebühren für die Teilanmeldung I und BPatG, Beschluss vom 12. April 2017 – 7 W (pat) 28/15 – Gebühren für die Teilanmeldung II) zwei praxisrelevante Aspekte adressiert:

1. BPatG, Beschluss vom 14. November 2016 – 7 W (pat) 30/15 – Gebühren für die Teilanmeldung I: Hatte die Stammanmeldung mehr als zehn Ansprüche, fällt die für die Stammanmeldung angefallene anspruchsabhängige Anmeldegebühr auch in der Teilanmeldung an, selbst wenn diese weniger Ansprüche als die Stammanmeldung hat.

2. BPatG, Beschluss vom 12. April 2017 – 7 W (pat) 28/15 – Gebühren für die Teilanmeldung II: Hat die Teilanmeldung mehr Ansprüche als die Stammanmeldung und wird nur die für die Stammanmeldung angefallene niedrigere Anmeldegebühr entrichtet (deren Höhe je nach Anzahl der Ansprüche der Stammanmeldung von der Anzahl der Ansprüche der Stammanmeldung abhängig sein kann), führt dies nicht zur Unwirksamkeit der Teilung, sondern nur dazu, dass die Teilanmeldung (zunächst) mit den ursprünglichen Ansprüchen der Stammanmeldung geprüft wird.

Im zweiten Fall kann der Anmelder den mit der Teilanmeldung eingereichten Anspruchssatz nach Stellung des Prüfungsantrags erneut einreichen, wobei der für die höhere Anspruchsanzahl erforderliche Differenzbetrag der Anmeldegebühr zu entrichten ist, damit die Änderung des Antrags Wirksamkeit entfaltet (§ 3 Abs. 1 Ziff. 5 PatKostG).

BGH, X ZB 1/17 – Mehrschichtlager

BGH, Beschluss vom 19. September 2017 – X ZB 1/17 – Mehrschichtlager

Amtlicher Leitsatz:

Haben zwei Beteiligte gemeinsam eine Beschwerdeschrift eingereicht, jedoch nur eine Beschwerdegebühr gezahlt, ist ihre Erklärung im Zweifel dahin auszulegen, dass die Beschwerde, falls sie mangels Entrichtung einer ausreichenden Zahl von
Gebühren nicht für beide Beteiligte in zulässiger Weise erhoben wurde, für den im Rubrum der angefochtenen Entscheidung an erster Stelle Genannten erhoben sein soll.

Aus der Beschlussbegründung:

bb) Für den Fall, dass – wie hier – solche Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind, hat die Rechtsprechung bislang angenommen, dass eine Zuordnung der entrichteten Beschwerdegebühr nicht möglich sei und die Beschwerde sämtlicher Beteiligter als nicht erhoben gelte (BGH, Beschluss vom 25. März 1982 – X ZB 24/80, BGHZ 83, 271, 274 – Einsteckschloss; Beschluss vom 27. September 1983 – X ZB 19/82, GRUR 1984, 36 – Transportfahrzeug; ebenso BPatGE 12, 163, 167 f.). Einer Zuordnung der Gebühr nach Ablauf der Beschwerdefrist stehe der Grundsatz entgegen, wonach bei befristeten Rechtsmitteln innerhalb der Frist klar sein müsse, wer Rechtsmittelführer sei (BGHZ 83, 271, 274 – Einsteckschloss, unter Bezugnahme auf BGHZ 8, 293, 302 und BGHZ 21, 168, 172).

cc) An dieser Rechtsprechung wird nicht festgehalten. Sie trägt dem Grundsatz nicht hinreichend Rechnung, dass Prozesserklärungen so auszulegen sind, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Erklärenden entspricht (BGH, Beschluss vom 29. März 2011 – VIII ZB 25/10, NJW 2011, 1455 Rn. 9; GRUR 2014, 911 Rn. 9 – Sitzgelenk; Beschluss vom 12. Juli 2016 – VIII ZB 55/15, WM 2016, 632 Rn. 6 mwN).

BGH, X ZB 5/16 – Phosphatidylcholin

BGH, Beschluss vom 25. Juli 2017 – X ZB 5/16

Amtliche Leitsätze:

a) Eine Patentanmeldung ist zurückzuweisen, wenn der Gegenstand des Anspruchs, den der Anmelder zur Prüfung stellt, über den Inhalt der Anmeldungin der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht und dieser Mangel nach Aufforderung durch die Prüfungsstelle vom Anmelder nicht behoben wird (Fortführung von BGH, Beschluss vom 17. September 1974 – X ZB 17/73, GRUR 1975, 310 – Regelventil).

b) Die Aufnahme eines Merkmals, wonach die beanspruchte Zubereitung eine bestimmte Substanz nicht enthalten darf, stellt nicht ohne weiteres eine unzulässige Erweiterung dar (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 – X ZR 75/08, GRUR 2011, 1109 – Reifenabdichtmittel).

BGH, X ZB 2/17 – Raltegravir

BGH, Urteil vom 11. Juli 2017 – X ZB 2/17 – Raltegravir

Amtliche Leitsätze:

a) Ob sich der Lizenzsucher innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zur Benutzung der Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu erhalten, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu beurteilen.

b) Ein öffentliches Interesse an der Erteilung einer Zwangslizenz für einen pharmazeutischen Wirkstoff kann auch dann bestehen, wenn nur eine relativ kleine Gruppe von Patienten betroffen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Gruppe einer besonders hohen Gefährdung ausgesetzt wäre, wenn das in Rede stehende Medikament nicht mehr verfügbar wäre.

c) Ein zögerliches Verhalten des Lizenzsuchers ist bei der nach § 85 Abs. 1 PatG erforderlichen Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ein solches Verhalten spricht aber nicht ohne weiteres gegen das Vorliegen eines öffentlichen Interesses.

d) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 85 Abs. 1 PatG bedarf nicht zusätzlich der in § 935 oder § 940 ZPO normierten Voraussetzungen.