BPatG, Beschl. v. 25. Juli 2013 – Nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung und Wiedereinsetzung bei Rechtsirrtum

BPatG, Beschl. v. 25. Juli 2013 – Nationale Gebühr einer internationalen Anmeldung

Amtlicher Leitsatz:

Ist das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt i. S. d. Art. III § 4 Abs. 1 Satz 1 IntPatÜG, richtet sich die Höhe der nationalen Gebühr, die der Anmelder eines Patents nach Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG i. V. m. den Vorschriften des Patentkostengesetzes zu entrichten hat, nach der Anzahl der Patentansprüche in der ursprünglich eingereichten Fassung der internationalen Anmeldung.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zur nationalen Gebühr einer internationalen Anmeldung:

Die Einreichung der Unterlagen für die Einleitung der nationalen Phase stellt dagegen – anders als die Anmelderin meint – keinen die Fälligkeit von Gebühren auslösenden Tatbestand nach § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG dar. Sie kann weder als Antrag noch als sonstige Handlung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 PatKostG angesehen werden mit der Folge, dass die nationale Gebühr erst zu diesem Zeitpunkt fällig und nach der Zahl der mit diesen Unterlagen eingereichten Ansprüche zu bemessen wäre.

Ebenso wenig gebieten Sinn und Zweck der mit Art. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) eingeführten anspruchsabhängigen Anmeldegebühr, die Höhe der nationalen Gebühr nach der Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt der Einleitung der nationalen Phase zu bemes-sen. Es trifft zwar zu, dass nach der Begründung zur Änderung des Patentkostengesetzes (BT-Drucks. 16/11339, S. 17) mit der Bemessung der Höhe der Anmeldegebühr nach der Zahl der Patentansprüche dem Anmelder ein Anreiz für eine Begrenzung der Patentansprüche gegeben werden sollte, um so die Arbeitsbelastung des DPMA zu reduzieren. Wie bereits dargelegt, hat die internationale Anmeldung nach Art. 11 Abs. 3 PCT mit dem internationalen Anmeldedatum und mit der zu diesem Zeitpunkt eingereichten Zahl der Ansprüche im Bestimmungsstaat die Wirkung einer nationalen Anmeldung. Will der Anmelder eine geringere Gebühr bezahlen, muss er die Zahl seiner Ansprüche schon bei Einreichung der internationalen Anmeldung entsprechend begrenzen.

Im Übrigen erhielte auch ein Anmelder im nationalen Verfahren, wenn er ursprünglich mehr als zehn Ansprüche eingereicht hat, und die Anmeldung im Laufe des Verfahrens auf zehn oder weniger Ansprüche reduziert, die für den elften und jeden weiteren Anspruch entrichtete Gebühr nicht zurück, auch wenn sich durch die Einschränkung die Arbeitslast des DPMA verringert haben mag.

Im Falle der Reduzierung der Ansprüche beim Eintritt in die europäische Phase ist die Regelung in der AusfOEPÜ für den Anmelder günstiger als die für die Praxis des DPMA gültige Rechtslage. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass das DPMA als Bestimmungsamt bei der Bemessung der Gebühren gleich zu verfahren hätte wie das EPA. Da die Regelungen des PCT eine Bemessung der nationalen Gebühr nach der Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt der internationalen Anmeldung zulassen, besteht für den deutschen Gesetzgeber keine Verpflichtung, eine analoge Regelung zu Regel 162 AusfOEPÜ vorzusehen, die eine Reduzierung der Zahl der Ansprüche beim Eintritt in die nationale Phase bei der Bemessung der Gebühren berücksichtigt. Der Europäischen Patentorganisation steht es wie jedem anderen Vertragsstaat des PCT frei, insoweit eine für den Anmelder gegenüber dem PCT günstigere Regelung vorzusehen: Dies verpflichtet die übrigen Vertragsstaaten des PCT jedoch nicht dazu, eine gleichermaßen günstige Regelung zu schaffen oder zu praktizieren.

Zur Wiedereinsetzung bei Rechtsirrtum:

Eine falsche Gesetzesauslegung ist zwar grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund. Jeder Verfahrensbeteiligte ist grundsätzlich verpflichtet, sich die Kenntnis über das geltende Recht zu verschaffen, das für das ihn betreffende Verfahren gilt. Insbesondere ein Anwalt muss das jeweils geltende Recht vollinhaltlich ken-nen (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 136).

Nach der Rechtsprechung kann jedoch ausnahmsweise Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn der Rechtsirrtum auch bei zumutbarer Sorgfalt nicht zu vermeiden war (Schulte, a. a. O., § 123 Rn. 137). Dies kann dann anzunehmen sein, wenn durch eine Rechtsänderung die Rechtslage unübersichtlich geworden ist, so dass eine irrtümliche Auslegung entschuldbar erscheint (vgl. BPatG, Beschl. v. 4. Oktober 1990 – 18 W (pat) 40/90, BPatGE 31, 266, 269).

So liegt der Fall hier. Durch Art. 4 des Gesetzes zur Vereinfachung und Moderni-sierung des Patentrechts (BGBl. 2009 I, S. 2521) wurde die Bemessung der Höhe der Anspruchsgebühr nach der Zahl der Ansprüche eingeführt. Dabei wurde durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes das Gebührenverzeichnis in der Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG dahingehend geändert, dass sich für eine Anmeldung mit 11 und mehr Ansprüchen die Anmeldegebühr bei einer elektronischen Anmeldung um 20 Euro und bei einer Anmeldung in Papierform um jeweils 30 Euro pro Anspruch erhöht. Die Überschrift zu den insoweit einschlägigen Gebührennummern 311 000, 311 050 und 311 100 lautet: „Anmeldeverfahren (§ 34 PatG, Artikel III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜbkG)“. Art. III § 4 Abs. 2 IntPatÜG wurde durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts dagegen nicht geändert. Aus der Auflistung im Gebührenverzeichnis lässt sich nicht ohne weiteres entnehmen, dass sich die Gebühr im Falle einer internationalen Anmeldung, deren Überleitung in die nationale Phase ansteht, nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet. Die gleichrangige Nennung von § 34 PatG und Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG unter der Überschrift „Anmeldeverfahren“ im Gebührenverzeichnis lässt es auch denkbar erscheinen, dass für die Höhe der Gebühr nach Art. III § 4 Abs. 2 Satz 1 IntPatÜG die Zahl der Ansprüche im Zeitpunkt des Eintritts in die nationale Phase maßgeblich sein solle. Schließlich hat auch das DPMA der Anmelderin nach Einreichung der deutschen Übersetzung und Zahlung der nach der Zahl der vor dem DPMA noch beanspruchten Ansprüche bemessenen Gebühr mit Bescheid vom 11. August 2011 zunächst mitgeteilt, dass die nationale Phase eingeleitet worden sei. Vor diesem Hintergrund ist es auch einem Anwalt nicht vorzuwerfen, wenn er die gesetzlichen Vorschriften in diesem Sinne interpretiert hat, dass die Zahlung einer Gebühr entsprechend der Zahl der bei Einleitung der nationalen Phase noch verfolgten Ansprüche den gesetzlichen Vorgaben ent-spricht. Dass die Rechtslage als unübersichtlich gelten kann, lässt sich auch dar-aus entnehmen, dass sich der Gesetzgeber veranlasst sieht, durch eine abermalige Änderung des Gebührenverzeichnisses des § 2 Abs. 1 PatKostG und durch eine Änderung des Art. III § 4 IntPatÜG klarzustellen, dass sich die nationale Ge-bühr im Fall einer internationalen Anmeldung nach der Zahl der Ansprüche der internationalen Anmeldung richtet (vgl. Art. 4 Nr. 1 und Art. 7 Nr. 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes, BT-Drucks. 17/10308).

BPatG, 4 Ni 28/11 (EP) – Bildprojektor: Unzulässigkeit des Prioritätsdisclaimers

BPatG, Urt. vom 1. August 2013 – 4 Ni 28/11 (EP) – Bildprojektor

Amtliche Leitsätze:

1. Kann eine Priorität nach Art. 87 EPÜ für einen Patentanspruch eines EP-Patents nicht in Anspruch genommen werden, weil dieser ein beschränkendes Anspruchsmerkmal enthält, welches über den Inhalt des Prioritätsdokuments hinausgeht, so ist es nicht zulässig, die erforderliche Erfindungsidentität durcheine schutzbeschränkende Erklärung (Prioritätsdisclaimer) herzustellen.

2. Die beschränkte Verteidigung eines im Nichtigkeitsverfahren wegen mangelnder Patentfähigkeit angegriffenen Patentanspruchs eines EP-Patents unter Erklärung eines sog. Prioritätsdisclaimers oder dessen Aufnahme in den Patentanspruch ist deshalb unzulässig.

BPatG, 4 Ni 8/11 (EP): Nichtigkeitsverfahren im Falle der Insolvenz des Patentinhabers

BPatG, Urteil v. 10. Juli 2013 – 4 Ni 8/11 (EP)

Amtliche Leitsätze:

1. Richtiger Beklagter im Nichtigkeitsverfahren ist wegen der ausschließlich auf die Eintragung im Patentregister abstellenden passiven Prozessführungsbefugnis nach § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG auch im Falle der Insolvenz der als Patentinhaber im Patentregister eingetragene Gemeinschuldner und nicht der Insolvenzverwalter.

2. Eine vor Klageerhebung erfolgte Umschreibung im Patentregister, welche lediglich aufgrund eines identitätswahrenden Rechtsformwechsels erfolgt ist – und damit auf einer nach § 30 Abs. 3 PatG nicht eintragungsbedürftigen Änderung der Gesellschaftsform beruht – ist für die Beurteilung der passiven Prozessführungsbefugnis nach § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG unbeachtlich – hier die nach italienischem Recht zu beurteilende Umwandlung einer italienischen S.p.A. (Aktiengesellschaft) in eine S.r.l. (GmbH).

3. Das nach italienischem Insolvenzrecht vor der Insolvenzeröffnung liegende freiwillige Vergleichsverfahren (concordato preventivo) über das Vermögen des Patentinhabers gilt nach Art. 2 Ziff. a) und b) Anhang A EuInsVO als Insolvenzverfahren i. S. v Art. 1 Abs. 1 EuInsVO und führt, sofern das Streitpatentbei Anhängigkeit des Nichtigkeitsverfahrens noch die Insolvenzmasse betrifft, zur Unterbrechung des Verfahrens. Der im freiwilligen Vergleichsverfahren bestellte Verwalter (liquidatore giudiziale) verfügt nach (im deutschen Verfahrenmaßgeblichen) italienischem Recht jedoch noch nicht über die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Gemeinschuldners.

BPatG, 4 Ni 1/12 – Arretiervorrichtung

BPatG, Urteil v. 16. April 2013 – 4 Ni 1/12 – Arretiervorrichtung (Leitsätze)

Amtliche Leitsätze:

1. Der Senat ist trotz des auch im neu gestalteten Patentnichtigkeitsverfahren nach § 87 Abs. 1 Satz 1 PatG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes nicht gehalten, unkommentiert vorgelegte Schriften auf ihre Relevanz im Hinblick auf die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu untersuchen.

2. Die Obliegenheiten der Parteien zu einem konkretisierten Sachvortrag im Nichtigkeitsverfahren korrespondieren mit den Grenzen, die an die Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts bestehen, wie auch mit den Anforderungen, die unter Berücksichtigung des reformierten Verfahrens an die Anerkennung als Tatsachenvortrag der ersten Instanz in der Berufungsinstanz zu setzen sind.

Aus der Urleisbegründung:

Der Senat ist trotz des auch im neu gestalteten Patentnichtigkeitsverfahren nach § 87 Abs. 1 Satz 1 PatG geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes, wonach das Patentgericht den Sachverhalt von Amts wegen erforscht, nicht gehalten, unkommentiert vorgelegte Schriften auf ihre Relevanz im Hinblick auf die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu untersuchen. Denn die im pflichtgemessen Ermessen stehende Amtsermittlungspflicht (Busse/Engels, Patentgesetz, 7. Auflage, Rn. 261, 271 zu § 59) ist nicht unbegrenzt; sie findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit zu treffender Ermittlungen, die durch den Aufwand und die Erfolgsaussichten einerseits, aber auch die Erforderlichkeit und Möglichkeit der Mitwirkung der Beteiligten – der Verfahrensförderungspflicht – anderseits bestimmt wird (Busse/Engels, a. a. O., Rn. 266 und 267 zu § 59; zum alten Recht: Benkard/Schäfers, Patentgesetz 10. Aufl. Rn. 9 zu § 87) und im Kontext des jeweiligen Verfahrens zu sehen sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das als kontradiktorisches Streitverfahren ausgeprägte Nichtigkeitsverfahren in besonderem Maße der Disposition der Parteien Rechnung trägt und es dem Kläger obliegt, vorzutragen und geltend zu machen, auf welchen technischen Sachverhalt er sein Vorbringen stützt, und er insoweit seinen Vortrag zu den verfahrensgegenständlichen Nichtigkeitsgründen zu substantiieren hat (Busse/Keukenschrijver, a. a. O., Rn. 61 zu § 82 PatG; vgl. auch Busse/Engels, a. a. O., Rn. 267 zu § 59). Ebenso suspendiert § 82 Abs. 2 PatG die Untersuchungspflicht, wenn der Beklagte der Klage nicht widerspricht, da die vom Kläger behaupteten Tatsachen für erwiesen angenommen werden. Die Obliegenheiten der Parteien im Nichtigkeitsverfahren zur Substantiierung ihres Vorbringens korrespondieren deshalb mit den Grenzen, die an die Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen bestehen (vgl. Busse/Keukenschrijver, a. a. O., Rn. 11 zu § 87 PatG), wie auch mit den Anforderungen, die unter Berücksichtigung des reformierten Verfahrens an die Anerkennung als Tatsachenvortrag der ersten Instanz in der Berufungsinstanz zu setzen sind (hierzu auch Gröning GRUR 2012, 996): dort ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 28.8.2012, X ZR 99/11, GRUR 2012, 1236 ff., Rn. 36 – Fahrzeugwechselstromgenerator) eine Druckschrift als Angriffsmittel i. S. v. § 117 PatG, § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO eine neue Tatsache, wenn sie zwar in erster Instanz erwähnt und/oder zu den Akten gereicht wurde, der technische Sachvortrag, für den sich die Partei auf das Dokument stützen will, aber nicht in hinreichend konkreter Form bereits in der ersten Instanz gehalten wurde. Die eine Amtsermittlung erst auslösende Konkretisierung des Tatsachenvortrags ist deshalb auch für das neue Novenrecht im Berufungsverfahren vorausgesetzt.

EP: Kommission schließt rechtliche Lücken beim einheitlichen Patentschutz

Pressemitteilung der Europäischen Kommission Nr. IP/13/750 vom 29.7.2013:

Die Justiz im Dienst des Wachstums: Kommission schließt rechtliche Lücken beim einheitlichen Patentschutz

Die Europäische Kommission hat heute vorgeschlagen, den Rechtsrahmen für einen EU‑weiten Patentschutz zu vervollständigen und die EU-Vorschriften über die Rechtsprechung der Gerichte sowie die Anerkennung von Urteilen („Brüssel-I-Verordnung“) zu aktualisieren. Diese Änderungen werden den Weg für ein europäisches Patentgericht – das Einheitliche Patentgericht (EPG) – ebnen, das nach Ratifizierung der entsprechenden Vorschriften eingesetzt werden soll. Damit wird es für Erfinder und Unternehmen leichter, ihre Patente zu schützen. Das Gericht wird die ausschließliche Zuständigkeit für Patentstreitigkeiten besitzen, wodurch vermieden wird, dass mehrere Verfahren bei bis zu 28 nationalen Gerichten anhängig sind. Durch sinkende Kosten und rasche Entscheidungen über die Rechtsgültigkeit oder die Verletzung von Patenten erhält Europa einen Innovationsschub. Das Gericht ist Teil eines kürzlich vereinbarten Maßnahmenpakets zur Gewährleistung eines einheitlichen Patentschutzes im Binnenmarkt (IP/11/470).

„Durch geänderte Vorschriften für die Anerkennung von Urteilen schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass das neue Einheitliche Patentgericht seine Arbeit aufnehmen kann. Bei einem Streitfall sind die Unternehmen nicht mehr gezwungen, sich an eine Reihe von Gerichten in verschiedenen Ländern zu wenden“, sagte Vizepräsidentin Viviane Reding, die für Justiz zuständige EU-Kommissarin, und ergänzte: „Wenn die Verfahren unbürokratischer und kostengünstiger werden und die Rechtssicherheit steigt, weil man es nicht mehr mit 28 unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Systemen zu tun hat, gewinnt der Binnenmarkt an Attraktivität. Dieses Beispiel veranschaulicht sehr gut, wie Wachstumsimpulse von Maßnahmen im Justizbereich ausgehen können.“

Der für Binnenmarkt und Dienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier erklärte dazu: „Damit Europa wettbewerbsfähig bleibt, müssen innovative Unternehmen unbedingt so rasch wie möglich von den lange erwarteten Vorteilen des einheitlichen europäischen Patents profitieren können. Auch wenn die politische Einigung vom Dezember 2012 ein großer Durchbruch war, wird das einheitliche Patent erst mit der Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts Realität. Genau das muss uns möglichst schnell gelingen, und mit dem heute vorgelegten Vorschlag sind wir diesem Ziel wieder ein gutes Stück näher gekommen.“

Die Zahlen sprechen für sich. Im Jahr 2011 wurden in den Vereinigten Staaten 224 000 Patente erteilt und in China 172 000, in Europa wurden dagegen lediglich 62 000 europäische Patente ausgestellt. Dieser Unterschied ist unter anderem auf die enormen Kosten und den für die Erlangung des Patentschutzes im gesamten Binnenmarkt erforderlichen Aufwand zurückzuführen. Wenn man derzeit seine Erfindungen europaweit schützen lassen will, muss man europäische Patente in allen 28 EU‑Mitgliedstaaten validieren lassen. Der Patentinhaber kann in verschiedenen Ländern an mehreren Streitsachen beteiligt sein, die denselben Fall betreffen. Dank der Einigung über das Paket für den einheitlichen Patentschutz wird sich dies in naher Zukunft jedoch ändern.

Das Einheitliche Patentgericht, das mit dem Übereinkommen vom 19. Februar 2013 eingerichtet wurde (PRES/13/61), wird die Verfahren vereinfachen und die Entscheidungsfindung beschleunigen: Künftig wird nur mehr ein einziges Gerichtsverfahren vor dem ausschließlich zuständigen Gericht geführt, so dass die bei nationalen Gerichten parallel anhängigen Verfahren bald der Vergangenheit angehören. Da das Gericht Urteile über die Rechtsgültigkeit und Verletzung europäischer und einheitlicher Patente für alle Vertragsstaaten fällen kann, werden Parallelverfahren und voneinander abweichende Entscheidungen künftig vermieden. Bisher beteiligen sich 25 Mitgliedstaaten an diesem einheitlichen Patentrahmen, der allen Mitgliedstaaten offensteht.

Hinsichtlich der Festlegung der internationalen Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts stützt sich das Übereinkommen auf die „Brüssel-I-Verordnung“ (Verordnung (EU) Nr. 1215/2012).

Die Kommission schlägt deshalb vor, durch eine Änderung der Brüssel-I-Verordnung zu präzisieren, wie die gerichtliche Zuständigkeit im Kontext des Einheitlichen Patentgerichts geregelt ist und in welcher Form die Verordnung für die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens über das Einheitliche Patentgericht sind, und den übrigen Mitgliedstaaten gelten soll.

Nächste Schritte
Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen dem Vorschlag zustimmen, damit er rechtsgültig werden kann.

Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auch dazu auf, das Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht so rasch wie möglich zu ratifizieren und die entsprechenden Vorarbeiten abzuschließen, damit das Gericht sein Tätigkeit aufnehmen kann und die ersten einheitlichen Patente binnen möglichst kurzer Frist erteilt werden.

Hintergrund

Nach dem geltenden EU-Recht müssen Streitigkeiten über die Rechtsgültigkeit oder eine mutmaßliche Verletzung eines Patents vor die Gerichte des Mitgliedstaats gebracht werden, in dem das Patent angemeldet wurde. Die Verfahren können entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats stattfinden, in dem der Beklagte niedergelassen ist, oder vor den Gerichten des Mitgliedstaates, in dem es zu dem Verstoß kam bzw. kommen könnte. Bei vielen Patentverletzungsverfahren bringt der Beklagte vor, dass das Patent nicht gültig ist. Für solche Fälle ist ausschließlich der Staat zuständig, in dem das Patent erteilt wurde. In der Praxis bedeutet dies, dass der Patentinhaber teure und aufwendige Parallelverfahren führen muss, bei denen die Gerichte möglicherweise voneinander abweichenden Entscheidungen fällen.

Bereits seit den 1970-er Jahren bemüht man sich – bisher immer erfolglos – um ein einheitliches, europaweit gültiges und rechtsverbindliches Patent.

Im April 2011 legte die Kommission neue Vorschläge zur Einführung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung (oder „einheitliches Patent“) im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit vor (IP/11/470) und (MEMO/11/240).

Im Dezember 2012 erzielten das Europäische Parlament und der Rat die lange erwartete Einigung über das Paket für den einheitlichen Patentschutz. Damit war der Weg frei für die Unterzeichnung des internationalen Übereinkommens über das Einheitliche Patentgericht.

Durch das Paket für den einheitlichen Patentschutz wird es möglich sein, in den 25 teilnehmenden Mitgliedstaaten durch einen einzigen Antrag Patentschutz zu erlangen, ohne dass in den Mitgliedstaaten weitere Verwaltungsformalitäten, etwa Validierungs- und Übersetzungsanforderungen, erfüllt werden müssen. Erfinder und Unternehmen werden dadurch zu erheblich niedrigeren Kosten und mit wesentlich weniger bürokratischen Hürden Zugang zu den Märkten aller Mitgliedstaaten erhalten, die an der verstärkten Zusammenarbeit und dem Übereinkommen über das Einheitliche Patentgerichts beteiligt sind.

Das internationale Übereinkommen über das Einheitliche Patentgericht wurde am 19. Februar 2013 unterzeichnet. Das Einheitliche Patentgericht wird für Streitigkeiten zuständig sein, die sowohl künftige einheitliche Patente als auch die bereits bestehenden „klassischen“ europäischen Patente betreffen. Das Übereinkommen muss jetzt von den beteiligten Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Das Einheitliche Patentgericht wird als einziges ausschließlich zuständiges Patentgericht auf lokaler und regionaler Ebene in den EU-Mitgliedstaaten vertreten sein. Anstatt Parallelverfahren vor nationalen Gerichten führen zu müssen, werden die Parteien künftig rasch qualifizierte Entscheidungen für alle Staaten

BGH, X ZR 21/12 – Walzstraße

BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 – X ZR 21/12 – Walzstraße

Amtliche Leitsätze:

Lässt das Patentgericht in seinem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis erkennen, dass es die Argumentation des Nichtigkeitsklägers in einem bestimmten Punkt für zutreffend erachtet, hat der Kläger in der Regel keine Veran-lassung, zu diesem Punkt in erster Instanz weitere Angriffsmittel vorzutragen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 99/11, BGHZ 194, 290 = GRUR 2012, 1236 Rn. 38 – Fahrzeugwechselstromgenerator).

Die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents mit einer geänderten Fassung ist in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der Beklagte mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs Rech-nung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab.

BGH, X ZR 27/12 – Fahrzeugnavigationssystem

BGH, Urteil vom 23. April 2013 – X ZR 27/12 – Fahrzeugnavigationssystem

Amtlicher Leitsatz:

Die Anweisung an den Fachmann, bei der Sprachausgabe eines Navigationshinweises unter bestimmten Bedingungen bestimmte Detailinformationen (hier: Straßennamen) zu berücksichtigen, betrifft den Inhalt der durch das Navigationssystem optisch oder akustisch wiedergegebenen Information und ist bei der Prüfung der technischen Lehre des Patents auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

Aus der Urteilsbegründung:

Ein Navigationsverfahren oder -system implementiert mit technischen Mitteln die Wiedergabe von Informationen, die dem Fahrer die Wahl einer zweckmäßigen Fahrtroute zu seinem Ziel erlauben und es ihm erleichtern, der gewählten Fahrtroute zu folgen, indem ihm zu einem geeigneten Zeitpunkt Detailinformationen über die nächstfolgende Entscheidungssituation zur Verfügung gestellt werden. Es steuert nicht das Fahrzeug, sondern stellt nur dafür zweckmäßige Informationen bereit. Die Wiedergabe von Informationen ist nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. d 3 EPÜ als solche (Art. 52 Abs. 3 EPÜ) ebenso wenig dem Patentschutz zugänglich wie dieser nach Art. 52 Abs. 2 Buchst. c EPÜ für Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche in Betracht kommt. Anweisungen, die die Informationen betreffen, die nach der Lehre eines Patents wiedergegeben werden sollen, können daher auch unter dem Gesichtspunkt der erfinderischen Tätigkeit die Patentfähigkeit der erfindungsgemäßen Lehre nur dann und nur insoweit stützen, als sie die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH, Beschluss vom 24. Mai 2004 – X ZB 20/03, BGHZ 159, 197, 204, 206 – Elektronischer Zahlungsverkehr; Urteil vom 26. Oktober 2010 – X ZR 47/07, GRUR 2011, 125 Rn. 31 – Wiedergabe topografischer Informationen). Der Senat hat deshalb in dem letztgenannten Urteil die Auswahl einer für Navigationszwecke zweckmäßigen Projektion topographischer Daten nicht als Teil der vom dortigen Streitpatent zur Verfügung gestellten technischen Lösung, sondern als dieser vorgelagerte Vorgabe eines Kartographen, Geographen oder Geodäten angesehen (BGH, GRUR 2011, 125 Rn. 39 – Wiedergabe topografischer Informationen). Ebenso hat er für die Zurverfügungstellung von Informationen über gegebenenfalls zu meidende Streckenabschnitte (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12, GRUR 2013, 275 Rn. 42 – Routenplanung) und die unter bestimmten Voraussetzungen vom Navigationssystem automatisch vorgenommene Auswahl des Stadtzentrums als Routenzielpunkt (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 121/11, juris Rn. 29) entschieden.

BPatG, 4 Ni 13/11 – Dichtungsring

BPatG, Urt. v. 15. Januar 2013 – 4 Ni 13/11 – Dichtungsring

1. Erschöpft sich die patentgemäße Lösung nur in der handwerklichen Maßnahme, eine bekannte, technisch weniger anspruchsvolle Lösung – hier einer Querschnittsverringerung des Dichtungsrings – hinzunehmen bzw. der technisch anspruchsvolleren Lösung hinzuzufügen, so begründet ein solcher in Kauf genommener „handwerklicher Rückschritt“ ebenso wenig eine erfinderische Tätigkeit wie eine nur handwerkliche Weiterbildung des Standes der Technik.

2. Der Sachprüfung eines im Nichtigkeitsverfahren angegriffenen Unteranspruchs bedarf es nur – was vorrangig zu klären ist und wofür in der Rechtsprechung Auslegungsregeln entwickelt worden sind – wenn der Wille des Patentinhabers auf dessen (isolierte) Verteidigung gerichtet ist.

3. Anders als bei der Verteidigung des Streitpatents durch Neuformulierung eines Patentanspruchs mittels Aufnahme von Merkmalen aus verfahrensgegenständlichen Patentansprüchen, welche immer oder jedenfalls dann einer eigenständigen Sachprüfung bedürfen, wenn der Patentinhaber sie isoliert verteidigt, bietet die mögliche Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung keinen Anlass für eine vorsorgliche Beschäftigung und Recherche durch die Klägerin. Eine derartige Forderung würde die der Klägerin obliegende Prozessförderungspflicht auch vor dem Hintergrund des von § 83 PatG intendierten besonderen Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erheblich überspannen und andererseits die Beklagte über Gebühr von ihrer entsprechenden Verpflichtung entlasten.

BPatG, 25 W (pat) 89/12: Funktionelle Zuständigkeit in Bezug auf die Entscheidung über die Wiedereinsetzung bei versäumter Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr

BPatG, Beschl. v. 14. Mai 2013 – 25 W (pat) 89/12

Amtlicher Leitsatz:

Für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag betreffend die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist nicht der Rechtspfleger, sondern funktionell ausschließlich der Beschwerdesenat zuständig gemäß §§ 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 bzw. §§ 66 Abs. 1, 67 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 6 MarkenG.

BPatG, 20 W (pat) 28/09 – Prüfungsbescheid in Nachanmeldung

BPatG, Beschluss vom 23. Mai 2013 – 20 W (pat) 28/09 – Prüfungsbescheid in Nachanmeldung

Amtlicher Leitsatz:

Anders als im Falle einer Teilanmeldung, die in der Verfahrenslage weitergeführt wird, in der sich zum Zeitpunkt der Ausscheidung die Stammanmeldung befand und infolgedessen die bis dahin erlassenen Bescheide auch als in der Teilanmeldung erlassen anzusehen sind, ist es im Rahmen einer völlig eigenständigen Anmeldung, die die innere Priorität einer Voranmeldung in Anspruch nimmt, unzulässig, in Bescheiden lediglich auf in der
Voranmeldung erlassenen Bescheide zu referenzieren und eine detaillierte Angabe von
möglichen Gründen, die der Patentierung gemäß § 45 PatG entgegenstehen könnten, zu
unterlassen.