BPatG, 25 W (pat) 76/11 – Yosaja / YOSOI

BPatG, Urt. v. 15. Januar 2015 – 25 W (pat) 76/11 – Yosaja / YOSOI (Leitsätze)

Amtliche Leitsätze:

1. Das undifferenzierte Bestreiten der Benutzung einer Widerspruchsmarke ist regelmäßig als Erhebung beider Einreden nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG zu verstehen, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind. Soweit nach der Datenlage nur die Voraussetzungen für die Einrede nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG gegeben
sind, ist eine solche verfahrensrechtliche Erklärung entsprechend § 133 BGB im Zweifel dahingehend auszulegen, dass nur diese nach dem Gesetz mit Rechtswirkung mögliche und damit sinnvolle Einrede erhoben werden soll.

2. Die Rechtsauffassung des Präsidenten des HABM gemäß Mitteilungen Nr. 4/03 vom 16. Juli 2003 und Nr. 2/12 vom 20. Juni 2012, wonach vor dem 20. Juni 2012 mit allen in der Überschrift einer bestimmten Klasse aufgeführten Oberbegriffen eingetragene Marken für sämtliche in der zum Anmeldezeitpunkt maßgeblichen alphabetischen Liste der
entsprechenden Klasse aufgeführten Produkte Schutz genießen sollen, widerspricht fundamentalen registerrechtlichen Grundsätzen und auch der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2012, 822 – Chartered Institut of Patent Attorneys = IP-Translator). Sie ist nicht vereinbar mit der Funktion des Markenregisters, allein mit den dort aufgeführten Angaben
die Öffentlichkeit und insbesondere die Mitbewerber über den waren- und dienstleistungsmäßigen Schutzumfang von Marken klar und eindeutig zu unterrichten.

BGH, I ZR 114/13 – PINAR

BGH, Urteil vom 17. November 2014 – I ZR 114/13 – PINAR

Amtliche Leitsätze:

a) Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung in einer von der Eintragung der Marke abweichenden Form im Sinne von § 26 Abs. 3 MarkenG können ausnahmsweise die für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr entwickelten Grundsätze zu einer gespaltenen Ver-kehrsauffassung herangezogen werden. Dies ist gerechtfertigt, wenn feststellbar ist, dass der Gebrauch des Kennzeichens gegenüber einem objektiv abgrenzbaren Verkehrskreis erfolgt, wie dies bei einem bestimm-ten Sprachkreis der Fall ist.

b) Wird die eingetragene Marke mit einem Zusatz verbunden, der in der türkischen Sprache das vertriebene Produkt beschreibt (hier: Sosis), ist von einer rechtserhaltenden Nutzung durch das zusammengesetzte Kennzeichen (hier: Pinar Sosis) auszugehen, wenn die Produkte in Deutschland weit überwiegend in türkischen Lebensmittelgeschäften an der türkischen Sprache mächtige Kunden vertrieben werden.

BGH, I ZR 1/11 – Parfumflakon III

BGH, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 1/11 – Parfumflakon III

Amtliche Leitsätze:

a) Die Annahme einer Verletzungshandlung im Sinne von Art. 93 Abs. 5 der Verordnung (EG) 40/94 setzt ein aktives Verhalten des Verletzers voraus. International zuständig sind deshalb die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich der Vorfall, der der behaupteten Verletzung zugrunde liegt, ereignet hat oder zu ereignen droht. Nicht zuständig sind dagegen die Gerichte der Mitgliedstaaten, in dem die behauptete Verletzung lediglich ihre Wirkungen entfaltet.

b) An dem internationalen Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO können neben Ansprüchen auf Geldersatz, Unterlassung und Beseitigung auch Nebenansprüche auf Auskunftserteilung geltend gemacht werden.

c) Die Annahme einer internationalen Zuständigkeit gemäß Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO für eine auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützte Klage unter dem Gesichtspunkt des Ortes der Verwirklichung des Schadenserfolgs setzt voraus, dass nach dem Vortrag des Klägers ein Wettbewerbsverstoß, der einen Schaden im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts verursacht hat, nicht ausgeschlossen ist. Ob tatsächlich ein schädigendes Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, aus dem sich ein Wettbewerbsverstoß ergibt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, die

BGH, I ZR 91/13 – STAYER

BGH, Urteil vom 27. November 2014 – I ZR 91/13 – STAYER

Amtliche Leitsätze:

a) Für die rechtserhaltende Benutzung einer Marke im Inland reicht die reine Durchfuhr im Ausland gekennzeichneter Ware durch Deutschland nicht aus. Dies gilt auch für eine international registrierte Marke.

b) Die Kennzeichnung von Exportware im Inland kann für eine rechtserhaltende Benutzung genügen. Diese setzt nicht voraus, dass es sich bei dem im Ausland ansässigen Abnehmer um ein vom Markeninhaber unabhängiges Unternehmen handelt.

c) Wird eine Marke rechtserhaltend für Waren benutzt, die unter zwei Oberbegriffe des Warenverzeichnisses fallen, ist der umfassendere Oberbegriff zu löschen.

Gericht der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 50/15 zu den Urteilen in den Rechtssachen T-423/12, T-183/13 und T-184/13 Skype Ultd/HABM

Aus der Pressemitteilung:

Das Gericht der EU bestätigt, dass zwischen den Wort- und Bildzeichen SKYPE und der Wortmarke SKY Verwechslungsgefahr besteht.

In Bezug auf die bildliche, klangliche und begriffliche Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen bestätigt das Gericht, dass der Vokal „y“ im Wort „skype“ nicht kürzer ausgesprochen wird als im Wort „sky“. Darüber hinaus bleibt das Wort „sky“, das zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehört, im Wort „skype“ trotz dessen Zusammenschreibung klar erkennbar. Schließlich sind die relevanten Verkehrskreise ohne Weiteres in der Lage, den Bestandteil „sky“ im Wort „skype“ zu erkennen, auch wenn der verbleibende Bestandteil „pe“ keine eigenständige Bedeutung hat.

BGH, I ZB 61/13 – Langenscheidt-Gelb

BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2014 – I ZB 61/13 – Langenscheidt-Gelb

Amtliche Leitsätze:

a) Für eine markenmäßige Verwendung einer Farbe spricht deren langjährige und durchgängige Verwendung durch den Marktführer im gesamten Produktsegment (hier: zweisprachige Wörterbücher in Printform). In diesem Fall steht der Annahme einer markenmäßigen Ver-wendung der Umstand nicht entgegen, dass die Farbe zusammen mit weiteren Kennzeichen verwendet wird.

b) Ob der Verbraucher in einer konturlosen Farbmarke einen betrieblichen Herkunftshinweis sieht, kann durch demoskopische Untersuchungen nur festgestellt werden, wenn Gegenstand der Befragung ein Muster der Farbe und nicht die konkrete Form der Verwendung zusammen mit weiteren Zeichen ist.

c) Für die Annahme einer Verkehrsdurchsetzung einer abstrakten Farbmarke im Sinne von § 8 Abs. 3 MarkenG ist kein deutlich über 50% liegender Durchsetzungsgrad erforderlich.

d) Liegt zwischen Anmeldetag und Zeitpunkt der Fertigung eines demoskopischen Gutachtens ein großer Zeitraum (hier: 13 Jahre), schließt dies grundsätzlich die Annahme aus, dass das Ergebnis des Gutachtens auf den Anmeldetag bezogen werden kann. Etwas anderes kann nur in besonderen, an strenge Voraussetzungen geknüpften Fallgestaltungen gelten. Von einem solchen Ausnahmefall ist auszugehen, wenn in speziellen Warenbereichen die in Frage stehenden Produkte sich nicht rasch ändern, die Marktentwicklung über lange Zeit-räume zuverlässig beurteilt werden kann und die für die Verkehrsdurchsetzung sprechenden Umstände eindeutig sind.

BGH, I ZR 240/12 – Kinderhochstühle im Internet III

BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 – I ZR 240/12 – Kinderhochstühle im Internet III

Amtliche Leitsätze:

a) Der Betreiber eines Internetmarktplatzes, der Dritten dort die Möglichkeit eröffnet, Verkaufsangebote ohne seine Kenntnisnahme in einem vollautomatischen Verfahren einzustellen, kann als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er Anzeigen im Internet geschaltet hat, die über einen elektronischen Verweis zu Angebotslisten führen, in denen auch die Marken der Klägerin verletzende Angebote enthalten sind.

b) Beschränkt der Markeninhaber den gegen den Marktplatzbetreiber wegen markenrechtsverletzender Verkaufsangebote Dritter gerichteten Unterlassungsanspruch nicht auf die konkrete Verletzungsform, hat er auch vorzutragen, dass die von ihm im Klageantrag genannten abstrakten Kriterien es dem Marktplatzbetreiber ermöglichen, problemlos und zweifelsfrei festzustellen, ob ein Handeln des Anbieters im geschäftlichen Verkehr vorliegt.

c) Stellt der Betreiber eines Internetmarktplatzes dem Nutzer eine Funktion zur automatischen Unterrichtung über neue Angebote durch E-Mails zur Verfügung, löst dies keine gesteigerten Überwachungspflichten aus.

BPatG, 24 W (pat) 34/11 – Kennfäden in Glasfasergeweben

BPatG, Entsch. v. 16. Dezember 2014 – 24 W (pat) 34/11 – Kennfäden in Glasfasergeweben

Amtliche Leitsätze:

1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von als Kennfadenmarken angemeldeten Zeichen ist maßgeblich, ob das jeweilige Zeichen nach branchenspezifischen Kennzeichnungsgewohnheiten und einer darauf beruhenden Verkehrsauffassung
nicht lediglich als Verzierung, sondern als betrieblicher Herkunftshinweis erkannt wird.

2. Anknüpfungstatsachen, auch solche mit Auslandsbezug, die für sich betrachtet noch keinen Schluss auf solche Kennzeichnungsgewohnheiten zulassen, können Anlass geben, von Amts wegen weitere Ermittlungen im einschlägigen Warenbereich durchzuführen.

3. Bei solchen von Amts wegen gebotenen Ermittlungen und bei der Beurteilung der Ermittlungsergebnisse sind Erfahrungssätze aus übergeordneten Warenbereichen nicht verallgemeinernd zu Grunde zu legen, sondern es ist eine abhängig von Art, Beschaffenheit und Verwendung der einzelnen Waren differenzierte Betrachtung erforderlich.

BPatG, 30 W (pat) 83/11 – for you

BPatG, Beschl. v. 13. Juni 2013 – 30 W (pat) 83/11 – for you

Amtlicher Leitsatz:

Versteht der Verkehr eine Wortfolge (hier: „for you“) als schlagwortartige Aussage, die
lediglich seine Aufmerksamkeit wecken und auf die so gekennzeichnete Ware (hier: Waren
der Klassen 5, 29, 30 und 32) lenken soll, so spricht dies nicht für, sondern gegen die
markenrechtliche Unterscheidungskraft dieser Wortfolge (Abweichung von BGH GRUR
1999, 1093 – FOR YOU).

BPatG, 25 W (pat) 79/12: Festsetzung des Gegenstandswerts

BPatG, Beschl. v. 13. November 2014 – 25 W (pat) 79/12

Amtliche Leitsätze:

Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts im Widerspruchs(beschwerde)verfahren ist das
wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke am
Erhalt seiner Marke maßgeblich (st.Rspr.).

Mangels ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine betragsmäßige Schätzung
dieses wirtschaftlichen Interesses ist bei der Festsetzung des Gegenstandswerts von dem in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG normierten Regelwert auszugehen (abw. BPatG Beschluss vom 8. August 2013 – 30 W (pat) 57/11).

Der erkennende Senat hält entgegen der Mehrheit der Marken-Beschwerdesenate des
Bundespatentgerichts, die einer BGH-Praxis folgend den Gegenstandswert regelmäßig mit
50.000,– Euro festsetzen, an seiner Rechtsprechung fest, dieses wirtschaftliche Interesse bei unbenutzten angegriffenen Marken ohne werterhöhende Faktoren in der Form zu bemessen, dass der Ausgangsregelwert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG verfünffacht wird (vgl. Senatsbeschluss vom 9. August 2012 – 25 W (pat) 510/11, BlPMZ 2012, 421 – Gegenstandswert im Widerspruchs- bzw. Widerspruchsbeschwerdeverfahren). Daraus ergibt sich im vorliegenden Verfahren ein Gegenstandswert in Höhe von 20.000,– Euro.

Bei der Bemessung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren ist auf die
Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens abzustellen
(Rechtsgedanke des § 40 GKG), und der zu diesem Zeitpunkt gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG normierte Regelwert zu Grunde zu legen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Insgesamt zeigen die vorstehenden Zahlen, dass die Widerspruchs- und Widerspruchsbeschwerdeverfahren
mit steigender Höhe der Gegenstandswerte und damit
steigender Kostenbelastung sich zunehmend von dem ursprünglichen gesetzgeberischen
Zweck und Ideal entfernen, den Beteiligten ein schnelles und im Wesentlichen
an der Registerlage orientiertes und deshalb im Vergleich zum Verletzungsprozess
einfacheres und auch deutlich kostengünstigeres Verfahren zur Klä-
rung markenrechtlicher Kollisionen (regelmäßig vor der Benutzungsaufnahme einer
jüngeren Marke) zur Verfügung zu stellen. Dass dieser gesetzgeberische
Zweck, der auch in den sehr niedrigen Gebühren für die Erinnerung vor dem Patentamt
und die Beschwerde vor dem Bundespatentgericht in Höhe von aktuell
150,– bzw. 200,– € zum Ausdruck kommt, durch unangemessen hohe Gegenstandswerte
und den daraus folgenden entsprechend hohen Anwaltskosten konterkariert
wird, ergibt sich aus dem vorstehend dargestellten Zahlenwerk ohne
Weiteres. Angesichts der inflationären Tendenzen beim Gegenstandswert (Verfünffachung
des Werts von 2006 bis 2012) und der dadurch bedingten gestiegenen
Kostenbelastung für die Beteiligten ist es auch wenig überraschend, dass das
Instrument des markenrechtlichen Widerspruchsverfahrens zur Klärung von streitigen
Kollisionslagen von den Markeninhabern zunehmend zurückhaltend genutzt
wird. Die durchschnittliche Zahl der Widerspruchsbeschwerdeentscheidungen
beim Bundespatentgericht pro Jahr war in den Jahren 1995 bis 2004 etwa um einen
Faktor 3 und in den Jahren 2005 bis 2008 etwa um einen Faktor 2 höher als
in der jüngeren Vergangenheit der Jahre 2009 bis 2013, wohingegen die Zahl der
Verfahren zu Fragen der absoluten Schutzfähigkeit bezogen auf den Zeitraum von
1995 bis 2012 (mit Ausnahme der Jahre 2001 bis 2004 mit um circa 40 % höheren
Entscheidungszahlen) nahezu konstant geblieben ist. Der erkennende Senat hält
es für außerordentlich bedauerlich, dass das markenrechtliche Widerspruchsverfahren
als wertvolles Instrument der „Regulierung“ und „Vorabklärung“ vor einem
tatsächlichen Aufeinandertreffen der Marken im Markt wohl nicht zuletzt auch aufgrund
des signifikant gestiegenen Kostenaufwands zunehmend ungenutzt bleibt.