BGH, I ZB 52/09 – Maalox/Melox-GRY: Gespaltene Verkehrsauffassung

Amtliche Leitsätze des Beschlusses des BGH vom 1. Juni 2011 – I ZB 52/09 – Maalox/Melox-GRY:

a) Gehören zu den angesprochenen Verkehrskreisen sowohl Fachkreise (Ärzte und Apotheker) als auch das allgemeine Publikum (Endverbraucher), kann der Gesamteindruck, den die verschiedenen Verkehrskreise von den Marken haben, unterschiedlich ausfallen. Kann aufgrund der gespaltenen Verkehrsauffassung nur bei einem der verschiedenen Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr bejaht werden, reicht dies für die Verwirklichung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG grundsätzlich aus.

b) Das Publikum hat regelmäßig keine Veranlassung, von wirtschaftlichen oder organisatorischen Verbindungen zwischen den Unternehmen auszugehen, die Inhaber der kollidierenden Marken sind, wenn die Ähnlichkeit der Waren durchschnittlich ist, die ältere Marke über normale Kennzeichnungskraft verfügt und deutliche Unterschiede zwischen den Marken bestehen.

BGH, I ZR 147/09 – Coaching-Newsletter: Verunglimpfung eines Mitbewerbers ./. Grundrecht der Meinungsfreiheit

Amtliche Leitsätze des Urteils des BGH vom 19. Mai 2011 – I ZR 147/09 – Coaching-Newsletter:

a) Vergleichende Werbung im Sinne von § 6 UWG setzt nicht nur voraus, dass ein Mitbewerber oder die von ihm angebotenen Produkte erkennbar gemacht werden; darüber hinaus muss sich aus der Werbung ergeben, dass sich unterschiedliche, aber hinreichend austauschbare Produkte des Werbenden und des Mitbewerbers gegenüberstehen.

b) Die pauschale Abwertung der Leistungen eines Mitbewerbers ist jedenfalls dann nach §§ 3, 4 Nr. 7 UWG unlauter, wenn die konkreten Umstände, auf die sich die abwertende Äußerung bezieht, nicht mitgeteilt werden.

BGH, I ZR 17/10 – Computer-Bild

BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – I ZR 17/10 – Computer-Bild

Amtliche Leitsätze:

BGB § 312b Abs. 3 Nr. 5, § 312c Abs. 1, § 312d Abs. 4 Nr. 3, § 491 Abs. 2 Nr. 1, § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3; EGBGB Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10

a) In einer Werbeanzeige für ein Zeitschriftenabonnement, der ein Bestellformular beigefügt ist, mit dem die Zeitschrift abonniert werden kann, muss gemäß § 312c Abs. 1 BGB, Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB, § 312d Abs. 4 Nr. 3 BGB darauf hingewiesen werden, dass im Falle einer Bestellung kein Widerrufsrecht besteht.

b) Zeitungen und Zeitschriften zählen nicht zu den Haushaltsgegenständen des täglichen Bedarfs im Sinne des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB.

c) Die Regelung des § 312b Abs. 3 Nr. 5 BGB gilt nicht für den herkömmlichen Versandhandel.

d) Die für Ratenlieferungsverträge gemäß § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und 3, § 491 Abs. 2 Nr. 1 BGB geltende Bagatellgrenze von 200 € ist bei Fernabsatzverträgen nicht entsprechend anwendbar.

UWG § 4 Nr. 11

Die Vorschrift des Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB über die Verpflichtung zur Belehrung über das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts ist im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

BGH, I ZR 134/10 – Auftragsbestätigung: Verbot der Zusendung unbestellter Ware

BGH, Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 134/10 – Auftragsbestätigung

Amtliche Leitsätze:

a) Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfasst auch die Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren, bei der eine unbestellte, aber als bestellt dargestellte Ware zugesandt und, falls der Verbraucher nicht binnen einer Frist widerspricht, deren Zusendung gegen Entgelt fortgesetzt wird.

b) Das Zusenden unbestellter Ware stellt regelmäßig ebenso wie die entsprechende Ankündigung eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar.

c) Die Zusendung unbestellter Ware fällt dann nicht unter Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG oder unter § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG, wenn der Unternehmer irrtümlich von einer Bestellung ausgeht und der Irrtum seine Ursache nicht im Verantwortungsbereich des Unternehmens hat.

d) Beruht der Irrtum des Unternehmers darauf, dass ihn diejenigen Personen, die er für die Akquisition eingesetzt hat, über das Vorliegen einer Bestellung getäuscht haben, haftet er für den in der Zusendung der unbestellten Ware liegenden Wettbewerbsverstoß ungeachtet einer Wissenszurechnung nach § 166 Abs. 1 BGB nach § 8 Abs. 2 UWG.

BPatG, 30 W(pat) 9/10 – Obazda

BPatG, Beschluss vom 22. September 2011 – 30 W(pat) 9/10 – Obazda:

Amtliche Leitsätze:

1. Von einer Gattungsbezeichnung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG)
Nr. 510/2006 kann nur ausgegangen werden, wenn der Gattungscharakter zweifelsfrei feststeht.

2. Die Produktspezifikation gemäß Art. 4 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 510/2006 darf keine ungerechtfertigten Beschränkungen enthalten.

Aus der Beschlussbegründung:

Die Namen Bayerischer Obazda, Obazda, Bayerischer Obazter und
Obazter sind als geografische Angabe nach der VO 510/2006 grundsätzlich
schutzfähig.

Der nach der Vorgabe in Art. 2 Abs. 1 b) der VO 510/2006 erforderliche
Zusammenhang zwischen der geographischen Herkunft des Erzeugnisses und
seinen Eigenschaften ist nachgewiesen.

Die Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts ist zutreffend
davon ausgegangen, dass Bayerischer Obazda bzw. Bayerischer Obazter oder
Obazda bzw. Obazter ein Lebensmittel ist, bei dem sich das Ansehen aus dem
geografischen Ursprung ergibt und das in dem abgegrenzten geografischen
Gebiet hergestellt wird.

Nach Art. 5 Abs 1 der VO 510/2006 kann ein Antrag auf Eintragung nur von
Vereinigungen von Erzeugern oder Verarbeitern des Erzeugnisses gestellt
werden. Daran fehlt es, wenn die „Vereinigung“ nur ein Herstellerunternehmen als
Mitglied hat. Das könnte hier der Fall sein. Ausnahmsweise kann aber auch eine
einzelne natürliche oder juristische Person einen Schutzantrag stellen, wenn sie
im fraglichen Gebiet der einzige Erzeuger ist und das abgegrenzte geographische
Gebiet Eigenschaften besitzt, die sich deutlich von denen der benachbarten
Gebiete unterscheiden, oder wenn sich die Eigenschaften des Erzeugnisses von
denen der Erzeugnisse aus benachbarten Gebieten unterscheiden (Art. 5 Abs. 1
der VO 510 i. V. m. Art. 2 der DurchführungsVO Nr. 1898/2006). Dazu ist bisher
nichts vorgetragen. So könnte es mit dem vorliegenden Antrag unter Umgehung
der Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 der VO 510/2006 i. V. m. Art. 2 der
DurchführungsVO Nr. 1898/2006 zum Schutz für einen einzigen Erzeuger
kommen.

BGH, X ZR 69/10 – Diglycidverbindung: zur äquivalenten Patentverletzung

Amtlicher Leitsatz des Urteils BGH, Urteil vom 13. September 2011 – X ZR 69/10 – Diglycidverbindung:

Offenbart die Beschreibung eines Patents mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden, kann eine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln nur dann angenommen werden, wenn sich die abgewandelte Lösung in ihren spezifischen Wirkungen mit der unter Schutz gestellten Lösung deckt und sich in ähnlicher Weise wie diese Lösung von der nur in der Beschreibung, nicht aber im Patentanspruch aufgezeigten Lösungsvariante unterscheidet

BGH, I ZR 113/10 – Zertifizierter Testamentsvollstrecker

Aus der Pressemitteilung Nr. 102/2011 des BGH: Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass die Verwendung der Bezeichnung „zertifizierter Testamentsvollstrecker (AGT)“ durch einen Rechtsanwalt grundsätzlich nicht gegen das anwaltliche Berufsrecht und gegen das Irreführungsverbot verstößt, wenn der Betreffende sowohl in theoretischer als auch in praktischer Hinsicht bestimmte Anforderungen erfüllt.

Amtlicher Leitsatz des Urteils BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 – I ZR 113/10 – Zertifizierter Testamentsvollstrecker:

Der Verkehr erwartet von einem Rechtsanwalt, der sich als „zertifizierter Testamentsvollstrecker“ bezeichnet, dass er nicht nur über besondere Kenntnisse, sondern auch über praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Testamentsvollstreckung verfügt.

BGH, I ZR 20/10 – Schaumstoff Lübke: zum firmenmäßigen Gebrauch eines Zeichens und zur gerichtlichen Hinweispflicht

Leitsätze des Urteils BGH, Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 20/10 – Schaumstoff Lübke:

a) Ein rein firmenmäßiger Gebrauch eines Zeichens ist keine rechtsverletzende Benutzung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

b) Ist dem Klagevorbringen zu entnehmen, dass der Kläger das auf ein Markenrecht gestützte Klagebegehren entgegen der Fassung des Klageantrags nicht auf einen rein firmenmäßigen Gebrauch des angegriffenen Zeichens beschränken, sondern sich (auch) gegen eine Verwendung des angegriffenen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen wenden will, muss das Gericht nach § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf einen sachdienlichen Antrag hinwirken.

c) Das Erfordernis, einen Hinweis nach § 139 ZPO aktenkundig zu machen, ihn insbesondere wenn er erst in der mündlichen Verhandlung erteilt wird zu protokollieren, hat auch die Funktion, dass der Hinweis in einer Form erteilt wird, die der betroffenen Partei die Notwendigkeit einer prozessualen Reaktion und sei es nur in der Form eines Antrags nach § 139 Abs. 5 ZPO deutlich vor Augen führt.

d) Mit der Revision oder Anschlussrevision kann eine gemischte Kostenentscheidung des Berufungsgerichts nach § 91a ZPO nicht mit der Begründung angefochten werden, das Berufungsgericht habe die Kostenregelung eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Vergleichs verkannt.

EPA, T 0923/08 vom 2.8.2011: Verfahren zum Erfassen von Messwerten am menschlichen oder tierischen Körper

Leitsätze der Beschwerdekammer-Entscheidung T 0923/08 vom 2.8.2011:
Setzt ein Verfahren, das zum Erfassen von Messwerten am menschlichen oder tierischen Körper vorgesehen ist, zwingend einen chirurgischen Schritt zur Befestigung eines für die Verfahrensdurchführung unverzichtbaren Messelements am menschlichen oder tierischen Körper voraus, ist dieser Schritt als wesentliches Merkmal des Verfahrens anzusehen, das von einem solchen Verfahren umfasst wird, selbst wenn im Anspruch kein Verfahrens merkmal ausdrücklich auf diesen Schritt gerichtet ist. Ein solches Verfahren ist gemäß Artikel 53 (c) EPU von der Patentierbarkeit ausgenommen.
Das Ausklammern eines solchen chirurgischen Schritts, sei es durch eine Formulierung, wonach das chirurgisch befestigte Messelement bereits vor dem Beginn des Verfahrens am Körper angebracht war oder durch einen Disclaimer verletzt Artikel 84 EPU (1973), weil ein solcher Verfahrensanspruch dann nicht alle wesentlichen Merkmale der beanspruchten Erfindung enthält.

BGH, X ZB 11/10: Fehlerhafte Übersetzung der Patentantmeldung

BGH, Beschluss v. 18. Juli 2011 – X ZB 11/10

Für die Zuerkennung des Anmeldetags ist erforderlich, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 Satz 1 PatG vorliegen, sowie dass innerhalb der Frist von drei Monaten eine § 14 PatV entsprechende Übersetzung vorliegt, die denselben Anforderungen genügt, mag sie auch ansonsten unvollständig oder fehlerhaft sein.