BGH, I ZR 85/10 – Unfallersatzgeschäft

BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 85/10 – Unfallersatzgeschäft

Amtlicher Leitsatz:

Ein Unfallhaftpflichtversicherer ist regelmäßig nicht gehindert, einen Unfallgegner, der ein Ersatzfahrzeug bei einem örtlichen Autovermieter angemietet hat oder anmieten möchte, auf das preisgünstigere Angebot eines mit ihm zusammenarbeitenden überörtlich tätigen Autovermieters hinzuweisen.

BGH, X ZR 113/11 – Palettenbehälter III: Gleichwirkung der abgewandelten Mittel

BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 113/11 – Palettenbehälter III

Amtlicher Leitsatz:

Eine vom Wortsinn des Patentanspruchs abweichende Lösung ist nur dann gleichwirkend, wenn sie nicht nur im Wesentlichen die Gesamtwirkung der Erfindung erreicht, sondern gerade auch diejenige Wirkung erzielt, die das nicht wortsinngemäß verwirklichte Merkmal erzielen soll. Ergeben sich aus der Auslegung des Patentanspruchs Mindestanforderungen an die Quantität oder Qualität einer bestimmten Wirkung, können abgewandelte Mittel, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden, auch dann nicht unter dem Gesichtspunkt einer verschlechterten Ausführungsform als gleichwirkend angesehen werden, wenn alle übrigen Wirkungen der patentgemäßen Lösung im Wesentlichen erreicht werden.

BGH, I ZR 44/10: zum ausschließliches Recht des Sendeunternehmens

BGH, Beschluss vom 16. August 2012 – I ZR 44/10

Amtlicher Leitsatz:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Umfasst der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG die drahtgebundene Weitersendung eines durch Rundfunk gesendeten Werkes, wenn die ursprüngliche Sendung im Sendegebiet auch drahtlos empfangen werden kann, das Werk an die Besitzer von Empfangsgeräten weitergesendet wird, die die Sendung allein oder im privaten bzw. familiären Kreis empfangen, und die Weitersendung durch ein anderes als das ursprüngliche Sendeunternehmen zu Erwerbszwecken vorgenommen wird?

BGH, X ZR 117/11 – Polymerschaum

BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 117/11 – Polymerschaum

Amtliche Leitsätze:

Die Prüfung der Patentfähigkeit erfordert regelmäßig eine Auslegung des Patentanspruchs, bei der dessen Sinngehalt in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen sind. Dem Patentanspruch darf dabei nicht deshalb ein bestimmter Sinngehalt beigelegt werden, weil sein Gegenstand andernfalls gegenüber den Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert wäre.

Ergibt die mündliche Verhandlung des Patentnichtigkeitsberufungsverfahrens, dass die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, kommt es für die Entscheidung, ob es sachdienlich ist, die gebotene weitere Sachaufklärung dem Patentgericht zu übertragen oder zu diesem Zweck das Berufungsverfahren vor dem Bundesgerichtshof fortzusetzen, in erster Linie darauf an, auf welchem Weg die noch offenen Sachfragen möglichst effizient und zügig geklärt werden können.

BGH, X ZR 97/11 – Palettenbehälter II: Anbieten oder Liefern von Austauschteilen für das patentgeschützte Erzeugnis

BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 – X ZR 97/11 – Palettenbehälter II

Amtliche Leitsätze:

a) Gehört der Austausch bestimmter Bestandteile zum bestimmungsgemäßen Gebrauch eines patentierten Erzeugnisses, so darf dieser Austausch an einem mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebrachten Exemplar auch von Wettbewerbern vorgenommen werden, die das Exemplar zu diesem Zweck in reparaturbedürftigem Zustand erwerben und nach erfolgter Reparatur an Dritte weiterveräußern.

b) Der vom Senat aufgestellte Grundsatz, wonach für die Frage, ob durch den Austausch von Teilen die Identität des bearbeiteten Gegenstandes gewahrt bleibt oder ob die Maßnahmen auf die erneute Herstellung des patentgeschützten Erzeugnisses hinauslaufen, auch von Bedeutung sein kann, ob es sich um Teile handelt, mit deren Austausch während der Lebensdauer der Vorrichtung üblicherweise zu rechnen ist, und inwieweit sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln, ist auch dann heranzuziehen, wenn eine unmittelbare Patentverletzung geltend gemacht wird.

c) Ob sich gerade in den ausgetauschten Teilen die technischen Wirkungen der Erfindung widerspiegeln, ist in der Regel nur dann ausschlaggebend, wenn mit dem Austausch während der Lebensdauer des geschützten Erzeugnisses üblicherweise zu rechnen ist. Hierfür ist maßgeblich, ob der Austausch nach der Verkehrsauffassung als übliche Erhaltungsmaßnahme anzusehen ist, die die Identität der Gesamtvorrichtung als verkehrsfähiges Wirtschaftsgut nicht in Frage stellt.

BGH, I ZR 6/11 – Kommunikationsdesigner: Rechte der Miturhebergesellschaft

BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – I ZR 6/11 – Kommunikationsdesigner

Amtlicher Leitsatz:

Urheber, die ihre Werke durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts verwerten, deren alleinige Gesellschafter sie sind, können – falls die vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist – in entsprechender Anwendung des § 32 Abs. 1 Satz 3 UrhG von dem Vertragspartner der Gesellschaft die Einwilligung in die Änderung des Vertrages verlangen, um auf diese Weise eine angemessene Vergütung für die Werknutzung zu erreichen.

BPatG – 7 W (pat) 306/11: Beteiligtenwechsel im Einspruchsverfahren

BPatG, Beschl. v. 30. März 2012 – 7 W (pat) 306/11 – Maßstabträger: Beteiligtenwechsel im Einspruchsverfahren

Amtlicher Leitsatz:

Zum rügelosen Einlassen eines in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen Verfahrensbeteiligten zum Beteiligtenwechsel auf der Gegenseite.

Aus der Beschlussbegründung:

Zwar ist ein solcher Beteiligtenwechsel nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach § 99 PatG i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur mit Zustimmung der übrigen Verfahrensbeteiligten zulässig (vgl. BGH GRUR 2008, 87, 89 – Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren), welche von den Einsprechenden bislang nicht ausdrücklich erklärt wurde; es entspricht einhelliger Meinung im Schrifttum, dass auch dann, wenn die erforderliche Zustimmung i.S.d. § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht ausdrücklich erklärt wurde, diese nach § 267 ZPO zu vermuten ist, wenn der Beteiligte, von dessen Zustimmung der Beteiligtenwechsel abhängig ist, sich in der mündlichen Verhandlung auf die Sache eingelassen hat, ohne dem Beteiligtenwechsel zu widersprechen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 265 Rn. 17; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 265, Rn. 7).

Dies ist vorliegend nicht nur für die Einsprechende zu 1), welche an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, sondern auch für die nicht erschienene Einsprechende zu 2) der Fall, da für Letztere das Fernbleiben im Termin einer rügelosen Einlassung auf die Sache gleichsteht.

Dem steht nicht entgegen, dass im Zivilverfahren für den Fall der Säumnis eine vermutete Einwilligung nach § 267 ZPO ausgeschlossen ist (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 267 Rn. 1; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 267 Rn. 1). Denn hiermit wird lediglich den Besonderheiten des zivilgerichtlichen Säumnisverfahrens Rechnung getragen, das insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass die nicht erschienene Partei so behandelt wird, als habe sie zur Klage nicht ordnungsgemäss vorgetragen, was wiederum entweder zur Klageabweisung bei Säumnis des Klägers (vgl. § 330 ZPO) oder zum Zugeständnis des klägerischen tatsächlichen Vorbringens durch den säumigen Beklagten (vgl. § 331 ZPO) führt.

Eine solche Verfahrenssituation ist im Einspruchsverfahren aber ausgeschlossen; vielmehr führt im Einspruchsverfahren das Nichterscheinen im Termin aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 59 Abs. 4 i.V.m. § 46 PatG; § 87 Abs. 1 ZPO), des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG, §§ 42, 48, 93 PatG) und des im Gegensatz zum Zivilprozess nicht-obligatorischen Charakters der mündlichen Verhandlung, die nur ausnahmesweise stattfindet (§§ 59 Abs. 3, 78 PatG), lediglich dazu, dass der nicht erschienene Beteiligte so zu behandeln ist, als hätte er in der mündlichen Verhandlung sein bisheriges schriftliches Vorbringen wiederholt, so dass dieses der Entscheidung zugrunde zu legen ist; damit sind die Vorschriften der ZPO über das Säumnisverfahren, zu denen auch die Unanwendbarkeit des § 267 ZPO gehört, im Einspruchsverfahren nicht anwendbar. Dies führt aber für die hier in Rede stehende Frage der Zustimmung zum Beteiligtenwechsel dazu, dass in Anwendung des § 99 PatG i.V.m. § 267 ZPO davon auszugehen ist, dass sich nicht nur die Einsprechende zu 1), sondern auch die Einsprechende zu 2), obwohl sie zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, ohne Beanstandung des Beteiligtenwechsels auf das Vorbringen der in das Einspruchsverfahren eingetretenen neuen Patentinhaberin i.S.d. § 267 ZPO eingelassen hat, so dass ihre Zustimmung zum Beteiligtenwechsel nach dieser Vorschrift zu vermuten ist.

BGH, X ZR 129/09 – Nabenschaltung III: Zur Übertragbarkeit des Vorbenutzungsrechts

BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – X ZR 129/09 – Nabenschaltung III

Amtliche Leitsätze:

a) Die Übertragung eines abgrenzbaren Betriebsteils steht für den Erwerb eines Vorbenutzungsrechts der Übertragung des (gesamten) Betriebs gleich.

b) Der Übergang eines Vorbenutzungsrechts zusammen mit einem Betriebsteil ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Übernehmer einen Teil der zur Herstellung der geschützten Vorrichtung erforderlichen Arbeiten in fremden Werkstätten, zu denen auch diejenigen seines Vertragspartners zählen können, vornehmen lässt.

Aus der Urteilsbegründung:

Die (weitere) Benutzung eines Schutzrechts in einem fremden Betrieb indiziert für sich genommen nicht dessen Verbleib bei diesem Unternehmen, sondern wird als Fremdfertigung durch das Vorbenutzungsrecht des Berechtigten so lange gedeckt, wie der Vorbenutzungsberechtigte einen bestimmenden wirtschaftlich wirksamen Einfluss auf Art und Umfang der Herstellung und gegebenenfalls des Vertriebs behält (vgl. Benkard/Rogge, 10. Aufl., § 12 PatG Rn. 24 f. mwN). Der Verbleib des Vorbenutzungsrechts beim Auftraggeber dieser Fertigung ist in solchen Fällen erst dann infrage gestellt, wenn in der fremden Werkstätte nach eigenen willentlichen Entschließungen ihres Inhabers gearbeitet wird (vgl. Rogge, aaO, § 12 PatG Rn. 24 mwN; Busse/Keukenschrijver, 6. Aufl., § 12 PatG Rn. 46).

BGH, X ZB 1/11 – Feuchtigkeitsabsorptionsbehälter: Beschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde

BGH, Beschluss vom 17. Juli 2012 – X ZB 1/11 – Feuchtigkeitsabsorptionsbehälter

Amtlicher Leitsatz:

Die beschränkte Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt bei Gebrauchsmustern auch in Bezug auf einzelne Löschungsgründe in Betracht.

Aus der Urteilsbegründung:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selb-ständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom 29. Juni 1967 VII ZR 266/64, BGHZ 48, 134, 136; Urteil vom 3. August 2010 VI ZR 113/09, NJW 2010, 3037 = GRUR-RR 2010, 451 Rn. 8 mwN). Für das Rechtsbeschwerdeverfahren in Patent- und Gebrauchsmustersachen gilt nichts anderes (BGH, Beschluss vom 14. Februar 1978 X ZB 3/76, GRUR 1978, 420 Fehlerortung; Beschluss vom 30. Oktober 2007 X ZB 18/06, GRUR 2008, 279 Kornfeinung). Ebenso wie der Rechtsbeschwerdeführer sein Rechtsmittel entsprechend beschränken könnte, kann daher, wenn mehrere Widerrufs- oder Löschungsgründe geltend gemacht worden sind, die Zulassung der Rechtsbe-schwerde auf einen dieser Widerrufs- oder Löschungsgründe beschränkt wer-den.

Der Annahme einer beschränkten Zulassung der Rechtsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Entscheidungsformel des Patentgerichts insoweit keine Einschränkung enthält. Es entspricht ebenfalls der ständigen Rechtspre-chung des Bundesgerichtshofs, dass die Entscheidungsformel im Licht der Gründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Rechtsmittelzulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die Frage, die der Vorinstanz Anlass zur Zulassung gegeben hat, nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffes stellt (BGH, Urteil vom 3. August 2010 VI ZR 113/09, NJW 2010, 3037 = GRUR-RR 2010, 451 Rn. 9 mwN).

BGH, I ZR 2/11 – GOOD NEWS

BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 – I ZR 2/11 – GOOD NEWS

Amtlicher Leitsatz:

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. EG Nr. L 149 vom 11. Juni 2005, S. 22) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stehen Art. 7 Abs. 2 und Nr. 11 des Anhangs I zu Art. 5 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 4 und Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken der Anwendung einer nationalen Vorschrift (hier: § 10 Landespressegesetz Baden-Württemberg) entgegen, die neben dem Schutz der Verbraucher vor Irreführungen auch dem Schutz der Unabhängigkeit der Presse dient und die im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 2 und Nr. 11 des Anhangs I zu Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie jede entgeltliche Veröffentlichung unabhängig von dem damit verfolgten Zweck verbietet, wenn die Veröffentlichung nicht durch die Verwendung des Begriffs „Anzeige“ kenntlich gemacht wird, es sei denn, schon durch die Anordnung und Gestaltung der Veröffentlichung ist zu erkennen, dass es sich um eine Anzeige handelt.