EuGH: Kein positives Benutzungsrecht aus eingetragenem Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Der EuGH hat in der Rechtssache C-488/10 entschieden, dass dem Inhaber des jüngeren eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters kein positives Benutzungsrecht gegenüber dem Inhaber des älteren eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters zusteht. Der Inhaber des älteren Geschmacksmusters kann seine Rechte im Verletzungsverfahren durchsetzen, ohne auch eine Löschung des jüngeren eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters betreiben zu müssen.

Erfinderische Tätigkeit – BGH Elektronenstrahltherapiesystem

Das Urteil in der Rechtssache BGH X ZR 88/09 – Elektronenstrahltherapiesystem ruft neben der zum Leitsatz erhobenen Aussage zum Nichtnaheliegen eine Vielzahl wichtiger Grundsätze für die Anspruchsauslegung und Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ins Gedächtnis:

– Die Formulierung einer objektiven Aufgabe, die schon Hinweise auf die beanspruchte Lösung beinhaltet (wie sie im vorliegenden Fall vom BPatG formuliert wurde), ist unzulässig (Rz. 12).

– Zweckangaben sind auch in Vorrichtungsansprüchen nicht schlichtweg unbeachtlich (Rz. 17). Das ist zwar vom BGH bereits mehrfach in aller Deutlichkeit ausgeführt worden (z.B. in „Heuwerbungsmaschine II“, „Luftabscheider für Milchsammelanlage“ oder – im Bestandsverfahren – in der Entscheidung „Bauschalungsstütze“), wird aber jedenfalls von vielen Prüfern am DPMA unter Verweis auf eine etwas missverständliche Formulierung in der Kommentierung von Schulte immer noch anders gesehen.

– Allein die Tatsache, dass eine mobile Ausgestaltung eines Geräts für den Fachmann wünschenswert erscheint, führt noch nicht zum Naheliegen einer solchen Ausgestaltung (Leitsatz; Rz. 45-46). Auch das (breite) Merkmal der „Mobilität“ eines Behandlungsgeräts kann den Kern einer erfinderischen Lehre ausmachen, wenn erstmals offenbart wird, durch welche Merkmale die Mobilität erreicht werden kann. Die Aufnahme der entsprechenden konstruktiven Merkmale der offenbarten Ausführungsform in den Anspruch ist dann nicht unbedingt erforderlich.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Urteil auf eine aufgeschlossene Leserschaft trifft und auch in der amtlichen Praxis Niederschlag findet.

Schutzbereichserweiterung – BGH X ZR 23/09

Im der Rechtssache X ZR 23/09 – Notablaufvorrichtung hat sich der BGH mit der Frage beschäftigt, inwieweit nach Patenterteilung ein Übergang von einem Erzeugnisanspruch zu einem Verwendungsanspruch zulässig ist.

Der erkennende Senat hält einen solchen Übergang für – wohl grundsätzlich – zulässig. So heißt es unter Rz. 14 des Urteils: „Dabei hält der Senat an seiner gefestigten Rechtsprechung fest, nach der ein Übergang von einem Erzeugnisanspruch zu einer VerwendungDies entspricht auch dem praktischen Bedürfnis, dem Patentinhaber, der im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Sachschutz erhalten hat, dessen erfinderische Leistung aber darin begründet ist, eine neue und nicht naheliegende Verwendung der an sich bekannten Sache aufgezeigt zu haben, den ihm gebührenden Schutz zukommen zu lassen. Sofern und soweit dabei, etwa bei der Einbeziehung des sinnfälligen Herrichtens, einer Erstreckung auf Verfahrenserzeugnisse oder bei der mittelbaren Patentverletzung, die Gefahr einer Ausweitung des Schutzumfangs in Betracht kommen sollte, kann und muss dem bei der Bestimmung des Schutzumfangs insbesondere im Verletzungsstreit Rechnung getragen werden.“

Anmerkungen hierzu:

1. Der Senat erkannt an, dass Situationen vorstellbar sind, in denen eine Handlung eine Verletzungshandlung, beispielsweise im Hinblick auf mittelbare Verletzung, in den Schutzbereich des Verwendungsanspruchs darstellen würde, obwohl sie nicht dem Schutzbereich des Erzeugnisanspruchs unterfallen wäre. Dies sei im Verletzungsverfahren durch eine entsprechende Beschränkung des Schutzbereichs des Verwendungsanspruchs zu berücksichtigen

Der Ansatz, derartige Fragestellungen einer etwaigen Erweiterung des Schutzbereichs dem Verletzungsverfahren zu überlassen, erscheint zwar auf den ersten Blick etwas systemfremd, da Fragen, die das BPatG traditionell schon im Bestandsverfahren entscheidet, im Verletzungsverfahren geklärt werden sollen. Diese Vorgehensweise ist jedoch sachgerecht. Dem Patentinhaber wird die Umstellung von Erzeugnisanspruch auf Verwendungsanspruch, der für eine Aufrechterhaltung erforderlich sein kann, nicht schon deswegen verwehrt, weil beispielsweise Handlungen, die auf das sinnfällige Herrichten zur beanspruchten Verwendung gerichtet sind, dem Erzeugnisanspruch nicht unterfallen wären. Eine Überprüfung, ob beim Übergang von Erzeugnis- auf Verwendungsanspruch eine Erweiterung des Schutzbereichs vorliegt, erfolgt im Verletzungsverfahren anhand der konkret angegriffenen Handlung bzw. Ausführungsform, nicht aufgrund rein abstrakter Überlegungen im Nichtigkeits- oder Einspruchsverfahren.

2. Fraglich ist, ob derartige Überlegungen nicht auch dann greifen sollten, wenn der Patentinhaber nach Patenterteilung den Anspruch von einem erteilten Vorrichtungsanspruch auf einen Systemanspruch ändert, wobei das System die (im erteilten Anspruch beanspruchte) Vorrichtung umfasst. Jedenfalls die vom erkennenden Senat angestellte Überlegung, dass derjenige, der im Erteilungsverfahren zu weit gehenden Vorrichtungsschutz erhalten hat, diesen nach Erteilung noch auf eine nicht naheliegende Verwendung – gekleidet in die Form eines Systemanspruchs und nicht eines Verwendungsanspruchs – einschränken können soll, sollte auch für Systemansprüche gelten.

Zur Illustration, dass es sich hierbei nicht um ein rein abstrakets Problem handelt, sei auf die BPatG-Entscheidung in der Sache 3 Ni 77/06 – Paneelelement verwiesen. Der Nichtigkeitssenat des BPatG hatte dort in einem (nach Erteilung aufgestellten) Systemanspruch, der die (im erteilten Anspruch allein beanspruchte) Vorrichtung umfasst, eine unzulässige Änderung des Schutzbereichs gesehen, da das System ein aliud zur Vorrichtung sei. Der Nichtigkeitssenat hat in dieser Entscheidung in 3.d) der Entscheidungsgründe beispielsweise die folgende Auffassung vertreten: „Gegenüber einem einzelnen Paneelelement [Gegenstand des erteilten Anspruchs 1, Anm.] als gedankliche Verkörperung der hieraus ausschließlich gebildeten Wand- und Deckenverkleidung [Gegenstand des nach Erteilung geänderten Anspruchs, Anm.] und der hierdurch repräsentierten technischen Lehre stellt ein mit weiteren, für die Erfindung wesentlichen Elementen komplettiertes Wand- und Deckenverkleidungssystem jedoch keine beschränkende Ausgestaltung des geschützten Gegenstandes, sondern etwas Anderes, außerhalb des „Paneelelements“ Stehendes dar.“

Auch für die „Verwendung eines Paneelelements für eine Wand- oder Deckenverkleidung“ würde gelten, dass diese etwas anderes als das Paneelement als solches ist. Die hier diskutierte Entscheidung des BGH zeigt aber gerade auf, dass dies an sich nicht ausreicht, um eine Erweiterung des Schutzbereichs zu bejahen. Der in der BGH-Entscheidung in der Rechtssache X ZR 23/09 aufgezeigte Ansatz wäre auch für den Übergang von Vorrichtungs- zu Systemansprüchen nach Erteilung ein gangbarer (und im Vergleich zur Paneelelement-Entscheidung des BPatG wohl angemessenerer) Weg, der Interessen des Patentinhabers und Rechtssicherheit für die Allgemeinheit in ein ausgewogenes Verhältnis stellt.

Internationale Zuständigkeit – Konnexität bei Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums

Der EuGH hat sich in der Rechtssache C-145/10 – Painer, Urteil v. 1.12.2011 damit befasst, inwieweit der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft nach Art. 6 Nr. 1 EuGVO auch dann eröffnet sein kann, wenn die Verletzung von (Urheber-)Rechten durch mehrere Beklagte in mehreren Mitgliedsstaaten im Streit steht. Das Urteil dürfte auch für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes von Relevanz sein.

In Rz. 80-82 der Painer-Entscheidung wird ausgeführt:

„Bei der Beurteilung, ob zwischen verschiedenen Klagen ein Zusammenhang gegeben ist, ob also in getrennten Verfahren die Gefahr widersprechender Entscheidungen bestünde, ist der Umstand, dass die erhobenen Klagen auf derselben Rechtsgrundlage beruhen, nur einer von mehreren erheblichen Faktoren. Er ist keine unabdingbare Voraussetzung für eine Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 …

Dass gegen mehrere Beklagte erhobene Klagen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, steht daher als solches der Anwendung von Art. 6 Nr. 1 der Verordnung Nr. 44/2001 nicht entgegen, sofern für die Beklagten nur vorhersehbar war, dass sie in dem Mitgliedstaat, in dem mindestens einer von ihnen seinen Wohnsitz hatte, verklagt werden könnten …

Dies gilt erst recht, wenn sich, wie im Ausgangsrechtsstreit, die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt sind, dem vorlegenden Gericht zufolge als in den Grundzügen identisch erweisen.“

Anmerkungen hierzu:

1. Die Begründung der Painer-Entscheidung steht in gewissem Gegensatz zur Urteilsbegründung der der Roche/Primus Entscheidung (EuGH C-539/03, Urteil v. 13.7.2006 – Roche/Primus). Dort wurde in Rz. 31-32 noch ausgeführt: „Folglich läge, wenn bei mehreren Gerichten verschiedener Vertragsstaaten Klagen wegen Verletzung eines in jedem dieser Staaten erteilten europäischen Patents gegen Personen, die ihren Wohnsitz in diesen Staaten haben, aufgrund von dort angeblich begangenen Handlungen erhoben werden, etwaigen Abweichungen zwischen den Entscheidungen dieser Gerichte nicht dieselbe Rechtslage zugrunde. Etwaige abweichende Entscheidungen können folglich nicht als einander widersprechend qualifiziert werden.“

Hierbei scheint – wie Rz. 29 und 30 der Roche/Primus-Entscheidung nahelegen – für das Vorliegen einer „unterschiedlichen Rechtslage“ im Sinne der Roche/Primus-Entscheidung schon ausgereicht zu haben, dass unterschiedliche nationale Rechtsgrundlagen zur Anwendung kommen, ohne dass ermittelt wurde, ob sich diese „als in den Grundzügen identisch erweisen“. Im Lichte der Painer-Entscheidung würde dies allein aber wohl nicht (mehr) für die Verneinung der Konnexität ausreichen.

2. Angesichts der fortschreitenden Harmonisierung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, dürften Fälle, in denen sich „die nationalen Rechtsvorschriften, auf die die gegen die verschiedenen Beklagten erhobenen Klagen gestützt sind, … als in den Grundzügen identisch erweisen“, zunehmend häufig anzutreffen sein. Dies gilt für die Verletzung von Gemeinschaftsschutzrechten, aber möglicherweise auch dann, wenn für einen Schutzrechtsinhaber identische Marken oder Geschmacksmuster in mehreren Mitgliedsstaaten eingetragen sind.

3. Mit der Painer-Entscheidung voll in Einklang steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGH I ZR 11/04, Urteil vom 14.12.2006 – Aufarbeitung von Fahrzeugkomponenten (veröffentlicht in GRUR 2007, 705). Dort wurde – trotz der erst kurz zuvor ergangenen Roche/Primus-Entscheidung – für die Verletzung einer Gemeinschaftsmarke in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten eine Konnexität i.S.v. Art. 6 Nr. 1 EuGVO bejaht. Begründet wurde dies wie folgt (Rz. 18): „Der Bejahung von Konnexität im Streitfall steht deren Verneinung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Falle der Verletzung des europäischen Patents nicht entgegen … Das europäische Patent stellt ein Bündel nationaler Schutzrechte dar, die in jedem Vertragsstaat, für den sie er-teilt worden sind, dieselbe Wirkung haben und denselben Vorschriften unterliegen wie ein in diesem Staat erteiltes nationales Patent. In einer solchen Situation besteht eine geringere Gefahr sich widersprechender Entscheidungen als im Falle der – hier in Rede stehenden – Verletzung eines einheitlichen Gemeinschaftsschutzrechts“. Dies wird im Lichte der Painer-Entscheidung verstärkt gelten müssen, soweit die Vorschriften für das entsprechende Schutzrecht bereits auf europäischer Ebene harmonisiert wurden und sich die nationalen Regelungen entsprechend als „in Grundzügen identisch“ darstellen.

Äquivalente Verletzung revisited

In diesem Beitrag soll etwas ausführlicher zu der bereits in der Leitsatzrubrik zitierten Entscheidung Diglycidverbindung Stellung genommen werden. In dieser Entscheidung äußert sich der BGH erneut zur Frage des Schutzbereichs nach der Äquivalenzlehre. Die in der Entscheidung Okklusionsvorrichtung (BGH, X ZR 16/09) aufgestellten Grundsätze zur äquivalenten Verletzung werden dabei weiter konkretisiert.

Zum Sachverhalt (aus Sicht eines Nichtchemikers): Beansprucht wird ein Verfahren mit mehreren Schritten. Einer der Schritte (Epoxidation) soll nach dem Anspruch mit einer bestimmten Klasse von Verbindungen durchgeführt werden. Diese Klasse von Verbindungen hat nach Feststellung des Berufungsgerichts „keine weitergehenden Auswirkungen auf die Qualität des Produkts“. Die Anmeldung offenbart mehrere Varianten, mit denen der Epoxidationsschritt durchgeführt werden kann, ohne dass die im Anspruch genannte Klasse von Verbindungen verwendet wird.

Der BGH führt zur Frage der äquivalenten Verletzung in Rz. 45 des Urteils aus, dass daraus, „dass in der Beschreibung zwei mögliche Wege zur Herstellung einer mit Epoxidgruppen versehenen organische Festphase aufgezeigt werden, in Patentanspruch 1 aber nur einer dieser Wege unter Schutz gestellt wird, zu folgern [ist], dass der Schutz auf diese Variante beschränkt“ sei.

Somit erfahren die Kriterien der Äquivalenzprüfung, wie sie beispielsweise in den Schneidmesser- und Custodiol-Entscheidungen aufgestellt wurden, eine Modifizierung:
1. Falls die Verletzungsform identisch zu einem in der Anmeldung offenbarten Ausführungsbeispiel ist, das nicht mehr vom Wortsinn der Ansprüche umfasst wird, ist eine äquivalente Verletzung zu verneinen.
2. Falls die Verletzungsform den Anspruch nicht wortsinngemäß verletzt, aber auch nicht einem in der Anmeldung offenbarten Ausführungsbeispiel entspricht, das nicht mehr vom Wortsinn der Ansprüche umfasst wird, soll es darauf ankommen, ob das entsprechende Merkmal der Verletzungsform die spezifische Wirkung des Anspruchsmerkmals erreicht. Anders ausgedrückt soll es wohl darauf ankommen, dass das Merkmal der Verletzungsform dem nicht wortsinngemäß verwirklichten Anspruchsmerkmal in seiner spezifischen Wirkung näher kommt als der Wirkung, die die entsprechenden Merkmale bei den ursprünglich offenbarten, aber nicht mehr von den Ansprüchen abgedeckten Ausführungsbeispielen erreichen.

Nach diesen Grundsätzen wird der Äquivalenzbereich immer dann eingeschränkt, wenn während des Erteilungsverfahrens die Ansprüche so geändert werden mussten, dass nicht mehr alle ursprünglich offenbarten Ausführungsbeispiele von den erteilten Ansprüchen abgedeckt sind. Dies muss Bedenken begegnen, da der BGH bislang keine Differenzierung dahingehend vorgenommen hat, ob die Beschränkung des Äquivalenzbereichs nur dann erfolgt, wenn Stand der Technik eine entsprechend enge Anspruchsformulierung erforderlich gemacht hat (in diesem Fall stünde dem Verletzer in den relevanten Konstellationen aber sowieso der Formstandeinwand zur Verfügung), oder selbst dann, wenn der Patentinhaber beispielsweise aufgrund verfahrensrechtlicher Hürden (für Beispiele siehe diesen früheren Beitrag zur Entscheidung Okklusionsvorrichtung) unverschuldet keine Chance hatte, für alle Ausführungsbeispiele Schutz zu erlangen.

Berufsrecht – Zulassung von Patentanwaltsgesellschaften

Der Bundesgerichtshof konnte sich im Verfahren PatAnwZ 1/10 zu den Zulassungsbedingungen für Patentanwaltsgesellschaften äußern. Dabei handelt es sich um das erste Verfahren seit mehreren Jahren und insbesondere seit Neufassung der PAO, das Fragen der Zulassung von Patentanwaltsgesellschaften betrifft.

Wichtige Punkte der Entscheidungsgründe können wie folgt zusammengefasst werden:

– Der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft steht nicht entgegen, wenn die Satzung den Unternehmensgegenstand so definiert, dass er sich auch auf die als sozietätsfähig anerkannten Berufe erstreckt (hier: „Übernahme und Ausführung von Aufträgen, die zur Berufstätigkeit von Rechtsanwälten gehören“). Es wird jedoch klargestellt, dass im Falle der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft unabhängig von der Regelung des Unternehmensgegenstands in der Satzung die Gesellschaft nicht über den Tätigkeitsbereich eines Patentanwalts hinaus rechtsberatend tätig werden darf.

– Im Zulassungsverfahren ist die Einhaltung der § 52c und § 52e PAO anhand des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung zu beurteilen. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Patentanwaltsgesellschaft kann nur der Gesellschaftsvertrag, nicht das geplante Verhalten der Gesellschafter, gesicherte Grundlage für die Beurteilung der Zulassungsfähigkeit sein.

– Schließt die Satzung eine Beteiligung an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung nicht aus, ermöglicht die Satzung einen Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften (hier § 52c Abs. 2 PAO). Ob ein derartiger Verstoß derzeit beabsichtigt ist, hat bei der Prüfung außer Betracht zu bleiben.

– Ähnlich steht der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft auch entgegen, wenn die Satzung nicht sicherstellt, dass auch in Zukunft (beispielsweise bei Veräußerung eines Geschäftsanteils) die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte Patentanwälten zusteht (§ 52e Abs. 2 PAO).

– Der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft steht schließlich auch entgegen, wenn ein Geschäftsführer, der nicht Patentanwalt ist, allein vertretungsbefugt ist. Nach Auffassung des Senats, die dieser auf die Gesetzesbegründung stützt, kann Geschäftsführern, die nicht Patentanwälte sind, allenfalls Gesamtvertretungsmacht zusammen mit patentanwaltlichen Geschäftsführern eingeräumt werden.

Die Antragstellerin brachte vor, dass die Regelungen der § 52e Abs. 2 und § 52f Abs. 1 PAO wegen Grundrechtsverstoßes nichtig seien. Der Senat für Patentanwaltssachen wies dieses Vorbringen unter Verweis auf die Entscheidung in der Zulassungssache AnwZ (Brfg) 1/10 zurück.

Internationale Zuständigkeit bei Internetveröffentlichung

Der Bundesgerichtshof konnte in der Entscheidung VI ZR 111/10 – www.womanineurope.com – die in dem Urteil BGH VI ZR 23/09 – New York Times (veröffentlicht in GRUR 2010, 461) aufgestellten Grundsätze zur internationalen Zuständigkeit bei Internetveröffentlichungen fortführen.

Im Streitfall betraf die Internetveröffentlichung eine Reisebeschreibung, die ein privates Zusammentreffen der Parteien und ihrer ehemaligen Mitschüler in Moskau schilderte. Die Internetveröffentlichung war in russischer Sprache und kyrillischer Schrift abgefasst und ist über eine Webseite in russischer Sprache verbreitet worden. Die Abfassung und Einstellung des Reiseberichts in das Internet erfolgte in den USA.

Der nach den in dem New York Times-Urteil aufgestellten Grundsätzen erforderliche Inlandsbezug war nach Auffassung des Senats nicht gegeben:

– Der maßgebliche deutliche Inlandsbezug lässt sich nicht schon daraus herleiten, dass der Kläger an seinem Wohnsitz im Inland den Bericht abgerufen hat. Zweck der Vorschrift des § 32 ZPO ist es, einen Gerichtsstand dort zu eröffnen, wo die sachliche Aufklärung und Beweis-erhebung in der Regel am besten, sachlichsten und mit den geringsten Kosten erfolgen kann. Im Streitfall fehlt eine solche Sachnähe der deutschen Gerichte zu den Vorgängen in Moskau.

– Wollte man den inländischen Wohnsitz des Klägers, an dem der Abruf erfolgen konnte, als ausreichend für die Begründung eines Schadensortes und somit eines Gerichtsstands der unerlaubten Handlung ansehen, würde dies zu einer uferlosen Ausweitung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten führen.

– Aus dem Standort eines Servers im Inland, über den oder von dem der Kläger die Reisebeschreibung herunterlud, lässt sich eine bis ins Inland wirkende Handlung der Beklagten aufgrund der Nutzung ihres Rechners, einschließlich des Proxy-Servers, der Datenleitung und der Übertragungssoftware des Internets zur physikalischen Beförderung der Dateien ins Inland nicht herleiten. Eine solche die Zuständigkeit begründende Anknüpfung hinge von zufälligen technischen Umständen ab, die zu einer Ubiquität des Gerichtsstandes für Ansprüche wegen rechtsverletzender Äußerungen im Internet führen würde, so dass sich eine derartige Anknüpfung verbietet.

Keine Dringlichkeit für Beweissicherungsverfügung erforderlich

Das OLG Düsseldorf hat in einer Entscheidung zum Urheberrecht (I-20 W 32/10) nunmehr erkannt, dass der Antrag auf Erlass einer Besichtigungsverfügung nicht deswegen zurückgewiesen werden kann, weil der Antragsteller mit Stellung des Antrags zugewartet hat. Das OLG Düsseldorf weicht damit von der entgegenstehenden Ansicht des OLG Köln (6 W 3/09) ab.

Das OLG Düsseldorf begründet seine Auffassung damit, dass eine Prüfung, ob ein Verfügungsgrund vorliegt, aufgrund einer Abwägung im Einzelfall zu erfolgen habe. Wann ein Verfügungsgrund vorliegt, sei verfahrensbezogen zu prüfen. Das OLG Düsseldorf führt sehr überzeugend aus, warum die für die Unterlassungsverfügung geübte Praxis, dass mit längerem Zuwarten mit der Rechtsverfolgung der Antragsteller zum Ausdruck bringt, ihm selbst sei die Sache nicht dringlich, weswegen für ihn dann auch der Verfügungsgrund verneint wird, nicht für das Beweissicherungsverfahren gilt.

Der Gesichtspunkt der Dringlichkeit treffe vielmehr nur dann zu, wenn das besondere Interesse an der Verfahrensart des einstweiligen Verfügungsverfahrens gerade in dem schnellen Erlangen eines Titels liegt.

Hingegen sei das besondere Interesse, das den Erlass einer Verfügung rechtfertigt, im Fall einer Beweissicherungsmaßnahme (hier: § 101 Abs. 3 UrhG)– anders als bei der Unterlassungsverfügung -, den Antragsgegner nicht durch eine Beteiligung am Verfahren in die Lage zu versetzen, die zu sichernden Beweismittel zu vernichten. Es bedürfe des Verfügungsverfahrens zur Beweissicherung, weil nur dieses Verfahren die Anordnung von Maßnahmen ohne Beteiligung des Gegners ermöglicht. Anders als im Falle etwa der Unterlassungsverfügung könne der Antragsteller hier im Fall fehlender Eilbedürftigkeit nicht auf den Klageweg verwiesen werden. Denn würde der Besichtigungsschuldner vorgewarnt, bestünde die Gefahr, dass der Antragsteller seinen Anspruch gar nicht mehr durchsetzen kann. Die Verneinung des Vorliegens des Verfügungsgrundes wegen längeren Zuwartens würde damit zur endgültigen Verweigerung des Besichtigungsanspruchs führen.

Aus diesen Erwägungen folgert das OLG Düsseldorf, dass unabhängig von einer zeitlichen Komponente bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 101a Abs. 3 UrhG auch ein Verfügungsgrund gegeben ist, es sei denn, eine Beseitigung von Beweismitteln sei ausnahmsweise ausgeschlossen.

Wenngleich in dem Verfahren vor dem OLG Düsseldorf eine Urheberrechtssache im Streit stand, dürften diese Überlegungen des OLG Düsseldorf auch für Beweissicherungsverfahren im Gebiet des Patentrechts zutreffen und für künftige Beweissicherungsverfahren zur Vorbereitung von Patentverletzungsklagen wichtig werden.

Anwaltshaftung – BGH „Mega-Kasten-Gewinnspiel“

In der BGH-Entscheidung „Mega-Kasten-Gewinnspiel“ (I ZR 212/08) beschäftigt sich der BGH eingehend mit der Frage, in wieweit die Haftung eines Rechtsanwalts bei Beratungsfehlern geht und in welchem Umfang sich der Mandant möglicherweise das Verschulden eines Zweitanwalts zurechnen lassen muss.

Dabei stellt der BGH fest, dass es keiner haftungsbegründender Kausalität zwischen dem Beratungsfehler und dem Schadenseintritt bedarf, sondern es ist nur erforderlich, dass der Pflichtverstoß nachteilige Folgen auslösen kann (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 – IX ZR 249/02, NJW 2004, 444 f.).

Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Rechtsanwalt seine Beratung darauf zu erstrecken, dem Auftraggeber die Zweifel und Bedenken, zu denen die Sach- und Rechtslage Anlass gibt, sowie mögliche Risiken und deren abschätzbares Ausmaß darzulegen und sie mit ihm zu erörtern; verharmlosenden Vorstellungen des Mandanten hat der Anwalt entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 – IX ZR 76/04, NJW 2006, 3494 Rn. 9; Urteil vom 7. Februar 2008 – IX ZR 149/04, NJW 2008, 2041 Rn. 13; Urteil vom 3. Juli 2008 – III ZR 189/07, NJW-RR 2008, 1506 Rn. 14).

Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsberufungsverfahren – 3 ZA (pat) 17/09

Die Rechtsprechung zur Kostenerstattung im Nichtigkeitsverfahren hat eine recht wechselhafte Geschichte hinter sich: Nachdem seit ca. 1990 im Nichtigkeitsverfahren die Kosten sowohl für den Patentanwalt als auch für den Rechtsanwalt als grundsätzlich erstattungsfähig angesehen wurden, sind in den letzten Jahren mehrere Nichtigkeitssenate des BPatG (etwa in 4 ZA (pat) 36/06) wieder davon abgerückt, die Kosten des neben einem Patentanwalt bestellten Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren als grundsätzlich und in jedem Fall erstattungsfähig anzusehen. Einen detaillierten Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung geben J. Pitz und G. A. Rauh in Mitt. 2010, 470.

Die Entscheidungen von unterschiedlichen Nichtigkeitssenaten des BPatG zu der Frage, ob die Mitwirkung des Rechtsanwalts neben dem Patentanwalt allgemein als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen ist, lassen eine sehr unterschiedliche Praxis verschiedener Nichtigkeitssenate des BPatG erkennen. Den Entscheidungen entnehmen kann man jedoch eine Tendenz dahingehend, dass jedenfalls kein Automatismus für die Erstattung der durch die Doppelvertretung anfallenden Zusatzkosten in den Fällen mehr besteht, in denen kein paralleles Verletzungsverfahren geführt wird.

In der Entscheidung 3 ZA (pat) 17/09 (veröffentlicht in BlPMZ 2010, 407) ging es um die Frage der Erstattungsfähigkeit bei einer Doppelvertretung im Nichtigkeitsberufungsverfahren, wenn kein paralleles Verletzungsverfahren zwischen den Parteien anhängig ist. Der 3. Nichtigkeitssenat des BPatG hat entscheiden, dass im Nichtigkeitsberufungsverfahren die Kosten für die Doppelvertretung durch Patentanwalt und Rechtsanwalt auch dann erstattungsfähig sind, wenn kein paralleles Verletzungsverfahren geführt wird.

Begründet wurde die Entscheidung damit,
a) dass nach ständiger Rechtsprechung des BPatG – unter Verweis auf 3 ZA (pat) 2/82 – die Mitwirkung eines Rechtsanwalts im Nichtigkeitsberufungsverfahren typischerweise angebracht sei und die entstehenden Kosten erstattugsfähig seien;
auch die neuere Rechtsprechung dazu, dass Doppelvertretungskosten im erstinstanzlichen Nichtigkeitsverfahren nicht mehr als grundsätzlich erstattungsfähig angesehen werden, würde nichts an der ständigen Rechtsprechung des BPatG zur Erstattungsfähigkeit im Nichtigkeitsberufungsverfahren ändern;
b) dass das Verfahren vor dem BGH der Mitwirkung eines umfassend geschulten Rechtsanwalts besonders bedürfe; und
c) dass es im Verfahren vor dem BGH keine Möglichkeit mehr gebe, unsachgemäßen, lückenhaften oder gar falschen Sachvortrag in einem späteren Stadium des Prozesses klarzustellen, zu ergänzen oder zu berichtigen.

Die knappe Gründe, die in der Entscheidungsbegründung von 3 ZA (pat) 17/09 angeführt werden, sind aus mehreren Gründen fraglich:

Erstens zeigt ein Blick in die Entscheidungen, mit denen zunächst der 4. Nichtigkeitssenat des BPatG von einem Automatismus der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten abgerückt ist, dass diese Abkehr von der früheren Praxis in keiner Weise willkürlich vollzogen wurde, sondern unter sorgfältiger Berücksichtigung der Tatsache, dass der Gesetzgeber zwar für das Verletzungsverfahren mit § 143 Abs. 3 PatG eine ausdrückliche Regelung für die Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten geschaffen, für das Nichtigkeitsverfahren aber keine derartige Regelung vorgesehen hat. Dies gilt natürlich nicht nur für das erstinstanzliche Nichtigkeitsverfahren, sondern auch für das Nichtigkeitsberufungsverfahren. Die den Entscheidungen 4 ZA (pat) 33/06 oder 4 ZA (pat) 36/06 zugrundeliegenden Überlegungen, dass der Gesetzgeber eine ausdrückliche Regelung für die Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten im Nichtigkeitsverfahren geschaffen hätte, wenn ein derartiger Automatismus seinem Willen entsprochen hätte, gilt auch für das Nichtigkeitsberufungsverfahren.

Zweitens liegt der lange geübten Praxis der Nichtigkeitssenate, die Doppelvertretung im erstinstanzlichen Verfahren als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO anzusehen, die Überlegung zugrunde, dass es keinen Grund für die Ungleichbehandlung zwischen der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten in I. und II. Instanz gibt (BPatG GRUR 1989, 910 und Diskussion dieser Entscheidung in dem eingangs genannten Artikel von J. Pitz und G. A. Rauh in Mitt. 2010, 470, 471). Die Entscheidung 3 ZA (pat) 17/09 würde jedoch zu einer derartigen Ungleichbehandlung führen, da jedenfalls nach derzeitiger Praxis der meisten Nichtigkeitssenate des BPatG die Doppelvertretungskosten für das erstinstanzliche Verfahren jedenfalls dann nicht grundsätzlich als erstattungsfähig angesehen werden, wenn kein paralleles Verletzungsverfahren geführt wird.

Drittens mag zwar das Verfahren vor dem BGH als letztinstanzliches Verfahren besonderen rechtlichen Sachverstand erfordern. Sollte eine Partei jedoch der Meinung sein, dass es dazu der „kundigen und auf allen Rechtsgebieten erfahrenen Mitwirkung von umfassend juristisch geschulten Rechtsanwälten“ (so Ziffer 4 der Entscheidungsgründe von 3 ZA (pat) 17/09) bedarf, würde es der Partei ja freistehen, (nur) einen Rechtsanwalt mit der Vertretung im Nichtigkeitsberufungsverfahren zu beauftragen.

Schließlich ist die Vertretungsbefugnis für den nicht vor dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt im Nichtigkeitsberufungsverfahren für diesen ebenso eine Ausnahemregelung wie für den Patentanwalt. Wollte man den oben unter b) und c) genannten Argumenten der Entscheidungsgründe von 3 ZA (pat) 17/09 wirklich großes Gewicht beimessen, müsste man aufgrund der besonderen Bedeutung des letztinstanzlichen Verfahrens vor dem BGH ja möglicherweise auch die Mitwirkung eines beim BGH zugelassenen Rechtsanwalts neben einem nicht beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt als notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 ZPO ansehen, um den Besonderheiten des Verfahrens vor dem BGH Rechnung zu tragen und die Risiken zu vermindern, die durch „unsachgemäßen, lückenhaften oder gar falschen Rechtsvortrag“ (so Ziffer 4 der Entscheidungsgründe von 3 ZA (pat) 17/09) resultieren könnten. Dies wird aber – natürlich – abzulehnen sein (siehe etwa 4 ZA (pat) 81/08 in Mitt. 2010, 394).

Es wird abzuwarten bleiben, ob weitere Nichtigkeitssenate des BPatG der Entscheidung 3 ZA (pat) 17/09 folgen. Wünschenswert wäre auf längere Sicht jedenfalls, dass eine gewisse Harmonisierung der Entscheidungspraxis zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten eintritt.