Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

Geänderte Regel 63 EPÜ: Unvollständige Recherche

Aus der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 15. Oktober 2009 über Änderungen der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen, Amtsblatt EPA, 11/2009:

Die geänderte Regel 63 EPÜ verbessert die Bearbeitung von Anmeldungen, bei denen keine sinnvolle Recherche möglich ist und die Sachprüfung Schwierigkeiten bereitet, weil es den Ansprüchen an Stützung, Klarheit oder Knappheit mangelt. In diesen Fällen wird der Anmelder in Zukunft aufgefordert, vor der Recherche eine Erklärung mit Angaben zum zu recherchierenden Gegenstand abzugeben.

Änderungen der Anmeldung sind gemäß Regel 137 (1) EPÜ zu diesem Zeitpunkt noch nicht zulässig. Deshalb kann eine angemessene Erwiderung auf eine Aufforderung nach Regel 63 EPÜ z. B. in einer Erklärung bestehen, in der derjenige Teil der Beschreibung – z. B. eine bestimmte Ausführungsform – angegeben wird, der zur Auslegung der Ansprüche herangezogen werden kann. Oder es wird eine verbesserte Anspruchsformulierung vorgelegt, durch die der Mangel beseitigt und die mit der Erwiderung auf den erweiterten europäischen
Recherchenbericht
formell als Änderung in das Verfahren eingebracht wird.

Neue Regel 62a EPÜ: Europäische Patentanmeldungen mit mehreren unabhängigen Patentansprüchen

Aus der Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 15. Oktober 2009 über Änderungen der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen, Amtsblatt EPA, 11/2009 (Abschnitt 2)

Durch die neue Regel 62a EPÜ wird der Anmelder verpflichtet, die Zahl der unabhängigen Ansprüche schon im Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung zu begrenzen, wodurch der potenzielle Schutzumfang einer Anmeldung in diesem frühen Stadium klarer umrissen ist.

Da Regel 43 (2) EPÜ bislang im Recherchenstadium nicht durchsetzbar war, konnten diese Abgrenzungen bis zur Sachprüfung oder gar bis zur Erteilungsphase hinausgeschoben werden. Der Recherchenprüfer, der in einer oder mehreren Kategorien auf mehrere unabhängige Ansprüche stieß, war verpflichtet, einen Recherchenbericht zu einer Anmeldung zu erstellen, die in dieser Form nicht zur Erteilung führen konnte, wenn nicht im Einzelfall die in Regel 43 (2) EPÜ genannten Ausnahmen griffen. Die neue Regel 62a hilft dieser Situation ab und verbessert dadurch die Effizienz des Erteilungsverfahrens.

siehe auch: Anmeldungen mit mehreren unabhängigen Patentansprüchen (ipwiki.de)

BPatG, 28 W (pat) 213/07 – Käse in Blütenform III: zu den Warenformmarken

BPatG, Entsch. v. 28. Oktober 2009, 28 W (pat) 213/07 – Käse in Blütenform III

Amtliche Leitsätze:

1. Eine bösgläubige Anmeldung setzt zwingend voraus, dass die fragliche Marke mit dem Zeichen, für das ein schutzwürdiger Besitzstand geltend gemacht wird, gleich oder jedenfalls zum Verwechseln ähnlich ist. Anderenfalls kann eine Sperrwirkung von vornherein nicht eintreten. Übereinstimmungen in funktionsbedingten und damit schutzunfähigen Gestaltungselementen von Formmarken können eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit nicht begründen.

2. Die Verwendung von Phantasiebegriffen, mit der funktionsbedingte Produktformen der Anschein einer willkürlichen und charakteristischen Gestaltung vermittelt werden soll, bleibt ohne Einfluss auf die Beurteilung ihrer Schutzfähigkeit.

siehe auch: Warenformmarken (ipwiki.de)

BPatG, 27 W (pat) 166/09 – Stadtwerke Dachau

BPatG, Entsch. v. 15. September 2009 – 27 W (pat) 166/09 – Stadtwerke Dachau

Amtliche Leitsätze:

1. Teilrechtsfähige Verwaltungseinheiten können Immaterialgüterrecht, wie Markenrecht, erwerben.

2. Kombinationen aus einer Ortsangabe und „Stadtwerke“ enthalten eine unterscheidungskräftige und nicht freihaltungsbedürftige betriebliche Herkunftsangabe.

3. Die Verwendung einer solchen Bezeichnung durch Private kann wettbewerbswidrig sein (Anschluss an BGH a. a. O. – Bundesdruckerei).

BGH, X ZR 169/07 – Diodenbeleuchtung: Zur Definition des Fachmanns im Patentrecht

BGH, Urteil vom 29. September 2009 – X ZR 169/07 – Diodenbeleuchtung

Amtliche Leitsätze:

Die Zuziehung von Experten oder sonst besser qualifizierten Fachleuten oder die Einholung von entsprechenden Erkundigungen kann vom zuständigen Fachmann erwartet werden, wenn das zu lösende Problem sich in einem sachlich naheliegenden Fachgebiet in ähnlicher Weise stellt bzw. wenn er aufgrund seiner eigenen Sachkunde erkennen kann, dass er eine Lösung auf einem anderen Gebiet finden kann (Bestätigung von Sen. Urt. v. 26.10.1982 – X ZR 12/81, GRUR 1983, 64, 66 f. – Liegemöbel und v. 11.3.1986 – X ZR 17/83, GRUR 1986, 798 – Abfördereinrichtung für Schüttgut).

Setzt die Frage, ob gegebenenfalls der Rat eines höher qualifizierten Fachmanns hilfreich sein könnte, voraus, dass der Fachmann bereits eine ihm durch den Stand der Technik nicht nahegelegte Lösung zumindest in Grundprinzipien erdacht hat, kann die erfinderische Tätigkeit nicht mit der Begründung verneint werden, die Lösung wäre dem Spezialisten nahegelegt gewesen.

BGH, Xa ZR 131/04: Nichtangriffsabrede im Patentnichtigkeitsverfahren

BGH, Xa ZR 131/04, Entscheidung vom 07.10.2009

Aus der Urteilsbegründung:

Eine auf den Mangel der Patentfähigkeit gestützte Nichtigkeitsklage kann zwar von jedermann erhoben werden, ohne dass es des Nachweises eines berechtigten eigenen Interesses des Klägers an der Vernichtung des angegriffenen Patents bedarf. Es ist jedoch im Nichtigkeitsverfahren anerkannt, dass der Beklagte dem Kläger Einwendungen aus den vertraglichen Beziehungen der Parteien und aus der Person des Klägers entgegenhalten kann. Zu diesen vom Gericht zu berücksichtigenden Umständen gehören – ihre kartellrechtliche Zulässigkeit vorausgesetzt – auch Abreden, durch die sich der Kläger ausdrücklich oder stillschweigend verpflichtet hat, das Schutzrecht nicht anzugreifen (exceptio pacti).

siehe: Nichtangriffsabrede im Patentnichtigkeitsverfahren (ipwiki.de)

BGH, I ZR 166/07: marions.kochbuch.de ./. chefkoch.de

BGH, I ZR 166/07, Entscheidung vom 12.11.2009 (Pressemitteilung)

marions.kochbuch.de hat sich erfolgreich gegen chefkoch.de durchgesetzt. chefkoch.de haftet, anders als Auktionsplattformen wie ebay, für die von den Nutzern hochgeladenen Inhalte, da sie sich die von ihren Nutzern hochgeladenen Inhalte zu eigen gemacht hat. Der Hinweis in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, dass auf ihre Plattform keine urheberrechtsverletzenden Inhalte geladen werden dürften, reicht für einen Haftungsausschluss nicht aus.

siehe auch: Haftung des Forenbetreibers, Prüfungspflichten einer Online-Handelsplattform

BGH, I ZR 42/07 – DAX: Feststellungsklage der Commerzbank gegen die Deutsche Börse AG

BGH, Urteil vom 30. April 2009 – I ZR 42/07 – DAX

Amtliche Leitsätze:

a) Veröffentlicht der Markeninhaber (hier: Deutsche Börse AG) einen mit der Marke bezeichneten Aktienindex (hier: DAX), kann er einem Dritten aufgrund des Markenrechts nicht verbieten, in den von dem Dritten emittierten Finanzprodukten als Bezugsgröße auf den Aktienindex zu verweisen, wenn dies sachlich und informativ geschieht und der Eindruck vermieden wird, es bestünden Handelsbeziehungen zwischen den Beteiligten.

b) Ein Verstoß gegen die guten Sitten i.S. des § 23 Nr. 2 MarkenG liegt vor, wenn ein Dritter den mit einer Marke übereinstimmenden Aktienindex (hier: DivDAX) im Rahmen der Produktkennzeichnung seiner Wertpapiere (hier: Unlimited DivDAX® Indexzertifikat) verwendet.

c) Verweist ein Bankinstitut auf einen Aktienindex als Bezugsgröße für die Wertentwicklung seiner Finanzprodukte, liegt darin keine wettbewerbswidrige Nachahmung der in der Ermittlung und Herausgabe des Aktienindex bestehenden Leistung.

d) Ist ein Lizenznehmer zur Zahlung von Einzellizenzgebühren für die Verwendung der Marke bei der Ausgabe von Wertpapieren verpflichtet, kann allein deren vermehrte Ausgabe kein Anpassungsverlangen nach § 313 BGB begründen.

BGH, Xa ZR 2/08 – MP3-Player-Import: Zur Mittäterschaft und Störerhaftung im Patentrecht

BGH, Urteil vom 17. September 2009 – Xa ZR 2/08 – MP3-Player-Import

Amtliche Leitsätze:

a) Den Spediteur, der auf Vernichtung angeblich patentverletzender Ware in Anspruch genommen wird, trifft keine prozessuale Obliegenheit zur Beschaffung der für ein qualifiziertes Bestreiten erforderlichen Informationen über die nähere Beschaffenheit der Ware; er kann daher die Übereinstimmung mit der erfindungsgemäßen Lehre grundsätzlich mit Nichtwissen bestreiten.

b) Schuldner des Unterlassungs- und des Vernichtungsanspruchs ist nicht nur, wer in eigener Person einen der Benutzungstatbestände des § 9 PatG verwirklicht oder vorsätzlich die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch einen Dritten ermöglicht oder fördert. Verletzer und damit Schuldner ist vielmehr auch, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestands durch den Dritten ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung das absolute Recht des Patentinhabers verletzt.

c) Den Spediteur trifft keine generelle Prüfungspflicht im Hinblick auf Schutzrechtsverletzungen durch die transportierte Ware (Bestätigung von BGH, Urt. v. 15.1.1957 – I ZR 56/55, GRUR 1957, 352, 354 – Taeschner/Pertussin II).

d) Eine Pflicht zur Einholung von Erkundigungen und gegebenenfalls zur eigenen Prüfung der Ware kann jedoch für den Spediteur entstehen, wenn ihm konkrete Anhaltspunkte für eine Schutzrechtsverletzung vorliegen.

siehe auch: Mittäterschaft, Störerhaftung, Prüfungspflichten des Spediteurs oder Frachtführers (ipwiki.de)