Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, Urt. v. 10. Juni 2010 – I ZR 96/08: Vermessungsbehörde des Landes Baden-Württemberg ./. Bundesverband der Vermessungsingenieure

BGH, Urt. v. 10. Juni 2010 – I ZR 96/08

Aus der Urteilsbegründung

Steuerrechtliche Vorschriften stellen grundsätzlich keine Marktverhaltensregelungen dar und ihre Verletzung auch nicht unter Zuhilfenahme des Vorsprungsgedankens als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden kann (BGH, Urt. v. 2.12.2009 – I ZR 152/07, GRUR 2010, 654 Tz. 17 bis 25 = WRP 2010, 875 – Zweckbetrieb).

OLG Hamm, I-4 U 101/10: Keine rechtsmissbräuchliche Abmahnung, Irreführende Verwendung des Begriffs Jahreswagen

OLG Hamm, Urteil v. 20.07.2010 – I-4 U 101/10

Aus der Urteilsbegründung:

Ein Indiz für ein sachfremdes Vorgehen folgt nicht daraus, dass die Antragstellerin das Internet gezielt nach Verstößen durchsucht und zur Vorbereitung des Prozesses auch gezielt bei der Antragsgegnerin telefonisch anfragt. Es ist anerkannt, dass zum Nachweis eines Wettbewerbsverstoßes auch Testpersonen, Testanrufe und Testkäufe vorgenommen werden dürfen, insbesondere wenn Verstöße nicht anders als durch Testbefragungen dokumentiert werden können (vgl. BGH GRUR 2007, 802 Tz. 26 – Testfotos). Ein solches Vorgehen ist daher nicht sachfremd, sondern sachdienlich.

Ein Indiz dafür, dass ein solches Verhalten zu Gebührenerzielungszwecken erfolgt, mag vorliegen, wenn der Prozessbevollmächtigte eigenmächtig nach Wettbewerbsverstößen fahndet und sich erst nach deren Entdeckung mandatieren lässt.

Wird ein Rechtsanwalt allerdings von einem Unternehmer beauftragt, solche Verstöße zu ermittelt und gegen sie vorzugehen, liegt der Fall anders. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass der Prozessbevollmächtigte in einem Bereich tätig wird, in dem auch andere Rechtsanwälte, sei es auch solche, deren Vorgehen ein missbräuchliches Verhalten nahelegen mag, tätig sind. Auch in einem solchen Fall ist ein Antragsteller nicht allein deswegen an einem prozessualen Vorgehen gehindert, weil unlautere Abmahnungen vorkommen. Letzlich ist der Vorwurf, der Prozessbevollmächtigte bewege sich „im Dunstkreis“ abmahnfreudiger Rechtsanwälte zu vage, um hieran schwerwiegende Folgen, wie die Aberkennung der Antragsbefugnis zu knüpfen.

Die Irreführung folgt hier daraus, dass zusätzlich zur Verwendung des Begriffs Jahreswagen auf die Anzahl der Vorbesitzer abgestellt wird, ohne dass über die Art des Vorbesitzes aufgeklärt wird.

OLG Hamm, I-4 U 24/10: Rechtsmissbräuchliche Massenabmahung

OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2010 – I-4 U 24/10

Aus der Urteilsbegründung:

Fest steht allerdings, dass die Antragstellerin nicht nur in diesem
Fall Mitbewerber abgemahnt hat. Gerichtsbekannt sind dem Senat die
Verfahren 4 U 181 / 09 und 4 U 187 / 09 und 4 U 62 / 10 sowie zwei
Beschwerdeverfahren, denen weitere Abmahnungen der Antragstellerin
zugrunde lagen. Das spricht dafür, dass jedenfalls eine Mehrzahl von
Abmahnungen
ausgesprochen wurde, die nach der Lebenserfahrung
überwiegend mit der Abgabe von Unterlassungserklärungen und
Kostenerstattung ihre Erledigung gefunden haben.

Angesichts dieser für einen Rechtsmissbrauch sprechenden Umstände wäre
es Sache der Antragstellerin gewesen, darzutun, dass es ihr dennoch in
erster Linie um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs gegangen ist (BGH
GRUR 2006, 243 –MEGA SALE; Fezer/Büscher, UWG, 2.Auflage, § 8 Rdn.
287). Daran fehlt es. Die Antragstellerin hat insbesondere nicht
hinreichend dazu vorgetragen, wieso Abmahnungen mit solchen
Haftungsfallen erforderlich sein sollten, den lauteren Wettbewerb zu
fördern.

OLG Düsseldorf, I-2 U 36/10: Patenlizenzvertrag zu nicht diskriminierenden und nicht behindernden Bedingungen (FRAND)

OLG Düsseldorf, Urteil v.  22.07.2010 – I-2 U 36/10:

Aus der Urteilsbegründung:

Zwar kann der aus einem Patent in Anspruch genommene Beklagte nach der Rechtsprechung des BGH gegenüber dem Unterlassungsbegehren des klagenden Patentinhabers einwenden, dieser missbrauche eine marktbeherrschende Stellung, wenn er sich weigert, mit dem Beklagten einen Patenlizenzvertrag zu nicht diskriminierenden und nicht behindernden Bedingungen abzuschließen. Er muss jedoch zum einen ein annahmefähiges unbedingtes Vertragsangebot unterbreiten, das ausreichend konkret und aufgrund seiner Regelungsdichte verhandlungsfähig ist.

Zum anderen muss der Lizenzsucher, wenn es bereits zu Benutzungshandlungen gekommen ist, seinen vertraglichen Pflichten „vorgreifen“ und sich so verhalten, als ob der Patentinhaber sein Angebot bereits angenommen hätte. In diesem Fall wäre er nicht nur berechtigt, den Gegenstand des Patents zu nutzen. Er wäre auch verpflichtet, über die Benutzung regelmäßig abzurechnen und an den Patentinhaber die sich aus der Abrechnung ergebenden Lizenzgebühren zu bezahlen oder diese jedenfalls zu hinterlegen. Der Höhe nach sind die Lizenzgebühr und damit auch die Leistungspflicht des Lizenzsuchers auf denjenigen Betrag begrenzt, der sich aus den Bedingungen eines kartellrechtlich unbedenklichen Vertrages ergibt. Dass dieser Betrag auch für den Lizenzsucher nicht ohne weiteres feststellbar ist, belastet ihn nicht unbillig, denn ihn trifft für die Voraussetzungen des Lizenzierungsanspruchs grundsätzlich ohnehin die Darlegungs- und Beweislast. Lehnt der Patentinhaber es ab, die Lizenzgebühr zu beziffern, ist dem Lizenzsucher zwar das Recht zuzubilligen, das Angebot auf Abschluss eines Lizenzvertrages hinsichtlich des Entgelts nicht auf die Vereinbarung eines bestimmten Lizenzgebührensatzes, sondern auf eine vom Patentinhaber nach billigem Ermessen zu bestimmende Lizenzgebühr zu richten. Entsprechend der Regelung in § 11 Abs. 2 UrhWG steht es der Hinterlegung der Lizenzgebühr jedoch nicht entgegen, dass die Höhe des geschuldeten Betrages noch nicht feststeht, d.h. in diesem Fall von der Leistungsbestimmung nach § 315 BGB abhängt. Ist ein jedenfalls ausreichender Betrag hinterlegt, kann sich das Verletzungsgericht, wenn auch die übrigen Voraussetzungen des „Zwangslizenzeinwandes“ vorliegen, mit der Feststellung begnügen, dass der Patentinhaber zu Annahme des Lizenzvertragsangebots und zur Bestimmung der Lizenzgebühr nach billigem Ermessen verpflichtet ist.

BGH, I ZR 18/08 – Klingeltöne für Mobiltelefone II

BGH, Urteil vom 11. März 2010 – I ZR 18/08 – Klingeltöne für Mobiltelefone II

Amtlicher Leitsatz:

Berechtigte sind aus Rechtsgründen nicht gehindert, der GEMA das Recht zur Nutzung bearbeiteter oder anders umgestalteter Musikwerke als Klingeltöne oder Freizeichenuntermalungsmelodien nur unter der aufschiebenden Bedingung einzuräumen, dass der Lizenznehmer der GEMA in jedem Einzelfall vor Beginn der Nutzung eine ihm von den Berechtigten zur Wahrung der Urheberpersönlichkeitsrechte der Komponisten erteilte Benutzungsbewilligung vorgelegt hat (Ergänzung zu BGH, Urt. v. 18.12.2008 – I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 = WRP 2009, 313 – Klingeltöne für Mobiltelefone I).

Aus der Urteilsbegründung:

In der Verwendung eines – nicht für diesen Verwendungszweck geschaffenen – Musikwerkes als Klingelton ist eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung des Werkes im Sinne des § 14 UrhG zu sehen, die geeignet ist, die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers am Werk zu gefährden (BGH, Urt. v. 18.12.2008 – I ZR 23/06, GRUR 2009, 395 Tz. 14 = WRP 2009, 313 – Klingeltöne für Mobiltelefone I).

Ein Eingriff in das Urheberpersönlichkeitsrecht liegt bereits darin, dass das Musikwerk bei einer Verwendung als Klingelton nicht als sinnlich-klangliches Erlebnis, sondern als – oft störender – Signalton wahrgenommen wird und ein in der Komposition angelegter Spannungsbogen durch das Annehmen des Gesprächs zerstört wird. Auch das Angebot „mastergestützter“ Klingeltöne und Freizeichenuntermalungsmelodien, bei denen einem – ansonsten unveränderten – Musikstück ein Ausschnitt entnommen worden ist, der in einer Endlosschleife ständig wiederholt wird, berührt daher die berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers an seinem Werk.
Bei Freizeichenuntermalungsmelodien ergibt sich eine Beeinträchtigung der Urheberinteressen ferner daraus, dass das asynchron wiederholte Freizeichen das Musikstück störend überlagert.

BGH, I ZR 47/08 – Autobahnmaut: Rechte des Datenbankherstellers

BGH, Urteil vom 25. März 2010 – I ZR 47/08 – Autobahnmaut

Amtlicher Leitsatz:

Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 87b Abs. 1 Satz 1 UrhG ist im Blick auf die Bestimmung des Art. 7 Abs. 1 und 2 der Datenbankrichtlinie, deren Umsetzung er dient, richtlinienkonform dahin auszulegen, dass er jedenfalls bei Datenbanken, deren typische Verwertung darin besteht, den Nutzern nur die jeweils sie selbst betreffenden Datensätze zugänglich zu machen, auch das Zurverfügungstellen einzelner Datensätze an einzelne Nutzer erfasst, wenn diese Nutzer in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit bilden.

OLG Düsseldorf, I-20 U 8/10 – Zu Störerhaftung und Prüfungspflichten eines Filehosting-Dienstes

OLG Düsseldorf, I-20 U 8/10 – Prüfungspflichten eines Filehosting-Dienstes

Aus der Urteilsbegründung

Ein sogenannter Sharehosting-Dienst [auch Filehosting-Dienst] ermöglicht es Nutzern, Dateien auf ihren Servern zu speichern und stellt den Nutzern einen sogenannten Download-Link zur Verfügung, über den die Datei heruntergeladen werden kann.

Ein durchsuchbares Verzeichnis der auf den Servern der Antragsgegnerin gespeicherten Dateien gibt es nicht. Allerdings betreiben Dritte Webseiten, auf denen sie Nutzern der Antragsgegnerin ermöglichen, die von der Antragsgegnerin zur Verfügung gestellten Download-Links bekannt zu machen und so anderen zu ermöglichen, die gespeicherten Dateien herunterzuladen. Derartige Verweise von Dritten können auch über Suchmaschinen wie zum Beispiel Google gefunden werden.

Werden im Internet fremde, die Rechte Dritter verletzende Inhalte durch
einzelnde Anbieter auf vorhandenen Internetplattformen verbreitet oder
zugänglich gemacht, so kann in der Zurverfügungstellung von
Speicherplatz und eines bestimmten Rahmens, in dem die Inhalte
präsentiert werden, ein adäquat-kausaler Beitrag des Betreibers dieser
Internetplattform gesehen werden. Eine Störerhaftung ist dann
grundsätzlich in Betracht zu ziehen (Ensthaler, WRP 2010, 309).

Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auszudehnen, setzt eine solche Verantwortlichkeit die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang sich nach allgemeinen Zumutbarkeitsüberlegungen richtet.

Eine erhöhte Prüfungspflicht besteht insbesondere dann, wenn der Störer vom Recht der Inhaber auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist. In einem solchen Fall muss er nicht nur den Zugang zu der konkreten Datei unverzüglich sperren, sondern darüber hinaus zumutbare Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt.

LG Mannheim, 7 O 142/09: Lizenzanalogie bei standardessentiellen Patenten

LG Mannheim, Urteil vom 5.3.2010, 7 O 142/09

Zur Schätzung der Höhe des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie bei standardessentiellen Patenten, wenn der Patentinhaber standardisierte Lizenzbedingungen angeboten hat.

Aus der Urteilsbegründung:

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Lizenzgebühr auch nicht deshalb zu mindern, weil durch ihre Entrichtung eine Vielzahl standardessentieller Patente vergütet wird. Insoweit ergibt sich aus den der Schadensschätzung zugrunde gelegten Standardlizenzverträgen der Klägerin, dass die Stücklizenzgebühren in ihrer Höhe davon unabhängig ist, wie viele der essentiellen Patente für die Klägerin bestehen und von den Lizenznehmern benutzt werden. Diese Bedingungen sind daher auch der Berechnung des Schadensersatzes im Wege der Lizenzanalogie in Orientierung an den Standardlizenzverträgen der Klägerin zugrunde zu legen.

BGH, X ZR 49/09: Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit

BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 – X ZR 49/09 – Bundespatentgericht

Amtliche Leitsätze:

ZPO § 524:

Hat das Patentgericht die Nichtigkeitsklage als unbegründet abgewiesen, kann sich die Beklagte der Berufung des Nichtigkeitsklägers mit dem Ziel der Abweisung der Klage als unzulässig und der Begründung anschließen, der Kläger sei als Strohmann einer früheren Nichtigkeitsklägerin mit den von ihm erhobenen Einwendungen in gleichem Maße ausgeschlossen, wie diese selbst es wäre.

PatG § 4; EPÜ Art. 56

a) Hat der Stand der Technik vor dem Prioritätstag einer neuen Erfindung über lange Zeit stagniert, ist es eine Frage der Umstände des Einzelfalls (hier: zu verzeichnende lange Entwicklungszyklen auf dem betroffenen technischen Gebiet), ob dies darauf hindeutet, dass die neue Erfindung dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht.

b) Der zum Ingenieur ausgebildete Fachmann bezieht in seine Recherche solchen gattungsfremden Stand der Technik ein, bei dem nach Art der sich dort stellenden Probleme vom Prinzip her Lösungen zu erwarten sind, wie er sie benötigt, auch wenn die Anforderungen im Detail durchaus erheblich differieren (hier: Maßnahmen zur Reibungsverminderung zwischen Maschinenelementen bei Vorrichtungen zum Formen und Komprimieren von Kabeln bzw. Bohrlochwerkzeugen zur Einführung von Rohrabschnitten in Bohrlöcher hinein einerseits und bei Zugeinheiten zum Ziehen metallischer Zugrohlinge andererseits).

BGH, X ZR 115/07: Zweckangabe im Patentanspruch

BGH, Urteil v. 6. Juli 2010 – X ZR 115/07

Aus der Urteilsbegründung:

Einer Zweckangabe kommt regelmäßig die Aufgabe zu, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist.