Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, X ZR 51/06 – Polymerisierbare Zementmischung: Unzureichende Offenbarung als neuer Nichtigkeitsgrund

BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 – X ZR 51/06 – Polymerisierbare Zementmischung

Amtliche Leitsätze:

Die Einbeziehung eines weiteren Nichtigkeitsgrundes (hier: unzureichende Offenbarung) in der Berufungsinstanz, nachdem die Nichtigkeitsklage vor dem Bundespatentgericht nur auf einen oder mehrere andere der in Art. 138 Abs. 1 EPÜ, Art. II § 6 Abs. 1 IntPatÜbkG aufgeführten Nichtigkeitsgründe gestützt war, stellt eine Klageänderung (objektive Klagehäufung) im Sinne der Vorschrift des § 533 Nr. 1 ZPO dar, welche nach § 99 Abs. 1 PatG auch im Patentnichtigkeitsverfahren anwendbar ist.

Der Nichtigkeitskläger trägt die Beweislast dafür, dass es dem Fachmann auch nach Kenntnisnahme der Angaben in der Beschreibung und der Zeichnungen der Patentschrift nicht möglich ist, die beanspruchte Lehre unter Einsatz seines Fachwissens ohne unzumutbare Schwierigkeiten auszuführen.

OLG Frankfurt, 16 U 239/09: Freistaat Bayern ./. DENIC

OLG Frankfurt, Urt. vom 17. Juni 2010 – Az. 16 U 239/09

Der Freistaat Bayern nimmt die Beklagte auf Aufhebung der Registrierung von vier Domainnamen in Anspruch.

Die deutsche Vergabestelle für Domainnamen ist  unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung verpflichtet, die streitgegenständlichen Domains aufzuheben.

-> Störerhaftung der deutschen Vergabestelle für Domainnamen

Aus der Urteilsbegründung:

Wenn die deutsche Vergabestelle für Domainnamen von einem Dritten auf eine angebliche Verletzung dessen Rechte hingewiesen wird, treffen sie nur eingeschränkte Prüfungspflichten: In dieser zweiten Phase ist die deutsche Vergabestelle für Domainnamen nur gehalten, eine Registrierung zu löschen, wenn sie ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei feststellen kann, dass ein registrierter Domainname Rechte Dritter verletzt. Bei solchen offenkundigen, von dem zuständigen Sachbearbeiter der deutschen Vergabestelle für Domainnamen unschwer zu erkennenden Rechtsverstößen kann von der deutschen Vergabestelle für Domainnamen erwartet werden, dass sie die Registrierung aufhebt.

BGH, X ZR 79/09 – Fugenglätter: Entwicklungsleistung eines durchschnittlich versierten Fachmanns

BGH, Urteil vom 27. April 2010 – X ZR 79/09 – Fugenglätter

Amtlicher Leitsatz:

Beschränkt sich die Problemlösung darauf, ein als solches bekanntes, einfach strukturiertes Werkzeug aus einem modifizierten Material herzustellen und darüber hinaus nur auf die Anweisung, den Gegenstand geometrisch so auszulegen, dass die Eigenschaften des gewählten Materials optimal ausgenützt werden können, handelt es sich auch dann um eine von einem durchschnittlich versierten Fachmann zu erwartende Entwicklungsleistung, wenn für die Auswahl des Werkstoffs Vorbilder im Stand der Technik nicht auszumachen sind (im Anschluss an Sen.Urt. v. 12.2.2003 – X ZR 200/99, GRUR 2003, 693 – Hochdruckreiniger; BGH, Urt. v. 4.2.2010 – Xa ZR 36/08 Tz. 27 – Gelenkanordnung).

Aus der Urteilsbegründung:

Um zu erkennen, dass das Ziel einer verbesserten Materialaufsammlung, ebenso wie die bessere Anpassung des Werkzeugs an schwerer zugängliche Arbeitsbereiche, dadurch erzielt werden kann, dass für das Werkzeug ein elastischer Kunststoff ausgewählt wird, der sich durch einfaches Zusammendrücken verformen lässt, der aber seine ursprüngliche Form zurückgewinnt, wenn der verformende Druck aufgehoben wird, musste der Fachmann auf seinem Gebiet weder überdurchschnittlich bewandert und befähigt sein noch musste er erhebliche gedankliche Kreativität entfalten, um zur Lösung des Streitpatents zu gelangen. Er hat aufgrund seiner Fachkunde und Erfahrung eine generelle Vorstellung von den für ein solches Werkzeug in Betracht kommenden Materialien und kann eine endgültige Auswahl mit allenfalls geringem zusätzlichem Rechercheaufwand treffen. Die Einsicht, dass sich die gegenüber dem Kunststoffkeil aus dem Heimwerkermagazin erwünschten Verbesserungen prinzipiell durch Wahl eines Elastomers erzielen ließ, und das Werkzeug anschließend lediglich noch hinsichtlich seiner Abmessung und des Verhältnisses der einzelnen Bestandteile zueinander so ausgelegt werden musste, dass die Abtragungsfunktion des Randes bei hinreichender Flexibilität der Platte gewahrt ist, lag vielmehr nahe.

BGH, I ZR 92/08 – DDR-Logo

BGH, Urteil vom 14. Januar 2010 – I ZR 92/08 – DDR-Logo

a) Auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken angebrachte Symbole ehemaliger Ostblockstaaten (hier: Bezeichnung „DDR“ und deren Staatswappen) fasst der Verkehr regelmäßig nur als dekoratives Element und nicht als Produktkennzeichen auf.

b) Eine durch eine Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr entfällt, wenn die Markenanmeldung wegen unterbliebener Zahlung der Anmeldegebühren kraft Gesetzes (§ 64a MarkenG, § 6 Abs. 2 PatKostG) als zurückgenommen gilt.

BGH, Xa ZR 70/08 – Maschinensatz: Streitgegenstand des Patentverletzungsverfahrens

BGH, Urteil vom 6. Mai 2010 – Xa ZR 70/08 – Maschinensatz

Amtliche Leitsätze:

Die Beschränkung eines Patents, die sich daraus ergibt, dass der Patentinhaber das Schutzrecht gegenüber einer Nichtigkeitsklage nur eingeschränkt verteidigt, ist in einem Verletzungsrechtsstreit schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens zu berücksichtigen, wenn der Patentanspruch, auf den die Verletzungsklage gestützt wird, in einer entsprechend beschränkten Fassung geltend gemacht wird.

-> Streitgegenstand des Patentverletzungsverfahrens

Der Umstand, dass ein europäisches Patent, bei dem Deutsch nicht die Verfahrenssprache ist, in einem Nichtigkeitsverfahren durch eine in deutscher Sprache gehaltene Fassung der Patentansprüche beschränkt verteidigt wird, ändert nichts daran, dass zur Auslegung der Patentansprüche der übrige Inhalt der Patentschrift in der maßgeblichen Verfahrenssprache heranzuziehen ist.

-> Streitgegenstand des Nichtigkeitsverfahrens

BGH, I ZR 177/07 – Folienrollos: Abschlusserklärung

Amtlicher Leitsatz:
Gibt der Schuldner auf eine Unterlassungsverfügung, durch die ihm unterschiedliche, in einem ersten Schreiben enthaltene Äußerungen untersagt worden sind, eine Abschlusserklärung ab, so besteht für eine auf die Untersagung eines zweiten Schreibens gerichtete weitere Unterlassungsklage, die sich auf kerngleiche Äußerungen bezieht, kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn zwar mit dieser Klage neben den als kerngleich bereits verbotenen Äußerungen weitere dort enthaltene Äußerungen beanstandet werden, die isolierte Untersagung dieser Äußerungen aber nicht begehrt wird.

BGH, X ZR 79/07 – Steuervorrichtung: Recht auf die Erfindung

BGH, Urteil vom 18. Mai 2010 – X ZR 79/07 – Steuervorrichtung

PatG § 6; BGB § 812 Abs. 1 (Eingriffskondiktion)

Amtliche Leitsätze:

Dem Erfinder einer Lehre zum technischen Handeln, die zum Patent angemeldet und/oder für die ein Patent erteilt worden ist, erwächst mit deren Verlautbarung, die unter Wahrung einer die Öffentlichkeit hiervon ausschließenden Vertraulichkeit erfolgt ist, ein Recht an der Erfindung unabhängig davon, ob die Lehre schutzfähig ist.

Der Anmelder und/oder Inhaber des Patents, der nicht Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger ist, schuldet dem Erfinder nach Bereicherungsrecht Herausgabe dessen, was er durch Benutzungshandlungen erlangt hat, die er im Rahmen einer durch das Wissen um die Erfindung, durch deren Anmeldung oder durch die Patenterteilung vermittelten Vorzugsstellung vorgenommen hat.

BGH, I ZR 88/08 – Opel-Blitz II: Identitätsschutz bei Spielzeugautos

Amtlicher Leitsatz:
Im Rahmen des Identitätsschutzes der Marke nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG kommt es nur auf Beeinträchtigungen der Funktionen der Marke an, soweit sie für Waren oder Dienstleistungen eingetragen und benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die das angegriffene Zeichen benutzt wird.
Aus der Urteilsbegründung:
Die Ergebnisse der von der Klägerin vorgelegten Verkehrsbefragung stehen – wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler angenommen hat – der Feststellung nicht entgegen, dass die angesprochenen Verbraucher in dem auf dem Spielzeugmodell der Beklagten angebrachten Opel-Blitz-Zeichen keinen Hinweis auf die Herkunft dieses Produkts aus einem bestimmten Unternehmen sehen.
Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die wirklichkeitsgetreue Nachbildung als solche noch nicht unlauter i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist, weil insoweit wegen der Erwartungen, welche die angesprochenen Verbraucher an derartiges Spielzeug stellen, und der darauf beruhenden jahrzehntelangen Üblichkeit detailgetreuer Nachbildungen ein berechtigtes Interesse der Beklagten besteht (vgl. dazu auch BGHZ 126, 208, 214 – McLaren).

OLG Köln, 6 U 180/09 – dsds-news.de: Verzicht auf die Registrierung des Domain-Namens nicht erforderlich

Ein Inhaber von Marken- oder Kennzeichenrechten kann den Verzicht auf die Registrierung eines prioritätsjüngeren ähnlichen Domain-Namens im Wege des Beseitigungsanspruchs – über die Unterlassung seiner Verwendung für bestimmte Tätigkeitsfelder hinaus – vom Inhaber der Domain nur verlangen, wenn jede Belegung der unter dem Domain-Namen betriebenen Website notwendig die Voraussetzungen einer Kennzeichenverletzung nach §§ 14 Abs. 2 Nr. 2 oder 3, 15 Abs. 2 oder 3 MarkenG erfüllt.