Autor: Dr. Martin Meggle-Freund

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 193/2012, Haftung von Eltern für illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder

BGH, Mitteilung der Pressestelle Nr. 193/2012, Haftung von Eltern für illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder zu BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12 – Morpheus

Laut Pressemitteilung hat der I. Zivilsenat entschieden:

Eltern haften für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt hatten und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt.

Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.

BGH, I ZR 74/11 – Zweigstellenbriefbogen

BGH, Urteil vom 16. Mai 2012 – I ZR 74/11 – Zweigstellenbriefbogen

Amtliche Leitsätze:

a) Die Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG begründet keine generelle Informationspflicht, sondern verpflichtet grundsätzlich allein zur Offenlegung solcher Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann.

b) Ein Rechtsanwalt ist weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 5a Abs. 2 UWG verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen oder durch Ver-wendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.

c) Ein Rechtsanwalt ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendeten Briefbögen den Standort der Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO anzugeben. Er hat nach dieser Bestimmung auf solchen Briefbögen nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.

BGH, X ZR 99/11 – Fahrzeugwechselstromgenerator

BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 99/11 – Fahrzeugwechselstromgenerator

Amtliche Leitsätze:

a) Die Vorlage eines Privatgutachtens in zweiter Instanz stellt nicht notwendigerweise neues Vorbringen dar. Der auf das Gutachten gestützte Parteivortrag ist nicht neu, wenn durch die Ausführungen des Gutachters Vorbringen aus der ersten Instanz zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird.

b) Berufungsvorbringen im Patentnichtigkeitsverfahren, das auf eine bereits in erster Instanz vorgelegte Druckschrift gestützt wird, ist neu, wenn zu der konkreten technischen Information und den Anregungen zu der erfindungsgemäßen Lehre, die der Fachmann nach dem Berufungsvortrag der Schrift entnehmen soll, vor dem Patentgericht nicht vorgetragen worden ist.

c) Der Nichtigkeitskläger ist grundsätzlich nicht gehalten, den Angriff gegen die Patentfähigkeit des Streitpatents auf alle denkbaren Gesichtspunkte zu stützen, insbesondere mit einer Vielzahl unterschiedlicher Argumentationslinien zu begründen, warum der Gegenstand der Erfindung durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sei.

BGH, I ZR 102/11 – Stimmt’s?: Titelschutz für Teile einer Druckschrift

BGH, Urteil vom 22. März 2012 – I ZR 102/11 – Stimmt’s?

Amtliche Leitsätze:

a) Titelschutz kann auch der Bezeichnung einer regelmäßig nur wenige Absätze umfassenden Kolumne zukommen, die zu einem bestimmten Themengebiet in einer Zeitung oder Zeitschrift erscheint.

b) Bei schutzfähigen Titeln für Teile einer Zeitung oder Zeitschrift kommt es für die Frage der Verwechslungsgefahr maßgeblich auch auf Form und Inhalt der medialen Einbettung der angegriffenen Bezeichnung an, wobei unter anderem die typische Art der Präsentation der Beiträge (z.B. nur Text oder auch Bilder) erheblich ist.

BGH, I ZR 21/11 – Sandmalkasten: Wettbewerblicher Leistungsschutz für eine Sachgesamtheit

Amtliche Leitsätze:

BGH, Urteil vom 22. März 2012 – I ZR 21/11 – Sandmalkasten

a) Die aus einem Erzeugnis und mit diesem funktional zusammenhängenden Zubehörstücken bestehende Sachgesamtheit kann Gegenstand des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG sein, wenn der konkreten Ausgestaltung oder der besonderen Kombination der Merkmale wettbewerbliche Eigenart zukommt (Fortführung von BGH, GRUR 2005, 166 – Puppenausstattungen).

b) Eine wettbewerbliche Eigenart setzt nicht voraus, dass die zur Gestaltung eines Produkts verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Auch ein zurückhaltendes, puristisches Design kann geeignet sein, die Aufmerksamkeit des Verkehrs zu erwecken und sich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts einzuprägen.

BGH, X ZR 154/1: Rechtsscheinhaftung

BGH, Urteil vom 31. Juli 2012 – X ZR 154/11

Amtlicher Leitsatz:

Bei einem unternehmensbezogenen Rechtsgeschäft kann ein Dritter aufgrund des von ihm erzeugten Rechtsscheins, er sei Mitinhaber des Unternehmens, für die Erfüllung des darauf beruhenden Vertrags haften.

Aus der Urteilsbegründung:

Bei >unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften geht der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass der Inhaber des Unternehmens, in dessen Tätigkeitsbereich das rechtsgeschäftliche Handeln fällt, und nicht der für das Unternehmen Handelnde der Vertragspartner werden soll (vgl. BGH, Urteile vom 3. Februar 1975 – II ZR 128/73, BGHZ 64, 11, 14; vom 15. Januar 1990, aaO unter II 1.; vom 18. Mai 1998 – II ZR 355/95, NJW 1998, 2897 unter 2 a; vom 18. Dezember 2007 – X ZR 137/04, NJW 2008, 1214 Rn. 11; jeweils mwN). Damit wird bezweckt, dass – abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall einer an das Unternehmen zu leistenden vertragscharakteristischen Leistung – für die Erfüllung einer vertraglichen, insbesondere einer vertragscharakteristischen Leistung der Rechtsträger des Unternehmens verpflichtet wird, der aufgrund der zu ihm gehörenden Vermögensgüter und seiner sonstigen vertraglichen Beziehungen die hinreichenden Mittel und Möglichkeiten hat, um diese Leistung erfüllen zu können. Die Erfüllung des Vertrags soll nicht daran scheitern, dass der Vertrag eine Person verpflichtet, der diese Mittel und Möglichkeiten fehlen. Weiterhin bezweckt dieser Auslegungsgrundsatz, jemanden, der als Stellvertreter handeln wollte, vor einer Verpflichtung als Vertragspartner zu bewahren, wenn er seine Vertreterstellung nicht ausdrücklich hervorgehoben hat, der Unternehmensbezug des Rechtsgeschäfts aber hinreichend deutlich zu erkennen war (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Februar 1975, aaO).

Dem Auslegungsgrundsatz zur personellen Zuordnung unternehmensbezogener Rechtsgeschäfte steht indessen eine Haftung aus Rechtsscheinsgründen nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Januar 1990, aaO unter II 2.; vom 18. Mai 1998, aaO unter II 2 b). Die zusätzliche Haftung dessen, der selbst einen Rechtsschein für die Stellung als Vertragspartner gesetzt hat oder für den ein solcher, ihm zuzurechnender Rechtsschein gesetzt wurde, mindert nicht die Erfüllbarkeit einer vom Rechtsgeschäft vorgesehenen Leistung, weil das hierfür vorgesehene Unternehmen als Vertragspartner verpflichtet bleibt. In diesen Fällen kann der kraft Rechtsschein Verpflichtete sich nicht darauf berufen, dass ein in Wahrheit als Vertreter Handelnder bei unternehmensbezogenen Rechtsgeschäften vor einer Verpflichtung als Vertragspartner geschützt werden soll, denn dieser Schutz soll ihm nicht erlauben, einen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichenden Rechtsschein zu erwecken.

Dementsprechend ist in der Rechtsprechung die Rechtsscheinhaftung insbesondere für die Fälle einer Scheinsozietät anerkannt, wonach der als Sozius auftretende Scheinsozius für die Verpflichtungen der Sozietät ebenso haftet wie die wahren Inhaber der Sozietät (vgl. BGH, Urteile vom 11. März 1955 – I ZR 82/53, BGHZ 17, 13, 15; vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 359; vom 16. April 2008 – VIII ZR 230/07, NJW 2008, 2330 Rn. 10 mwN).

BGH, I ZB 13/11 – Neuschwanstein: Kein Freihaltebedürfnis wegen überragendem kulturellem Wert

BGH, Beschluss vom 8. März 2012 – I ZB 13/11 – Neuschwanstein

Amtliche Leitsätze:

a) Fasst der Verkehr die aus dem Namen einer Sehenswürdigkeit (hier: Schloss Neuschwanstein) gebildete Marke (hier: Neuschwanstein) im Zusammenhang mit Waren, die typischerweise als Reiseandenken oder -bedarf vertrieben werden, nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Produktkennzeichen auf, fehlt der Marke jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

b) Allein der Umstand, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Umfeld einer Sehenswürdigkeit an Touristen vertrieben oder für sie erbracht werden können, rechtfertigt nicht die Annahme, einer aus dem Namen der Sehenswürdigkeit gebildeten Marke fehle jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).

c) Einer Marke fehlt nicht deshalb jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, weil es sich um die Bezeichnung eines bedeutenden Kulturguts handelt.

d) Das Bundespatentgericht ist nicht nach § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG in Verbindung mit § 139 ZPO verpflichtet, den Markeninhaber im Löschungsverfahren auf die Sachdienlichkeit einer Einschränkung des Waren- oder Dienstleistungsverzeichnisses hinzuweisen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist die Entscheidung des Bundespatentgerichts daher auch nicht aufzuheben, um dem Markeninhaber Gelegenheit zur Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses zu geben.

Aus der Urteilsbegründung:

Liegen die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht vor, kann der Marke nicht wegen eines allgemein von den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG losgelösten Freihaltebedürfnisses oder einer dem Urheberrecht entlehnten Gemeinfreiheit der Schutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG versagt oder entzogen werden.

Da nicht auszuschließen ist, dass die Annahme fehlender Unterscheidungskraft durch das Bundespatentgericht vom Gedanken eines allgemeinen Freihaltebedürfnisses an der Bezeichnung von Gegenständen mit überragendem kulturellen Wert beeinflusst worden ist, kann die Entscheidung auch insoweit keinen Bestand haben.

Auf die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers ist der angefochtene Beschluss unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise aufzu-heben und die Sache an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§ 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG). Dieses wird die erforderlichen Feststellungen zur Beurteilung des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG insoweit nachzuholen und auch zu prüfen haben, ob für die noch in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen beispielsweise für Transportwesen ein Freihal-tebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht oder die Voraussetzungen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 MarkenG vorliegen.

BGH, I ZR 230/11 – Biomineralwasser

Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 149/2012, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11 – Biomineralwasser:

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hält die Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“ nicht für irreführend.

Der Beklagte bietet ein natürliches Mineralwasser an. Dieses Wasser bezeichnet und bewirbt er als „Biomineralwasser“. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält dies für irreführend. Sie meint, der Verkehr verbinde mit „Biomineralwasser“ Qualitätsmerkmale, die für ein natürliches Mineralwasser bereits gesetzlich vorgeschrieben und daher selbstverständlich seien.

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat der von der Zentrale erhobenen Unterlassungsklage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht Nürnberg die Klage hinsichtlich der beanstandeten Verwendung des Begriffs „Biomineralwasser“ abgewiesen.

Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Berufungsgerichts bestätigt. Der Verkehr erwartet von einem als „Biomineralwasser“ bezeichneten Mineralwasser, dass es nicht nur unbehandelt und frei von Zusatzstoffen ist, sondern im Hinblick auf Rückstände und Schadstoffe deutlich unterhalb der für natürliche Mineralwässer vorgesehenen Höchstwerte liegt. Mineralwässer, die die gesetzlichen Grenzwerte deutlich unterschreiten, unterscheiden sich von den Mineralwässern, bei denen der Gehalt an Rückständen und Schadstoffen nahe an diesen Werten liegt. Ob das vom Beklagten vertriebene Mineralwasser diese hohen Reinheitserwartungen erfüllt, stand nicht im Streit.

Der Verkehr erwartet auch nicht, dass die Verwendung von „Bio“ bei Mineralwässern gesetzlichen Vorgaben unterliegt oder staatlich überwacht wird. Der Umstand, dass der Gesetzgeber bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen eine gesetzliche Regelung für die Verwendung von „Bio“ getroffen hat, führt nicht dazu, dass diese Bezeichnung beim Fehlen einer gesetzlichen Regelung nicht verwendet werden darf. Das in der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung bestimmte Gebot, für das vom Beklagten vertriebene Wasser die Verkehrsbezeichnung „natürliches Mineralwasser“ anzugeben, steht der zusätzlichen Bezeichnung als „Biomineralwasser“ ebenso nicht entgegen.

BGH, I ZR 85/10 – Unfallersatzgeschäft

BGH, Urteil vom 8. März 2012 – I ZR 85/10 – Unfallersatzgeschäft

Amtlicher Leitsatz:

Ein Unfallhaftpflichtversicherer ist regelmäßig nicht gehindert, einen Unfallgegner, der ein Ersatzfahrzeug bei einem örtlichen Autovermieter angemietet hat oder anmieten möchte, auf das preisgünstigere Angebot eines mit ihm zusammenarbeitenden überörtlich tätigen Autovermieters hinzuweisen.