„IP Translator“ führt zu neuer HABM-Praxis

In der Entscheidung „IP TRANSLATOR“ hat sich der EuGH zur Auslegung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen einer Markenanmeldung geäußert.

Hintergrund der Entscheidung sind Unterschiede in der amtlichen Praxis des HABM einerseits und zahlreicher nationaler Ämtern (z.B. DPMA und UKIPO) andererseits, wenn zur Angabe der Waren oder Dienstleistungen sämtliche Oberbegriffe einer Klassenüberschrift der Nizza-Klassifikation verwendet werden. Nach Praxis des HABM wurde die Angabe der Oberbegriffe der Klassenüberschriften dahingehend ausgelegt, dass damit alle Waren oder Dienstleistungen der entsprechenden Klasse beansprucht wurden, selbst wenn diese nach herkömmlichem Sprachverständnis den Oberbegriffen nicht unterfallen. Diese frühere Praxis des HABM wurde durch die (nunmehr außer Kraft gesetzte) Mitteilung Nr. 4/03 des Präsidenten amtlich verlautbart. Ein – im vom EuGH entschiedenen Fall einschlägiges – Beispiel für eine derartige Konstellation sind die Oberbegriffe der Klasse 41 (Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche Aktivitäten, kulturelle Aktivitäten). Die Klasse 41 enthält auch die Dienstleistung „Übersetzungsdienstleistungen“, die jedoch keinem der Oberbegriffe unterfällt.

Anders als die (frühere) Auslegungspraxis des HABM wird beispielsweise nach Praxis des DPMA die Angabe der Oberbegriffe einer Klassenüberschrift dahingehend ausgelegt, dass nur diejenigen Waren oder Dienstleistungen in der entsprechenden Klasse beansprucht werden, die diesen Oberbegriffen nach herkömmlichem semantischen Verständnis auch unterfallen.

Der (früheren) Auslegungspraxis des HABM erteilte der EuGH in der Entscheidung „IP TRANSLATOR“ eine Absage. So heißt es in Rz. 61 und Rz. 62 der Entscheidung:

„Accordingly, in order to respect the requirements of clarity and precision mentioned above, an applicant for a national trade mark who uses all the general indications of a particular class heading of the Nice Classification to identify the goods or services for which the protection of the trade mark is sought must specify whether its application for registration is intended to cover all the goods or services included in the alphabetical list of the particular class concerned or only some of those goods or services. If the application concerns only some of those goods or services, the applicant is required to specify which of the goods or services in that class are intended to be covered.

An application for registration which does not make it possible to establish whether, by using a particular class heading of the Nice Classification, the applicant intends to cover all or only some of the goods in that class cannot be considered sufficiently clear and precise.“

Der Präsident des HABM hat bereits mitgeteilt (Mitteilung des Präsidenten Nr. 2/12), dass das HABM an der früheren Praxis nicht mehr uneingeschränkt festhalten werde und dass demnächst neue Richtlinien erlassen werden. Das HABM werde „auch weiterhin die Verwendung der Oberbegriffe der Klassenüberschriften akzeptieren, allerdings nur auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung“. Das DPMA scheint noch mit sich zu ringen (Mitteilung Nr. 11/12 der Präsidentin des DPMA), ob die „IP TRANSLATOR“-Entscheidung eine Anpassung der amtlichen Praxis erfordern wird.

Für Anmelder, die tatsächlich Schutz für alle Waren oder Dienstleistungen einer Klasse begehren, hat der EuGH bereits einen gangbaren Weg aufgezeigt: Nach Rz. 112 der „Postkantoor“-Entscheidung wird die Angabe, dass für „alle Waren der Klasse …“ oder „alle Dienstleistungen der Klasse …“ Schutz begehrt wird, als ausreichend klar und somit zulässig angesehen.

BGH, X ZR 131/09 – Desmopressin

BGH, Urteil X ZR 131/09 – Desmopressin

Zum Thema Vorbenutzungsrecht nach § 12 Abs. 1 PatG:

a) Die nach § 12 Abs. 1 PatG für den Erwerb eines Vorbenutzungsrechts erforderliche Benutzung oder Veranstaltung setzt voraus, dass der Handelnde selbständigen Erfindungsbesitz erlangt hat. Erfindungsbesitz ist gegeben, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv erkannt worden ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist.

b) Die für den Erfindungsbesitz erforderliche subjektive Erkenntnis liegt vor, wenn das Handeln planmäßig auf die Verwirklichung einer technischen Lehre gerichtet ist, die alle Merkmale des erfindungsgemäßen Gegenstandes verwirklicht (hier: eine bestimmte Rezeptur für eine pharmazeutische Zusammensetzung). Ob der Handelnde darüber hinaus Kenntnis von Wirkungen hat, die nach den Angaben in der Beschreibung mit der Verwirklichung des erfindungsgemäßen Gegenstandes verbunden sind (hier: eine mit der Beachtung einer Obergrenze für den Oxidationsmittelgehalt erreichte bessere Haltbarkeit), ist unerheblich.

Rechtsbeschwerde: Kostenfestsetzungsverfahren vor dem BPatG

Da der 4. Nichtigkeitssenat in einer weiteren Entscheidung (Beschluss vom 7. Mai 2012 in der Rechtssache 4 ZA (pat) 13/12) die Rechtsbeschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren zugelassen und somit den in diesem Blog schon mehrfach diskutierten Beschluss 4 ZA (pat) 35/11 fortgeführt hat, soll hier noch einmal auf die letztgenannte Entscheidung eingegangen werden, die mittlerweile auch im Volltext veröffentlicht ist.

1. Der Senat führt in dem Beschluss 4 ZA (pat) 35/11 in Ziffer 3. der Entscheidungsgründe aus: „Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nach § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG i. V. m.§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch im Verfahren vor dem Bundespatentgericht statthaft …, da § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG ausdrücklich die Vorschriften der Zivilprozessordung über das Kostenfestsetzungsverfahren für entsprechend anwendbar erklärt. Diese Gesamtverweisung erfüllt damit zugleich die von § 99 Abs. 2 PatG geforderte Zulassung einer Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts und gewährleistet damit Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde in entsprechender Anwendung des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO.“

2. Der Senat begründet dies in dem Beschluss 4 ZA (pat) 35/11 in Ziffer 3a. der Entscheidungsgründe weiter wie folgt:
– Die Änderung des Beschwerderechts durch die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zugelassene Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse des Beschwerde- und Berufungsgerichts würde dazu führen, dass die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde im Verfahren vor dem Bundespatentgericht neu zu bewerten sei und auch in Kostenfestsetzungsverfahren durch die entsprechende Verweisung auf die ZPO nicht ausgeschlossen sei.
– 99 Abs. 2 PatG würde „nur ‚eine Zulassung durch dieses Gesetz‘ fordern“. Auch die im Hinblick auf die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Bundespatentgericht einschränkende Verweisung in § 99 Abs. 1 PatG fordere eher einen Gleichklang mit der Regelung des § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO als dass sie diesem entgegenstünde.
– Die Generalverweisung des § 84 Abs. 2 Satz 2 PatG würde auch ohne ausdrückliche Erwähnung des § 574 ZPO das insoweit eigenständige Rechtsmittelrecht der Zivilprozessordung im Kostenfestsetzungsrecht umfassen.

3. Diese Auffassung erscheint immer noch etwas überraschend.

Zwar ist zuzugeben, dass § 84 Abs. 2 S. 2 PatG eine dynamische Verweisung auf die ZPO-Vorschriften zum Kostenfestsetzungsverfahren ist. Änderungen der ZPO-Vorschriften wirken sich unmittelbar auf das Verfahren vor dem BPatG aus – sofern ihre Anwendung nicht nach § 99 Abs. 1 oder Abs. 2 PatG ausgeschlossen ist.

Nach § 84 Abs. 2 S. 3 PatG i.V.m. § 99 Abs. 2 PatG sind jedoch die ZPO-Vorschriften über die Rechtsmittel zum BGH von dieser Verweisung gerade ausgeschlossen. Bei jeder anderen Auslegung hätte die Vorschrift des § 84 Abs. 2 S. 3 PatG keinerlei Bedeutung und wäre schlicht hinfällig.

Insofern ist schon erstaunlich, dass es sich bei § 84 Abs. 2 S. 2 PatG um eine „Gesamtverweisung“ handeln soll. Aufgrund des Ausschlusses der Vorschriften über die Rechtsmittel von der Verweisung des § 84 Abs. 2 S. 2 PatG kann eine Änderung der ZPO-Vorschriften zur Statthaftigkeit von Rechtsmitteln zum BGH nach meiner Auffassung nicht eine Neubewertung erfordern, ob diese ZPO-Vorschriften von der Verweisung des § 84 Abs. 2 S. 2 PatG umfasst sein sollen.

4. Sofern der Senat in dem Beschluss 4 ZA (pat) 35/11 in Ziffer 3a. der Entscheidungsgründe auf die Kommentarliteratur zu § 83 MarkenG Bezug nimmt, dürfte zu beachten sein, dass die analoge Anwendung des § 83 MarkenG auf ein Nebenverfahren zu einem Beschwerdeverfahren vor dem Marken-Beschwerdesenat wohl näherliegend sein dürfte als eine Anwendung entsprechender Vorschriften bei einem Nebenverfahren vor einem Nichtigkeitssenat. Die Hinweise auf § 83 MarkenG in dem Beschluss 4 ZA (pat) 35/11 verwundern auch insoweit etwas, als der Senat in dem Beschluss 4 ZA (pat) 35/11 die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde eben nicht mit einer analogen Anwendung des § 100 PatG begründet. Zur relevanten Frage, ob § 84 Abs. 2 S. 2 PatG eine Anwendung des Rechtsbeschwerderechts der ZPO umfasst, dürfte sich die Kommentarliteratur zu § 83 MarkenG nur schwerlich fruchtbar machen lassen.

5. Ungeachtet der obigen Anmerkungen sei noch einmal betont, dass auch nach Auffassung des Verfassers dieses Beitrags die divergierende Rechtsprechung der Nichtigkeitssenate zur Erstattungsfähigkeit von Doppelvertretungskosten unbefriedigend ist. Ein Rechtsmittel zum BGH (oder alternativ die Schaffung eines gemeinsamen Senats am BPatG) wäre wünschenswert, um eine einheitliche Praxis sicherzustellen. Ob dies im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Vorschriften möglich ist, wie der 4. Nichtigkeitssenat meint, oder es dazu einer Gesetzesänderung bedarf, wird hoffentlich bald durch den BGH geklärt werden.

EPA, Große Beschwerdekammer G 2/10: Disclaimer

Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 30. August 2011 – G 2/10

Amtliche Leitsätze:

a. Die Änderung eines Anspruchs durch Aufnahme eines Disclaimers, der einen in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbarten Gegenstand ausklammert, verstößt gegen Artikel 123 (2) EPÜ, wenn der nach Aufnahme des Disclaimers im Patentanspruch verbleibende Gegenstand dem Fachmann, der allgemeines Fachwissen heranzieht, nicht in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung unmittelbar und eindeutig offenbart wird, sei es implizit oder explizit.

1b. Ob dies der Fall ist, muss anhand einer technischen Beurteilung aller
technischen Umstände des jeweiligen Einzelfalls bestimmt werden, bei der es
Art und Umfang der Offenbarung in der ursprünglich eingereichten Fassung der
Anmeldung, Art und Umfang des ausgeklammerten Gegenstands sowie dessen
Verhältnis zu dem nach der Änderung im Anspruch verbleibenden Gegenstand zu
berücksichtigen gilt.

Aus der Entscheidungsbegründung:

Wenn etwa, wie in G 1/03 (Nr. 2.1.3 der Entscheidungsgründe) dargelegt, in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung eine Erfindung allgemein offenbart und beansprucht wurde und darüber hinaus mehrere spezifische Ausführungsformen oder Gruppen solcher Ausführungsformen offenbart wurden, von denen eine später durch den Disclaimer aus dem Schutzbegehren ausgeklammert wird, so wird der verbleibende Gegenstand, d. h. die verbleibende allgemeine Lehre, durch den Disclaimer in der Regel nicht verändert. Anders verhält es sich dagegen, wenn z. B. der im Anspruch verbleibende Gegenstand durch den Disclaimer auf eine Untergruppe des ursprünglich beanspruchten Gegenstands beschränkt würde und diese Untergruppe nicht als in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbart angesehen werden könnte, auch nicht unter Berücksichtigung dessen, was der Fachmann unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens als implizit in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung enthalten ansehen würde. In diesem Fall wäre die Änderung ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ. Analog zu der Entscheidung T 615/95 läge eine unzulässige Erweiterung vor, wenn die Aufnahme eines Disclaimers in einen Anspruch zur Abgrenzung einer bis dahin nicht speziell erwähnten oder zumindest implizit offenbarten einzelnen Verbindung oder Gruppe von Verbindungen führen würde oder zur Folge hätte, dass dem verbleibenden beanspruchten Gegenstand eine bestimmte, ursprünglich nicht offenbarte Bedeutung verliehen würde.

BGH, I ZR 190/10 – Neue Personenkraftwagen

BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, I ZR 190/10 – Neue Personenkraftwagen

Das Verständnis des Begriffs „neue Personenkraftwagen“ in § 2 Nr. 1 Pkw-EnVKV ist an objektivierbaren Umständen auszurichten, aus denen sich ergibt, dass das betreffende Fahrzeug vom Händler alsbald nach dem Erwerb veräußert werden soll. Als objektiver Umstand eignet sich hierfür die Kilometerleistung des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Angebots zum Verkauf. Bietet ein Händler ein Fahrzeug mit einer Laufleistung bis 1.000 Kilometer an, ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass er dieses Fahrzeug zum Zweck des Weiterverkaufs erworben hat.

BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 – X ZR 98/09 – Calcipotriol-Monohydrat

BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 – X ZR 98/09 – Calcipotriol-Monohydrat

Amtlicher Leitsatz:

Im Rahmen der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit kann für die Frage, ob der Fachmann aus dem Stand der Technik eine Anregung erhalten hat, dort beschriebene Maßnahmen aufzugreifen und sie auf einen bekannten Stoff anzuwenden, die Überlegung Bedeutung gewinnen, ob sich aus diesen Maßnahmen eine angemessene Erfolgserwartung für die Lösung des sich stellenden technischen Problems ergab (Fortführung von BGH, Urteil vom 6. März 2012 – X ZR 50/09, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. September 2009 – Xa ZR 130/07, GRUR 2010, 123 – Escitalopram).

Abstimmung über EU-Patent vertagt

Das EU-Parlament wird am Mittwoch nicht wie geplant über den Gesetzesentwurf zum EU-Patent abstimmen (siehe Presseerklärung vom 2.7.2012). Die Abstimmung wurde vertagt. Zu der Vertagung kam es, weil der Rat in letzter Minute zentrale Passagen der Gesetzesvorlage streichen wollte. Von der Streichung betroffen sind die Artikel 6 bis 8 des Gesetzesentwurfes. Diese Artikel betreffen das Recht, die unmittelbare und mittelbare Benutzung der Erfindung zu verbieten, sowie Beschränkungen der Wirkungen des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung.

OLG Karlsruhe, 6 U 187/10: Rechtsmissbräuchliche Berufung auf ein Vertragsstrafeversprechen

OLG Karlsruhe Urteil vom 7.5.2012, 6 U 187/10

Amtlicher Leitsatz:

Hat der wegen Verletzung einer Marke in Anspruch Genommene eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, steht der Geltendmachung des Anspruchs auf Vertragsstrafe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn die betreffende Marke gelöscht worden ist.

Aus der Urteilsbegründung:

In der Entscheidung „Altunterwerfung I“ hat der Bundesgerichtshof ausgeführt: „Kann sich der Schuldner eines Unterwerfungsvertrages im allgemeinen nur durch fristlose Kündigung von der übernommenen vertraglichen Verpflichtung lösen, kann es doch im Einzelfall rechtsmißbräuchlich sein, wenn sich der Gläubiger auf ein nicht rechtzeitig gekündigtes Vertragsstrafeversprechen beruft. Hiervon ist immer dann auszugehen, wenn der vertraglich gesicherte gesetzliche Unterlassungsanspruch dem Gläubiger aufgrund der erfolgten Gesetzesänderung unzweifelhaft, d.h. ohne weiteres erkennbar, nicht mehr zusteht. Hierunter fallen zum einen die Fälle, in denen die vertragliche Verpflichtung allein der Sicherung eines vom Gesetzgeber aufgehobenen Verbots – etwa dem Verbot der Werbung mit mengenmäßigen Beschränkungen oder der Eigenpreisgegenüberstellung (§§ 6 d, 6 e UWG a.F.) – dient; unter Umständen sind hierunter auch die Fälle einer beachtlichen Rechtsprechungsänderung zu zählen. Zum anderen ist einem Gläubiger die Geltendmachung des vertraglichen Anspruchs dann aus Treu und Glauben verwehrt, wenn seine Sachbefugnis aufgrund der Änderung des § 13 Abs. 2 UWG eindeutig entfallen ist, weil er selbst (Nr. 1) oder seine Mitglieder (Nr. 2) auf dem einschlägigen Markt überhaupt nicht tätig sind oder weil er – als Verband – die im Gesetz angesprochenen gewerblichen Interessen tatsächlich nicht mehr verfolgt.“ (BGHZ 133, 316 sub II.4.a)

Dem kann der allgemeine Grundsatz entnommen werden, dass die Berufung auf ein Vertragsstrafeversprechen trotz einer nicht rechtzeitig erfolgten Kündigung immer dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn dem Gläubiger der mit dem Vertragsstrafeversprechen gesicherte Unterlassungsanspruch wegen einer mittlerweile eingetretenen Änderung eindeutig, d.h. ohne dass es weiterer Feststellungen oder einer Wertungsentscheidung bedürfte, nicht mehr zusteht (vgl. auch OLGR Jena 2007, 555). Nicht ausreichend ist allerdings, wenn der Unterlassungsanspruch vom Gläubiger nur deshalb nicht geltend gemacht werden könnte, weil sich die Parteien auf dem vom Gläubiger bedienten regionalen Markt nicht begegnen (BGH GRUR 2001, 85 – Altunterwerfung IV); ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Im Streitfall führt die Löschung dazu, dass die Wirkungen der Eintragung der Marke als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 52 Abs. 2 MarkenG). Die Klägerin muss sich also nunmehr – ohne dass es weiterer Feststellungen oder Wertungen bedürfte – so behandeln lassen, als hätte sie die Rechte aus der Marke nie erlangt. Damit hätte auch von Anfang an kein durchsetzbarer markenrechtlicher Unterlassungsanspruch bestanden, der durch einen strafbewehrten Unterlassungsvertrag hätte gesichert werden können. Nach der Wertung, die der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegt, muss sich die Klägerin, wenn sie nunmehr den Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe durchsetzen will, den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten lassen.

BGH, X ZR 104/09: antimykotischer Nagellack II

BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – X ZR 104/09 – antimykotischer Nagellack II

Amtliche Leitsätze;

a) Bei einem nach § 38 ArbEG unbezifferten Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Erfindervergütung ist der Streitwert, soweit der Kläger nicht einen verbindlichen Mindestbetrag angegeben hat, in freier Schätzung nach § 3 ZPO festzusetzen, wobei grundsätzlich nach dem Betrag zu bemessen ist, den das Gericht aufgrund des Sachvortrags des Klägers als angemessen erachtet. Offensichtlich übertriebene Einschätzungen und Angaben insbesondere zu Umständen, über die der Beklagte erst Auskunft erteilen soll, haben dabei außer Betracht zu bleiben.

b) Zielt das Klagebegehren auf eine grundsätzlich abweichende rechtliche Beurteilung der Höhe einer angemessenen Vergütung, muss sich dieses Rechtsschutzziel im Streitwert niederschlagen. Dabei ist jedoch umso mehr Zurückhaltung geboten, desto fernliegender es erscheint, dass die rechtlichen Erwägungen des Klägers die Höhe des Vergütungsanspruchs maßgeblich bestimmen könnten.