BGH, I ZR 230/11 – Biomineralwasser

BGH, Urteil vom 13. September 2012 – I ZR 230/11 – Biomineralwasser

Amtliche Leitsätze:

a) Bei der wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklage bildet die konkrete Verletzungsform den Streitgegenstand, wenn mit der Klage ein entsprechendes Unterlassungsbegehren verfolgt wird. Der Streitgegenstand umfasst in diesem Fall – unabhängig davon, ob der Kläger sich auf diese Rechtsverletzung gestützt und den zu dieser Rechtsverletzung gehörenden Tatsachenvortrag gehalten hat – alle Rechtsverletzungen, die in der konkreten Verletzungsform verwirklicht sind, auch wenn die verschiedenen Verletzungen jeweils einen unterschiedlichen Tatsachenvortrag erfordern. Entsprechendes gilt, wenn dem Beklagten mit der Unterlassungsklage unabhängig vom konkreten Umfeld die Verwendung einer bestimmten Bezeichnung untersagt werden soll (Aufgabe von BGH, Urteil vom 8. Juni 2000 – I ZR 269/97, GRUR 2001, 181, 182 = WRP 2001, 28 dentalästhetika I; Urteil vom 13. Juli 2006 I ZR 222/03, GRUR 2007, 161 Rn. 9 = WRP 2007, 66 dentalästhetika II).

Dem Kläger steht es aber frei, mehrere in einer konkreten Verletzungsform oder mit der Verwendung einer bestimmten Bezeichnung verwirklichte Rechtsverletzungen im Wege der kumulativen Klagehäufung jeweils gesondert anzugreifen.

b) Die Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“ stellt keine irreführende Werbung mit einer Selbstverständlichkeit dar, wenn sich das fragliche Mineralwasser von anderen Mineralwässern dadurch abhebt, dass der Anteil an Rückständen und Schadstoffen besonders niedrig ist. Der Verkehr erwartet von einem unter der Bezeichnung „Biomineralwasser“ vertriebenen Mineralwasser auch nicht, dass es sich um eine staatlich verliehene und überprüfte Zertifizierung handelt.

c) Das Gebot des § 3 Abs. 1 Nr. 1 LMKV, beim Inverkehrbringen von natürlichem Mineralwasser diese Verkehrsbezeichnung anzugeben, steht der zusätzlichen Verwendung der Bezeichnung „Biomineralwasser“ nicht entgegen.

d) Das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 ÖkoKennzG, ein Erzeugnis mit einer dem Öko-Kennzeichen nachgemachten, zu Fehlvorstellung verleitenden Kennzeichnung in Verkehr zu bringen, stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar.

Markenbenutzung: Deutsch-schweizerisches Übereinkommen auf dem Prüfstand?

Das Urteil des EuG vom 12.7.2012 in der Rechtssache T-170/11 wirft Fragen zum Verhältnis zwischen dem Benutzungserfordernis des harmonisierten europäischen Markenrechts und dem Übereinkommen zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz aus dem Jahr 1892 auf. Nach Artikel 5 dieses Übereinkommens gilt eine Marke in Deutschland als benutzt, auch wenn die Benutzung nur in der Schweiz erfolgte.

Dem Verfahren vor dem EuG vorangegangen war ein Widerspruchsverfahren vor dem HABM. Die Widersprechende stützte den Widerspruch gegen eine Gemeinschaftsmarkenanmeldung auf eine mit Wirkung für Deutschland eingetragene IR-Marke. Benutzungshandlungen wurden von der Widersprechenden – unter Berufung auf das genannte Übereinkommen aus dem Jahr 1892 – nur für die Schweiz nachgewiesen.

Das EuG entschied, dass „die ernsthafte Benutzung einer älteren Marke, gleichviel ob es sich um eine Gemeinschaftsmarke, eine nationale oder eine internationale Marke handelt, in der Europäischen Union oder im betreffenden Mitgliedstaat nachgewiesen werden“ muss (Rz. 31 der Entscheidungsgründe). Eine Benutzung nur in der Schweiz ließ das EuG (wie auch schon die Beschwerdekammer des HABM) demnach nicht genügen.

Das EuG wies darüber hinaus darauf hin, dass „das harmonisierte Markenrecht der Mitgliedstaaten eine zwingende Benutzung im betreffenden Mitgliedstaat voraus[setzt] (vgl. Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2008/95). Es ist auch zu beachten, dass das Erfordernis der ernsthaften Benutzung – unter Vermeidung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Sanktionen – in das nationale Recht umgesetzt wurde (§ 26 Markengesetz).“ (Rz. 33 der Entscheidungsgründe) Die Frage, ob Artikel 5 des Übereinkommens zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz im innerstaatlichen Recht durch deutsche Gerichte noch angewandt werden darf, bedurfte im entschiedenen Fall keiner Klärung. Jedoch dürfte absehbar sein, dass jedenfalls die zitierte Textpassage aus Rz. 33 der Entscheidungsgründe des Urteils des EuG vom 12.7.2012 in der Rechtssache T-170/11 dazu führen wird, dass auch in rein nationalen Marken-Kollisionsverfahren die Frage aufgeworfen wird, ob eine Benutzung einer Marke nur in der Schweiz für eine Benutzung i.S.v. § 26 MarkenG ausreicht. Dies wird komplexe Fragen dazu aufwerfen, inwieweit durch eine europäische Richtlinie in ältere zwischenstaatliche Übereinkommen zwischen einem Mitgliedsstaat und einem Nicht-Mitgliedsstaat der EU eingegriffen werden kann.

BGH: Schutzumfang des Gemeinschaftsgeschmacksmusters

In dem Urteil vom 12. Juli 2012, I ZR 102/11 – Kinderwagen II befasst sich der I. Zivilsenat des BGH erneut mit dem Schutzumfang von Gemeinschaftsgeschmacksmustern.

Dabei betont der BGH erneut den schon in der Untersetzer-Entscheidung aufgestellten Grundsatz, dass der Schutzumfang nicht nur von der Musterdichte abhängt, sondern auch davon, wie deutlich sich das Klagemustervon diesem Formenschatz unterscheidet. Entsprechend lautet der zweite Leitsatz: „Der Schutzumfang des Klagemusters wird durch die Musterdichte bei den fraglichen Erzeugnissen einerseits und die Ausnutzung des Gestaltungsspielraums durch den Entwerfer und den dadurch erreichten Abstand des Klagemusters vom Formenschatz andererseits bestimmt.“

Neu gegenüber der Untersetzer-Entscheidung ist, dass der BGH nunmehr anscheinend eine Gewichtung von Merkmalen des Klagemusters abhängig davon vornehmen möchte, inwieweit es sich dabei um im einschlägigen Gebiet weithin bekannte Gestaltungsmerkmale handelt. So wird in Rz. 62 des Kinderwagen II-Urteils ausgeführt: „Der informierte Benutzer wird diesem Merkmal [bestimmte Applikationen, Anm.], das ihm von anderen Mustern bekannt ist, allenfalls geringe Bedeutung für den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Muster beimessen.“

Abzuwarten bleibt, wie eine Gewichtung von Einzelmerkmalen eines Musters in der Instanzrechtsprechung erfolgen kann. Die Beurteilung der Eigenart erfolgt auf einem Einzelvergleich mit jeweils einem Muster des Formenschatzes. Wie beispielsweise schon Ruhl in den Anmerkungen zur Entscheidung „Verlängerte Limousinen“ (GRUR 2010, 692, 695) betont, ist daher eine Berücksichtigung von Übereinstimmungen des Klagemusters mit Elementen des Formenschatzes im Verletzungsverfahren zumindest schwierig.

Praxisnah ist die – ebenfalls zum Leitsatz erhobene – Aussage des Kinderwagen II-Urteils, dass auch Unterschiede in technisch bedingten Merkmalen zu einem unterschiedlichen Gesamteindruck führen können.

BGH zu computerimplementierten Erfindungen

Im Urteil vom 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12 – Routenplanung führt der X. Zivilsenat seine Rechtsprechung zur Behandlung nichttechnischer Merkmale in Patentansprüchen fort. Dabei zeichnet sich eine ähnliche Praxis ab, wie sie am EPA spätestens seit der Entscheidung T 641/00 – Comvik etabliert ist. Danach können nichttechnische Anspruchsmerkmale eine erfinderische Tätigkeit regelmäßig nicht begründen.

Zwei Aspekte des Urteils vom 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12 – Routenplanung geben jedoch Anlass zu großer Besorgnis.

1. Zum Leitsatz erhebt der X. Senat in dem genannten Urteil, dass „Anweisungen zur Auswahl von Daten, deren technischer Aspekt sich auf die Anweisung beschränkt, hierzu Mittel der elektronischen Datenverarbeitung einzusetzen, … jedenfalls bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden [können]“.

In concreto setzt der X. Senat dies so in die Praxis um, dass nur eine Unterkombination von Anspruchsmerkmalen dahingehend geprüft wird, ob sie durch den Stand der Technik nahegelegt wird (Rz. 36 des Urteils). Das ist ein wesentlicher Unterschied zum Ansatz des EPA, bei dem beispielsweise nach der Entscheidung T 641/00 – Comvik die nichttechnischen Merkmale mit in die Formulierung der objektiven Aufgabe einfließen („requirement specification“) und anschließend geprüft wird, ob der Fachmann bei der Lösung dieser Aufgabe in naheliegender Weise zur Kombination aller Anspruchsmerkmale, einschließlich der nichttechnischen Merkmale kommt.

Die BGH-Praxis mag zu einem gewissen Teil dadurch bedingt sein, dass der BGH sich nicht dem Aufgabe-Lösungs-Ansatz anschließen kann oder möchte (für eine aktuelle Erläuterung hierzu siehe Meier-Beck in GRUR 2012, 1177, 1179). Allerdings hat die BGH-Praxis zwei wesentliche Nachteile gegenüber dem Ansatz des EPA.

Erstens wird eine Unterkombination von Anspruchsmerkmalen, wie sie der BGH prüfen will, häufig kaum verständlich oder gar vollständig sinnentstellt sein. Dies dürfte eine sinnvolle Prüfung auf Naheliegen erschweren.

Zweitens wird die Praxis des BGH dann zu unterschiedlichen Ergebnissen als die EPA-Praxis führen können, wenn ein nichttechnisches Merkmal mit technischen Merkmalen so zusammenwirkt, dass ein überraschender, auf technischem Gebiet liegender Erfolg erreicht wird. In so einem Fall wird der BGH das nichttechnische Merkmal trotzdem vollständig ausblenden, nur weil es (isoliert betrachtet) nichttechnisch ist. Hingegen wird die Wechselwirkung nichttechnischer Merkmale mit technischen Merkmalen nach der Praxis des EPA berücksichtigt, indem das nichttechnische Merkmal aufgrund seines engen Zusammenhangs mit den technischen Merkmalen doch nicht in die Formulierung der objektiven Aufgabe als vom Techniker zu berücksichtigende Zwangsbedingung einfließt. Maßgeblich ist, ob ein technischer Erfolg erzielt wird. Für ein Beispiel für ein solches Wechselspiel zwischen nichttechnischen Merkmalen und technischen Merkmalen siehe beispielsweise T 928/03.

2. Die Auffassung des X. Zivilsenats, was im entschiedenen Fall zu den nichttechnischen Merkmalen gehört, überrascht. So sollte im entschiedenen Fall nach den hilfsweise verteidigten Ansprüchen unter bestimmten Umständen eine (nur) lokale Neuberechnung einer Route durchgeführt werden, nachdem der Benutzer ein bestimmtes Straßensegment (Mautstraße) abgelehnt hatte.

Als Naturwissenschaftler bin ich der festen Überzeugung, dass die Entscheidung für eine lokale Neuberechnung eines Teils der Route anstelle einer globalen Neuberechnung
– auf der technischen Überlegung beruht, dass dadurch Speicherplatz und Rechenzeit eingespart werden kann (denn nach den gängigen Suchmethoden wie Dijkstra oder A* wächst die Zahl der zu expandierenden Kanten und der Expansionsschritte stark mit der Länge der Strecke), und
– dadurch eine technische Wirkung erreicht wird (schnelle und effiziente Berechnung einer Alternativroute, falls der Benutzer eine Mautstraße ablehnt).

Warum der X. Zivilsenat unter Verweis auf das Urteil vom 26.10.2012 – X ZR 47/07 – Wiedergabe topographischer Informationen, dem eine ganz andere Konstellation zugrunde lag, solche Merkmale als nichttechnisch ansieht, konnte ich der äußerst kurzen Begründung in Rz. 53 und 54 des Urteils vom 18. Dezember 2012 – X ZR 3/12 – Routenplanung leider nicht entnehmen.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob nicht der Fachmann im einschlägigen Gebiet sowieso wegen der genannten Vorteile die nur lokale Neuberechnung der Route in Betracht gezogen hätte. Man wäre der Erfindung im konkreten Fall wohl eher gerecht geworden, wenn man das Merkmal einer lokalen Neuberechnung unter Berücksichtigung der Kenntnisse des Fachmanns als naheliegend angesehen hätte, anstatt es als nichttechnisches Merkmal unberücksichtigt zu lassen – auch wenn dies vielleicht zusätzliche Aufklärung zu den Kenntnissen des Fachmanns erfordert hätte.

Die Glaubwürdigkeit eines Ansatzes, wie nichttechnische Merkmale behandelt werden, und die Akzeptanz, die ein derartiger Ansatz von Nutzerseite erfährt, basiert darauf, dass eine Prüfung, ob Merkmale nichttechnisch sind, in nachvollziehbarer und keineswegs leichtfertiger Weise erfolgt. Dies gilt für das Bestandsverfahren vor dem Bundespatentgericht und Bundesgerichtshof nicht anders als für die Prüfungsabteilungen des EPA (bei denen nach meinem Empfinden zumindest in Einzelfällen gerade immer diejenigen Merkmale nichttechnisch sein sollen, die im Stand der Technik amtsseitig nicht nachgewiesen werden konnten).

Rezension: The Knockoff Economy

In ihrem Buch „The Knockoff Economy“ (Oxford University Press 2012) beschäftigen sich Kal Raustiala und Christopher Sprigman, zwei US-Rechtswissenschaftler, mit der Wechselwirkung zwischen Innovation und (gesetzlich zulässiger) Nachahmung. Passend lautet der Untertitel „how imitation sparks innovation“.

Ausgangspunkt des Buchs sind Untersuchungen der Autoren zu den Verhaltensweisen von Marktteilnehmern in bestimmten Branchen, in denen gewerblich Schutzrechte und urheberrechtlicher Schutz nicht existieren oder faktisch nicht durchsetzbar sind. Kernaussage des Buchs ist, dass das Fehlen von Monopolrechten nicht immer dazu führt, dass Innovationen unterbleiben, und dass Innovationszyklen sogar dadurch schneller getrieben werden können, dass es an gesetzlich normierten Nutzungsmonopolen fehlt.

Die Autoren arbeiten in unterhaltsamer Weise anhand von zahlreichen Beispielen die Umstände heraus, die hohe Innovativität bei fehlendem Schutz gegen Kopien hervorbringen können. Innovationen werden nach den Autoren beispielsweise – trotz der Kopierfreudigkeit von Wettbewerbern – begünstigt durch
– kurze Produktzyklen gekoppelt mit der Bereitschaft der Kunden, aus Statusgründen das hochpreisige Original zu kaufen (Beispiel: Mode),
– die Bedeutung der handwerklichen Eigenschaften des „Herstellers“, die exakte Kopien unmöglich machen (Beispiel: erstklassige Köche),
– die Bereitschaft der Abnehmer, nicht in erster Linie für das Produkt selbst, sondern (zumindest auch) für damit verbundene Erfahrungen (Beispiel: Ambiente einer Bar oder eines Lokals) oder für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Nutzung des Produkts (Beispiel: Beratungstätigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung von Open Source-Software) zu zahlen,
– starke Marktvorteile des ursprünglichen Anbieters („first-mover advantage“) (Beispiel: Finanzprodukte),
– soziale Normen der in der jeweiligen Branche Tätigen, die zu einer faktischen Ächtung von Plagiatoren führen (Beispiele: Komiker, Magier), oder
– schöpferische Tätigkeit, die aus Altruismus, als Hobby oder zu Ausbildungszwecken erbracht wird (Beispiele: Programmierwettbewerbe, Open Source-Software).

Besonders gut hat mir an diesem Buch gefallen, dass es erstens sehr überzeugend und unterhaltsam geschrieben ist; zweitens, und noch viel wichtiger, dass es sich eben nicht um eine borniert einseitige Stellungnahme gegen gewerbliche Schutzrechte handelt, sondern dass die Autoren in sachlicher und nachvollziehbarer Weise begründen, dass und warum in bestimmten Bereichen jedenfalls nicht mehr gesetzlicher Schutz für Innovation nötig ist. Ungerechtfertigte Verallgemeinerungen auf nicht von ihnen untersuchte Fragestellungen vermeiden die Autoren. Dadurch hebt sich dieses Buch beispielsweise sehr wohltuend von der Darstellung „Against Intellectual Monopoly“ von Boldrin und Levine ab.

Als Fazit wird man festhalten dürfen, dass die Untersuchungen von Raustiala und Sprigman keinerlei Gründe aufzeigen, außerhalb der von den Autoren untersuchten Branchen Schutzrechte zu begrenzen. Insbesondere kann die Belohnungstheorie weiterhin Geltung als Rechtfertigung für Patentrechte beanspruchen, nämlich insbesondere dann, wenn identische Kopien leicht verfügbar sind (ein realistisches Szenario, wenn Original und Kopie in derselben Fabrik in Fernost gefertigt werden), Abnehmer nicht aus Statusgründen hochpreisige Produkte bevorzugen (was für die gesamte Zulieferindustrie relevant ist, bei der die Identität des Zulieferers dem Endkunden unbekannt bleibt) und/oder der Anbieter nicht die Möglichkeit hat, ihm durch Kopien seines Produkts entstehende Verluste durch Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Produkt auszugleichen.

Eine sehr interessante Passage im Zusammenfassungsteil des Buchs (Seiten 204-210) hat übrigens nichts mit den oben genannten nicht-technischen Branchen zu tun, sondern stellt allgemein die These auf, dass Innovationen auch durch eine optimistische Erfolgserwartung und so genannte „Tournament-Market“-Bedingungen (kleine Chance auf einen großen Gewinn) gefördert werden. Dass Patentrechte die Erwartung von innovativen (technischen) Unternehmen stärken, für ihre Innovation durch ein zeitlich begrenztes Nutzungsmonopol mit finanziellem Gewinn belohnt zu werden, dürfte unumstritten sein. Zumindest in einem Markt, in dem Wettbewerb zwischen Anbietern herrscht, dürften somit nach den Thesen von Raustiala und Sprigman Patentrechte den Innovationszyklus wesentlich mit antreiben.

BGH, X ZR 7/12 – Rohrmuffe: Besichtigungsanspruch, Urkundenvorlage, Augenschein

BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2012 X ZR 7/12 – Rohrmuffe

Amtliche Leitsätze:

Im Patentverletzungsprozess lässt sich allein aus § 286 ZPO nicht die Pflicht des Gerichts herleiten, gemäß §§ 142 ff. ZPO die Begutachtung eines Gegenstandes anzuordnen, der sich in der Verfügungsgewalt der nicht beweisbelasteten Partei oder eines Dritten befindet.

Im Patentverletzungsprozess ist das Gericht allenfalls dann verpflichtet, gemäß § 142 ZPO die Vorlage einer Urkunde durch die nicht beweisbelastete Partei anzuordnen, wenn die Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch des Gegners aus § 140c PatG erfüllt sind (Bestätigung von BGH, Urteil vom 1. August 2006 – X ZR 114/03, BGHZ 169, 30 = GRUR 2006, 962 Rn. 36 ff. – Restschadstoffentfernung).

Für eine auf § 144 ZPO gestützte Anordnung, die Begutachtung eines Gegenstandes anzuordnen, der sich in der Verfügungsgewalt der nicht beweisbelasteten Partei oder eines Dritten befindet, gilt nichts anderes.

BGH: Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren

Im Beschluss X ZB 11/12 – Doppelvertretung im Nichtigkeitsverfahren konnte sich der Bundesgerichtshof zur Erstattungsfähigkeit von Kosten im Patentnichtigkeitsverfahren äußern, die durch die Doppelvertretung (Patentanwalt und Rechtsanwalt) verursacht werden. Die wichtigsten Punkte der Entscheidung:

1. Der BGH ist der Auffassung, dass die Rechtsbeschwerde gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Patentgerichts statthaft ist. In der Kommentarliteratur war weithin die gegenteilige Auffassung vertreten worden (Benkard, 10 Aufl., § 84 Rn. 41; Schulte, 8. Aufl., § 84 Rn. 64).

Warum allerdings „[w]eder § 84 Abs. 2 noch § 99 Abs. 2 PatG … der Grundsatz entnommen werden [kann], dass eine Überprüfung des Kostenfestsetzungsbeschlusses in der Rechtsbeschwerdeinstanz in dieser Konstellation schlechthin ausgeschlossen sein soll“ (Rz. 14 des Beschlusses), bleibt im Dunkeln. Denn § 84 Abs. 2 S. 3 PatG nimmt die Rechtsbehelfe der ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren ausdrücklich von der dynamischen Verweisung des § 84 Abs. 2 PatG aus und verweist auf die Spezialregelung des § 99 Abs. 2 PatG.

2. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt ist typischerweise als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig anzusehen, wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffender Verletzungsrechtsstreit anhängig ist, an dem die betreffende Partei oder ein mit ihr wirtschaftlich verbundener Dritter beteiligt ist (Leitsatz). Entsprechend sind die Mehrkosten, die durch die Doppelvertretung entstehen, erstattungsfähig.

Einige Nichtigkeitssenate des BPatG (BPatG 1 ZA (pat) 14/11 oder BPatG 4 ZA (pat) 81/08) hatten teilweise deutlich strengere Kriterien für die Erstattungsfähigkeit der Doppelvertretungskosten entwickelt. Siehe beispielsweise Ziffer 2. der Entscheidungsgründe des Beschlusses BPatG 1 ZA (pat) 14/11: „Danach ist eine Doppelvertretung dann als nicht notwendig anzusehen, wenn trotz parallelem Verletzungsrechtsstreit keine zusätzlichen konkreten Umstände für ihre Erforderlichkeit dargetan werden, so z. B. wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten, welche über die fachliche Kompetenz eines Patentanwalts hinausgehen. Auch begründen weder die Abstimmung und Neuformulierung der Patentansprüche, noch deren Auslegung derartige Umstände, zumal der Patentanwalt durch seine spezielle Ausbildung hierzu regelmäßig in besonderer Weise geeignet ist.“

BGH, I ZR 199/10 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung

BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 199/10 – Unbedenkliche Mehrfachabmahnung

Amtliche Leitsätze:

a) Die Stellung mehrerer nahezu identischer Unterlassungsanträge, die sich auf kerngleiche Verletzungshandlungen beziehen und ohne inhaltliche Erweiterung des begehrten Verbotsumfangs zu einer Vervielfachung des Streitwerts führen, kann ein Indiz für einen Rechtsmissbrauch sein.

b) Hat der Gläubiger den Schuldner bereits auf die Möglichkeit der Streitbeilegung durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung hingewiesen, ist eine zweite Abmahnung wegen desselben oder eines kerngleichen Wettbewerbsverstoßes nicht im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG berechtigt.

Teilanmeldungen beim EPA – immer noch Unsicherheit mit R. 36(1) EPÜ

Die Diskussion um den Zeitraum, in dem nach R. 36(1) a) und b) EPÜ eine Teilanmeldung eingereicht werden kann, wurde nunmehr um eine weitere Facette bereichert: Das EPA hat in der Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 nunmehr erläutert, dass eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ die Frist der Regel 36(1) a) EPÜ dann nicht auslöst, wenn sie von einem Formalsachbearbeiter unter Verwendung des Formulars 2001A erlassen wurde. Derartige Formalbescheide, die auf die in der Stellungnahme zum Europäischen Recherchenbericht erhobenen Einwände Bezug nehmen, wurden zwischen 2005 und 2012 in Fällen versandt, in denen der Anmelder auf eine vor dem 1.4.2010 erstellte Stellungnahme zum Recherchenbericht nicht (freiwillig) geantwortet hatte.

Kurz gesagt läuft die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 darauf hinaus, dass nicht jede Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ als Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Artikel 94(3) EPÜ im Sinne der R. 36(1) EPÜ zu verstehen ist. Dies nämlich dann nicht, wenn die Mitteilung unter Verwendung eines Formblatts von einem Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung erlassen wurde.

Zum besseren Verständnis der Historie dieser Mitteilung, sei zur Historie der Regel 36(1) EPÜ an Folgendes erinnert:

– Der Verwaltungsrat hatte mit Beschluss vom 25. März 2009 Fristen zur Einreichung von Teilanmeldungen eingeführt, um einem angeblichen Missbrauch durch Ketten von Teilanmeldungen entgegenzuwirken. Die Fristen wurden nach der ursprünglich beschlossenen Fassung der R. 36(1)a) und b) EPÜ ausgelöst durch „Bescheide“ (deutschsprachige Fassung) bzw. „communications“ (englischsprachige Fassung) der Prüfungsabteilung.

– Diese Regelung führte zu erheblicher Rechtsunsicherheit, die sich in umfangreicher Kritik im Schrifttum widerspiegelt. Beispielsweise war unklar, ob auch die Mitteilung nach R 161/162 EPÜ, die auch von der Prüfungsabteilung erlassen wird, die Frist der Regel 36(1) EPÜ a.F. auslöst.

– Das EPA war in der Folge sehr darum bemüht, hier Klarheit zu schaffen. Dies gipfelte in fast humoristisch anmutenden Klarstellungsversuchen, dass eben nicht jede Mitteilung der Prüfungsabteilung eine Mitteilung nach R. 36(1) EPÜ sei (siehe Mitteilung des EPA vom 20.8.2009, Buchst. a): „The Examining Division’s first communication is a communication under Article 94(3) and Rule 71(1), (2) EPC or, where appropriate, Rule 71(3) EPC.„) Für einen Überblick über die geäußerte Kritik siehe etwa Frischknecht und Kley in epi Information 3/2009 oder epi Information 1/2010.

– Erst durch einen weiteren Beschluss des Verwaltungsrates vom 26.10.2010 wurde die Situation durch eine klarere Fassung von R. 36(1) EPÜ verbessert. In der neuen (und derzeit geltenden Fassung) nimmt beispielsweise R. 36(1) a) EPÜ Bezug auf „the Examinin Division’s first communication under Article 94, paragraph 3, and Rule 71, paragraph 1 and 2, or Rule 71, paragraph 3„.

– Die oben genannte Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 führt nun aus, dass – trotz des Wortlauts der R. 36(1) EPÜ – eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ, die vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde, vom EPA nicht als fristauslösend für die Teilungsfrist der R. 36(1) EPÜ angesehen wird.

Auslöser für die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 war die Entscheidung J 9/10, in der sich die Juristische Beschwerdekammer damit zu befassen hatte, was der maßgebliche Zeitpunkt für den Beginn der Sachprüfung durch die Prüfungsabteilung für die Frage der Gebührenrückerstattung nach Art. 11 b) GebO ist. In dieser Entscheidung führt die Juristische Beschwerdekammer beispielsweise aus (J 9/10, r. 2.9): „It follows from the previous considerations that the communication of 28 May 2009 on EPO Form 2001A did not constitute an act of the examining division pertaining to the examination in accordance with Article 94(3) EPC.“

Die Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 hat mehrere für die Praxis bedeutsame Konsequenzen:

a) Der Angabe im Register, wann der erste Bescheid ergangen ist, ist für die Berechnung der Frist nach R. 36(1) EPÜ keine zuverlässige Grundlage mehr. Im Register wird (derzeit) nicht differenziert zwischen Bescheiden nach Artikel 94(3) EPÜ, die von der Prüfungsabteilung selbst erlassen wurden, und solchen, die von einem Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde.

b) Bei bereits notierten Fristen nach R. 36(1) EPÜ wird immer im Einzelfall geprüft werden müssen, ob die Frist nach der in der Mitteilung des EPA vom 3.12.2012 dargelegten Praxis bereits abgelaufen ist oder sich verlängert, weil eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassen wurde.

c) Wird eine Teilanmeldung innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach der ersten Mitteilung der Prüfungsabteilung, aber später als zwei Jahre nach der vom Formalsachbearbeiter für die Prüfungsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2001A erlassenen Mitteilung eingereicht, werden trotz allem Rechtsunsicherheiten bestehen, inwieweit sich diese Anmeldung oder ein darauf erteiltes Patent als rechtsbeständig erweist. Denn selbst wenn eine Mitteilung nach Artikel 94(3) EPÜ unter Verwendung des Formblatts 2001A nicht bedeutet, dass die Prüfungsabteilung mit der Sachprüfung begonnen hat (so J 9/10), bedeutet dies nicht, dass es sich dabei nicht doch um eine fristauslösende Mitteilung im Sinne der R. 36(1) EPÜ handeln kann. Klärung wird allenfalls durch die Rechtsprechung der Beschwerdekammern herbeigeführt werden können.

EU-Patent und nachveröffentlichter Stand der Technik

Es ist derzeit nicht ganz einfach, den Überblick über die aktuellen Entwicklungen beim EP-Patent mit einheitlicher Wirkung und dem geplanten Übereinkommen über die Schaffung eines Europäischen Patentgerichtssystems (im Folgenden: UPC-Übereinkommen) zu behalten. Bei einer Durchsicht der nun erlassenen Verordnung zur Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (genauer: der Verordnung über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutze – aus ersichtlichen Gründen wird diese im Folgenden nur noch als Patent-VO bezeichnet) ist mir folgender Punkt aufgefallen, den ich für sehr wichtig halte.

Die früheren Entwürfe für die Patent-VO sahen noch vor, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit eine Durchbrechung erfährt, wenn neuheitsschädlicher nachveröffentlichten Stand der Technik existiert. So hieß es in Artikel 5 des Entwurfs für die Patent-VO (Kommissionsdokument COM(2011) 215/3) noch:

„In the event of a limitation or a revocation on the ground of lack of novelty pursuant to Article 54(3) of the EPC [eigentlich gemeint gewesen sein dürften nationale nachveröffentlichte Dokumente nach Artikel 139(2) EPÜ oder Stand der Technik nach Artikel 54(3) EPÜ, Anm.], the limitation or revocation of a European patent with unitary effect shall take effect only in respect of the participating Member State(s) designated in the earlier European patent application as published.”

Diese Regelung ist im Rechtssetzungsverfahren (aufgrund von Änderungsvorschlägen im Rechtsausschuss des Parlaments) entfallen. Die erlassene Patent-VO betont vielmehr immer wieder den Grundsatz der Einheitlichkeit, ohne eine Spezialregelung für den Fall vorzusehen, dass nachveröffentlichter nationaler Stand der Technik einem Anspruch des EP-Patents mit einheitlicher Wirkung neuheitsschädlich entgegensteht.

So heißt es beispielsweise in der Patent-VO
– in ErwG (7): „Folglich sollte ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen, für nichtig erklärt oder erlöschen.“
– in Artikel 3(2): „Ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung hat einen einheitlichen Charakter. Es bietet einheitlichen Schutz und hat gleiche Wirkung in allen teilnehmenden Mitgliedstaaten. Es kann nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedstaaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden oder erlöschen.“

Auch die aktuellste der derzeit im Internet gut auffindbaren Fassungen des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen enthält keine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass nachveröffentlichter (nationaler) Stand der Technik einem Anspruch des EP-Patents mit einheitlicher Wirkung neuheitsschädlich entgegensteht. So verweist Artikel 38a(2) des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen auf Artikel 139(2) EPÜ: „The Court may revoke a patent, either entirely or partly, only on the grounds referred to in Articles 138(1) and 139(2) of the EPC.“ Artikel 139(2) EPÜ betrifft die neuheitsschädliche Wirkung des nachveröffentlichen (nationalen) Stands der Technik gegenüber dem entsprechenden nationalen Teil eines Europäischen Patents. Jedoch scheint auch diese Regelung im Entwurf für das UPC-Übereinkommen nicht mit der notwendigen Klarheit zu regeln, welche Wirkung eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung für das Patent mit einheitlicher Wirkung hat. Das „partly“ in Artikel 38a(2) des Entwurfs für das UPC-Übereinkommen scheint sich nur auf die Einschränkung des Anspruchs (d.h. des Schutzgegenstands) im Rechtsbestandsverfahren, nicht auf eine territoriale Beschränkung auf diejenigen Staaten zu beziehen, in denen es keinen neuheitsschädlichen nachveröffentlichten Stand der Technik gibt.

Nach meiner Auffassung könnten die derzeitigen Regelungen auf zweierlei Weise ausgelegt werden:

a) Eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung in nur einem der Staaten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten, würde dazu führen, dass das EP-Patent mit einheitlicher Wirkung insgesamt (also für alle Staaten) beschränkt oder nichtig erklärt werden muss. Zu diesem Ergebnis könnte man mit der Überlegung gelangen, dass aufgrund der Wirkung der nachveröffentlichten nationalen Anmeldung als Stand der Technik nach Artikel 139(2) EPÜ das EP-Patent mit einheitlicher Wirkung nicht in allen Staaten Bestand haben kann und daher – wegen Art. 3 (2) der Patent-VO – mit Wirkung für alle Staaten beschränkt oder widerrufen werden muss. Für eine solche Interpretation könnten auch die Historie des Rechtssetzungsverfahrens sprechen, in dem eine (ursprünglich vorgesehene) Regelung dahingehend, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit bei nachveröffentlichtem Stand der Technik durchbrochen wird, schlussendlich verworfen wurde. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass eine derart drastische Wirkung einer nachveröffentlichten nationalen Patentanmeldung tatsächlich beabsichtigt war, wenn man dem EP-Patent mit einheitlicher Wirkung zum Erfolg verhelfen wollte. Man könnte in diesem Fall einem Anmelder bzw. Patentinhaber wohl nie zur Eintragung der einheitlichen Wirkung raten.

ODER:

b) Eine neuheitsschädliche nachveröffentlichte nationale Patentanmeldung in nur einem der Staaten, die sich an der verstärkten Zusammenarbeit beteiligten, würde zwar dazu führen, dass die einheitliche Wirkung entfällt, nicht aber dazu, dass das EP-Patent auch mit Wirkung für die anderen Staaten beschränkt oder nichtig erklärt werden muss. Zu diesem Ergebnis könnte man mit der Überlegung gelangen, dass die nachveröffentlichte nationale Anmeldung als Stand der Technik nach Artikel 139(2) EPÜ nur das EP-Patent im entsprechenden „Kollisionsstaat“ betrifft und deswegen zu unterschiedlichen Anspruchssätzen in den unterschiedlichen Staaten führen würde. Dies lässt die Voraussetzung für die Eintragung der einheitlichen Wirkung entfallen (Art. 3 (3) der Patent-VO), stellt aber nicht den Rechtsbestand des EP-Patents in den anderen Staaten in Frage. Alternativ könnte der Patentinhaber die Ansprüche für alle Staaten so einschränken, dass sie neu gegenüber jedem nachveröffentlichten nationalen Stand der Technik sind. Dieses Ergebnis ist für den Patentinhaber deutlich weniger schlimm als bei der obigen Interpretation a), würde ihn aber immer noch vor die unangenehme Wahl stellen, entweder die Ansprüche selbst für die Staaten einschränken zu müssen, in denen es keinen nachveröffentlichten nationalen Stand der Technik gibt, oder die einheitliche Wirkung zu verlieren. Rechtliche Regelungen für den Fall, dass die einheitliche Wirkung nachträglich aufgrund unterschiedlicher Anspruchssätze in unterschiedlichen Staaten entfällt, wären in diesem Fall relevant (z.B. im Hinblick auf Jahresgebühren), scheinen aber weder in der Patent-VO noch im Entwurf für das UPC-Übereinkommen enthalten zu sein.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die oben skizzierte Interpretation a), die so drastische Wirkungen für den Schutzrechtsinhaber hätte, im Bereich der Gemeinschaftsschutzrechte durchaus vorkommt. So sieht beispielsweise Art. 25 Abs. 1 d) (ii) GGsmVO vor, dass ein nachveröffentlichtes nationales Geschmacksmuster eines EU-Mitgliedsstaats zur Nichtigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters führt.

Vielleicht bringen die weiteren Arbeiten am UPC-Übereinkommen und/oder an den Verfahrensregeln für das Patentgericht Klärung der skizzierten Fragen. Zu wünschen wäre dies jedenfalls.