BGH, I ZR 74/11 – Zweigstellenbriefbogen

BGH, Urteil vom 16. Mai 2012 – I ZR 74/11 – Zweigstellenbriefbogen

Amtliche Leitsätze:

a) Die Bestimmung des § 5a Abs. 2 UWG begründet keine generelle Informationspflicht, sondern verpflichtet grundsätzlich allein zur Offenlegung solcher Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann.

b) Ein Rechtsanwalt ist weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 5a Abs. 2 UWG verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen oder durch Ver-wendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ kenntlich zu machen, wo er seine Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO und wo er Zweigstellen unterhält.

c) Ein Rechtsanwalt ist nach § 10 Abs. 1 BORA nicht verpflichtet, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit in einer Zweigstelle verwendeten Briefbögen den Standort der Kanzlei im Sinne von § 27 Abs. 1 BRAO anzugeben. Er hat nach dieser Bestimmung auf solchen Briefbögen nur die Anschrift der Zweigstelle und nicht auch die Anschrift der (Haupt-)Kanzlei anzugeben.

J 4/11 – Anhängigkeit der Anmeldung

In J 4/11 (veröffentlicht in Abl. EPA 2012, 516) hat die Beschwerdekammer entschieden, dass eine europäische Patentanmeldung, die als zurückgenommen gilt, in der Wiedereinsetzungsfrist nicht mehr anhängig im Sinne von Regel 36 EPÜ ist. Teilweise war in der Literatur (z.B. N. Bouche et al. in epi Information 2011, 61 oder im Buch von Visser) darauf hingewiesen worden, dass die GBK-Entscheidung G 1/09 auch dahingehend (miss-)verstanden werden könnte, dass auch in der Wiedereinsetzungsfrist noch eine Teilanmeldung eingereicht werden kann.

Neues zum nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster

Die Klärung vieler offener Fragen zum nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster dürfte zu erwarten sein, wenn der EuGH die Vorlagefragen beantwortet, die der I. Zivilsenat des BGH in dem Vorlagebeschluss I ZR 71/10 – Gartenpavillon vom 16. August 2012 vorgelegt hat.

Die Vorlagefragen betreffen:

– Die Voraussetzungen für das Entstehen des Schutzes des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Art. 11 GGV) (Vorlagefrage 1). Dabei geht es insbesondere darum, ob die Verteilung von Abbildungen des Klagemusters an Händler, Zwischenhändler und Einkaufsverbände in bestimmtem Umfang für die Entstehung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ausreicht.

– Der Umfang des Formenschatzes nach Art. 7 Abs. 1 GGV. Konkret geht es im Streitfall um die Frage, ob die Ausstellung eines Musters in einem Ausstellungsraum in China oder die Zusendung des Musters an einen einzelnen Händler in der EU ausreicht, dass dieses Muster dem Klagemuster als neuheitsschädlicher Formenschatz entgegensteht. Allerdings ist fraglich, ob der EuGH auf die sehr breite Vorlagefrage 2 hin sehr erhellende und für die Praxis hilfreiche Antworten gibt, die über eine Wiedergabe des Gesetzestextes und den Hinweis, dass die entsprechenden Feststellung den Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichten obliegen, hinausgehen wird.

– Die Beweislast für das Vorliegen einer Nachahmung (Art. 19 GGV) (Vorlagefrage 3). In der Literatur wird bislang häufig die Auffassung vertreten, dass – ähnlich wie in der BGH-Rechtsprechung zum Nachahmungsschutz unter altem Geschmacksmusterrecht – eine Beweislastumkehr zugunsten des Schutzrechtsinhabers zu bejahen sein kann, wenn Klagemuster und angegriffenes Muster im Wesentlichen identisch sind.

– Verjährung und Verwirkung des Unterlassungsanspruchs aus dem nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Vorlagefragen 4 und 5). Nach dem Wortlaut der GGV käme nach Art. 88 Abs. 2 GGV i.V.m. Art. 8, Art. 15 h) Rom-II-VO für die Verjährungsvorschriften die Anwendung des Rechts der jeweiligen Mitgliedsstaaten in Betracht. Unter Hinweis auf der EuGH-Rechtsprechung zur Gemeinschaftsmarke (EuGH, C-316/05, Nokia) zieht der BGH jedoch nur eine einheitliche Verjährungsvorschrift für das gesamte Unionsgebiet in Betracht.

– Maßgebliches Recht für unionsweit geltend gemachte Vernichtungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche (Vorlagefrage 6). Vorgelegt wird die Frage, ob für derartige Ansprüche auf die Rechtsordnung der jeweiligen Mitgliedsstaaten abzustellen ist, für deren Bereich die Ansprüche geltend gemacht werden.

BGH, X ZR 99/11 – Fahrzeugwechselstromgenerator

BGH, Urteil vom 28. August 2012 – X ZR 99/11 – Fahrzeugwechselstromgenerator

Amtliche Leitsätze:

a) Die Vorlage eines Privatgutachtens in zweiter Instanz stellt nicht notwendigerweise neues Vorbringen dar. Der auf das Gutachten gestützte Parteivortrag ist nicht neu, wenn durch die Ausführungen des Gutachters Vorbringen aus der ersten Instanz zusätzlich konkretisiert, verdeutlicht oder erläutert wird.

b) Berufungsvorbringen im Patentnichtigkeitsverfahren, das auf eine bereits in erster Instanz vorgelegte Druckschrift gestützt wird, ist neu, wenn zu der konkreten technischen Information und den Anregungen zu der erfindungsgemäßen Lehre, die der Fachmann nach dem Berufungsvortrag der Schrift entnehmen soll, vor dem Patentgericht nicht vorgetragen worden ist.

c) Der Nichtigkeitskläger ist grundsätzlich nicht gehalten, den Angriff gegen die Patentfähigkeit des Streitpatents auf alle denkbaren Gesichtspunkte zu stützen, insbesondere mit einer Vielzahl unterschiedlicher Argumentationslinien zu begründen, warum der Gegenstand der Erfindung durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt sei.

BGH, I ZR 102/11 – Stimmt’s?: Titelschutz für Teile einer Druckschrift

BGH, Urteil vom 22. März 2012 – I ZR 102/11 – Stimmt’s?

Amtliche Leitsätze:

a) Titelschutz kann auch der Bezeichnung einer regelmäßig nur wenige Absätze umfassenden Kolumne zukommen, die zu einem bestimmten Themengebiet in einer Zeitung oder Zeitschrift erscheint.

b) Bei schutzfähigen Titeln für Teile einer Zeitung oder Zeitschrift kommt es für die Frage der Verwechslungsgefahr maßgeblich auch auf Form und Inhalt der medialen Einbettung der angegriffenen Bezeichnung an, wobei unter anderem die typische Art der Präsentation der Beiträge (z.B. nur Text oder auch Bilder) erheblich ist.

BGH, X ZR 51/11 – Flaschenträger

BGH, Beschluss vom 24. Juli 2012 – X ZR 51/11 – Flaschenträger

PatG § 139 Abs. 2, ZPO § 287

Amtliche Leitsätze:

a) Der Schutzrechtsverletzer ist verpflichtet, den durch die Verletzungshandlungen erzielten Gewinn vollständig insoweit, aber auch nur insoweit herauszugeben, als er auf der Benutzung des immateriellen Schutzguts beruht.

b) Für die Bestimmung des Anteils des herauszugebenden Verletzergewinns ist bei einer Patentverletzung wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf den durch die Benutzung der Erfindung vermittelten technischen Eigenschaften des Produkts oder anderen für die Kaufentscheidung der Abnehmer erheblichen Faktoren beruht. Die Höhe des herauszugebenden Verletzergewinns ist insoweit vom Tatrichter unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung zu schätzen.

c) Der Einwand des Verletzers, er hätte den Gewinn auch bei einem nicht das Schutzrecht verletzenden Verhalten erzielen können, ist bei Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns unbeachtlich. Eine nichtverletzende Produktgestaltung, die im Verletzungszeitraum tatsächlich nicht zur Verfügung stand, ist für die Beurteilung der mit der Benutzung des Schutzrechts verbundenen Marktchancen in diesem Zeitraum und damit für die Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns unerheblich.

Aus der Urteilsbegründung:

Der durch die Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts zu kompensierende Schaden ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits in der Beeinträchtigung des absoluten Rechts und der mit diesem verbundenen, allein dem Inhaber zugewiesenen Nutzungsmöglichkeiten zu sehen (BGH, Urteil vom 25. September 2007 – X ZR 60/06, BGHZ 173, 374 = GRUR 2008, 93 – Zerkleinerungsvorrichtung; Urteil vom 14. Mai 2009 – I ZR 98/06, BGHZ 181, 98 = GRUR 2009, 856 = WRP 2009, 1129 – Tripp-Trapp-Stuhl; Urteil vom 20. Mai 2009 – I ZR 239/06, GRUR 2009, 864 = WRP2009, 1143 – CAD-Software; Urteil vom 29. Juli 2009 – I ZR 169/07, GRUR 2010, 239 = WRP 2010, 384 – BTK). Der Schaden besteht darin, dass der Verletzer die von dem immateriellen Schutzgut vermittelten konkreten Marktchancen für sich nutzt und sie damit zugleich der Nutzung durch den Schutzrechtsinhaber entzieht.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der Verletzte zur Kompensation dieses Schadens zwischen drei methodischen Ansätzen wählen kann: der konkreten, den entgangenen Gewinn einschließenden Schadensberechnung sowie der Geltendmachung einer angemessen Lizenzgebühr und der Herausgabe des Verletzergewinns. Ziel der Methoden ist die Ermittlung desjenigen Betrags, der zum Ausgleich des erlittenen Schadens erforderlich und angemessen ist (Melullis, GRUR Int. 2008, 679) und damit um die Ermittlung des wirtschaftlichen Werts des Schutzrechts, der in ihm verkörperten Marktchance, die durch den erwarteten, aber entgangenen Gewinn des Schutzrechtsinhabers, durch den tatsächlichen Gewinn des Verletzers oder aber die Gewinnerwartung erfasst wird, die vernünftige Vertragsparteien mit dem Abschluss eines Lizenzvertrages über die Nutzung des Schutzrechts verbunden hätten.

In welchem Umfang der erzielte Gewinn auf die Schutzrechtsverletzung zurückzuführen ist, lässt sich regelmäßig – zumindest mit praktisch vertretbarem Aufwand – nicht genau ermitteln, sondern nur abschätzen. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn ist daher nicht im Sinne adäquater Kausalität zu verstehen. Vielmehr ist wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf mit dem verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstandes oder anderen Faktoren beruht (BGHZ 181, 98 Rn. 41 – Tripp-Trapp-Stuhl). Die Höhe des herauszugebenden Verletzergewinns lässt sich insoweit daher nicht berechnen. Der Tatrichter hat viel-mehr gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 21. September 2006 – I ZR 6/04, GRUR 2007, 431 = WRP 2007, 533 – Steckverbindergehäuse) nach freier Überzeugung darüber zu entscheiden, ob zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn der ursächliche Zusammenhang im Rechtssinne besteht und wie hoch der danach herauszugebende Gewinnanteil zu beziffern ist (BGHZ 119, 20, 30 – Tchibo/Rolex II; BGHZ 181, 98 Rn. 42 – Tripp-Trapp-Stuhl). Die Grundlagen dieser Schätzung sind – soweit möglich – objektiv zu ermitteln, und über bestrittene Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen ist Beweis zu erheben (BGH, Urteil vom 30. Mai 1995 – X ZR 54/93, GRUR 1995, 578 – Steuereinrichtung II). Die Gesamtheit aller Umstände ist sodann abzuwägen und zu gewichten (vgl. BGHZ 119, 20, 30 – Tchibo/Rolex II).

Es ist nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht annimmt, der herauszugebende Verletzergewinn sei deshalb nicht höher anzusetzen, weil die patentgemäße Erfindung lediglich eine Detailverbesserung eines bereits bekannten Produkts darstellte. Der Revision der Klägerin kann nicht gefolgt werden, wenn sie ausführt, die vom Berufungsgericht vorgenommene Differenzierung von Patenten nach den Kriterien „Detailverbesserung“ einerseits und „revolutionäres Schutzrecht“ andererseits, sei eine generalisierende sachfremde Einordnung in Patentqualitätskriterien, die die im Einzelfall für die Nachfrage maßgeblichen Faktoren ausblende. Die Ermittlung des Abstands der geschützten Erfindung gegenüber dem Stand der Technik lässt Schlüsse darauf zu, in welchem Maß die Nachfrage des Produkts auf die mit der Verwendung des Patents zusammenhängenden technischen Eigenschaften des veräußerten Gegenstands zurückzuführen ist. Sie spiegelt wider, dass die Verkaufs- und Erlösaussichten des erfindungsgemäßen Produkts davon abhängen, ob und in welchem Umfang gleichwertige Alternativen und damit Umgehungsmöglichkei-ten des Patents im Verletzungszeitraum zur Verfügung standen (vgl. BGH, Ur-teil vom 30. Mai 1995 – X ZR 54/93, GRUR 1995, 578 – Steuereinrichtung II). Ergibt sich, dass gegenüber dem erfindungsgemäßen Produkt im Wesentlichen gleichwertige Alternativen existieren, da es sich lediglich um eine Detailverbesserung eines bereits bekannten Produkts handelt, ist eher anzunehmen, dass der Kaufentschluss nicht allein auf der Verwendung der technischen Lehre, sondern auf weiteren Faktoren beruht (vgl. BGHZ 181, 98 Rn. 52 – Tripp-Trapp-Stuhl). Handelt es sich demgegenüber um ein neues Produkt, das neue Einsatzgebiete erschlossen hat und zu dem es keine solchen Alternativen gab, kann eher angenommen werden, dass der Kaufentschluss gerade auf die Verwendung des Patents zurückzuführen ist.

Es kann offen bleiben, ob bei der Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns – nicht anders als bei der Geltendmachung eines entgangenen Gewinns – schon diejenige Marktchance zugunsten des Schutzrechtsinhabers geschützt ist, die sich daraus ergibt, dass der Schutzrechtsinhaber aufgrund seines Ausschließlichkeitsrechts jeden Dritten daran hindern kann, ein mit seinem schutzrechtsgemäßen Erzeugnis (technisch) identisches Produkt auf den Markt zu bringen, und dies einmal vom Schutzrechtsinhaber gewonnene Abnehmer veranlassen kann, im Interesse der Kontinuität ihrer betrieblichen Abläufe oder ihres Angebots von einem Lieferantenwechsel abzusehen, oder ob dies nur dann bei Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns zu berücksichtigen ist, wenn es die technischen Vorteile der Erfindung waren, die den Abnehmer (mit-)veranlasst haben, Produkte des Verletzers anstelle der Produkte des Patentinhabers zu beziehen.

Auf das Vorbringen der Beklagten, mit dem sie rechtmäßiges Alternativverhalten einwendet, kommt es nicht an. Rechtmäßiges Alternativverhalten stellt eine hypothetisch gebliebene Schadensursache dar, so dass die Frage seiner Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung eine am Schutzzweck der verletzten Norm ausgerichteten Wertung erfordert (BGH, Urteil vom 20. Juli 2006 – IX ZR 94/03, BGHZ 168, 352). Hiernach ergibt sich, dass dieser Einwand bei Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns unbeachtlich ist. Eine technische Lösung, die im Verletzungszeitraum tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden hat, ist für die Beurteilung der Marktchancen der Erfindung in diesem Zeitraum und damit auch für die Bestimmung des herauszugebenden Verletzergewinns unerheblich. Die Herausgabe des Verletzergewinns zielt auf eine Kompensation des Umstands, dass sich der Verletzer bei Umsatzgeschäften die erfindungsgemäße Lehre zu Nutze gemacht und damit die von der Rechtsordnung dem Schutzrechtsinhaber zugewiesene Marktchance für sich genutzt hat. Ausgangspunkt ist daher die Verletzung des Schutzrechts. Die Berücksichtigung des genannten Einwands des Verletzers stünde im Widerspruch zu Sinn und Zweck der Kompensation der Rechtsbeeinträchtigung in der Form der Herausgabe des Verletzergewinns und insbesondere zu dem Gedanken, dass der Verletzte durch die Herausgabe des Verletzergewinns so zu stellen ist, als hätte er ohne die Rechtsverletzung den gleichen Gewinn wie der Verletzer erzielt.

BGH, I ZR 21/11 – Sandmalkasten: Wettbewerblicher Leistungsschutz für eine Sachgesamtheit

Amtliche Leitsätze:

BGH, Urteil vom 22. März 2012 – I ZR 21/11 – Sandmalkasten

a) Die aus einem Erzeugnis und mit diesem funktional zusammenhängenden Zubehörstücken bestehende Sachgesamtheit kann Gegenstand des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UWG sein, wenn der konkreten Ausgestaltung oder der besonderen Kombination der Merkmale wettbewerbliche Eigenart zukommt (Fortführung von BGH, GRUR 2005, 166 – Puppenausstattungen).

b) Eine wettbewerbliche Eigenart setzt nicht voraus, dass die zur Gestaltung eines Produkts verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Auch ein zurückhaltendes, puristisches Design kann geeignet sein, die Aufmerksamkeit des Verkehrs zu erwecken und sich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts einzuprägen.

GBK 1/10: Regel 140 EPÜ steht nicht für die Korrektur von Fehlern in Patenten zur Verfügung

Die Entscheidung G 1/10 der Großen Beschwerdekammer ist nunmehr auf den Websites des EPA abrufbar. Nach der Entscheidung können offensichtliche Fehler im Text oder in den Figuren eines erteilten Patents nicht mit einem Antrag auf Korrektur offensichtlicher Fehler nach R. 140 EPÜ korrigiert werden. Die GBK stellt nicht in Frage, dass Text und Figuren des erteilten Patents integraler Bestandteil einer Entscheidung der Prüfungsabteilung sind, nimmt diese aber trotzdem vom Anwendungsbereich der R. 140 EPÜ aus. Dies wird in erster Linie mit der Zäsurwirkung der Patenterteilung begründet, die – vorbehaltlich der Einspruchs-, Beschränkungs- und Widerrufsverfahren vor dem EPA – zum Zerfall des europäischen Patents in ein Bündel nationaler Schutzrechte führt, die der nationalen Jurisdiktion unterworfen sind. Zweckmäßigkeitsüberlegungen würden ebenfalls dafür sprechen, eine Korrektur des Patents nach R. 140 EPÜ nicht zuzulassen.

Auch wenn beispielsweise ein Schreibfehler im erteilten Patent offensichtlich und die gewollte Bedeutung unzweideutig erkennbar ist (was für die „Offensichtlichkeit“ des Fehlers nach R. 140 EPÜ erforderlich sein dürfte), muss der Patentinhaber also mit diesem Fehler leben. Die Bedeutung der kritischen Durchsicht des Druckexemplars, das mit der Mitteilung nach R. 71(3) EPÜ übermittelt wird, sollte also nicht unterschätzt werden. Die GBK deutet bereits an, dass die Grundsätze der Entscheidung G 1/10 wohl nicht auf die Korrektur bibliographischer Angaben anwendbar sind.

Keine erhöhte Streitwertschätzung mit Motivationswirkung

In dem – weithin kritisch diskutierten (vgl. Rojahn/Lunze in Mitt. 2012, 533; Beyerlein/Beyerlein, Mitt. 2012, 542; Stjerna, Mitt. 2012, 546) – Beschluss „Du sollst nicht lügen II“ des OLG Düsseldorf schlägt der Patentsenat des OLG Düsseldorf aus Praktikabilitätsüberlegungen vor, dass das Gericht einen hohen Streitwert festsetzen kann, um die Parteien zur Mitwirkung bei der Streitwertfestsetzung zu motivieren. So führt der Senat aus, „dass in Fällen, in denen die Parteien ihre Mitwirkung an einer sachgerechten Streitwertfestsetzung verweigern, vom Gericht ein Streitwert geschätzt wird, der so hoch ist, dass er die Parteien zuverlässig motiviert, z.B. im Rahmen eines Antrages auf Streitwertkorrektur ihrer Mitwirkungspflicht wahrheitsgemäß nachzukommen.“

In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass eine Motivation des Beklagten durch hohe Streitwertangaben schon deswegen nicht in Betracht kommen kann, da nur der Kläger Kostenschuldner des Gerichtskostenvorschusses ist. Das Gericht könne dem Kläger (und nur diesem) eine Verzögerungsgebühr auferlegen oder ggf. einen Sachverständigen einschalten (vgl. Rojahn/Lunze in Mitt. 2012, 533; Beyerlein/Beyerlein, Mitt. 2012, 542; Stjerna, Mitt. 2012, 546), nicht aber bewusst einen hohen Streitwert schätzen. Andere Rechtsmittelgerichte sind dem OLG Düsseldorf nicht gefolgt (vgl. etwa OLG Frankfurt, Beschluss vom 3.11.2011, Mitt. 2012, 94).

Auch aus der Entscheidung BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – X ZR 104/09 – „antimykotischer Nagellack II“ in einer arbeitnehmerrechtlichen Sache kann geschlossen werden, dass der vom OLG Düsseldorf vorgeschlagenen Praxis der Schätzung eines hohen Streitwerts mit „Motivationswirkung“ nicht gefolgt werden kann. So führt der X. Zivilsensat aus, dass der Streitwert „grundsätzlich nach dem Betrag zu bemessen ist, den das Gericht aufgrund des Sachvortrags des Klägers als angemessen erachtet. Offensichtlich übertriebene Einschätzungen und Angaben insbesondere zu Umständen, über die der Beklagte erst Auskunft erteilen soll, haben dabei außer Betracht zu bleiben.“ Eine Schätzung des Streitwerts, die zuverlässig zu einem Antrag auf Streitwertkorrektur führen muss, wäre mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar.